Úterý 20. èervna 1922

Ich muß immer wieder auf die "Èeskoslovenská Republika" zurückkommen und ein Wort über das Blatt sagen. Die "Èeskoslovenská Republika" fragt, was denn die deutschen Sozialdemokraten gegen diese Persekution des èechischen Schulwesens getan hätten. Ein Mensch, der ein hochpolitisches Blatt schreibt, sollte auch ein Gedächtnis besitzen und wenn er es nicht hat, sollte er nachschlagen in der parlamentarischen Geschichte, und er würde dann nicht eine solche Eselei begehen, beziehungsweise nicht solche Fälschungen ausführen, wie sie hier geschehen. Ich erinnere an die Rede, die unser leider schon verstorbener Genosse Seliger am 3. Juli 1909 gelegentlich der Beratung des Dringlichkeitsantrages Metelka im Wiener Reichsrate gehalten hat und in der er die Regelung der Minoritätenfrage durch ein Reichsgesetz verlangte, welches das Recht der Eltern, ihre Kinder in ihrer Muttersprache zu erziehen, anerkennt, aber auch das praktische Bedürfnis befriedigt, daß die Kinder auch die Sprache der Gemeinde erlernen, in der sie leben und arbeiten müssen. Aber daran nicht genug. Eine ganze Reihe von Anträgen der deutschen Sozialdemokraten, zunächst gemeinsam mit den Vertretern der slavischen Sozialdemokraten, haben den Schutz der Minoritätsschulen im alten Österreich verlangt. Ich habe hier vier solcher Fälle in einem einzigen Jahre verzeichnet, die Zeit ist zu kurz, um sie alle zu zitieren, ich muß mich also begnügen, einen einzigen Antrag herauszugreifen, der im Einvernehmen auch mit den èechischen Sozialdemokraten von Viktor Adler eingebracht worden ist, und der u. a. sagt: "Die Regierung wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhause unverzüglich den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, das folgende Grundsätze durchzuführen hat: I. bis zur endgültigen gesetzlichen Regelung der Errichtung, der Organisation und des Lehrplanes der nationalen Minderheitsschulen, der Aufsicht über diese Schulen und der Deckung ihres Aufwandes gewährt der Staat in jedem Jahre einen Betrag von 3 Millionen Kronen für folgende Zwecke: 1. für die Unterstützung der Gemeinden, die durch die gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung und Erhaltung von Minderheitsschulen belastet werden; 2. für die Unterstützung der Vereine, die nach ihrem Statut die Aufgabe haben, Minderheitsschulen ausschließlich für die Angehörigen ihrer Nation zu errichten. Dieser Betrag ist in den Voranschlag des Ministeriums für Kultus und Unterricht einzustellen. II. Dieser Betrag wird auf die 8 Nationen des Reiches im Verhältnisse ihrer Volkszahl verteilt u. s. w. III. Die Vertreter jeder Nation im Abgeordnetenhause entscheiden über die Verwendung der Quote dieses Betrages, die ihrer Nation ugefallen ist."

Als der Antrag im Ausschusse zur Verhandlung kommen, also praktisch vorwärtsgeführt werden sollte, da war es der Abg. Dr. Adolf Stránský, der am 5. Juli die Vertagung der Beratung verlangte.

(Hört! Hört!) Und dann kommt die "Èeskoslovenská Republika" und besitzt die beispiellose Verwegenheit, uns deutsche Sozialdemokraten anzuklagen!

