Sobota 24. èervna 1922

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 154. schùzi poslaneckì snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v sobotu dne 24. èervna 1922.

1. Øeè posl. Warmbrunna (viz str. 1328 tìsnopisecké zprávy):

Sehr geehrte Damen und Herren! Schon vor dem Kriege, wo die bürgerliche Staatsordnung noch verhältnismäßig normal funktionierte, war die Verseuchung des Volkes durch Geschlechtskrankheiten eine recht bedenkliche. Es ist begreiflich, daß während des Weltkrieges und unmittelbar nach ihm die Zahl der Geschlechtskrankheiten nicht kleiner wurde, sondern so anschwoll, daß sich die Regierungen veranlaßt sahen, etwas zu tun. Die Regierungen der bürgerlichen Staaten können dagegen aber nichts anderes tun, als eben Gesetze erlassen, die im Rahmen dieser gesellschaftlichen Ordnung diesem Übel der Verseuchung begegnen wollen. Dieser Erwägung ist auch der Regierungsantrag entsprungen, der vor uns liegt und der etwa in 30 Gesetzesabsätzen dieser Volksseuche an den Leib rücken will.

Es ist Ihnen bekannt, daß die Ärzte, die auf dem Boden der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung stehen, sich herumstreiten, ob diese Vorlage in der Praxis überhaupt irgendetwas Nenneswertes zur Besserung der Verhältnisse beitrage und ein großer und bedeutender Teil der Ärzteschaft, zum Beispiel die Naturheilärzte, die Vorlage strikte ablehnen. Wenn ich mir nun, der ich kein Arzt bin, für unsere Fraktion das Wort zu dieser Vorlage erbeten habe, so geschah dies in der Erwägung, daß die Verseuchung des Volkskörpers durch die Geschlechtskrankheiten, die tatsächlich in erschreckenden Dimensionen besteht, mit der Struktur der bürgerlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung in ursächlichstem Zusammenhange steht. Die Geschlechtskrankheiten stellen, wie dies die Vorlage selbst zugibt, eine Volksseuche dar, die gleichsam wie eine riesig angeschwollene Eiterbeule am Volkskörper sitzt. Diese Eiterbeule zeigt mehr, als daß sie da ist. Seien wir gründlich! Diese Eiterbeule am Volkskörper zeigt eindringlich, daß die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung und mit ihr die Lebensordnung der Menschen in den kapitalistischen Staaten so faul und im Sinne eines gesunden Lebenssystems unnatürlich und pervers geworden ist, die Wirtschaftsordnung mit ihrer bürgerlichen Moral hält das Leben eines jeden einzelnen von uns unter solchen unnatürlichen Zwangsgesetzen, unter solchen Vorurteilen, daß sich die Natur, die sich nicht vergewaltigen läßt, dadurch rächt, daß sie am Volkskörper ein Geschwür aufbrechen läßt. Unser ganzes Leben ist unter dem Fluche der kapitalistischen und bürgerlichen Wirtschaftsordnung krank und elend geworden. Schließlich und endlich entspringen die Geschlechtskrankheiten keinem anderen Grunde, als die anderen Volksseuchen, zum Beispiel die Tuberkulose. Die ganze Gesellschaftsordnung des Bürgertums ist es, unter der der Körper des Proletariats niedergehalten wird und unter der er leiden muß. Die Revolution hat keine gründliche Arbeit getan, sie hat den Sumpf dieser Gesellschaftsordnung nur aufgewühlt. In dieser Gesellschaftsordnung werden alle Institutionen faul, und zwar umsomehr, je länger sie dauern. (Sehr richtig!) Unser ganzes Leben ist vergiftet unter einer Wirtschaftsordnung, in der die Zentralsonne der Profit und das Geschäft ist.

