Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, Sie lange aufzuhalten und glaube, daß ich nicht einmal die mir zugemessene Redezeit werde in Anspruch nehmen müssen. Der vorliegende Gesetzentwurf fordert unter verschiedenen Gesichtspunkten zu einer kritischen Stellungnahme heraus. Es wären daran einige ganz interessante Bemerkungen über die Außenpolitik und ihre Folgen zu knüpfen.
Es wären gewisse volkswirtschaftliche Bedenken schwerster Art dagegen geltend zu machen, und man hätte insbesondere auch gegen die juristische Konststruktion dieses gesamten Enteignungsgebäudes, im ganzen und im Detail, manches Erheiternde oder Verstimmende zu sagen, je nachdem man bei der Behandlung solcher Angelegenheiten mehr S inn für Humor hat oder mehr einem cholerischen Temperament zuneigt.
Wir haben uns auch bemüht, in den schiedenen Auschußberatungen alle diese Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen; es ist vergeblich gewesen und es war von vornherein sicher, daß dies vergeblich sein würde, namentlich aus folgenden Gründen: erstens einmal ist dieser Gesetzesentwurf das Ausführungsgesetz zu gewissen internationalen Vereinbarungen und mußte daher wie diese int ernationalen Vereinbarungen selbst unter allen Umständen geschluckt werden; zweitens ist dieses Gesetz vom Senat bereits beschlossen worden, es besteht der dringende Wunsch des Außenministeriums, sich einer Verpflichtung gegenüber dem Auslande zu entledigen und es mußte daher Vorsorge getroffen werden, daß nicht durch irgend eine eingehende und gewissenhafte Behandlung dieses Gesetzentwurfes die in Aussicht genomme ne Frist versäumt werde, und endlich gehört dieser Gesetzentwurf zu einer besonders interessanten Gruppe der Vorlagen, die wir hier zu behandeln haben. Es sind nämlich die Vorlagen, die wir hier in diesem Hause zu behandeln haben, in zwei Gruppen einzuteilen: In die Gruppe der heiklen Gesetzentwürfe und die Gruppe der nicht heiklen Gesetzentwürfe. Bei den nicht heiklen Gesetzentwürfen kann unter Umständen nach sachlichen Gesichtspunkten beraten und beschlossen werden, bei den heiklen Gesetz entwürfen aber bedarf es der Vorsanktion irgend einer der Pìtky. Diese Vorsanktion konnte in diesem Fall nicht erlangt werden, infolgedessen war es von vornherein klar, daß der Gesetzentwurf so bleiben würde, wie er von allem Anfang an vorgelegt wurde. Trotzdem ich diese ganze Situation vollkommen klar vor mir sehe, fühle ich mich aus bestimmtem Gründen doch verpflichtet, einige Worte zu sagen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß dieser Gesetzentwurd ein Ausführungsgesetz zu gewissen internationalen Vereinbarungen ist. In gewisser Richtung ist er die Ausführung eines Übereinkommens, welches geschlossen wurde zwischen den sogenannten Sukzessionsstaaten, und er ist in klarer Weise ein Ausführungsgesetz zu dem sogen annten Desequestrationsübereinkommen zwisschen der Èechoslovakei und Frankreich. Wenn der Gesetzgeber die Notwendigkeit in sich gefühlt hätte, die Basis für dieses Gesetz im Gesetz selbst anzugeben, und gesagt hätte: § 1. "Die Inhaber jener beweglichen Sachen, welche der èechoslovakische Staat auf Grund gewisser internationaler Verpflichtungen", - nämlich des Übereinkommens mit den Sukzessionsstaaten und des Desequestrationsübereinkommens mit Frankreich - "zurückzugeben oder herau szugeben verpflicchtet ist", so wäre vom juristischen S tandpunkt dagegen nicht das mindeste einzuwenden gewesen. Der Gesetzgeber hat es aber für notwendig erachtet, die Begründung weiter zu fassen und unter jenen internationalen Vereinbarungen, auf denen diese gesetzliche Verpflichtung angeblich beruht, auch die Friedensverträge von Versailles, St. Germain und Trianon anzuführen.