In diesem Zusammenhange sei es mir gestattet - ich erachte es als eine Ehrenpflicht unseren österreichischen Genossen gegenüber - eine andere Feststellung zu machen. Sie lieben es immer, darauf hinzuweisen, daß angeblich die èechischen Schulen in Deutschösterreich bis heute weiß Gott wie schlecht behandelt würden. Hören Sie nun Tatsachen! Nach den letzten statistischen Daten bestehen in Wien 15 öffentliche èechische Volkschulen mit 92 Klassenabteilungen und 110 Lehrkräften. Diese Schulen werden von 1440 Kindern österreichischer und 2130 Kindern nichtösterreichischer Staatsbürger besucht. Da nach Artikel 68 des Vertrages von St. Germain bzw. nach § 20 des Brünner Vertrages eine Klasse 42 Kinder zählen soll, wäre die Pflicht der österreichischen Regierung, was Wien betrifft, schon erfüllt, wenn anstatt 92 Klassen nur 35 èechische Klassen vorhanden wären. (Hört! Hört!) Die Verpflichtungen des Friedensvertrages sind also von unsseren Wienern mehr als 2 1/2mal erfüllt worden, und die Wiener Unterrichsverwaltung steht unter der Leitung unseres guten Freundes Otto Glöckel, dessen Beispiel auf dem Gebiete der Schulverwaltung Sie sich wahrhaftig auch sonst zu Gemüte führen könnten. Ich hätte über Wien noch mehr zu sagen, aber ich glaube, diese Feststellung genügt, weil mir noch anderes zu sagen übrig bleibt.

Der Abg. Stivín, unser èechischer Genosse, hat darauf verwiesen, daß in der Èechoslovakei die Rechte der Deuts hen auch vor der Vergewaltigung geschützt wären durch die Demokratie und durch den Friedensvertrag. In aller Kürze ein Wort darüber: Wie sieht es denn mit der Demokratie in der Schule aus? Zu der Gewalt, über die ich schon gesprochen habe, hat man noch einen Rechtsraub hinzugefügt. Denken Sie an das Schulaufsichtsgesetz! In Mähren z. B. gab es früher getrennte Orts- und Bezirksschulräte, auch für die Deutschen. Die sind hinweggefegt worden. In gemischten Gebieten sind die deutschen Schulen jetzt èechischen Behörden unterworfen. Die Anfänge der Autonomie sind vernichtet, sind ausgetilgt worden. Für die èechischen Minderheitsschulen aber haben Sie sich die Autonomie gesichert. Sie haben Ihre eigenen Ortsschulräte, in derselben Gemeinde haben die èechischen Minderheitsschulen einen rein èechischen Orts hulrat, die deutschen Mehrheitsschulen aber unterstehen einem gemischten Ortsschulrat. Zweierlei Recht haben Sie ges etzlich verankert. Und wie sieht es mit dem Minoritätsschulgesetz vom 3. April 1919 aus? Es heißt dort: "Es können Minderheitsschulen errichtet werden." "Es können", das heißt: Der Willkür der Behörden ist Tür und Tor geöffnet. Es wird ein Recht der Behörden statuiert, aber kein Recht der Bevölkerung. Diese muß mit dem zufrieden sein, was die Behörden zu entscheiden sich entschließen. Und in Wahrheit haben Sie es doch so gemacht, daß Minderheitsschulen für die Deutschen fast gar nicht errichtet worden sind. Und dann muß ich sagen: Es ist ein krasser Mißklang, wenn uns dann der èechische Genosse Stivín erklärt, es sei ein selbstverständliches Recht, daß das Kind in der Muttersprache unterrichtet werde und wenn er doch aufsteht, um diesen Zug in unserer Schulverwaltung zu vertei digen und zu vertreten. Aber man gelangt eben dahin, wenn die Staatsidee alles andere überwuchert und dabei den Sinn für Gerechtigkeit bis zu einem hohen Grade erstickt. Trotz all dem haben wir deutschen Sozialdemokraten für den Antrag Stivín gestimmt, wir wollen die Entwicklung Ihres Schulwesens nicht hemmen. Bauen Sie sich Ihre Minderheitsschulen, unsere Stimmen sollen Sie dazu haben. Uns ist es ernst damit, daß die Kinder Anspruch darauf haben, in der Schule in ihrer Muttersprache unterrichtet zu werden.

