Støeda 5. dubna 1922
Meine Damen und Herren! Obwohl der vorliegende Vertrag mit Deutschland und das Handelsübereinkommen mit Deutschösterreich ein Ausfluß der Friedensverträge von Versailles und St. Germain ist und wir, schon aus unserer grundsätzlichen Ablehnung der Friedensverträge, auch diesen Verträgen gegenüber einen ablehnenden Standpunkt einnehmen müßten, werden wir doch für beide Vorlagen stimmen, ohne daß wir damit die Grundlage dieser Verträge, die Friedensverträge selbst, anerkennen, die wir weiterhin als das Diktat des Siegers ablehnen und auf das heftigste bekämpfen werden. Diese unsere Stellungnahme ergibt sich aus unserer immer betonten Forderung nach freundschaftlichen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu allen Staaten, besonders aber zu unseren Nachbarstaaten Deutschland und Deutschösterreich. Diese guten Beziehungen wollen wir helfen, in jeder Richtung hin zu fördern, zu pflegen und auszugestalten. Das Wirtschaftsabkommen mit Deutschland ist der erste kleine Anfang hiezu. Das begrüßen wir und wollen hoffen, daß die jetzt im Zuge befindlichen weiteren Verhandlungen zum Ausbau der Handelsbeziehungen eine Ausgestaltung dieser Beziehungen bringen werden und damit die bereits durch die Zeit überholten Bestimmungen des vorliegenden beinahe 2 Jahre alten Abkommens durch neue und zeitgemäße ersetzt werden.
Meine Partei hat bisher alle Verträge abgelehnt, welche der èechische Staat auf Grund der Friedensverträge mit anderen Staaten vereinbart hat, oder welche sich auf diese Friedensverträge stützten, so zuletzt auch den Vertrag von Lana.
Wenn wir nun heute sowohl für das Wirtschafts - Übereínkommen mit Deutschland wie für das Handelsübereinkommen mit Deutschösterreich stimmen, so verweisen wir dabei auf folgenden groß en Unterschied: Durch die Handelsübereinkommen wird versucht, eine gesetzliche Regelung zur Anbahnung besserer wirtschaftlicher Beziehungen zu finden, die an sich zu einem besseren freundschaftlichen Verhältnisse der beteiligten Staaten führen werden, und für die Besserung dieser Beziehungen werden wir immer und jeder Zeit mit aller Wärme eintreten. Vom Lanaer Vertrage gilt hingegen das vom Wirtschaftsabkommen Gesagte nicht. Der Vertrag von Lana ist ein hochpolitischer Vertrag. Sein Zweck sollte sein, die politischen Beziehungen zu Österreich zu bessern. Nun treten wir ebenso, wie für eine Besserung der wirtschaftlichen Beziehungen, auch für eine politische Annäherung der Staaten ein, erkennen aber nicht, daß der Vertrag von Lana geeignet ist, etwas zu tun, um diese politischen Beziehungen zu bessern, weil er einseitig die Österreichische Republik zu Bestimmungen verpflichtet, dem èechischen Staate gewisse Hoheitsrechte in Bezug auf die Betätigung seiner Staatsbürger in Deutschösterreich einräumt, ohne daß Deutschösterreich dieselben Rechte in diesem Vertrage erhält. In diese Betätigung fallen unter Umständen auch kulturelle Betätigungen und deshalb haben wir diesen Vertrag, der nur auf dem Friedensvertrag beruht und zugunsten des èechischen Staates einseitig zugeschnitten ist, abgelehnt, weil wir eine Besserung der Beziehunlgen von ihm nicht erwarten können. Der Vertrag von Lana beruht auf der Allianz des èechischen Staates mit den Ententestaaten und diese Allianz, oder vielmehr die Abhängigkeit des èechischen Staates von der Entente erklären wir für das Unglück dieser Republik, weil sie uns einseitig verpflichtet, die Ursache unserer militärischen Rüstungen ist, und, anstatt uns zu nützen, in Gegensatz zu anderen Staaten bringt und da wieder zuerst zu Deutschland und Deutschösterreich. Deshalb lehnen wir den Vertrag von Lana ab. Nach wie vor begrüßen wir es, wenn sich die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten gebessert haben und können nur wiederholt erklären, daß wir alles tun und unterstützen werden, was diese Beziehungen dauernd und aufrichtig zu bessern in der Lage ist.