Was ist unsere Ehe? Ist sie eine Einrichtung des freien natürlichen Gefühles der Liebe? Nein, sie ist in dieser Gesellschaftsordnung ein elender Geschäftsabschluß geworden zwischen einem wirtschaftlich stärkeren und einem wirtschaftlich schwächeren Menschen. Nehmen Sie irgend einen Annoncenteil irgend einer Zeitung her, dann werden Sie es bestätigt finden. Nach dieser Gesellschaftsordnung kann erst geheiratet werden, wenn das Geschäft gesichert ist. Hat der Mann kein Geld und nicht das nötige Einkommen, dann kann er sich mit seinem Weibe nicht verbinden, auch wenn die Verbindung menschlich und soziologisch noch so berechtigt und nützlich wäre. Ein großer Teil der arbeitenden Menschen kann, da das Einkommen aus der redlichen Arbeit in dieser Wirtschaftsordnung noch nicht die Berechtigung zum menschenwürdigen Leben gibt, überhaupt sich nicht ehelich verbinden, wenn er nicht diese eheliche Verbindung mit lebenslänglichem Familienelend bezahlen will. Der frische Strom des Lebens, der aber zu erfolgreicher Liebe und Fortpflanzung treibt, wird durch das Räderwerk dieser Ordnung niedergehalten. Weil er sich aber nicht niederhalten läßt und das Leben stärker ist, so wird er in perverse Straßen des Auslebens gedrängt, deren Folgen dann die Verseuchung ist.

Das Gesetz genügt nicht, um die Ausrottung der Geschlechtskrankheiten auch nur in die Wege zu leiten. Geschlechtskrankheiten sind Infektionskrankheiten und müssen so behandelt werden, wie alle Infektionskrankheiten, z. B. Typhus, Blattern. Die Infektionsk ankheiten werden allgemein mit Anzeigepflicht und Behandlungszwang, etwa Isolierung der gefährdenden Personen behandelt. Daß dieser Weg im allgemeinen richtig ist, zeigt die Ausrottung der Lepra, Blattern und der Cholera. Aber die Maßnahmen, die das Gesetz gegen die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten unternimmt, sind unvollkommen, müssen unvollkommen bleiben. Es dürfte keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, zwischen anständiger und prostituierter Frau, zwischen Männern und Frauen kennen. Ich sehe ein, daß das das Gesetz nicht kann und nicht will, denn es ist eben ein Gesetz, dem die bürgerliche Staatsordnung Voraussetzung ist. In dieser Staatsordnung liegt über dem Sumpfe einer unnatürlichen Wirtschaftsordnung der undurchdringliche Nebel der bürgerlichen Vorurteile, der bürgerlichen Gesellschaftsbegriffe, eine Moral, die aus dem Profite stieg und, um dies zu verdecken, sich mit Draperien der christlichen Pfaffenmoral umgab. Beim Studium dieser Gesetzesparagraphen spürt man es ordentlich, wie die Mentalität, der der Entwurf entsprang, nicht frei nach hygienischen Notwendigkeiten sich leiten ließ, nein, wie ihr fortwährend die Fesseln der herrschenden bürgerlichen Moralbegriffe den Weg verlegten, wie sie ihr ängstlich aus dem Wege ging, statt daß sie, was das einzig richtige gewesenwäre, diese Begriffe einfach totgeschlagen hätte, dadurch, daß sie furchtlos den Standpunkt einer vorurteilsfreien Ethik eingenommen hätte. Und welches wäre diese Ethik? Jene, deren Grundlage nur hygienische, medizinische Wahrheiten und Notwendigkeiten sind.

Nach der bürgerlichen Ideologie gelten alle diese Krankheiten, auf die sich das Gesetz bezieht, also Syphilis, Gonorrhoe und das Ulcus molle, als sogenannte geheime Krankheiten, als Krankheiten, die in der bourgeoisen Gesellschaft am meisten vorkommen, von denen man aber aus sogenannter Anständigkeit nicht spricht. Und die Pfaffenmoral hat durch ihren Einfluß in der Kirche und Schule noch ein übriges zu dieser Falschheit beigetragen. Erinnern Sie sich an das sechste Gebot, wo durch diesen Begriff der "Unkeuschheit", die als eine der größten Sünden hingestellt wurde, gleichsam ein lüsterner Wall in diese Moralwelt des anständigen Bürgertums kam, die in der Wirkung einer Zwangsvorstellung erst recht eine perverse unnatürliche Lebensweise in geschlechtlicher Beziehung, weil so sündhaft, als lockenswert erscheinen ließ. Sehen Sie sich als Illustration hiezu das Leben der Pfaffen selbst an, die diese Moral erfanden. Es ist doch bekannt, daß diese katholischen Pfaffen wegen ihrer unnatürlichen Bindung an den Zölibat und deswegen, weil sie keine Lust haben, ihre Glieder verkümmern zu lassen, das perverseste Geschlechtsleben führen und die größten Prostituten darstellen.