Von den Sicherheiten, die uns der Friedensvertrag gewährt, will ich gar nichts sagen. Auch hier weiß wohl Abg. Stivín, daß die Dinge wesentlich anders sind. Man hat in zwölf Staaten 25 Millionen Menschen als Minderheiten hineingepreßt, mit Gewalt, man diktiert ihnen dort, und anstatt sie zu versöhnen, reizt man sie, so wie es hier geschieht. Der Schutz der Minoritäten bleibt höchstens auf dem Papier bestehen. (Posl. Kaufmann: Für das Ausland!) Ja, da fällt das Wort "Ausland". Der Herr Abgeordnete Dr. Lukavský hat uns den freundschaftlichen Rat gegeben auszuwandern, wenn es uns in der Èechoslovakei nicht gefällt. Meines Wissens hat es dem Herrn Abgeordneten Lukavský ganz ebenso wie z. B. den Herren Dr. Kramáø oder Rašín im alten Österreich gar nicht gefallen. Dr. Lukavský möge uns doch sagen, warum er seinen guten Rat nicht früher auf sich selber und seine nächsten Parteifreunde angewendet hat, wenn es nur so leicht ist, einfach auszuwandern! Nun sagt Abgeordneter Stivín, daß die Politik der Deutschen - und er hat das so ganz allgemein gehalten - doch eigentlich die Politik von Querulanten sei, denn die Deutschen hätten ihren Prozeß in allen Instanzen verloren und setzen ihn nun noch vier Jahre fort. Ich will darauf anrworten, daß wir deutschen Sozialdemokraten uns auf den Boden der Tatsachen gestellt und niemals einen Zweifel darüber gelassen haben, ohne selbstverständlich unsere prinzipielle Stellung irgendwie zu ändern. Aber man sollte uns nicht solche Worte sagen. Man denkt gar zu leicht daran, daß die èechischen Parteien seit der Schlacht am Weißen Berg durch drei Jahrhunderte ihren Prozeß weitergeführt haben und vielleicht auch manchmal nicht daran gedacht haben, daß sie ihn noch gewinnen können! Es ist nicht richtig, wenn Abg. Stivín meint, daß die taktischen Differenzen, die seine Partei von der unsrigen scheiden, nationalistischen und nicht sozialistischen Erwägungen entspringen. Genosse Stivín verkennt, wie mir scheint, die Dinge durchaus. Uns deutschen Sozialdemokraten willes scheinen, daß nicht wir es sind, die der Rechtfertigung für ihre Taktik vor der sozialistischen Welt bedürfen. (Sehr richtig!) Wir haben unsere Stellung zu diesem Staate wahrhaftig oft genug präzisiert. Es ist die Stellung, die für jede wirklich sozialistische Partei ganz klar gegeben ist. Wir sehen vor uns einen bürgerlichen Klassenstaat mit seinen Sünden und Lastern, wir sehen einen Militärstaat, ärger als es Preußen vor 1914 war. Wir sehen einen Staat, in dem nationales Unrecht und Gewalt geübt wird. Sie aber, die èechischen Sozialdemokraten, - leider, wir beklagen es und es hindert das uns so sehr einander näher zu kommen, als wir ohne dem stehen. - Sie aber haben bisher das Interesse des Staates immer vor das Interesse des Sozialismus und des Proletariates zu stellen versucht, und das ist es, was unsere Taktik vor allem von der Ihren scheidet. Genosse Stivín hat dann erklärt, daß nach der sozialistischen Theorie die Lösung der nationalen Frage zwei Dinge erfordere: Vor allem die Konstituierung der Nationen und die Errichtung von Nationalitätenkammern. Und er versichert uns, daß er und seine Parteifreunde bereit seien, die Errichtung von Kammern zu unterstützen, daß sie bereit seien, zu verhandeln, daß sie aber den ernsten Willen bei uns sehen möchten, in diese Verhandlungen einzutreten. Darauf ist zu sagen, daß wir immer unsere Forderungen klar formuliert haben, daß wir kein Geheimnis daraus gemacht haben. Bisher haben wir leider immer taube Ohren gefunden und unsere Bemühungen haben keinen praktischen Erfolg gehabt. Ja, verhandeln ist gut und wir wünschen es ganz gerne. Aber als Gleiche mit Gleichen möchten wir verhandeln und wir können deswegen nicht meinen, daß es die richtige Methode ist, die zur Verständigung führt, wenn man aufsteht und die Uuterdrückung, unter der wir leid n, hier von dieser Stelle zu rechtfertigen versucht.