Meine Damen und Herren, ich muß feststellen, daß es juristisch vollkommen unverständlich ist, wie man zu einer solchen Auffassung kommen kann und es ist mir vorläufig eigentlich auch noch unverständlich, warum der Gesetzgeber einen so ganz besonderen Wert darauf gelegt hat, selbst eine Verpflichtung sich zuzuschreiben, die in den Friedensverträgen von Versailles, St. Germain und Trianon nicht enthalten ist, warum er es für notwendig hält, in einnem Akt innerstaatlicher Gesetzgebung sich zu einer internationalen Verpflichtung zu bekennen, welche er niemals auf sich genommen hat. Das Geheimnis ist für mich vorläufig nicht zu lösen, aber ich habe eine gewisse Vermu tung: es war offenbar den Proponenten dieses Gesetzentwurfes ein wenig peinlich, eine solche Verpflichtung, die vom volkswirtschaftlichen Standpunkt - und zwar bemerke ich, keineswegs nur vom Standpunkt der Industriellen, sondern noch viel mehr vom Standpunkt der in der Industrie beschäftigten Arbeiterschaft - im höchsten Maße anfechtbar ist, der gesetzgebenden Körperschaft zur Annahme zu empfehlen, wenn er sich nicht auf internationale Verträge stützen konnte. Er hätte sich auf das Desequestrationsübereinkommen mit Frankreich stützen können (Posl. Hackenberg: Welches erst beraten wird!), aber erstens wird dieses Desequestrationsübereinkommen erst beraten, wie ganz richtig hervorgehoben wurde, und zweitens war es ein voreiliger Akt der Èechoslovakei, dieses Desequestrationsübereinkommen so abzuschließen, wie es tatsächlich gegen die Interessen der èechoslovaki schen Staatsbürger abgeschlossen worden ist. Wenn man dagegen diese Verpflichtung in die mystische, graue Vorzeit der Friedensschlüsse von Paris zurückverweist, wo bekanntlich alles mögliche geschluckt werden mußte, um nur das große politische Ziel zu erreichen, dann ist die Atmosphäre für die Annahme einer solchen Verpflichtung naturgemäß viel günstiger, und das ist offenbar das große Geheimnis, welches die Proponenten veranlaßt hat, nicht nur diese Bestímmung in den § 1 des Gesetzes aufzunehmen, sondern auch mit einer bewunderungswürdigen Zähigkeit an dieser Bestimmung festzuhalten.
Meine Damen und Herren! Ich will mich mit den wirtsch aftlichen Fragen nicht befassen. Ich will nur darauf hinweisen, daß dieses Gesetz ein ziemlich interessantes Beispiel dafür ist, wie in diesem Staate Verträge geschlossen und Gesetze gemacht werden. Ich möchte folgendes feststellen: Als ich meine juristischen Argumente zum ersten Mal im verfassungsrechtlichen Ausschuß vorbrachte, als ich insbesondere darauf hinwies, daß es doch ein Wahnahnsinn ist, sich zu einer internationalen Verpflichtung zu bekennen, die man niemals auf sich genommen hatte, daß das nicht nur rechtlich unmöglich ist, sondern daß es volkswirtschaftlich schädlich íst und daß es von einer gefährlichen präjudizíellen Wirkung für weitere Vertragsabschlüsse ähnlicher Art ist, denn wir stehen ja noch vor weiteren Desequestrationsübereinkommen mit Belgien, mit England etc., als ich auf all das hinwies, da erzielte ich einen sogenannten moralischen Erfolg! (Posl. Koudelka: Jest to povinnost vrátiti ukradené vìci!) Wie? (Posl. Koudelka: Jest povinností, vrátiti ukradené vìci!) Der verfassungsrechtliche Ausschuß beschloß, die Abstimmung zu vertagen und in einer der nächsten Sitzungen das Außenministerium über seine juristische Auffassung zu hören. In die nächste Sitzung des verfassungsrechtlichen Ausschusses kam nun der Herr Minister des Äußern selbst. Ich muß sagen, wir alle im Ausschusse haben das als eine besondere Auszeichnung empfunden, daß auch der Herr Ministerpräsident als Außenminister oder als Ministerpräsident oder als beides persönlich im verfassungsrechtlichen Ausschuß erschien. Wir haben nun erwartet, daß der Herr Minister, wenn er schon in den verfassungsrechtlichen Ausschuß kommt, mit einer politischen Argumentation kommen werde; das hätten wir sehr gut verstanden. Wir hätten seinen Standpunkt nicht geteilt, aber es wäre sein Metier gewesen; oder aber wir erwarteten, er würde mit der berühmten ethischen Pflicht kommen. Auch da kann ich dem Herrn Außenminister eine gewisse Legitimation nicht absprechen, weil er ja in der Zeit vor seiner jetzigen Berufsstellung Privatdozent derPhilosophie gewesen ist. Dagegen war ich überrascht, daß der Herr Außenminister sich auf das Gebiet der rechtlichen Argumentation begeben hat und dabei leider etwas auf Glatteis getreten ist.