Geheime Krankheiten kann man nicht beheben, weil sie eben geheim sind und man sie nicht kennt. Es muß daher ein modernes Gesetz zur Ausrottung der Geschlechtskrankheiten eine Meldepflicht unbedingt haben. Eine solche ist z. B. in Dänemark seit 1920, aber namenlos eingeführt. Ebenso ist in Kanada die Meldepflicht aller Geschlechtskranken obligatorisch, sie werden mit Nummern registriert. Paragraph 8 gäbe eine Handhabe, eine Meldepflicht ohne Angabe von Namen durchzuführen.

Ein Wort noch zur Belehrung der schulpflichtigen und der schulentlassenen Jugend. Es nützt alles nichts, wenn nicht hier auf dem Schulboden die Hebel ang esetzt werden. Hier müßte die Verlogenheit der bürgerlich-christlichen Moral ordentlich aus den Fugen gehoben werden. Hier müßte dafür gesorgt werden, daß das neue Geschlecht nicht jene blöden Begriffe über Sittlichkeit und Geschlechtsleben bekommt, wie wir sie haben. Die jetzige Methode ist die, daß man die Kinder unwissend und unaufgeklärt läßt oder ihnen Lügenmärchen erzählt. Denken Sie an das Storchmärchen. Ja, schon dieser Storch müßte gründlich vertrieben werden. Nicht Lehrer und auch nicht Eltern dürften diese Belehrung vornehmen, sondern Ärzte. An den Hochschulen müßten Lehrkanzeln für Sexualhygiene und Sexualpädagogik, Zwangskollegien für Lehrer und Mediziner eingerichtet werden. Wie interesselos da vorgegangen wird, zeigt, daß beispielsweise die deutsche medizinische Fakultät vor 1 1/4 Jahren für einen Fachmann auf diesem Gebiete einen Lehrauftrag verlangt hat. Vorschläge wurden erstattet, bis heute aber nichts gemacht. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda inž. Botto.)

Ich kann mich der Zeit halber nicht weiter dabei aufhalten, auch hätte die Vorführung moderner Erziehungsgrundsätze keinen Sinn, denn gerade auf dem Erziehungs- und Schulgebiete erscheint mir die bürgerliche Verbohrtheit der Mehrzahl der Herren und Damen, die jetzt die Nationalversammlung darstellen, als hoffnungslos.

- Und nun noch einige Worte zum zweiten Teil des Gesetzes, der sich mit der Prostitution befaßt. Die Aufhebung der Bordelle ist zu begrüßen, aber wir vermissen eine energische Bestimmung, welche die Ausnützung der Frau im Interesse des Alkoholkapitals unmöglich macht. Sie haben auch hier wieder die Hohlheit und Nichtigkeit, der der bürgerliche Gesetzgeber nicht beikommen kann, weil sie eben der Gesellschaftsordnung entspringt, die er nicht antasten darf. Wenn ein Unternehmer ein 17jähriges Mädchen für achtstündige Tagesarbeit monatlich mit 300 Kè bezahlt, dann ist es natürlich, daß das Mädchen, um bloß leben zu können, sich verkaufen muß. Und was kann sie anderes verkaufen, als die Reize ihres Körpers? Da sehen Sie das Heuchlerische an der ganzen Ordnung. Warum haben Sie keine Bestimmungen hineingenommen, die die Anstellung von Mädchen und Frauen unter 21 Jahren in Nachtlokalen, Bars, Tanzstuben, Weinhäusern verbietet? Weil sie dem Geschäft, dem Profit dieser Alkoholunternehmungen nicht nahetreten wollten. Wenn in einem Prager Varieté ein 16jähriges Mädchen als Tanzkünstlerin auftritt, so bedeutet dies nichts anderes, als eine Ausrede zur Betreibung von Prostitution. Wenn in Varietés und Bars die weiblichen Angestellten Parkettverpflichtung haben, ein Zwang, der zwar nicht vom Unternehmer ausgesprochen wird, de facto aber besteht, weil das Mädchen, sobald sie sich dieser Verpflichtung entzieht, ihre Stellung verliert, so heißt das Prostitution zugunsten des Unternehmers. Wenn eine Kellnerin bloß 400 Kronen monatlich verdient und das ist viel! - und nebenbei Prozente von dem, was der Gast vertrinkt, so bedeutet das Zwang zur Prostitution, denn die Gäste gehen in die Weinstuben mit Damenbedienung nicht des Weines wegen, auch nicht der Musik wegen, sondern des Weibes wegen, und wehe dem angestellten Weibe, das nicht jeder männlichen Bestie zu Willen wäre, die eine genügende Zeche gemacht hat. Schauen Sie sich die Plakate an, die derVergnügungspark "Eden" angeklebt hat. Eine Schlange mit dem Apfel im Maule, deren Leib ein Pärchen herabrutscht, wobei man dem Weibe schon zumindest die Halbwelt ansieht. Diese Symbolik ist deutlich und die gerissenen Kapitalisten des Vergnügungsparkes wissen, daß Weiberfleisch eine zugkräftige Ware ist. Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ist nicht möglich, wenn nicht der private Eigennutz aller Nutznießer, der Wirte, Brauer, Likörfabrikanten, ausgeschaltet ist.