Das Wirtschaftsabkommen mit Deutschland ist beinahe zwei Jahre alt, das mit Österreich ist ebenfalls in vielen Stücken veraltet und unser Verlangen ist seit dem Bestande dieser Republik darauf gerichtet gewesen, zu ordentlichen Handelsverträgen sowohl mit Deutschland wie auch mit Deutschösterreich zu gelangen. Beide Länder sind für die Ein- und Ausfuhr unseres Staates ungeheuer wichtig, fast drei Viertel der gesamten ausfuhr gehen in diese beiden Länder. Da erinnern wir daran, daß schon im Vorj ahre, am 18. Juni, der damalige Handelsminister Hotowetz ganz bindend erklärt hat, daß "die Stabilisierung der Handelsbeziehungen mit dem Auslande Handelsverträge mit allen für uns wichtigen Staaten voraussetzt". Und er hat damals weiter versichert, "daß Verträge mit allen diesen Staaten entweder fertig gestellt oder vollständig vorbereitet un Gegenstand von Handlungen sind." Seitdem der frühere Handelsm nister Hotowetz diese Erklärung abgegeben hat, sind fast wieder 3/4 Jahres verstrichen und wir haben heute noch nicht einmal eine Erweiterung des vor 2 Jahren mit Deutschland getroffenen Abkommens vorgelegt erhalten. Ich erinnere weiter daran, daß der damalmge Mmnister Hotowetz in der gleichen Erklärung darauf hinweist, daß ebenso notwendig, wie die Anknüpfung von engsten Handelsbeziehungen zu Deutschösterreich auch die Regelung der finanziellen Fragen mit diesem Staate ist; und ich verweise darauf, daß auch da bis heute kein Schritt nach vorwärts getan worden ist, daß ungeheure Beträge auf den Konten der österreichischen Postsparkasse wie auf den Konten der Banhen, die früher in Deutschösterreich ihren Sitz hatten, gesperrt sind, über alle diese Gelder die èechischen Staatsbürger heute noch nicht verfügen können und daß ebenso wennig noch eine Regelung der Vorkriegsschulden gedacht worden ist. Als vollständig überflüssig erachten wir es, daß man sich in dem Vertrage mit Deutschösterreich ebenfalls auf den Friedensvertrag von St. Germain beruft. Wir nehmen an, daß der èechische Staat es wirklich nicht notwendig hätte, diesem armen, aus allen Wunden blutenden Lande gegenüber auch da die Berufung auf den Friedensvertrag für notwendig zu halten. Wir begrüßen es sehr, daß in dem Handelsübereinkommen mit Deutschösterreich der Gedanke der Schiedsgerichte Eingang gefunden hat, zum erstenmal hier ein Vertrag geschlossen wird, der zur Entscheidung der Streitfragen ein internationales Schiedsgericht beruft. Und wir wünschen, daß die Zusicherung gegenseitiger Liberalität bei der Handhabung der Ein- und Ausfuhrbestimmungen nicht auf dem Papier bleibt, sondern tatsächlich in die Praxis umgewandelt wird. Wenn wir bei Besprechung der vorliegenden Handels übereinkommen, trotzdem dieselben vollständig veraltet sind, doch unsere Wünsche vorbringen, so geschieht es vor allem, damit diese Wünsche in späteren Handelsver trägen - wie uns versichert wird, sind dieselben jetzt in Vorbereitung - berücksichtigt werden. Wir wünschen daß vor allem Erleichterungen im Veredelungsverkehr eintreten, das heißt, daß, wenn in den Fabriken des einen oder des anderen Staates Roh- oder Halbfabrikate zur Veredelung, zur Verarbeitung herübergebracht werden, einmal die Ausfuhrfristen für die Fertigfabrikate auf einen längeren Termin erstreckt werden, als das im Handelsübereinkommen mit Deutschösterreich vorgesehen ist und daß jene Bestimmung fällt, daß die Fertigfabrikate nur dann zollfrei bei der Ausfuhr bleiben, wenn der Wert der eingeführten Roh- oder Halbfabrikate durch die Fertigstellung um nicht mehr als 25 % verteuert worden ist. Wir sind es der industriellen Arbeiterschaft in den Grenzgebieten schuldig, daß da günstigere Bestimmungen aufgenommen werden. Ebenso darf unmöglich bei Abschluß der Handelsübereinkommen vergessen werden, Bestimmungen über die