Ich kann mich im einzelnen mit diesen Ausführungen des Herrn Außenministers in juristischer Beziehung nicht auseinandersetzen. Es würde das viel zu weit führen. Dazu müßte man mehr als 15 Minuten Zeit haben und ich sehe, daß ohnehin das Interesse des Hauses kein so reges ist, als daß derartige Ausführungen hier honoriert würden. Ich muß nur feststellen, - meiner juristischen Überzeugung nach - daß sämtliche Behauptungen des Herrn Außenministers von A bis Z unrichtig sind, daß auch beim genauesten Durchlesen und Durchprüfen der Friedensverträge in allen zitierten Bestimmungen auch nicht das Mindeste von dem enthalten ist, was man hineinzulegen wünscht, und daß daher von einer juristischen, rechtlichen Verpflichtung der Èechoslovakei, irgend etwas gegenüber irgend einem Staate herauszugeben"nicht die Rede sein kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun, der Herr Minister des Äußern hat selbst das Gefühl gehabt, daß seine juristischen Ausführungen nicht auße ordentlich beweiskräftig sind, denn er hat mir versprochen, zur Beruhigung meines juristischen Gewissens in Hinkunft noch weiteres Material zur Verfügung zu stellen. (Výkøiky.) Es ist das bisher nicht geschehen und so sehe ich der Erfüllung dieser Verpflichtung mit großem Interesse und mit einem gleichgroßen Vertrauen entgegen, denn ich bin überzeugt, daß solche Zusagen, da sie nicht politischer Natur sind, von dem Außenminister zweifellos eingelöst werden. Ich muß nun eine bemerkenswerte Tatsache konstatieren. Die Majorität des Rechtsausschusses, in der sehr gewiegte und sehr ernst zu nehmende Juristen sind, hat plötzlich auf Grund der zweifellos auch für die Mehrheitsjuristen nicht beweiskräftigen juristischen Ausführungen des Außenministers einstimmig sich auf den Boden dieser Auffassung gestellt. Es war das ein interessanter Tag für mich, eine neue Entdeckung. Man hat früher sehr oft gesprochen von einer sogenannten Kabinettsjustiz - ich muß gestehen, daß ich in der Èechoslovakischen Republik, es hat dies auch Herr Kollege Dr. Haas letzthin gesagt, im allgemeinen mit der Objektivität der Richter nicht unzufrieden sein kann, wenn ich nicht den geradezu grotesken Fall ins Auge fasse, der sich hier in Prag ereignet hat, wo ein Akt allerdings unsauberster Kabinettsjustizund auch dümmster Kabinettsjustiz durch das famose Urteil im Prozeß um das Landestheater erfolgt ist. Aber im allgemeinen wollen wir nicht von einer Kabinettsjustiz sprechen, dagegen hat die Èechoslovakei die Erfindung gemacht, eine sogenannte Kabinettsrechtswissenschaft (Veselost na levici) zu gründen, was immerhin als Spezialität vermerkt werden kann. Wir sind ja auch sonst nicht so arm an Spezialitäten in diesem Staate und es ist gewiß ganz amüsant, dieses Register durch ein besonderes Novum zu ergänzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fühle mich verpflichtet, mit aller Entschiedenheit auf diese Umstände hinzuweisen u. zw. erstens einmal - um diesen Ausdruck des Herren Ministers zu zitieren - tatsächlich zur Beruhigung meines juristischen Gewissens, zweitens aber deshalb, weil der ganze Vorgang unzweckmäßig ist und weil dieses Vorgehen, wie ich schon einmal sagte, von ungeheurer präjudizieller Bedeutung ist. Wir stehen vor mehreren Desequestrationsübereinkommen und wenn man tatsächlich immer bei internalionalen Verträgen derart vorgeht, daß man Komplimente, Konzessionen macht, ohne zu diesen Konzessionen verpflichtet zu sein, daß man aber hierbei selbst von sich behauptet, dazu verpflichtet zu sein, so ist das ein Vorgehen, das nicht nur unsere Interessen aufs allerhöchste schädigt, sondern meines Erachtens auch in Widerspruch steht mit den elementarsten Grundanschauungen über diplomatische Verh