§ 17 spricht über die Aufsicht der verwahrlosten Jugend. Nichts charakterisiert die heuchlerische Unverschämtheit unserer bürgerlichen Gesetze und auch dieses Gesetzes besser als dieserParagraph. Wer hat die Jugend verwahrlosen lassen? Wer läßt die ledigen Mütter ohne Hilfe zugrunde gehen oder Kindesmörderinnen werden oder der Prostitution sich in die Arme werfen, als das Räderwerk dieser feinen Gesellschaftsordnung. Wer nimmt sich der Erziehung der unehelichen Kinder an? Niemand! Wer schweigt dazu, wenn Zehntausende jährlich im Mutterleib getötet werden, wer zwingt die Mütter, die unehelichen Kinder mit eigenen Händen zu erwürgen und wer verurteilt dann die Mütter? Das sind dieselben Männer, die die jungen Mädchen mit Hilfe der sozialen Not und des Alkohols verführen, die Verführten sitzen lassen, die Geschwängerten dem Schicksal preisgeben, sich um die Früchte ihrer Liebe nicht kümmern und schließlich als Richter, Geschworene und Pfaffen mit der entrüsteten Bourgeoisiefratze des bürgerlichen Rechtes über ihre eigenen Opfer zu Gericht sitzen. (Potlesk komunistických poslancù.)

Meine Damen und Herren! Wie alle Gesetze, die Sie erlassen, so zeigt auch dieses Gesetz, daß Sie den Sumpf, aus dem die bestehende Ordnung stinkt, mit noch so gut ausgeklügelten Gesetzesparagraphen nicht verdecken oder gar bezwingen können. Machen Sie, was Sie wollen, der Sumpf ist aufgewühlt. In dem Getriebe einer ungerechten verbrecherischen Wirtschaftsordnung grollt es nicht weniger, als 1914. Die Beule, die Sie durch ein Pflästerchen heilen wollen, ist die Beule an einer kranken Gesellschaftsschichte, die nicht mehr gesund wird. (Potlesk komunistických poslancù.)

2. Øeè posl. J. Fischera (viz str. 1345 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Es war ein denkwürdiger Tag im Kulturleben dieses Staates, als sich am 28. März die Vertreter der gesamten Lehrerschaft aller Nationen und Parteien in Smíchov zu einer Massenkundgebung einfanden, um ihrer Erbitterung und tiefsten Entrüstung Ausdruck zu geben über die Schaffung des Gesetzes vom 21. Dezember 1921 und um einen gemeinsamen Hilferuf über das durch dieses Gesetz entstandene Elend an die Stätte der Gesetzgebung zu senden. Das Dezembergesetz ist ein Raub an den Lehrerfamilien und ein Verbrechen an dem Volke. Es ist einem klar denkenden Menschen unbegreiflich und unfaßbar, daß die Regierung und die Mehrheitsparteien dieses Hauses in den Zeiten hochgehender politischer und Wirtschaftskrisen auch auf kulturellem Gebiete solche Selbstmordversuche unternehmen und sich tiefe Wunden im eigenen Fleische beibrachten. Heute haben Sie Gelegenheit, das begangene schwere und große Unrecht wieder gutzumachen. Rasche Hilfe ist notwendig, sonst werden Sie die Geister, die Sie riefen, nicht mehr los. Mit der in böswillige Tat umgesetzten wahnsinnigen Idee der Ersparungskommission haben Sie die gesamte Lehrerschaft nicht nur aufs schwerste materiell getroffen, sondern dieselbe auch moralisch tief verletzt. Die Schule ist eine der ersten Volksnotwendigkeiten und festigt und sichert die gesamte Volkswirtschaft, und Sie haben in diesem Hause durch ihre unheilvolle Gesetzgebung dem Schulwesen des Volkes den Todesstoß versetzt. Entweder sind die Mehrheitsparteien der Regierung bar jeder Verantwortung und Vernunft, oder es war eine ausgesuchte Böswilligkeit, der Lehrerschaft für alle ihre Arbeit einen Fußtritt zu versetzen. Die Folgen aber werden jene treffen, welche diese Nero-Tat vollbrachten.