Was sagt nun Abg. Stivín zu dem Kapitel, das uns am meisten interessiert, weil wir doch aus dieser Mis@ere herausfinden wollen, zur Frage der Schulautonomie? Für den Abg. Dr. Lukavský ist die Sache durchaus einfach und leicht. Er erklärt, die Gewährung der Schulautonomie wäre ein Selbstmord des Staates; nie und nimmer dürfe man das zugeben. In Österreich allerdings hat auch seine Partei die Autonomie gefordert und er denkt, wenn er so spricht, heute nicht an die vielgepriesene Demokratie. Ich will mich damit heute nicht mehr beschäftigen. Solche Äuß erungen, wie sie Dr. Lukavský tut, sind eine so widerlich anmaßende Kraftmeierei, wie sie vielleicht politischen Parvenues geziemt, politisch ernsten Menschen sicherlich nicht. Viel mehr interessiert uns, was Stivín zu der Frage der Schulautonomie sagt. Leider ist hier seine Stellung, wie ich sagen muß, mehr als zurückhaltend. Er spricht davon, daß saturierte Nationen bei Gewährung dieser Autonomie im Vorteil wären, weil sie schon Schulen besitzen und andere sie erst bauen müssen, und er verweist uns dabei auf das Beispiel, der Slovakei, wo die slovakische Bevölkerung zu wenig Schulen, dafür die magyarische Nation zuviel Schulen besitze. Es mag viel Wahres daran sein, es wäre aber doch gut, wenn man die Slovaken vielleicht selber fragen würde, ob sie nicht trotzdem vielleicht die Autonomie verlangen, anstatt daß sie die Bevormundung durch diesen Staat erdulden wollen. Aber mag dem sein, wie ihm wolle, ich frage: Wie soll die deutsche Bevölkerung dazu kommen, daß sie wegen dieser Zustände in der Slovakei auf ihr ureigenstes und selbstverständliches Recht verzichten soll? Wir wollen mündig sein! Wenn es die anderen ertragen wollen, sich entmündigen zu lassen, so ist das zunächst nicht unsere Sorge. Das, was uns angeht, dafür haben wir einzutreten und wir sind keine Bettler, wenn wir Autonomie verlangen. Es ist ein Anspruch, den wir erheben und auf dem wir beharren.

Das was Stivín in diesen Gedankengängen ausspricht, hat, wie mir scheinen will, wenig mit Demokratie und noch weniger wohl mit sozialistischen Gedanken zu tun. Wir halten fest an der Forderung, daß für uns die Lösung des Problems bedeutet: die Forderung nach Aufrechterhaltung der Schulautonomie. Und wenn Abg. Stivín sagt, daß die Arbeiter am meisten von dem Schulproblem berührt werden, so hat er Recht, wir stimmen ihm aus vollem Herzen zu. Gilt das aber nur für die èechische Arbeiterschaft, gilt es nicht auch im gleichen Maße für das deutsche Proletariat? Und versteht man uns denn nicht, wenn wir im Namen und im Interesse des deutschen Proletariates für uns die deutschen Schulen fordern, deren wir bedürfen? Weil es so ist, wie es Abg. Stivín sagt, darum fordern wir die Schulautonomie im Interesse der Klasse, die wir vertreten, im Interesse des deutschen Proletariates.

Wie ich vergangene Woche hier sagte: Es ist kein nationaler Kampf, den wir führen, es ist aus den Gründen, die Stivín anführt, ein Stück Klassenkampf, den wir ausfechten wollen, wenn wir unseren Auffassungen und unseren sozialistischen Pflichten gerecht werden wollen, ein Klassenkampf um größere Bildungsmöglichkeiten für die Arbeiterkinder, ein Stück Klassenkampf, um die Kampffähigkeit des Proletariates zu heben und zu stärken, um unser Proletariat teilnehmen zu lassen an den Gütern der Kultur, die uns bisher verschlossen gewesen sind. (Posl. Warmbrunn: Nein, nationaler Kampf ist es. - Hluk. - Výkøiky.) Mein lieber Warmbrunn, es werden sich die komunistischen deutschen Arbeiter wundern, wenn von euerer Seite so gesprochen wird.