andlungen. Ich glaube, wenn man zum ersten besten Kaufmann geht und ihn fragt, wie bei Abschluß von Geschäften vorzugehen ist, wird er zur Antwort geben: "Jedenfalls nicht so, wie die èechoslovakischen Delegierten bei derartigen diplomatischen Verhandlungen." Wir fürchten daher, daß etwas derartiges, wie es hier passiert ist, auch weiterhin passieren wird, und ich möchte gegenüber einem solchen Vorgehen in aller Entschiedenheit und in allem Ernste hier eine Warnungstafel aufstellen. Aber auch dieses Gesetz selbst, wenn ich nicht an die Zukunft denke, ist gefährlich. Ich will mich in die Frage der sittlichen Verpflichtung zur Rückgabe nicht einlassen. Aber ich weiß, daß auf dem Weg privater Unterhandlungen zwischen der französischen Regierung und den hiesigen Industriellen unter Beiziehung oder wenigstens Befragung der Arbeiterschaft schon sehr weit in dieser Richtung vorgegangen wurde, daß daher dieses Gesetz viel eher geeignet ist, die friedliche Austragung dieses Streites zu hindern als zu fördern; auch das sehe ich als sehr gefährliches Moment solcher Gesetzgebung an.
Meine sehr geehrten Herren! Ich bin so ziemlich am Schlusse. Ich bin überzeugt" daß der Abänderungsantrag, den ich vorschlage, und der selbst von ihrem Standpunkt eigentlich sehr harmlos wäre, indem ich nichts anderes will, als daß im § 1 jede Beziehung auf die Friedensverträge verschwindet und daß es dort einfach heißt: "Die Inhaber aller beweglichen Sachen, welche der èechoslovakische Staat auf Grund internationaler Verpflichtungen zurückzugeben oder herauszugeben verpflichtet ist . . ." - ich weiß, daß auch dieser Antrag, wie alle andern zu diesem Gesetze, abgelehnt werden wird.
Das ist sicher, meine Herren!
Der èechoslovakische Staat wird in diesem Momente einen kolossalen
Schritt zur weiteren Ausgestaltung seiner Selbständigkeit machen;
der èechoslovakische Staat hatte schon bisher eigene politische
Souveränität, er hatte seine eigenen Gesetze, seine eigenen Verordnungen,
seine eigene Armee, seine eigenen Zollgrenzen, sein eigenes Verwaltungsregime
etc. Nunmehr wird er sich aber auch von den Grundlehren der allgemeinen
Rechtslehre, die sonst überall in der Welt herrschen, emanzipieren.
Ich kann Sie nicht hindern, diesen Schritt der Emanzipation hier
zu unternehmen, Sie werden es mir aber nicht übel nehmen, wenn
ich auf Grund meiner zweifachen Pflicht als Volksvertreter und
als Lehrer des Rechts dieses Vorgehen auf das entschiedenste mißbillige
und brandmarke. (Souhlas a potlesk na levici.)
Meine verehrten Damen und Herren!
Im Jahre 1917 wurden den österreichischen Textilindustriellen
von der deutschen Regierung Spinnmaschinen zum Kaufe angeboten.
Die Maschinen wurden damals von der deutschen Flachsabrechnungsstelle
bei der Bank für Handel und Industrie in Berlin angekauft und
von dort an die Spinnereien im Gebiete der derzeitigen Èechoslovakischen
Republik verkauft, wo sie heute noch in Gebrauch sind. Die alten
Maschinen, die früher im Gebrauch waren, sind zum Teil verkauft,
zum Teil vollständig außer Gebrauch gesetzt worden, weil auf Grund
der damaligen Vereinbarungen während der Kriegszeit die Spindelzahl
nicht erhöht werden durfte, die Produktion also unter den damaligen
Verhältnissen nicht erhöht werden konnte. Das war die Ursache,
warum man die alten Maschinen zum Teil verkaufte und zum Teil
außer Betrieb setzen mußte. Dafür wurden diese neuen modernen
Maschinen in Tätigkeit gesetzt. Es handelt sich, soviel uns bekannt
ist, um 354 neue Maschinen, die in dieser Art in das Gebiet der
Èechoslovakischen Republik verkauft worden sind, und es kann den
Industriellen bei Wegnahme dieser Maschinen gar kein Ersatz geleistet
werden, weil die Maschinen heute überhaupt nicht zu bekommen sind.