Als die Nationalitätenversammlung im Jahre 1919 das Paritätsgesetz beschloß, um nach jahrzehntelangem Kampfe der Lehrerschaft nach Gleichstellung ihrer Bezüge mit jenen der Staatsbeamten mit gleicher Vorbildung deren Wünsche zu erfüllen, ging eine Neubelebung durch unsere Volks- und Bürgerschule. Aber Neid und Unverstand ließen die Lehrpersonen diesen Frühling nur kurz genießen, damit sie nach Vernichtung durch das Dezembergesetz 1921 die Mißbewertung der Lehrerarbeit und eines guten modernen Schulwesens durch eine undemokratische und rückschrittliche Regierung umsomehr empfindet. Ihr meuchelmörderischer Dolch traf nicht allein Lehrer und Schule, Sie stießen ihn dem Volke ins Herz, damit es geistig verblute, verdumme und in die Zeiten der Finsternis zurücksinke. Oder hat die Mehrheit dieses Hauses den Maßstab für geistige Arbeit und Gerechtigkeit verloren? Oder ist es in der Republik schon so weit, daß das Studium und die Aufwendung von Studienfleiß und Kapitalien nur schaden?

Lassen Sie uns heute nicht tauben Ohren predigen und trachten Sie, Ihr großes Unrecht gutzumachen, indem das Haus, das schon so viel an Ernst, Würde, an Glauben und Vertrauen verlor, daß fast nichts mehr zu verlieren ist, die Abänderungsanträge des Schulausschusses des deutschen parlamentarischen Verbandes zur Regierungsvorlage annimmt. Denn dieser Regierungsantrag ist wieder nur ein Halbwerk, ein geflickter Rock, den sie den Lehrern geben wollen. Die Regierungsvorlage betreffend die Abänderung einiger Gesetze über die Dienstverhältnisse der Lehrpersonen an öffentlichen Volks- und Bürgerschulen, vernichteten wieder die Hoffnung eines berufsfreudigen großen Standes. Unsere Abänderungsanträge zu § 4 des vorliegenden Entwurfes, der ein bitteres Unrecht für jene Lehrer, welche für Bürgerschulen befähigt sind, beheben soll, verlangt, daß diese in die Gruppe B der Staatsbeamten eingereiht und ihnen eine entsprechende Zahl von 3 bis 4 Jahren in die Zeitvorrückung eingerechnet werde. Ein weiterer Abänderungsantrag geht dahin, die normale Lehrverpflichtung für Lehrer an öffentlichen Volksschulen mit 24 und für Bürgerschulen mit 20 wöchentlichen Unterrichtsstunden festzusetzen und die Honorierung von Überstunden zu verbessern. Im Art. 10 unseres Abänderungsantrages über die Substitutionszulagen ist unter Hinweis auf die Lohnsätze des letzten Aushilfsarbeiters notwendig, denselben in unserer Fassung anzunehmen und nicht in jener der Regierung.

Sie stehen in der entscheidenden Stunde, um den vernichtenden Schlag wieder zurückzunehmen. Nicht eine teilweise Aufbesserung der Bezüge, sondern volle Wiederherstellung fordern wir, wie sie vor dem Dezembergesetze bestand. Das Leid, das Sie dem Lehrerstand zufügten, traf alle Parteien, und wenn Sie unsere Anträge annehmen, wird die Freude, die die Annahme in der Lehrerschaft auslöst, alle Parteien beleben. Die aufgeregte Lehrerschaft kann nur beruhigt werden, wenn ihre gerechten Forderungen heute erfüllt werden. Diese Opfer hiefür bringen die Steuerträger, obwohl sie deren Tragfähigkeit für die Steuern, die Vermögensabgabe und die Umlagen überlasten, gerne, weil das deutsche Volk den Wert eines aufklärenden Unterrichtes und einer sittlichen Erziehung zu schätzen weiß.