Wir wollen unser Schulwesen selbst erhalten und darum fordern wir zu diesem Zweck und für diese Ausgaben die Steuerhoheit, wir wollen unser Schulwesen selbst betreuen und selbst verwalten, und darum verlangen wir dafür die Autonomie. Entsprechen Sie diesen Forderungen der Gerechtigkeit und der Vernunft, und dann werden Sie und werden wir in ungehemmter Entfaltung unser Schulwesen vorwärts und aufwärts führen. Und darum, wenn diese Debatte fruchtbar gewesen sein soll, sagen Sie sich los von dem Willen, die anderen zu bevormunden, sagen Sie sich los von Unrecht und Gewalt! Nur so werden Sie dem Ziele zusteuern, das da besteht in der Versöhnung der Völker. (Potlesk na levici.)

9. Øeè posl. Warmbrunna (viz str. 1101 tìsnopisecké zprávy):

Verehrte Anwesende! Ich habe mir das Wort zu einer persönlichen und sachlichen Berichtigung erbeten, die sich aus der Rede zu Anfang der Schuldebatte ergibt, die Herr Abg. Dr. Schollich gehalten hat, bezw. aus Bemerkungen, die andere Herren des Parlamentarischen Verbandes dabei gemacht haben. Herr Dr. Schollich hat eingangs seiner Rede zur Schuldebatte erklärt, daß er gerne bereit sei, sachliche Gegenargumente anzunehmen und auf diese zu antworten. Als er nun behauptete, daß es nicht wahr sei, daß die tschechische Nation im alten Österreich bezüglich der Errichtung von Schulen unterdrückt wurde, machte ich die sachliche Zwischenbemerkung, daß in Wien und in Brünn keine einzige èechische öffentliche Schule bestanden habe, also hier Tausende èe hische Proletarierkinder ohne Schulbildungsmöglichkeit waren. Ich bemerkte auch, daß Herr Dr. Schollich als Exponent der deutsch-chauvinistischen Politik kein moralisches Recht besäße, über Schulunterdrückungen zu sprechen, da seinerzeit seine Konnationalen in Wien es waren, welche insbesondere die Schulunterdrückungspolitik, und zwar mit Erfolg, betrieben. (Výkøiky na levici.) Darauf rief mir Herr Dr. Schollich folgendes zu: "Sie Jude, Sie" . . . (Posl. dr. Schollich: Es ist nicht richtig, lesen Sie das stenographische Protokoll! Das ist ganz falsch!) Lesen Sie alle Zeitungen der Republik, da können Sie lesen. . . . "dieser Mensch war einmal deutscher Schulvereinslehrer". Veranlaßt durch diese Bemerkungen, rief der Abg. Fischer, welcher èechoslovakischer Oberlehrer ist: "Beim Schulverein haben Sie sich ausgefressen", darauf sein Kollege, der agrarische Abgeordnete Windirsch: Sie käufliches Subjekt!

Ich erlaube mir darauf nun vor der Öffentlichkeit des Hauses Folgendes zu erklären: Abgesehen davon, daß ich eine eventuelle jüdische Abstammung als kein Unglück, sondern nur als Zufall betrachte, muß ich der Wahrheit gemäß bekannt geben, daß ich keiner jüdischen Abstammung bin, weder ich, noch meine Eltern und Großeltern. (Výkøiky na levici.) Weiters bemerke ich, daß Herr Schollich weiß, daß ich kein Jude bin und dennoch die Bemerkung tat. (Posl. dr. Schollich: Ich habe es auch nicht behauptet!) Ich erwähne dies, um die Sachlichkeit der Argumente des Redners, den der Parlamentarische Verband in die Kulturdebatte schickt, festzustellen. (Posl. dr. Schollich: Ich stelle fest, daß ich das nicht behauptet habe! Der Mann da oben lügt!)

Místopøedseda Buøíval: Volám p. posl. dr. Schollicha k poøádku pro tento výrok.