Diese Wegnahme müßte naturgemäß in der Textilindustrie eine ganz
bedeutende Stockung in der Erzeugung zur Folge haben. Und als
logische Folge dieser Stockung würde die Arbeitslosigkeit in einem
ganz bedeutendem Masse über das Niveau, auf dem sie heute ohnedies
schon steht, erhöht werden. So sehr wir nun die widerrechtliche
Wegnahme dieser Maschinen auch von unserem Standpunkte aus verurteilen
müssen, müssen wir doch hier die Regierung ersuchen, einen anderen
Weg zu wählen, als den, die Maschinen wieder in natura zurückzugeben.
Wir müssen sagen, daß der ursprüngliche Eigentümer aus rechtlichen
Gründen entschädigt werden muß, obwohl heute ganz ruhig ausgesprochen
werden kann, daß dieser Rechtsgrundsatz nicht überall Anwendung
findet und heute tausende und tausende, die Opfer des Krieges
geworden sind, in keiner Form irgendeine Entschädigung erhalten.
Es sind große Gebiete in Ungarn, Ostpreußen und anderwärts elend
verheert worden und kein Hahn kräht darnach, was aus diesen armen
Teufeln geworden ist, die damals als Opfer des Krieges zu Grunde
gerichtet wurden. Nichtsdestoweniger muß aber doch heute gesagt
werden, daß die Sache rechtlich so steht, daß die Maschinen nicht
von der deutschen Regierung, sondern von der Flachsabrechnungsstelle
in Berlin, also von einwandfreier Seite, durch unsere Industriellen
angekauft worden sind. Nach dem Grundsatze des Kaufvertrages,
§ 1053 ABGB und Artikel 337 HGB, erwirbt sich der Käufer damit
das unbestrittene und unwiderrufliche Eigentumsrecht an diesen
Maschinen, welches nicht ohne weiteres durch eine andere Bestimmung
wegrasiert werden kann. Die Käufer stehen mit der französischen
Regierung und mit dem französischen Ureigentümer in keinerlei
rechtlichem Verhältnis und können in dieser Form zu keinem Schadenersatz
herangezogen werden. Die Regierung kann sich über diese klaren
gesetzlichen Bestimmungen, die die Rechte des Käufers schützen,
nicht einfach hinwegsetzen. Es gibt für solche Fälle kein Expropriationsgesetz,
welches die Regierung berechtigen würde, in dieser Weise vorzugehen.
