Meine Damen und Herren! Bei der ersten Verhandlung der vorliegenden Baugesetze in diesem Hause fiel es mir zu, im Namen des Deutschen parlamentarischen Verbandes gegen die Art und Weise, wie diese wichtigen, tief in das Volksund Wirtschaftsleben einschneidenden Gesetzesvorlagen behandelt werden, Verwahrung einzulegen und die Teilnahme an den Verhandlungen über diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Nun hat der Senat sich mit diesem Gesetzentwurf ausführlich befaßt und eine Reihe von Abänderungen vorgenommen.
Gestern hat die Vìtšina dieses Hauses im Budget- sowie im sozialpolitischen Ausschuß diese Abändernngsanträge abgelehnt und beschlossen, den Gesetzentwurf in der ersten Fassung anzunehmen. Damit wäre eigentlich die ganze Angelegenheit erledigt und jedes weitere Wort überflüssig. Namentlich ist es zwecklos, in das Meritum dieses Gesetzesantrages einzugehen oder Abänderungsanträge zu stellen. Ich will aber diese Gelegenheit benützen, um auf einige der schwerwiegendsten Bedenken hinzuweisen und die bisherige Wohnungsfürsorge in diesem Staate kurz zu beleuchten.
Die Wohnungsnot wird immer unerträglicher, aber sie ist nicht von heute und gestern. Bereits während des Krieges zeigte sich diese Erscheinung und legte umsomehr nach dem Kriege der Regierung die Verpflichtung auf, ehestens und mit allen Mitteln an die Lösung der Wohnungsnot zu schreiten. Außerordentliche Erscheinungen erfordern eine außerordentliche Abhilfe. Doch unsere Regierung und deren Parlament hatten ja viel zu viel andere Aufgaben. Die Wohnungsnot ist eine allgemeine Erscheinung. Sie ist nicht allein bei uns, sondern auch bei den Siegerstaaten zu finden und hat verschiedene Ursachen. Eine Ursache ist der vollständige Stillstand der Bautätigkeit während des Krieges und nach dem Kriege, der Mangel an Baustoffen, die hohen Preise der Baumaterialien und die mit den Preisen der allgemeinen Bedarfsartikel gesteigerten Löhne, während es auf der anderen Seite nicht möglich war, die erforderlichen Baukredite zu erhalten, umsomehr, als durch die unselige und ungerechte Lösung der Kriegsanleihefrage die Geldinstitute versagten.
Den Wohnungsmangel verursachte weiter auch die Gründung neuer Haushalte. In vielen Gegenden hat sich die Zahl der Eheschließungen verdoppelt. Dazu kommt, daß viele Wohnungen für Büros, für die Zentralen und deren Einrichtungen beschlagnahmt und so ihrem Zwecke entzogen wurden. Nicht unerwähnt darf auch bleiben, daß in vielen Orten Wohnräume zur Unterbringung des Militärs verwendet und dadurch ihrem natürlichen Zwecke entzogen wurden, ohne daß der Staat auch seiner Verpflichtung nachgekommen wäre, für die erforderlichen Unterkünfte Sorge zu tragen. Nicht allein, daß man sich auf Kosten der steuerzahlenden Bevölkerung den Luxus einer unverhältnismäßig großen Militärmacht leistet, wird dadurch auch den breiten Volksschichten das schützende Obdach entzogen.
In Prag selbst hat die Verlegung staatlicher Ämter, der Zuzug so vieler Beamten eine schreckliche Wohnungsnot hervorgerufen. Dazu mußten noch die Gesellschaften, die über das ganze Land verbreitet waren, aus nationalen Gründen - und diese sind in erster Linie hier maßgebend - in Prag zusammengezogen werden, um die Wohnungsnot zu vermehren. Die bisherigen Wohnungsgesetze haben vielfach jede Baulust unterbunden, denn wenn dem Bauherrn das freie Verfügungsrecht über die Wohnungen genommen, wenn die Mietpreise mit Gewalt auf der Friedenshöhe gehalten werden, so daß namentlich den unbemittelten Bauherren die Möglichkeit genommen ist, ihr Haus in Stand zu halten, darf man sich nicht wundern, wenn ein Anreiz zu einer Bautätigkeit nicht zu verspüren ist.