Posl. Warmbrunn (pokraèuje): Ich stelle fest, daß alle Zeitungen der Republik es berichteten. (Posl. dr. Schollich: Bitte, es im stenographischen Protokoll zu lesen!) Ich behaupte, daß alle Zeitungen der Republik es brachten. (Posl. dr. Radda: Das ist falsch, ich habe es gesagt, nicht der Herr Dr. Schollich!)

Was meine Anste lung als gewesener Schulvereinslehrerbetrifft, so istFolgendes wahr: Wie jeder Lohnarbeiter war auch ich als geistiger Arbeiter gezwungen, meine Arbeitskraft gegen Entgelt zu verdingen, wo man sie eben braucht. Ich habe mir den Dienst beim Schulverein nicht frei gewählt, sondern die Schule, an der ich als Lehrer diente, wurde einfach vom Deutschen Schulverein übernommen, sodaß ich sozusagen über Nacht nolens volens Schulvereinslehrer wurde. Es ist allgemein bekannt, daß jede Schule, die das Öffentlichkeitsrecht besitzt, und damit auch die Schulvereinsschulen, was den Unterricht anbelangt, unter den öffentlichen Schulgesetzen stehen. Da Herr Schollich Schulmann ist und das wissen muß, ist es zumindest eine Perfidie seinerseits, wenn er aus dem Dienstverhältnis eines Schulvereinslehrers die Verpflichtung einer deutschnationalen Lehrergesinnung folgern will, was ja der Sinn seiner Bemerkung war. (Posl. dr. Schollich: Sie sind kein Deutscher!)

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím pana posl. dr. Schollicha, aby øeèníka nevyrušoval.

Posl. Warmbrunn (pokraèuje): Was den Zwischenruf des Herrn Fischer betrifft, ich hätte mich beim Deutschen Schulverein ausgefressen, so diene Folgendes zur Kenntnis: Herr Abg. Fischer ist Oberlehrer beim èechoslovakischen Staate. Als solcher muß er wissen, wie groß der Gehalt eines öffentlichen Lehrers ist, er muß auch wissen, daß der Gehalt eines Schulvereinslehrers - es ist nicht nur beim Schulverein so, es ist auch bei den èechischen Vereinsschulen - geringer ist als der eines öffentlichen. Ich überlasse es dem Urteil der Öffentlichkeit, insbesondere der Lehrerschaft, diese Bemerkung zu qualifizieren.

Wahr ist weiters, daß ich dem agrarischen Abgeordneten Windirsch, der einmal wegen Milchwucherei vor Gericht gestanden ist, keine Antwort darauf gab, als er mich ein "käufliches Subjekt" nannte. Da mir Herr Windirsch nicht angeben kann, von wem ich gekauft bin, diese Bemerkung also eine elende, blödsinnige Verdächtigung darstellt, die er ja unter dem Schutze seiner Immunität tat, konnte ich ihm darum keine gebürende Antwort geben, weil ich keine Hundspeitsche zur and hatte.