Es gibt aber in dieser Form auch keine politische Exekution für
solche Zwecke, ebenso aber auch keine gerichtliche Exekutive,
die im Stande wäre, diesbezüglich vorzugehen. Wenn diese Klagen
anhängig gemacht werden, kann sich auch der Richter über diese
gesetzlichen Bestimmungen nicht einfach hinwegsetzen und es würden
wahrscheinlich dem Staate aus diesen Klagen ziemlich große und
schwere Verlegenheiten entstehen. Dann kommt noch die eine Frage,
die auch erhoben werden muß, nämlich ob heute, im gegenwärtigen
Moment, die französischen Textilindustriellen als die Ureigentümer
der Maschinen, überhaupt noch darauf bestehen und ob es überhaupt
noch notwendig ist, diese Maschinen in natura zurückzugeben. Wir
wissen nicht, wie die Produktion heute dort steht, oder wie sie
sich geändert hat und ob diese Leute heute noch Wert darauf legen,
die Maschinen in natura zurückzubekommen, ob es ihnen nicht vielmehr
viel lieber wäre, die Sache in der Form einer Entschädigung, die
natürlich eine richtige Entschädigung des Wertes sein müßte, zu
erledigen, und daß diese Form so vorteilhafter für sie und für
uns wäre. Für uns und den Staat muß es sich darum handeln, daß
er draußen die Arbeitslosigkeit nicht in ungeheuerem Maße steigert,
durch eine Maßnahme, die vielleicht doch im Verhandlungswege durch
das Ministerium des Äußeren oder das Handelsministerium in solche
Wege geleitet werden könnte, so daß es möglich wäre, die Frage
im Entschädigungswege für beideTeile in günstiger Form zu regeln
und so auf diese Weise Wege zu finden, die uns und unseren Staat
vor Arbeitslosigkeit schützen, die Arbeiterschaft vor Hunger und
Elend bewahrt und den Ureigentümern der Maschinen, soweit es möglich
ist, irgendwie gerecht wird. Das ist unser Standpunkt, den wir
auch im Ausschuß für Handel, Industrie und Gewerbe klargelegt
haben. Es wurde uns auch seinerzeit vom Herrn Handelsminister
versprochen, daß er alles mögliche tun werde, um diesen Weg zu
beschreiten, damit es möglich werde, von dem vorliegenden Gesetz
keinen Gebrauch zu machen. Wir sind selbstverständlich aus den
angeführten Gründen nicht in der Lage, für das Gesetz zu stimmen,
müssen aber nochmals betonen, dem Rechtsgefühl der Entschädigung
muß auch von unserer Seite entsprochen werden. Die Regierung fordern
wir auf, alles zu tun, um Mittel zu finden, die Sache so zu regeln,
daß die Ureigentümer ent schädigt werden, die Arbeitslosigkeit
im vermehrten Maßstabe vermieden und ge trachtet wird, die Sache
zur beiderseitigen Zufriedenheit, unseres Staates sowie der geschädigten
Ureigentümer Frankreichs aus der Welt zu schaffen. In dieser Form
sind wir nicht in der Lage, für das Gesetz zu stimmen, hoffen
aber, daß die Regie rung den Weg zur beiderseitigen Zufrie denheit
finden wird, damit beide Teile keinen Schaden erleiden und das
moralische Rechtsbewußtsein nicht vielleicht durch eine Form gebeugt
werde, die entweder unseren Staat treffen würde oder das Aus land,
was wir um so mehr vermeiden müs sen. (Potlesk na levici.)
Meine Damen und Herren! Es kommt außerordentlich selten vor, daß einer von unserer Seite den besonderen Vorzug hat, sich als Proredner eintragen zu lassen, und es wäre daher vielleicht verlockend, dieses seltene Vergnügen auszukosten. Ich verzichte aber doch darauf und will mich auf einige kurze Feststellungen beschränken, die ich aus dem oder jenem Grunde für notwendig halte. Ich möchte vor allen Dingen darauf hinweisen, daß es nicht nur dem Referenten des Ausschusses, sondern auch uns, die Abänderungsanträge im Ausschusse gestellt haben, schwer gefallen ist, auf eine Abänderung des Beschlusses des Senates einzugehen, und zwar aus dem Grunde, weil naturgemäß jede Annahme eines Abänderungsantrages eine Verlängerung der parlamentarischen Verhandlungen erfordert, wodurch das Inkrafttreten des Gesetzes hinausgeschoben wird. Nun aber konnten wir uns doch nicht der Erkenntnis verschließen, daß uns der Senat eine Vorlage übermittelt hat, welche nicht nur in vielen Punkten der klaren juristischen Formulierung entbehrte und in anderen