Sozialversicherung jener Arbeiter zu treffen, die in den Grenzgebieten wohnen und nicht im Inland beschäftigt sind. Die Lage dieser Arbeiter ist ja heute eine ganz verzweifelte. Es arbeiten allein aus Nordböhmen, aus dem schlesischen Gebiet Zehntausende von Arbeitern in reichsdeutschen Betrieben. Diese Arbeiter erhalten ihren Lohn in Mark ausgezahlt. Es wird ihnen aber nicht erlaubt, die Lebensmittel und Bedarfsgegenstände, die sie brauchen, aus dem Ausland in den èechischen Staat herüber zu nehmen; sie sind also gezwungen, entweder mit ihren Löhnen zu hungern, weil der Lohn in Mark in unsere Kronen umgerechnet bei uns eine äußerst geringe Kaufkraft hat, oder aber sie sind auf den Schmuggel angewiesen. Und tatsächlich sehen wir, daß auf jene armen Teufel, die das Opfer dieser wirtschaftlichen Verhältnisse sind, heute schon in den Grenzgebieten die Finanzwachorgane und die Gerichte losgelassen werden. Wir verlangen also Begünstigungen der Arbeiterschaft im kleinen Grenzverkehr und erkennen an, daß gegenüber dem Handelsübereinkommen mit Deutschland die Bestimmungen über den kleinen Grenzverkehr im Handelsübereinkommen mit Deutschösterreich für die Arbeiterschaft wesentlich günstiger sind. Es scheint so, als ob die Bestimmungen über den kleinen Grenzverkehr, die im deutschen Abkommen sich finden, nur abgeschrieben worden wären aus dem alten österreichischen Zolltarif, bei dessen Schaffung die Arbeiterschaft keinen oder einen verschwindend kleinen Anteil und keinen Einfluß hatte, denn es sind in diesem Vertrag bei Regelung des kleinen Grenzverkehrs wohl alle Bestimmungen aufgenommen, die notwendig sind, um ein Zuchtkalb über die Grenze herüber zu bringen - und wir erklären, es ist das recht so, daß auch das nicht vergessen wird - aber an die Arbeiter ist viel zu wenig gedacht. Es sind in den Bestimmungen über den kleinen Grenzverkehr lediglich die Interessen der Landwirte berücksichtigt, und diese fordern ja auch heute wieder Hochschutzzölle für ihre Artikel, Hochschutzzölle, trotzdem das Elend der Industriearbeiterschaft bei uns fortwährend im Steigen begriffen ist, trotzdem die Arbeitslosigkeit wächst, und wir sehen, daß die Preise der landwirtschaftlichen Artikel gerade hoch genug sind, auch wenn man die Friedensverhältnisse in Betracht zieht. Ich hätte es vermieden, auf die Zollfragen überhaupt einzugehen, wenn nicht eine Resolution des Gewerbeausschusses selbst von der Regierung verlangen würde, daß ehestens auch die Zollregelung in diese Handelsübereinkommen aufgenommen wird. Da müssen wir schon erklären, daß die industrielle Arbeiterschaft alle Ursachen hat, wachsam zu sein und den Forderungen der Großagrarier gegenüber heute schon mit aller Schärfe ihren Standpunkt zu betonen, daß sie es ablehnt, unter den gegenwärtigen Verhältnissen für die Hochschutzzollforderungen der Agrarier einzutreten. Es würde die erste und dauernde Folge hoher Lebensmittelzölle die sein, daß eine wesentliche Erhöhung des Grundwertes eintritt, was dauernd eine Verteuerung der landwirtschaftlichen Produktion bedeuten würde; es würden die Nutznießer dieser agrarischen Hochschutzzölle nicht die kleinen Landwirte, sondern lediglich die Großagrarier, die Getreideproduzenten sein. Wir wissen aus der Lehre der österreichischen Volkswirtschaft im letzten Jahrzehnt vor dem Kriege, daß die damaligen Hochschutzzölle nicht eine Vermehrung des Viehstandes und eine kaum nennenswerte Vermehrung der Getreideproduktion gebracht haben, wohl aber dazu geführt haben, daß der Industrie der Markt verloren gegangen ist und daß wir sie als die wesentliche Ursache der schon damals eingerissenen Teuerung betrachten konnten. Aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen leiden weitmehr als die Agrarier andere Stände, nicht nur die Arbeiterschaft.