Die Wohnungsbeschlagnahme, das Zusammendrängen der Menschen auf wenige Räume, ist nur ein Notbehelf, für die Zeit berechnet, wo zu wenig Neubauten vorhanden sind. Dagegen muß vom gesundheitlichen, sittlichen und sozialen Standpunkt Stellung genommen werden. Die Möglichkeit eines gesunden Familienlebens setzt ein gesundes, entsprechendes Heim voraus. Das Familienleben ist die Keimzelle der Gesellschaft. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit und Bedeutung der Wohnungsfürsorge für die gesamte Sozialreform. Die prohibitive Wohnungsfürsorge ist nur so lange notwendig, als nicht die erforderlichen Neubauten geschaffen sind. Allenthalben aber macht sich die Überzeugung geltend, daß nicht durch eine Beschlagnahme der bestehenden Wohnungen, die fast vollständig erfaßt sind, die Wohnungsnot behoben werden kann, sondern nur durch Neubauten, und dabei ist das Wichtigste, den Bauwillen der Bevölkerung zu heben. Die bisherigen Maßnahmen der Regierung erzielten aber das Gegenteil. Die Rechtsunsicherheit in diesem Staate, die Eingriffe in das Privateigentum, der schleichende Bolschewismus in der Gesetzgebung sind nicht dazu angetan, die Kreise der Bauinteressenten zur Bautätigkeit anzueifern.
Wir begehen kein Unrecht, wenn wir die Anklage erheben, daß die Regierung in ihren Maßnahmen zur Behebung der Wohnungsnot versagt hat. Wie viel hätte seit dem Jahre 1918 in der Hebung der Bautätigkeit geschehen können. Unter den erschwerten Verhältnissen könnte nur durch eine weit ausgreifende staatliche Förderung der Bautätigkeit etwas erzielt werden. Man hatte für verschiedene Zwecke Geld, für manche Ministerien wurden Riesensummen ausgeworfen, die zu der wirtschaftlichen Tragfähigkeit dieses Staates in gar keinem Verhältnis stehen. Nur der Wohnungsbaufond im Ministerium für soziale Fürsorge wurde karg gehalten. Dort wollte man sparen, gerade so wie bei den armen Kriegsopfern. In einer Zeit, wo die private Bautätigkeit auf sich allein gestellt, ihren Zweck nicht erfüllen kann, muß der Staat eingreifen. Da hätte man durch eine weit ausgreifende Wohnungsfürsorge, durch Beistellung großer staatlicher Bausubventionen und Baukredite viel leisten können und man hätte mit geringen Mitteln die Bautätigkeit der gemeinnützigen Baugesellschaften, der Gemeinden und Privaten fördern können. Um wie viel billiger hätte man in den Jahren 1919 und 1920 bauen können! Das ist ein schweres Versäumnis, für das jetzt die breiten Volksschichten mit dem vielfachen Elend der Wohnungsnot, die ein ganzes Heer gefährlicher Beglei ter im Gefolge hat, und die Steuerzahler mit unerschwinglichen Steuerlasten büßen müssen.
Ich hatte schon einmal Gelegenheit, von dieser Stelle aus auf die unzulänglichen Einrichtungen im Ministerium für soziale Fürsorge hinzuweisen. Es wurde so viel von Kredithilfe, von Staatssubventionen u. s. w. gesprochen und wir haben hier wiederholt die Frage aufgeworfen, wieviel von diesen besprochenen Summen den deutschen Baugesellschaften, den deutschen Gemeinden, den deutschen Privaten zugute gekommen sind. Im deutschen Siedlungsgebiet ist ja die Wohnungsnot nicht weniger groß als in anderen Gebieten dieses Staates.