Punkten außerordentlich verwirrend war, sondern die auch in mehreren Belangen nicht das erreicht hat, was eigentlich das Gesetz zu bieten bestimmt ist, nämlich eine Anpassung an die heutigen Verhältnisse auf der einen Seite und die Erfüllung gewisser berechtigter Forderungen der Advokaturskandidaten auf der anderen Seite. Wir fühlten uns daher ver pflichtet, die notwendigen Abänderungs anträge zu stellen, die meritorische Be ratung im Rechtsausschusse noch einmal aufzunehmen und dadurch die Notwendig keit herbeizuführen, daß das Gesetz an den Senat zurückgeht. Aber es ist sicher, daß bei einigem guten Willen des Senates das Gesetz in so naher Zeit verabschiedet wer den kann, daß den berechtigten Ansprü chen und Erwartungen, die an dieses Ge setz geknüpft werden, raschestens Rech nung getragen wird. Ich kann es mir er sparen, auf die verschiedenen Abänderungsanträge, die wir im Rechtsausschuß selbst gestellt haben, des näheren einzu gehen, und zwar aus dem Grunde, weil der Referent ja mit den meisten dieser Ab änderungsanträge übereinstimmt, und auch die Ausschußmehrheit im wesentlichen un seren Anschauungen Rechnung trug, so daß wir diesem Gesetze in seiner Gänze in seiner jetzigen Gestalt zuzustimmen in der Lage und bereit sind. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß immerhin ein Ziel durch die jetzige Fassung doch noch nicht vollkommen erreicht erscheint, und dieses Ziel besteht darin, daß durch die Neu formulierung der Bestimmungen über die Zeit und den Inhalt der Rechtspraxis, die ein Advokaturskandidat zurückzulegen hat, um die Advokatur zu erlangen, daß durch die Neuformulierung dieser Bestimmungen gewisse wohlerworbene Rechte von Advo katurskandidaten nicht berührt werden, die im Vertrauen auf die derzeitigen Bestimmungen über die Rechtspraxis diese bereits begonnen haben. Es war notwendig, gewisse Übergangsbestimmungen zu schaffen. Solche Übergangsbestimmungen sind zum Teil in das Gesetz hineingearbeitet worden. Es ergibt sich aber, daß in einzelnen Punkten noch Übergangsbestimmungen notwendig sind. Solchen Bestimmungen in das Gesetz Eintritt zu verschaffen ist nun die Absicht gewisser Abänderungsanträge, die ich zu § 5 u. 6 in Gemeinschaft mit Dr. Radda überreicht habe. Ein Advokaturskandidat, der nach den derzeit geltenden Bestimmungen von den sieben Jahren Advokaturspraxis nur drei beim Advokaten zubringen mußte, vier dagegen bei einer Gerichtsbehörde absolvieren konnte, mußte, wenn er das Pech hat, beim Inkrafttreten des Gesetzes nur vier Jahre Gerichtspraxis zu haben und noch keinen Tag Advokatenpraxis, eigentlich nach den neuen Verfügungen noch weitere 5 Jahre beim Advokaten arbeiten, so daß sich für ihn statt der beabsichtigten Abkürzung auf 5-6 Jahre sogar eine Verlängerung der Zeit auf 9 Jahre ergeben würde. Diesem Umstande wird zum Teile Rechnung getragen durch den Abs. 6 des § 5, wie bereits der Herr Referent erwähnt hat. Es wird dem aber nicht vollständig Rechnung getragen, weil der Termin, der dort angegeben ist, der 1. Jänner 1924, bei genauer Berechnung nicht genügt. Ich stelle daher den Abänderungsantrag, daß im § 5, Abs. 6, es an Stelle "1. Jänner 1924" heißen soll: "1. Jänner 1925." Der Fall, welcher zum Abänderungsantrag, den ich soeben gestellt habe, geführt hat, mag ein Ausnahmsfall sein; die Fälle aber, von denen ich jetzt sprechen will, sind keine Ausnahmsfälle. Nach dem bisherigen Recht war der Advokaturskandidat verpflichtet, nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, unter den 7 Jahren ein Jahr Gerichtspraxis zu absolvieren, und es warallgemein üblich, daß das Jahr der Gerichtspraxis an den Beginn der Praxis überhaupt gestellt wurde, und daß erst dann der Übergang zur Advokaturstätigkeit erfolgte. Das war natürlich auch aus dem Grunde üblich, weil ja nicht immer eine Stelle frei war, in die der Kandidat hätte eintreten können, während bei Gericht jederzeit jeder ankommen konnte. Nun müssen Sie sich vor Augen halten, daß gerade nach dem Kriege nicht viele Stellen bei Advokaten frei waren, und daß