Sowohl die Bemerkung des Herrn Dr. Schollich sowie die der anderen Herren des parlamentarischen Verbandes hatten das Ziel, mich in den Augen der deutschen Öffentlichkeit als einen Verräter und Beschmutzer des eigenen Volkes hinzustellen. (Posl. Hillebrand: Mein lieber Warmbrunn, daran ist etwas. Als anständiger Mensch hätte ich das Mandat der Partei zur Verfügung gestellt, wenn ich die Gesinnung wechsle!) Das wäre Ihnen recht gewesen, aber diesen Gefallen habe ich Euch nicht getan. Er hat mich als einen Beschmutzer des eigenen Volkes hinstellen wollen. Dies wird Ihnen vielleicht gelingen, aber nur bei einem ganz unwesentlichen Teil des deutschen Volkes, bei den national-alkoholisierten Lesern der "Bohemia". Mein Standpunkt in der Frage der Schulschließungen ist bereits durch unseren Redner in dieser Debatte, den Abgeordneten Houser präzisiert worden. Es ist der Standpunkt des vereinigten èechischen und deutschen Proletariates (Souhlas komunistických poslancù.), ein Standpunkt, der ethischer ist als die beiden anderen Standpunkte, von denen aus hier die Debatte abgeführt wurde, nämlich die Standpunkte des deutschen und èechischen Nationalchauvinismus. Schließungen und Sperrungen von deutschen Schulen und Klassen haben massenhaft stattgefunden. Das ist wahr. Da dies vom kulturellen Standpunkt ein ungeheueres Verbrechen ist, da durch diese Sperrungen, wie durch alle anderen Gewalttaten der Bourgeoisie gerade das Proletariat und diesmal das deutsche zu leiden hat, da schließlich durch diese Schließungen die nationalen Leidenschaften aufgepeitscht wurden, steht die kommunistische Partei in ernstester Opposition gegen diese Regierung, in einer Opposition, die sich von der Wortopposition des deutschen parlamentarischen Verbandes durch den Willen zur Tat (Výkøiky a odpor nìm. soc. dem. poslancù.), durch den Willen zur Tat des Sturzes dieser Bourgeoisieregierung unterscheidet. (Posl. dr. Kafka: Was ist der Unterschied zwischen Worten und dieser Tat?) Ich habe leider nur zehn Minuten Zeit. Der Klarheit halber ist es notwendig, zu konstatieren: Die Schulschließungen erfolgen von Seite der èechischen Bourgeoisie, die heute die Macht in diesem Staate besitzt. Sie erfolgen von Seite der èechischen Bourgeoisie unter Mithilfe der èechischen sogenannten sozialdemokratischen Partei. Daran kann auch die schwindelhafte Rede des Abg. Stivín nichts ändern, die nur den Zweck hatte, diese Tatsache zu verschleiern. Weiters muß konstatiert werden, daß diese Schulschließungen, die tatsächlich in den andern Staaten ohne Beispiel dastehen und die von der èechischen Bourgeoisie unter Mithilfe der èechischen Sozialdemokratie erfolgen, derselben Moral und derselben Praxis entspringen, wie einmal im alten Österreich, wo die politischen Machtverhältnisse zwischen der èechischen und deutschen Bourgeoisie umgekehrt waren, und von der deutschen Bourgeoisie unter Duldung der deutschen Sozialdemokratie geübt wurden. (Odpor nìm. soc. dem. poslancù.)

Der Debattensturm der Vertreter der deutschen Bourgeoisie, die jetzt deswegen, weil die èechische Bourgeoisie ihnen mit demselben Maße mißt, mit dem sie gemessen haben, ist also ein leerer. (Hluk na levici.) Er hat darum keine moralische Berechtigung. Sowohl Herr Dr. Schollich, der Hauptredner für den Standpunkt der deutschen Bourgeoisie, als auch Dr. Srdínko, als Hauptredner für den Standpunkt der èechischen Bourgeoisie, haben eingangs der Reden ein jeder an die Gerechtigkeit und Moral appelliert. Ich erkläre hier vor der Öffentlichkeit des èechischen und deutschen Proletariates diese Art von Gerechtigkeit und Moral als eine schwindelhafte, sie ist bürgerlicher Konvenienz.

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Volám za tento výrok pana posl. Warmbrunna k poøádku.

Posl. Warmbrunn (pokraèuje): Ja, ich habe gesagt schwindelhafte Konvenienz. Herr Dr. Schollich hat vom Anfang bis zum Ende ein schwindelhaftes, bewußt gefälschtes Material, gefälschte Ziffern, gefälschte Daten gebracht, deren Prozentgehalt an Verlogenheit übrigens so groß war, daß er selbst kapitulierte. (Posl. Schollich: Wieso? Bew eisen Sie das!) Er hat gesagt: wo soll ich das Material hernehmen? (Veselost na levici.) Er konnte und wollte kein ehrliches Material bringen, da er sich an das komplizierte Material der Schulschließungen von vornherein nur heransetzte mit dem Zwecke, Kapital für den deutschen Chauvinismus heraus zuschlagen.

Desgleichen setzten sich die Herren Dr. Srdínko und Lukavský mit der Brille ihres èechischen Chauvinismus an das Material und suchten Zahlen, Statistiken und Zeitungsnachrichten, die ihnen bezw. dem èechischen Chauvinismus dienten. Und auch der Herr Unterrichtsminister Šrobár als dritter im Bunde hat gelogen . . .