So wird mir aus einer nordböhmischen Grenzstadt berichtet, daß von 27 Schuhmachern im Laufe dieses Jahres, sogenannten "selbständigen" Existenzen, 23 ihr Gewerbe abgegeben haben, weil sie unmöglich bestehen können, weil die Grenzbewohner in Deutschland ihren Bedarf decken, und weil ihnen niemand Schuhe abkauft. Diese Schuhmacher sind gezwungen, in reichsdeutsche Fabriken arbeiten zu gehen. Wir sehen, daß hier die Vernichtung selbständiger Existenzen, die immer den Sozialdemokraten unterschoben wird, nicht einmal von der fortgeschrittenen Technik, sondern lediglich vom Wahnsinn der kapitalistischen Weltordnung besorgt Wird, von der Unmöglichkeit, heute in den Grenzgebieten bei uns Gewerbeunternehmungen aufrecht erhalten zu können, solange die Valutaverhältnisse, wie sie derzeit bestehen, sich nicht wesentlich ändern. Diese Zerrüttung unserer Volkswirtschaft verschärft sich noch durch die Finanz- und Steuerpolitik dieses Staates und es ist eine Forderung, die wir bei jeder Gelegenheit erheben müssen, daß eine Vereinfachung in der Staatsverwaltung durchgeführt werde, daß hier nicht ein bürokratischer Obrigkeitsstaat sich entwickelt, während ringsum immer mehr und mehr das Laienelement mitverwaltet. Wir müssen verlangen, daß die unproduktiven Ausgaben für die Staatsvevaltung in vielen Zweigen, sowie jene für den Militarismus, beseitigt werden und nicht dauernd den Aufstieg unserer Volkswirtschaft behindern. Der èechische Staat und die cechischen Politiker waren ungeheuer stolz auf die Aktivität unserer Handelsbilanz im Jahre 1920. Für 1921 liegen die genauen Ziffern noch nicht vor. Unsere Handelsbilanz war aktiv - vielleicht. Heute ist sie es bestimmt nicht mehr. Die Ursache unserer Kronensteigerung ist zgleich die Ursache des Rückganges unseres Auslandsexports. Wir sehen eine ungeheuere Absatzstockung, sehen, daß Hunderttausende fleißige Hände nichts zu tun haben, daß die Essen der Fabriken nicht mehr rauchen, wir sehen, daß die Kronensteigerung uns nicht nur einen vorübergehenden, sondern wahrscheinlich einen dauernden Verlust wichtiger Absatzgebiete gebracht hat. Wir sehen, daß das Holz der böhmischen Grenzwälder heute wegen des Valutaunterschiedes weder von Deutschland noch von Deutschösterreich gekauft werden kann, und es verfault heute teilweise schon so wie jenes in den slovakischen Wäldern, weil das Holz von dort infolge der kurzsichtigen Tarifpolitik unserer Eisenbahnen nicht in die großen Industriezentren und Städte des Reiches gebracht werden kann. Wir finden ni cht nur eine Verschlechterung unserer Handelsbilanz, sondern in der letzten Zeit auch eine wesentliche Verschlechterung der Zahlungsbilanz unseres Staates, der Kassenrechnung unserer Volkswirtschaft, d. h. es fließt aus unserem Staat viel mehr Geld ins Ausland, als von dort hereingebracht wird. Und dieser Zustand verschlimmert sich natürlich dadurch, daß der cechische Staat immer wieder teuere Auslandsanleihen aufnimmt, deren Zinsendienst Unsummen von Geld verschlingt und diese Zinsen ja doch alle ins Ausland abfließen. Wohin wir auch blicken mögen, bemerken wir, daß die Politik dieses Staates zur Gesundung unserer Volkswirtschaft in naher Zukunft nicht führen kann. Trotz des Steigens der Krone zeigt sich eine fortworäh rende Verschlimmerung der heutigen Wirtschaftskrise, einer Wirtschaftskrise, deren Folgen nur durch internationale Maßnahmen werden gemildert werden können. Durch den Krieg sind die tausendfältigen feinen Fäden, die das Wirtschaftsleben der Völker miteinander verknüpften, zerrissen worden. Die Friedensverträge haben aber diese Beziehungen nicht neu geknüpft, sondern vielmehr eine Verschlimmerung des Zustandes herbeigeführt, weil geographisch, geschichtlich und kulturell sowie wirtschaftlich zusammengehörige große Gebiete auseinandergerissen wurden, überall in Europa an Stelle großer Wirtschaftsgebiete Zwergstaaten, kleine Staaten, lebensunfähige Staaten errichtet worden sind. Wir brauchen nur an das arme Deutschösterreich