daher die jungen Leute, um überhaupt nur sobald als möglich die Praxis zu beginnen, sofort zu Gericht gegangen sind. Und nun halten Sie sich nach der ganzen Situation der jetzigen Formulierung folgende Parallele vor Augen. Wenn jemand beispielsweise am 1. Jänner 1921 in die Rechtspraxis eingetreten ist bei einem Advokaten, zu dem er zufällig Beziehungen hatte, und ein zweiter die Rechtspraxis an demselben Tage bei Gericht angetreten hat, so wird nach dem bisherigen Recht der erste, da er 1921, 1922, 1923, 1924, 1925 beim Advokaten gearbeitet hat, am 31. Dezember 1925 Advokat werden können. Wird die Fassung, so wie sie vorliegt, unverändert gelassen, dann würde aber der andere, wenn er jetzt sofort vom Gericht zum Advokaten ginge, da das Gesetz eine mindestens 5jährigeAdvokaturspraxis verlangt, erst am 31. Dezember 1926 die Advokatur erlangen, die sein Kollege unter durchaus gleichen Verhältnissen bereits ein Jahr früher erlangen konnte. Das ist eine krasse Ungerechtigkeit, die sich in gleicher Weise wiederholt, wenn man die Verhältnisse bei der Berechtigung zur Substitution betrachtet. Und diese Ungerechtigkeiten, welche durch die §§ 5 und 6 herbeigeführt worden sind, sollen dadurch beseitigt werden, daß sowohl im § 5 wie 6 an den betreffenden Stellen die Worte eingefügt werden: "Die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vollstreckte, nach den bisherigen Bestimmungen obligatorische Gerichtspraxis wird bis zur Dauer eines Jahres der beim Advokaten zugebrachten Praxis gleichgeachtet." Ich hoffe, daß der Herr Referent in der Lage sein wird, diesen drei Abänderungsanträgen, die neu gestellt sind - im Ausschuß konnte ich sie nicht stellen, weil die ganze Situation mit ihren Rückwirkungen mir erst jetzt ganz klar wurde - beitreten wird.
Ich möchte hier ferner einen Antrag wiederholen, den ich schon im Ausschuß gestellt habe und von dem ich leider nicht hoffen kann, daß der Herr Referent ihm beitreten wird. Wir haben uns vergeblich bemüht, ihn im Ausschuß durchzusetzen. Es war eine Abstimmung nicht nach nationalen oder politischen Gruppen, es war eine Abstimmung quer durch den Ausschuß, und bei dieser Abstimmung hat es sich um diese Frage gehandelt, ob man dem substitutionsfähigen Advokaturskandidaten auch das Recht gewähren soll, vor den Geschwornen zu verteidigen. Nun, wir sind mit geringer Differenz in der Minderheit geblieben und ich glaube, auch aus diesem Grunde berechtigt zu sein, noch einmal den Antrag zu stellen. Aber nicht nur aus diesem formellen, sondern auch aus einem inneren Grunde, denn ich glaube, daß es in dem ganzen System, das wir nun aufgebaut haben und das ich sehr begrüße, notwendig wäre, dem substitutionsberechtigten Advokaturskandidaten immer mehr Zugang zur selbständigen Vertretung zu gewähren, natürlich unter der Verantwortlichkeit des Chefs, und ich glaube, daß es nicht ganz in dieses Gebäude hineinpaßt, wenn man ihn gerade nur von der Vertretung vor den Geschwornen ausschließt. Es ist meiner Ansicht nach zur Vertretung vor den Geschwornen gewiß nicht mehr Rechtskenntnis notwendig als zur Vertretung in schwierigen, komplizierten Zivilprozessen. Im Gegenteil, die theoretischen und praktischen Kenntnisse werden im letzteren Fall - wo der substitutionsfähige Advokaturskandidat vertreten darf - vielleicht in höherem Maße erforder lich sein als vor den Geschwornen. Dazu kommt, daß beim Geschwornengericht ja nicht alles auf die Kenntnis ankommt, sondern eine gewisse menschliche Beziehung zum Geschwornen, eine gewisse Fähigkeit, dem Gefühl und den vernunftgemäßen Erwägungen der Geschwornen durch die Macht der Rede, durch das Empfinden, nahezukommmen, eine Rolle spielt. Ich kann wohl sagen, daß nach allen Erfahrungen, die man in dieser Hinsicht gemacht hat, die Jugend da kein Hindernis, sondern eher ein Vorteil ist. Aus diesem Grunde wäre es auch möglich gewesen und ich stelle diesen Antrag, diese Worte im § 6, Absatz 2, jene Worte, welche die Vertretung des substitutionsberechtigten Advokaten vor Geschwornen ausschließen, zu streichen.