Ich werde mir daher erlauben, den Resolutionsantrag zu stellen: Das Ministerium für soziale Fürsorge wird aufgefordert, über die den gemeinnützigen Bauund Wohnungsgenossenschaften, den Gemeinden und Privaten gewährten Darlehen und Subventionen einen spezifizierten Bericht dem Hause vorzulegen. Man sagt, es lagen früher keine deutschen Bauan suchen vor. Seit mehr als einem Jahre aber liegt eine Unzahl derartiger Ansuchen in den betreffenden Ministerien, die un zähligemale urgiert wurden und urgiert werden mußten und von denen es nur gelang, einige wenige der Erledigung zuzuführen. Es ist ja auch nicht anders möglich, wenn man die Einrichtung in diesen Ministerien kennt. Ein oder zwei Beamte im Arbeitsministerium zur Prüfung der Baupläne sind vollständig unzureichend. Und wenn man schon nicht die erforderliche Anzahl von Architekten èechischer Nationalität hat, würde man schon deutsche Architekten finden, um diese Unsumme von Material aufzuarbeiten, um nicht die Baugenossenschaften und Gemeinden nur zu frozzeln, sondern ihnen wirklich die im Gesetze und in den Verordnu ngen versprochenen Kredite und Subventionen zu sichern. (Sehr gut!)
Ebenso bleibt auch bisher unser Verlangen, daß die Stelle im Ministerium für soziale Fürsorge ausgestaltet, daß alle Agenden in den verschiedenen Ministerien, die sich mit der Wohnungsfürsorge zu beschäftigen haben, in einer Stelle zusammengezogen werden und daß in dieser Abteilung Beamte, die mit den Agenden der Wohnungsfürsorge vertraut sind, herangezogen werden, ohne Erfolg, trotzdem von verschiedenen Šeiten diesbezüglich wiederholt vorgesprochen und auch ganz bestimmte Vorschläge gemacht worden sind. Wenn diese Verhältnisse weiter bestehen, werden auch die verschiedenen Bestimmungen in den vorliegenden Baugesetzen keinen Erfolg haben. Die Öffentlichkeit würde staunen, wenn sie erfahren würde, wieviel Interventionen, Vorsprachen u. dgl. notwendig waren, um auch nur ein Gesuch einer Erledigung zuzuführen.
Wenn da nicht Ordnung gemacht wird, nützen auch die Paragraphe über die Bausubvention, über Steuern und Gebührennachlässe in dem neuen Gesetze, die im sechsten Hauptstück zusammengefaßt sind, gar nichts. Wir sprechen ganz offen die Befürchtung aus, daß bei dem Geschäftsgang und bei der Art und Weise, wie die Baugesuche aus der Bevölkerung erledigt werden, auch das Baujahr 1921 verloren sein wird. Wir haben so oft verlangt, daß die Gesetze und Verordnungen zur Förderung der Bautätigkeit auch zur Kenntnis des deutschen Volkes gelangen. Dies ist bisher in vollständig unzureichendem Maße geschehen. Daher kam es, daß die Bestimmungen über die Staatskredite den Bau- und Wohnungsgenossenschaften unbekannt geblieben sind, so daß diese bei den unerschwinglich hohen Preisen, bei dem Risiko eine Bautätigkeit nicht wagten, umsomehr als der Staat auch bei der Beschaffung des erforderlichen Baukredites versagte.
Ferner müssen wir verlangen, daß bei der Vorberatung derartiger Gesetzentwürfe, die von solcher Tragweite für das gesamte Volks- und Wirtschaftsleben sind, auch die deutschen Baugenossenschaften und die deutschen interessierten Kreise zur Vorberatung herangezogen werden. (Souhlas na levici.) Hätte man in dieser Form diese wichtigen Gesetzesvorlagen erörtert, so wäre die ganze Vorlage in vielen Punkten anders ausgefallen.