zu denken, das sich unmöglich selbständig wirtschaftlich erhalten kann. Überall sind neue Staatsgrenzen gezogen, überall sind Tausende von Beamten an diesen Grenzen damit beschäftigt, die Wareneinfuhr oder Ausfuhr zu hemmen; eine Verschwendung unproduktiver Arbeit, wie wir sie uns schlimmer nicht denken können; Deutschland ist unter die Schuldknechtschaft der Entente gedrückt; und so wie im barbarischen Rom zur Zeit seiner Gründung der Gläubiger das Recht hatte, seinen Schuldner entweder über den Tiber zu verkaufen oder in Stücke zu schlagen, wenn er seine Schuld nicht zahlen konnte, so stehen die Heere Frankreichs bereit, um Deutschland ein Stück nach dem anderen zu entreißen, wenn es den ihm aufgezwungenen unmöglichen Reparationsverpflichtungen nicht nachkommen kann. Dabei ist Deutschland zu einem guten Teil abgeschnitten von den Quellen seiner Kraft, von seinen Erz- und Kohlenbergwerken, aber Unmögliches wird trotzdem von ihm verlangt. Man zwingt ihm durch die Friedensverträge eine Regelung der Handelsbeziehungen auf, die ihm für alle Zukunft den Abschluß von Handelsverträgen zu anderen Staaten erschwert, weil es jede Begünstigung, die es irgendeinem Staate einräumt, auch den Ententestaaten gewähren muß, ohne daß jedoch von Seite der Ententestaaten an Deutschland die gleiche Gegenleistung zu gewähren ist. Das 150 Millionenvolk der Russen ist ausgeschaltet aus der Weltwirtschaft und wir können bei dieser Gelegenheit unserer Regierung den schweren Vorwurf nicht ersparen, daß sie nichts getan hat, um politisch oder wirtschaftlich zu Rußland in engere Beziehungen zu treten. Die Rückwirkung dieser Verhältnisse auf den èechischen Staat als einen kleinen Binnenstaat zeigt sich überall. Es liegt unsere Volkswirtschaft vollständig darnieder und so müßte wohl das Ziel jeder zielbewußten realen èechischen Politik sein, in engste freundschaftliche politische und wirtschaftliche Beziehungen zu allen Staaten zu treten, besonders aber zu unseren Nachbarstaaten Deutschland und Deutschösterreich. Und auch da müssen wir den Vorwurf erheben, daß es die èechische Politik Deutschland gegenüber häufig an dem notwendigen Entgegenkommen und an dem Verständnis für die Lage Deutschlands hat fehlen lassen. Wir brauchen nur an Oberschlesien zu denken, an die Zeit, als im Vorjahre Deutschland die Sanktionen aufgezwungen werden sollten, wir brauchen nur an die Haltung der èechischen Presse und vieler Politiker zu jener Zeit zu denken und wir werden verstehen, warum wir bis heute zu Deutschland nicht in jene freundnachbarlichen Beziehungen getreten sind, die notwendig wären, um eine Besserung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse mit diesem Lande herbeizuführen. Wir müssen verlangen, daß Deutschland wie Deutschösterreich gegenüber alle möglichen Erleichterungen im Verkehr geschaffen werden, wobei wir nicht verkennen, daß dieser Verkehr heute durch den gewaltigen Valutaunterschied ungemein erschwert wird. Aber wir müssen vermeiden, daß in Zukunft irgend etwas die Beziehungen zu diesen Staaten verbittern könnte, und wir müssen alles tun, um mit diesen Gebieten, die mmit unserem Staate ein natürliches wirtschaftlíches Gebilde sein könnten, doch zu den engsten wirtschaftlichen Bezi hungen zu kommen, Der Herr Ministerpräsident hat einem Zeitungsberichterstatter gegenüber erklärt, er halte es für unmöglich, daß in Mitteleuropa der èechische Staat eine Zollunion mit Deutschland und Deutschösterreich eingehen könnte. Wir halten im Augenblicke diese Meinung für richtg, müssen aber doch erklären, daß wir aus anderen Ursachen nicht davon abgehen können, daß die ganze Richtung der èechischen Handelspolitik darauf bedacht sein muß, in möglichst naher Zukunft, sobald din Stabilisierung der Valutaverhältnisse es möglich ma cht, die Zollgrenze zwischen Deutschland und Deutschösterreich einerseits und dem èechischen Staate andererseits tunlichst zu beseitigen und zu besonderen Zollvereinbarunngen zwischen diesen Staaten zu gelangen.