Eine gute, segensreiche Schule können wir unseren Kindern nur geben und erhalten, wenn ein sorgenfreier Lehrerstand sich voll und ganz seinem schweren Berufe widmen kann. Streichen Sie von den leichtsinnigen Milliardenausgaben für das höchst überflüssige Heer und die Repräsentationskosten der Republik den vierten Teil und wir langen damit für die Forderungen für Unterrichtszwecke aus. Denken Sie der Worte Komenius', der da sagt: "Die Schulen sind Werkstätten der Humanität, indem sie ohne Zweifel bewirken, daß die Menschen wirkliche Menschen werden."

Zum Schlusse empfehle ich unsere Abänderungsanträge zur Annahme. (Souhlas a potlesk na levici.)

3. Øeè posl. Hoffmanna (viz str. 1346 tìsnopisecké zprávy):

Sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal wälzt sich eine ungeheuere Woge von Anträgen und Gesetzentwürfen herein und wir sind in die Zwangslage versetzt, darüber zu beraten, ohne sie eigentlich gründlich kennen gelernt zu haben. Es ist ganz eigentümlich, daß hier die Gewo nheit herrschend zu sein scheint, daß nämlich hier eine Diktatur aufgerichtet worden ist, die nackte rohe Diktatur der bloßen Ziffer. Nur der einzige Zufall, daß Sie die Mehrheit sind, ist entscheidend, die Minderheit ist eigentlich nur dazu verurteilt, jede auch noch so bittere Pille zu schlucken, und es ist unverantwortlich, wie über die ernstesten und wichtigsten Angelegenheiten hinweggegangen wird, wie wir es zuletzt bei der Schuldebatte gesehen haben, wo sogar gelegentlich der Besprechung der Schuldrosselungen an den Ziffern des Vertreters des Unterrichtsministeriums gerechte und berechtigte Kritik geübt werden konnte, daß ein anderer, schwer angegriffener Mann zu seiner Verteidigung 40 Sekunden brauchte. Sie greifen zu den Mitteln, daß Sie die Reden der immunen Abgeordneten einfach streichen und zensurieren. Nun kommen wir abermals in die Zwangslage, über einen derartigen Gesetzentwurf beraten zu müssen. Es handelt sich um die Wiederherstellung der Parität oder dessen, was man Parität nennt. Denn in Wirklichkeit muß zunächst einmal festgestellt werden, daß wir es hier nicht mit einem Paritätsgesetz zu tun haben, wenn auch vielleicht einzelne Verbesserungen gegenüber dem Dezembergesetze vorkommen mögen. Es ist wohl hier überflüssig, über den Golgathaweg zu sprechen, den die Lehrerschaft durch 40, 50 und 60 Jahre gegangen ist, seit den Tagen, da im Reichsvolksschulgesetz, im § 55, die Bestimmung ausgesprochen ist, daß der Lehrer so gestellt sein solle, daß er von jeder Nebenbeschäftigung frei nur seinem Berufe leben könne. Seit diesem Tage hat die Lehrerschaft ununterbrochen ihre besten Kräfte zermürben müssen in einem unfruchtbaren undankbaren Gehaltskampf. Es sind da einzelne Etappen - ich will die Jahre 1883, 1894, ferner 1911 bis 1913 herausheben. Es ist unbedingt notwendig, auszusprechen, daß es die bürgerlichen Klassen, die Vertreter der Besitzklassen gewesen sind, die die berechtigten Forderungen der Lehrer einfach mit Füßen getreten haben, die die Lehrer durch Jahrzehnte hindurch haben darben und hungern lassen zum Schaden nicht des Standes, sondern zum Schaden der Jugend des Volkes, und zwar der Jugend der arbeitenden Klassen. (Sehr richtig!) Wenn nun diese Herren auftreten und für die Schule sprechen, so mischen sich in diese Begeisterung für die Schule des arbeitenden Standes sehr merkwürdige Untertöne. Das muß mit aller Deutlichkeit hervorgehoben werden.