Ferner muß eine Erleichterung bei Abfassung der Bauansuchen eintreten. Besonders wäre es wünschenswert, daß die Berechnungen in einfacher Weise nach Quadratmetern des verbauten Bodens angestellt werden. Ich weise darauf die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer Bauberatungsstelle hin, die bei entsprechender staatlicher Subvention den Baugenossenschaften, den Gemeinden und Privaten im Entwurf der Baupläne in der vorschriftsmäßigen Ausstattung der Ansuchen behilflich sein und die Arbeit der Beamten in den Ministerien erleichtern würde. Besonders möge man auf eine entsprechende Typisierung der Bauarten und der einzelnen Baubestandteile hinweisen, soweit diese den künstlerischen Anforderungen entspricht. Eine solche Bauberatung ist auch notwendig, damit bei den neuen Bauten die Pflege der Heimatskunst und der künstlerischen Veranlagung nicht übersehen wird. Zu gleicher Zeit müßten auch die neuen Bauweisen studiert werden. Deutschland z. B. hat eine Lehrund Versuchsanstalt für neue Bauweisen errichtet, und der Minister für Wohnungswesen hat eine Denkschrift zur Aufklärung und Anregung des Volkes betreffs der Ersatzbauweisen herausgegeben. Um großzügig den Wohnungsbau fördern zu können und die erforderlichen Mittel hiefür von Staatswegen beizustellen, ist es notwendig, daß der Wohnungsbedarf im Staatsgebiete zunächst einmal festgestellt wird, damit nicht ins Blaue hineingearbeitet wird. Das ist eine sehr wichtige Forderung, die auch nicht unter den Tisch fallen sollte. In Deutschland hat man diesbezüglich sehr erfolgreiche Untersuchungen angestellt und dort auch mit der Beseitigung der Wohnungsnot wirklich hervorragende Erfolge erzielt. In Ostpreußen z. B. ich habe einige Zahlen aufgeschrieben - sind allein in den zwei Jahren vom 1. Oktober 1918 bis zum 1. Oktober 1920 6478 neue Wohnungen fertiggestellt worden, davon 4021 Dauerwohnungen und 2457 Notwohnungen. Ferner waren am 1. Oktober 1920 2059 Wohnungen in Bau gegeben, und das alles allein in dem kleinen Ostpreußen.
Ferner ist von Seiten der Regierung bisher zur Beschaffung der notwendigen Baukredite fast gar nichts geschehen und das wäre eigentlich die Hauptsache. Kreditinstitute, Sparkassen sind infolge der ungerechten Lösung der Kriegsanleihefrage (Sehr richtig!) lahmgelegt. Was hilft schließlich die Zusicherung der staatlichen Baukredite und der staatlichen Garantien, wenn nicht das erforderliche Baukapital sichergestellt wird. Und da hat die Regierung bisher den Baugenossenschaften, den Gemeinden und den Privaten sehr wenig geholfen. (Výkøik: Und bei Neubauten muss auch noch das ganze übrige Vermögen des Betreffenden haften!) Sehr richtig! Was hilft schließlich diese Zusicherung, wenn nicht die erforderlichen Baukredite zur Verfügung gestellt werden, u. zw. zu einem erträglichen Zinsfuß. Eine gerechte Lösung der Kriegsanleihefrage könnte hier allein Wandel schaffen. Das neue Baugesetz bringt ja einige Vorschläge. Die Losanleihe soll eine Milliarde zur Förderung der Bautätigkeit aufbringen. Ich will ja diesem Glücksspiel alles Gute wünschen, aber ich habe die Überzeugung, daß in den weiten Kreisen das Vertrauen zu diesem Staate und auch zu seinem Lotteriespiel so lange nicht besteht, solange dieser Staat nicht seinen eigenen Verpflichtungen in Bezug auf eine gerechte Lösung der Kriegsanleihefrage nachgekommen ist. (Souhlas na levici.) Leider haben damals bei den Kriegsanleiheverhandlungen nur die deutschen Volksvertreter darauf hingewiesen, daß durch diese ungerechte Lösung der Kredit des Staates im Innern und nach Außen vollständig untergraben wird. Möchte doch endlich einmal die Vernunft zur Geltung kommen und möchte man dieses große Unrecht gutmachen und damit auch die wirtschaftliche und finanzielle Kraft des Staates sichern!
Bezüglich der Losanleihe müssen wir die Forderung erheben, daß die dem Bevölkerungsschlüssel entsprechenden Summen auch im deutschen Siedlungsgebiete verwendet werden.