Der Herr Ministerpräsident fürchtet vielleicht, daß in einer solchen Zollunion der deutsche Einfluß überwiegen könnte. Es dürften nicht rein wirtschaftliche Erwägungen sein, die ihn zu einer so scharfen Ablehnung dieser Zollunion auch für die Zukunft bestimmen. Wir erheben die Forderung nach einer Änderung der Friedensverträge Deutschland gegenüber, damit auch dieses wirtschaftlich sich erholen kann, weil wir wissen, daß der Èechoslovakische Staat gerade mit seinen Nachbarn, Deutschland und Deutschösterreich, auf Gedeih und Verderb verknüpft ist. Wir fordern eine Belebung unserer Volkswirtschaft durch Anbahnung wirtschaftlicher Beziehungen zu Rußland, nicht im Interesse der kapitalistischen Produktion, wir fordern sie im Interesse der Indusstriearbeiterschaft, denn die Industriearbeiterschaft dieses Staates, das ist die Industrie, die wir schützen und durch unsere Bemühungen fördern wollen. Die Folgen, der Krise werden aauch durch internationale Übereinkommen nur zu mildern, aber nicht zu beseitigen sein.
Die Güterverteilung, die Produktion
und Regelung des Güterverkehrs ist ein Weltproblem, an dem sich
die Verfechter des kapitalistischen Systems nach unserer Meinung
umsonst abmühen werden. Die meisten Staaten haben sich nach dem
Kriege mit einem Wall von Hochschutzzöllen umgeben, und die Staatsmänner
vermeinen wahrscheinlich, durch die Schutzzölle auch das wirtschaftliche
Elend von den Grenzen ihrer Staaten bannen zu können. Selbst
an den Verhältnisssen der größen Industriestaaten der Welt erkennen
wir, wie vergeblich diese Bemühungen sind, weil die eigenen Hocchschutzzölle
die Ausfuhr nach anderen Ländern hindern, die mit den gleichen
Maßnahmen antworten. So bemerken wir überall die Hilflosigkeit
und den Widersinn der kapitalistischen Weltwirtschat. Wir fordern
gegenüber diesen hochschutzzöllnerischen Bestrebungen als Sozialistesn
den allmählichen Übergang zur Freihandelswirtschaft, zur freien
Weltwirtschaft, d. h. die Herstellung der Güter überall
dort, wo die wirtschaftlichen Voraussetzungen dazu die günstigsten
sind, und die bestmögliche Verwertung der verwendeten Materialien
und der menschlichen Arbeitskraft gewährleisten. Wir wissen, daß
diese Forderung nicht über Nacht verwirklicht werden kann, aber
selbst die Verfechter der agrarischen Hochschutzzlle machen vor
dr Idee des Freiheitshandels ihre Reverenz und in der Theorie
stimmen sie mit uns überein. Wir wissen, daß die Zeit für die
Verwirklichung der Freihandelswirtschaft arbeiten wird, daß die
Zeit mit uns sein wird. Die Anbahnung enger wirtschaftlicher Beziehungen
bedeutet zugleich einen Abbau des Welthaßes und wir meinen, auch
da muß die völlige Anarchie und Hilflosigkeit der kapitalistischen
Welt diesem Probleme gegenüber aufzeigen, daß wir auf dem rechten
Wege sind, wenn wir daran gehen, dieses System selbst zu beseitigen.
Auf der einen Seite Not und Überproduktion, auf der anneren Unterkonsumption
und tiefstes Elend, auf der einen Seite tausende feiernde Bauarbeiter,
andererseits das fürchterliche Wohnungselend, wobei das Bauholz
in den Waldungen verfault. Es wird die hohe und große Aufgabe
des Sozialismus sein, an Stelle des kapitalistischen Systems,
an Stelle dieser sogenannten Weltordnung, die allein beruht auf
der Sucht nach Profiten und Ausbeutung des Nebenmenschen, auf
der Unterdrückung und dem Elend ganzer Nationen, eine andere höhere
Form der Weltordnung zu finden: die sozialistische Weltwirtschaft,
deren Fundament die gleiche Interessengemeinschaft ist und Gemeinwirtschaft
aller schaffenden Menschen sein wird! (Potlesk na levici.)