Zum gegenwärtigen Gesetz selbst möchte ich sagen, daß es einen Jubel auslöste, als im Mai 1919 das Paritätsgesetz beschlossen worden ist, durch welches endlich der jahrzehntelange Wunsch der Lehrer, mit den Beamten der 4 untersten Rangsklassen gleichgestellt zu werden, erfüllt war. Damals handelten Sie vielleicht im Begeisterungsrausch, die junge Republik, ihren Staat, geschaffen zu haben. Denn Sie haben erkannt, daß Sie Ihre Republik eigentlich der Arbeit Ihrer Lehrer verdanken. Ihre Lehrer haben ebenso "national" unterrichtet, wie unsere deutschen Lehrer. Und es ist eine Fabel, wenn vielleicht in diesem Zusammenhang behauptet worden ist, daß die deutschen Schulen, in welche zufällig auch èechische Schüler gegangen sind, entnationalisierend gewirkt haben. Im Gegenteil, Sie selber sind ein Beweis für die Tatsache, Sie haben deutsche Schulen genossen, sind vielleicht von der Elementarschule heraus bis auf die Hochschule in deutsche Schulen gegangen und sind nicht um Ihr nationales Bewußtsein gebracht worden. Und nun kam das Dezembergesetz, jenes Gesetz, das in seinen Wirkungen und Folgen geradezu verheerend und verhängnisvoll für die Lehrerschaft gewirkt hat. Dieses Gesetz durchbrach in der rohesten Form diese Parität und hat dann die Lehrer wieder zu Heloten, zu Knechten gemacht.

Wie verheerend dieser Durchbruch gewirkt hat, möge Ihnen an einigen sehr wenigen Ziffern gezeigt werden. Sie wissen, daß das Paritätsgesetz 5 Gruppen unterscheidet: Die Gruppe A mit Hochschulbildung, Gruppe B mit Staatsprüfung, Gruppe C mit Mittelschulbildung oder Lehrerbildungsanstalt und Gruppe D mit Untermittelschule oder Bürgerschule und Gruppe E mit Volksschulbildung. In die Gruppe E gehören die Staatsdiener und ich möchte mich, wenn ich einen Vergleich ziehen will, von vornherein ausdrücklich dagegen verwahren, daß die Arbeiter die Angehörigen dieser Gruppe gering einschätzen. Mit nichten. Es ist ehrliche Arbeit, geleistet im Dienste der Gesamtheit, und darum ist sie auch des Lohnes wert. Aber wogegen wir uns verwahren müssen, ist die Tatsache, daß eine andere Gruppe, ebenso eifrig und ebenso arbeitsfreudig, verkürzt erscheint, und diese Verkürzungen sind geradezu verhängnisvoll. Schon im Anfangsgehalt drückt sich das aus. Nach dem Dezembergesetz betrug der Anfangsgehalt für die Angehörigen der Gruppe der Lehrer, für einen Substituten 7500 Kronen, für die Angehörigen der Gruppe C dagegen ist dieser Anfangsgehalt schon mit 9250 Kronen festgesetzt, so daß also auch hier ein Minus von 1750 Kronen eingetreten ist. Nach vollstreckter 35jähriger Dienstzeit, die nebenbei bemerkt nur auf dem Papier steht, nicht Wirklichkeit ist, ist dieser Unterschied viel krasser und noch mehr in die Augen springend. Der Endgehalt des Lehrers beziffert sich auf 31.500 Kronen - ich spreche hier nur runde Ziffern aus, es kommt ungefähr auf eines heraus - der Gehalt der Gruppe E mit Volksschulbildung beträgt aber 34.500 Kronen, der Endgehalt eines Angehörigen der Gruppe C ist schon 3 66.300 Kronen. Sie können selbst ermessen, wie gewaltig diese Unterschiede sind.

Was die Fachlehrer anbelangt, so ist auch hier festzustellen, daß sie durch das Dezembergesetz schlechter gestellt worden sind, u. zw. um ein sehr bedeutendes schlechter gestellt worden sind, als die Angehörigen der Gruppe E, und mithin auch die Angehörigen aller anderen Gruppen, u. zw. geht dieser Unterschied bis zu 8000 Kronen hinauf.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit besonders auf die örtlichen, auf die Bezirksverhältnisse hinweisen. Der Gablonzer Schulbezirk ist einer der teuersten, nach der Statistik des statistischen Staatsamtes der teuerste Bezirk; es ist dort in den letzten Wochen ein sehr genauer Index ausgearbeitet worden, aus dem hervorgeht, daß z. B. die Bedürfnisse, die nackten bloßen Bedürfnisse für das animalische Leben, für Kost, Nahrung, deren kein Mensch, auch der bescheidenste, nicht entraten kann, sich auf etwa 13.171 Kronen 50 Heller stellen; dazu kommt noch für eine dreiköpfige Familie - das ist die Annahme - der Aufwand für Anschaffungen im Werte von 5000 Kronen, es kommen noch andere notwendige Wochenausgaben, kleinere Ausgaben, hinzu, die man mit 70 Kronen nicht zu hoch annimmt, und daraus ergibt sich eine jährliche notwendige Summe von 33.000 Kronen. Ich will das deshalb feststellen, weil man gerade den arbeitenden Menschen in unserem Bezirke den Vorwurf macht, daß sie die höchst bezahlten Arbeiter seien, und ich stelle ausdrücklich fest, daß dort die manuellen Arbeiter in der Glas- und Textilindustrie Wochenverdienste bis zu 171, 195 und 210 Kronen haben, so daß sie hinter den Bedürfnissen weit und weit zurückbleiben. Ich stelle hier aber auch fest, daß genau so die armen Lehrer nicht das Einkommen haben, das sie nach diesen Teuerungsverhältnissen eigentlich haben müßten. So proletarisiert man einen ganzen ehrenwerten und berufsfreudigen Stand.

Jetzt will man endlich dieses Unrecht wieder gutmachen, man behauptet wenigstens, das Paritätsgesetz neu geschaffen, neu hergestellt zu haben. Ich will Ihnen beweisen, daß das eine absolut falsche Darstellung ist, daß das eine Falschmeldung, eine falsche Deklarierung ist, denn in Wirklichkeit stellt sich die Sache so: Als Geburtshelferin stand diesem Gesetz zur Seite die Sparsamkeit, und diese Sparsamkeit und dieser Sparsinn wurden verkörpert durch die interministerielle Kommission, also eine sehr ehrenwerte Gesellschaft, und es ist mir berichtet worden, daß hier jeder Vertreter einen besonderen Antrag ausgearbeitet habe. Es ist merkwürdig, daß der Postminister den besten und günstigsten Antrag ausgearbeitet haben soll, nicht aber der Vertreter des Unterrichtsministeriums. Die Sparsamkeit, meine Damen und Herren, ist selbstverständlich eine sehr schöne Tugend, aber man sollte sie dort üben, wo sie am Platze wäre. Hier aber übt man sie am ganz falschen und unrichtigen Orte und es ist in dem neuen Gesetzentwurf eine Reihe von Stellen, die dartun, wie ungerechtfertigt die Verkürzungen sind: so z. B. wirft man die Bürgerschullehrer aus der Gruppe B hinaus und behauptet, natürlich sei das wieder abhängig von der Sparsamkeit. Es ist mir von absolut vertrauenswürdiger Seite berichtet worden, daß dadurch eine Ersparung von etwa rund 5 Millionen eintritt, d. i. wenn man es auf das Militärbudget bezieht, etwa 0·15 % der gesamten Militärlasten; wenn man das gesamte Budget des Staates in Betracht zieht, so macht dieser Mehraufwand von 5 Millionen etwa 0·016 % aus, also einen verschwindenden Bruchteil, jene 5 Millionen, die man hier den Fachlehrern ungerechterweise entzieht. Die Ursache dazu ist natürlich eine ganz andere. Die Bürgerschullehrer gehören - ausgesprochen ist das auch im alten Gesetz nicht - stillschweigend in die Gruppe B, d. h. sie konnten die sechste Rangsklasse erreichen. Diese sechste Rangsklasse wollte aber die Regierung den Beamten und Lehrern mit einer Staatsprüfung vorbehalten, und man behauptete, daß die Bürgerschullehrerprüfung nicht einer Staatsprüfung gleich zu werten sei. Die Forderung der Mittelschullehrer und der Beamten mit einer Staatsprüfung ging dahin, bis in die fünfte Rangsklasse vorzurücken, und diese V. Rangsklasse wurde nun diesen Angehörigen versperrt, u. zw. wieder aus Ersparungsrücksichten. Es ist sehr charakteristisch, daß diese Ersparung dem Staate ungefähr 25 bis 30 Millionen einbringt, ein Betrag, den derselbe Staat ganz ruhig in doppelter Höhe beinahe ausgibt, wenn es sich um die Bedürfnisse der Kirche handelt, denn für Kongruazwecke hat derselbe Staat 55 Millionen bereit.


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