Zur Beschaffung der notwendigen Baukredite werden noch audere Wege eingeschlagen werden müssen, als sie in dem vorliegenden Gesetzentwurfe vorgesehen sind. Erwägenswert wäre da besonders eine Notenbank mit der Ausgabe von Baubanknoten; dann die Verbindung mit der Kriegsanleihefrage. Angeregt wurde auch, daß jene Beträge, die bis 1922 verbaut werden, von der Vermögensabgabe befreit werden sollen. Der Staat wird in anderer Weise durch die Steuerleistungen der Bauindustrie, durch Ersparnisse in der Arbeitslosenunterstützung, durch die Hebung und Förderung des ganzen Wirtschaftslebens für diesen Ausfall Ersatz genug finden. Wäre dieses Baugesetz ordnungsgemäß, ruhig und langsam, wie es seiner Bedeutung entspricht, in diesem Hause behandelt worden, hätte man auch die interessierten Kreise zu einer Enquete zusammengerufen, dann hätte man auch auf diese wichtigen Punkte schon im Gesetze Rücksicht nehmen können.
Wir begrüßen es, daß einige Bestimmungen der alten Bauvorlage endlich abgetan worden sind, so besonders die Bestimmung über einen Baudiktator, die von allen beteiligten Kreisen in der entschiedensten Weise bekämpft wurde. Denn es ist geradezu unheimlich, in einer Hand und in einer Person eine derartige Gewalt zu vereinigen. Und es wäre auch in der Èechoslovakei vollständig unmöglich, einen solchen Mann zu finden, der zugleich Techniker, Gewerbsmann, Bauingenieur, Finanzmann u. dgl. in einer Person wäre. Bevor der Mann gefunden ist, kann dieser Regierungsentwurf über den Baudiktator in den Schränken des Ministeriums vermodern.
Ebenso fand auch der Gesetzentwurf über die Baupflicht ganz gerechte Bedenken, namentlich von Seiten der Deutschen, weil wir auf Grund der gemachten Erfahrungen die Befürchtung nicht loswerden können, daß ein derartiges Gesetz zu fnrchtbar vielen Schikanen und Erpressungen ausgenützt werden wird. Der Forderung, daß der Staat zunächst selbst mit gutem Beispiel in der Förderung der Bautätigkeit vorangehen muß, ist in den Baugesetzen insoferne entsprochen, als von der Losanleihe ein Betrag von 150 Millionen für die Errichtung von Wohnungen für Staatsangestellte eingesetzt ist. Aber wir erlauben uns die Frage: Was bedeutet dieser Betrag im Verhältnis zu dem großen Wohnungsbedarf von Seiten der Beamten und Staatsangestellten, von denen so viele nicht nur eine Wohnung, sondern auch eine ihnen entsprechende Wohnung suchen?
Hiebei darf auch nicht übersehen werden, daß der Staat seine Ämter vielfach in Privathäusern untergebracht hat, wodurch er in allen Orten außerordentlich viele Wohnungen dem eigentlichen Zwecke entzieht. In vielen Städten ist ja lediglich vielleicht das Postgebäude und das Bezirksgericht staatlicher Besitz, während alle anderen staatlichen Ämter in Privathäusern untergebracht sind, die dadurch ihrem eigentlichen Zwecke entzogen sind. Von der Beschlagnahme durch das Militär will ich hiebei gar nicht reden.
Über die Wohnungsnot und Wohnungsfürsorge wurde schon viel gesprochen, man möge jetzt endlich einmal zu Taten schreiten. Die Verbesserungen, die der vorliegende Gesetzentwurf gegenüber den anderen Regierungsentwürfen besitzt, wollen wir anerkennen; wir wünschen, daß endlich die Belebung der Bautätigkeit großzügig in Angriff genommen wird. Der Staat allein kann nicht Abhilfe schaffen, auch die Gemeinden nicht, denn die wissen heute nicht, wie sie ihren Verbindlichkeiten nachkommen können. Durch das Zusammenwirken aller beteiligten Faktoren, Staat, Gemeinde, Baugenossenschaften und Privaten, ist eine Lösung dieser wichtigen und schwierigen Frage denkbar: Arbeit und Kapital. Manche Abhilfe dürfen wir auch von der regen Förderung der gemeinnützigen Bau- und Wohnungsgenossenschaften erwarten, die aber die wohlwollende Förderung und Unterstützung von Seite des Staates und der maßgebenden Faktoren erhalten müssen. Das Ziel einer gesunden Wohnungspolitik aber muß besonders die Förderung der privaten Bautätigkeit sein.
Hiezu muß vor allem die Rechtssicherheit
in diesem Staate garantiert werden (Sehr richtig!); uud
ein Mittel dazu, diese Rechtssicherheit zu schaffen, die Grundbedingung
für das Aufblühen des gesamten Wirtschaftslebens wäre die gerechte
Einlösung der Kriegsanleihe, gerechte Grundsätze ferner auf sozialem
und wirtschaftlichem Gebiete. Wir begrüßen jede Maßnahme, die
geeignet ist, das Wohnungselend einzudämmen und uns unserem Ziele,
den weitesten Volksschichten ein eigenes trautes Heim zu schaffen,
näher bringt. In dem vorliegenden Gesetzentwurfe aber finden sich
einige Bestimmungen, die zu ernsten Bedenken Anlaß geben. Besonders
die weitreichenden Machtbefugnisse der Regierung und ihrer Organe
bezüglich der Enteignung des Bodens im ersten Hauptstück dieses
Gesetzentwurfes sind es, von denen wir namentlich in nationaler
Beziehung viel Vergewaltigung, namentlich bei dem jetzt herrschenden
Regierungssystem zu befürchten haben. (Souhlas na levici.)
Ferner sind wir auch der Ansicht, daß die Bestimmungen des
dritten Hauptstückes uns Grund zu der Befürchtung geben, daß die
Aufrechterhaltung der Zwangswirtschaft für eine längere Zeit festgelegt
wird. Ebenso wie die Redner des deutschen parlamentarischen Verbandes
im Senate bei aller Anerkennung der Verbesserungen, die dieser
Gesetzentwurf gegenüber früheren Vorlagen besitzt, über die das
Urteil kurz gefällt ist, ihre Bedenken geäußert haben und wegen
dieser Bedenken erklärten, daß sie nicht für diese Vorlage stimmen
könnten, so müssen auch wir im Abgeordnetenhause denselben Standpunkt
einnehmen. (Souhlas a potlesk na levici.)
Hohes Haus! Durch die Rückverweisung dieses Baugesetzes seitens des Senates kommen wir heute noch einmal in die Lage, über die Vorlage hier im Abgeordnetenhause zu sprechen. Ich will namens meiner Fraktion noch einmal in der allerschärfsten und nachdrücklichsten Weise hier gegen die Art und Weise, wie dieses Gesetz zu Stande gekommen ist, Protest erheben. Ein so wichtiges und umfassendes Gesetz von so einschneidender Bedeutung und Tragweite hätte naturgemäß in einer ganz anderen und wirklich demokratischeren Form erledigt werden müssen, als es hier mit dem Baugesetz geschehen ist. Wenn wir die einzelnen Bestimmungen dieses Baugesetzes überprüfen, finden wir zwar, daß der ernstliche Versuch gemacht worden ist, Verbesserungen der Verhältnisse herbeizuführen. Ob aber tatsächlich Wirkungen günstiger Art ausgelöst werden, das werden erst die Verhältnisse nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zu beweisen haben. In dem ersten Hauptstücke über die Grundenteignung von Baustellen und Baustellenzuweisungen ist gewiß ein ganz beträchtlicher Fortschritt gegenüber den bisherigen Bestimmungen zu bezeichnen. Es wäre nur zu wünschen, daß bei der Grundenteignung vor allem die kleinen Erbauer und weiters die gemeinnützigen Genossenschaften u. s. w. in der zweckmäßigsten Weise bedacht werden. Das zweite Hauptstück des Baugesetzes enthält Bestimmungen über die Lohn- und Schiedsgerichte. Ich muß hier an dieser Stelle erklären, daß wir uns gegen diese Lohnschiedsgerichte auf das allerentschiedenste und schärfste wenden müssen, weil diese Lohnschiedsgerichte das Streikrecht der Arbeiter, das Bestimmungsrecht der Mitwirkenden an den Lohnverhältnissen auf das allerschwerste gefährden und zu beeinträchtigen versuchen. Diese Lohnschiedsgerichte werden, wenn sie tatsächlich in Wirksamkeit treten, die Abfassung von Kollektivvertragen, die gegenseitigen Vereinbarungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Umständen unmöglich machen, ja es besteht die sehr drohende Gefahr, daß die Unternehmer dieses Lohnschiedsgericht dazu zu benützen versuchen werden, um die Arbeiterschaft zu unterdrücken, um sie der Möglichkeit des Lohnbestimmungsrechtes überhaupt zu berauben. Praktisch wird natürlich dieses Schiedsgericht gar keine zweckmäßigen Entscheidungen fällen. Es wird ja tatsächlich so sein, daß der eine Teil für, der andere Teil gegen den Antrag votieren wird, und daß die Entscheidung letzten Endes in die Hände des Vorsitzenden gelegt wird. Der Vorsitzende wird also darüber zu entscheiden haben, ob nun Lohnvertragsbestimmungen zu Recht bestehen sollen oder nicht. Die Zukunft wird ja lehren, ob die Arbeiterschaft gewillt ist, sich durch dieses Lohnschiedsgericht das Streikrecht nehmen zu lassen.
Ich glaube an dieser Stelle sagen zu müssen, daß die Arbeiterschaft, die sich im alten Österreich schon das Streikrecht hart erkämpfen mußte, sich durch dieses Schiedsgericht unter keinen Umständen ihr Kampfrecht rauben lassen wird.
Ein schier unmöglicher Paragraph dieser Lohnschiedsgerichtsbestimmungen ist der § 16, der besagt, daß Entscheidungen des Schiedsgerichtes auf Kollektivverträge insoferne einwirken, als solche Kollektivverträge, wenn ein Schiedsgerichtsspruch vorliegt, für die Dauer eines Jahres nicht wirksam werden. Wer die Verhältnisse am Baumarkt, die Arbeit des Bauens überhaupt kennt, der wird zugeben müssen, daß es sehr wahrscheinlich ist, daß die Schiedsgerichtsentscheidungen, insoferne sie überhaupt praktisch in Wirksamkeit treten können, für die Dauer eines Jahres gar nicht in Betracht kommen, weil die Arbeit oft viel früher erledigt wird, als so eine gerichtliche Entscheidung Wirksamkeit hat. Und es wäre eine ganz eigenartige Sache, wenn dem Unternehmer das Recht eingeräumt würde, irgend eine schiedsgerichtliche Entscheidung von einer Arbeitsstelle zur andern übertragen zu dürfen, die vielleicht unter Umständen in einem ganz anderen Gebiet liegt, in einem anderen Bezirk, wo ganz andere Lebensverhältnisse und Arbeitsverhältnisse herrschen.
Dieser Paragraph wird, selbst wenn er gesetzt wird, selbst wenn man versuchen wird, ihm Rechtswirksamkeit zu verleihen, niemals seinen Zweck erfüllen. Er bedeutet nur eine Behinderung, eine Ausfüllung des Gesetzes ganz unnützer Art und wird das, was zumind est der Arbeitgeber von ihm erhofft, jedenfalls nicht der Erfüllung näher bringen. Weitere Bestimmungen, weitere Hauptstücke sind die Preisgerichte. Die sogenannten Preisgerichte stehen uns noch in schlimmster Erinnerung von den Kriegszeiten her. Auch damals hatten diese Preisgerichte ja die Absicht, grundlegend preisabbauend zu wirken, in Wirklichkeit haben sie preisaufbauend gewirkt, sie haben nichts anderes getan, als den Wucher gefördert. (Sehr richtig!) Und ich bin überzeugt, daß es auch bei den Preisgerichten bei der Baustoffmaterie nicht anders werden wird. Vor allem sind die Erzeugungsverhältnisse der Baustoffe nicht gleich geartet. Die Baustoffindustrie ist in ihrer Gänze nicht großzügiger industrieller Art, wie, sagen wir, in der Metallindustrie, in der Textilindustrie oder chemischen Industrie. Das trifft in der Baustoffindustrie in den allerseltensten Fällen zu. Die Produktionsverhältnisse, die Gestehungskosten unterscheiden sich oft wesentlich und es ist eine ganz ausgeschlossene Sache, daß durch ein schematisches Preisgericht unter Umständen gleiche Wucherei der Baustoffe verhindert wird.
Ich will bei diesem Anlasse hinsichtlich der Baustoffpreisfestlegung folgendes sagen. Wir leiden heute ganz wesentlich darunter, daß die Regierung die Grenze für die Aus- und Einfuhr der Baustoffe geradezu hermetisch absperrt. (So ist es!) Wir könnten von Deutschland eine ganze Menge von Baustoffen hereinbekommen, ich verweise nur auf die schlesischen Verhältnisse, Ziegel, Kalk, die hinaus oder hineingeschafft werden im gegenseitigen Austausch. Unsere Basaltschotterbrüche stehen heute still, weil Deutschland jetzt nichts hineinläßt, nachdem von unserer Seite keine Kompensationen gegeben werden. Und so wird durch diese Absperrungspolitik - es betrifft ja alle Arten der Baustoffe - das Baugewerbe, das Bauen an und für sich zur Unmöglichkeit gemacht, fast vollständig lahm gelegt.
Nun ist im nächsten Abschnitte von der Finanzierung insoferne für das neue Baugesetz die Rede, als man davon spricht, die Mittel zu beschaffen. Eine Losanleihe, die eine Milliarde einbringen soll, wird all dem Übel ein Ende setzen. Ich bin überzeugt, meine sehr Verehrten, daß eine Milliarde unsere Bauverhältnisse nur im sehr geringen Maße mildern könnte. Aber ich bin ebenso überzeugt, daß wir diese Milliarde, wenn sie auf anderem Wege nicht beschaffbar ist, im Wege der Losanleihe wahrscheinlich nicht erreichen werden.
Ich will mich in dieser Beziehung meinem Vorredner anschließen. Die Dinge, die wir bei der Kriegsanleihe hier in diesem Staate erlebt haben, ich brauche nicht weiter darauf zurückzukommen, nehmen ja der ganzen Bevölkerung Lust und Geschmack, sich in solchem Anleihen festzulegen. Es wird schwere Mühe halten, auf diese Weise die notwendigen Mittel zu beschaffen. Ein wichtiges Kapitel, vielleicht das wichtigste, ist die sogenannte Wohnungsfürsorge. Wir müssen hier an dieser Stelle vor allen Dingen Nachdruck und Wert darauf legen, daß bei der Wohnungsfürsorge dem Kleinwohnungsbau, dem Wohnungsbau für die Arbeiterschaft, dem Wohnungsbau für die Angestellten aller Art, in erster Linie Rechnung getragen wird. Wir besitzen heute tatsächlich keinen Mangel an großen Wohnungen und Leuten, die sichs leisten können und die notwendigen erforderlichen Mittel nicht scheuen, können heute noch überall Wohnungen sehr leicht erhalten, nur der arme Unbemittelte, sei er Arbeiter oder Angestellter, für den wird der Wohnungswechsel zur Unmöglichkeit gemacht und zwingen ihn die Verhältnisse, aus einer Wohnung harauszugehen, so findet er fast keine Möglichkeit mehr, anderwärts unterzukommen. Hier muß in der energischesten Weise eingegriffen werden. Nun spielt natürlich bei der Frage der Wohnungsfürsorge die Geldmittelfrage eine wichtige, einschneidende, ja ausschlaggebende Rolle. Nun heißt es in den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen, daß ja der Staat Subventionen gewährt und daß er bei der Hypothekarisierung die Bürgschaften übernimmt. Ich will ja das Wohlwollen der Regierung und die gute Meinung in dieser Beziehung durchaus nicht unterschätzen, aber eine andere Frage wird sein, ob sich natürlich Leute, ob sich Geldinstitute finden, die auf die Bürgschaft des Staates hinauf schlankweg die erforderlichen Mittel im Darlehenswege zur Verfügung stellen werden.