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Volám pana øeèníka po druhé k poøádku.

Posl. Warmbrunn (pokraèuje): . . . . Ich habe gesagt: er hat gelogen, wenn auch seine Zahlen und Ziff rn geschickter und scheinbar objektiver gesetzt waren. Er hat aber dem Sinne nach die Unwahrheit gesprochen mit dem Zwecke zu beweisen, daß die Regierung recht getan hätte. Dieser falschen Moral der bürgerlichen Vertreter beider Nationen halte ich die Moral, wie sie aus dem Standpunkte des vereinigten èechischen und deutschen Proletariates kommt, gegenüber. Aus dem eigenen Volkskörper müssen die Stimmen kommen, die die Ungerechtigkeiten gegen das andere Volk eingestehen und konstatieren, auch auf die Gefahr hin, daß sie als Verräter und Beschmutzer des eigenen Nestes niedergeschrien werden. Halten Sie mich meinetwegen für einen Narren. (Smích.) Dieser Standpunkt der proletarischen Ethik wird über die Moral, die die Herren hier in ihrer schwindelhaften Schuldebatte praktizierten, siegen. Er muß siegen, weil er höher ist. Hinter ihm steht gemeinsam die èechische und die deutsche Arbeiterfront. (Hluk na levici. Potlesk komunistických poslancù.)

10. Øeè posl. dr. Spiny (viz str. 1103 tìsnopisecké zprávy):

Sehr geehrte Damen und Herren! (Posl. Dr. Schollich: Werden Sie die Wahrheit sagen, Herr Kollege, oder werden Sie lügen?) Führen Sie mich nicht in Versuchung.

Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím pana kolegu dr. Schollicha, aby nevyrušoval.

Posl. dr. Spina (pokraèuje): Ich möchte nach dem Satyrspiel, das uns jetzt in der wirklich traurigen Angelegenheit, über die wir debattieren, so einen menschlich frohen Augenblick bereitet hat (Veselost na levici.) wieder zum Ernst zurückkehren. (Posl. Hillebrand: Es wird nicht so leicht sein!) Es wird nicht leicht sein, das ist richtig.

Die Schuldebatte, die wir abführen, ist auf èechischer Seite als ein Riesenerfolg angeschrieben worden, als ein moralischer Sieg der Ziffern des Herrn Unterrichtsministers, eine Rehabilitierung der èechischen Sehulpolitik vor der ganzen Kulturwelt. Die èechische Presse war sich gleich nach dem ersten Debattentag darüber klar, daß die Zahlen, die uns entgegengehalten wurden, das Unrecht, oder wie es in temperamentvolleren Blättern hieß, die Lügenhaftigkeit der deutschen Behauptungen vor der ganzen Welt klar erwiesen haben. Zwei wichtige Resultate stehen angeblich jetzt fest! Erstens, daß den Deutschen durch die bisherige Schulpolitik kein Unrecht geschehen ist, zweitens, daß das Unrecht den Èechen geschehen ist, da für das deutsche Schulwesen im Verhältnis immer noch besser vorgesorgt sei, als für das èechische.

Meine sehr geehrten Herren! Nehmen wir an, daß dieses Resultat wirklich feststände. Nehmen wir an - posito sed non concesso - alle von der Gegenseite vorgebrachten Zahlen, die uns bis auf Zehntelprozent genau wie mit einer Goldwage unsere angebliche Begünstigung nachweisen wollen, seien richtig. Nehmen wir an, es sei mit diesen Zahlen, gelinde gesagt, kein Changement getrieben worden, sie seien nicht kunstvoll gruppiert und frisiert worden, um einen gewissen Eindruck hervorzurufen, geben wir alle dies blank zu, so bleibt doch eine ganze Menge von Momenten übrig, über die wir Deutsche nicht hinwegkommen und über die trotz aller Propaganda, die jetzt auf der Gegenseite einsetzen wird, auch die Welt nicht hinüberkommen wird. Ich mmuß daher, um diese Dinge in das richtige Licht zu setzen, den Hintergrund dieser ganzen Angelegenheit ein bißchen zeichnen.


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP