Pátek 4. února 1921

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 51. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 4. února 1921.

1. Øeè posl. Hausmanna (viz str. 2093. protokolu):

Meine Damen und Herren! Der Antrag, der jetzt zur Verhandlung steht, gehört zu jenem Komplex von Gesetzen, die schon beschlossen wurden und die noch geschaffen werden sollen, um die gräßliche Wohnungsnot zu mildern. Der Antrag besagt ja nichts Neues; es soll etwas wieder erneuert werden, was wir schon besessen haben. Der Antrag ist aber eines jener Mittel, die nach unserer Auffassung in dieser Frage keine Besserung zu bringen vermögen. Die Wohnungsnot als solche ist eine internationale Not, die aus der revolutionären Einwirkung des Weltkrieges auf das Wirtschaftsleben aller Völker herausgewachsen ist. Diese Not zu bannen, liegt nicht bloß im Interesse des Volkes, sondern auch im Interesse des Staates. Tausende von Bürgern dieses Staates haben überhaupt kein Obdach, andere wieder müssen sich mit Unterkunftsräumen zufrieden geben, die gewiß sehr viele Menschen für den Aufenthalt von Tieren als zu schlecht finden würden. Diese schlechten, überfüllten Wohnungen sind ein dauernder und grausiger Krankheitsherd, dieses Wohnungselend rafft Tausende von Kindern dahin und verurteilt Arbeiter und Arbeiterinnen zum Siechtum. Es ist gewiß eine Tatsache, daß auch in der Vorkriegszeit schon ein Notstand im Wohnungswesen bestanden hat. Das sogenannte freie Spiel der Kräfte hat sich auch in der Vorkriegszeit nicht sonderlich bemüht, preiswerte Wohnungen für Minderbemittelte zu schaffen. Die Frage war damals wie heute die: Wie groß ist der Profit, wie hoch der Gewinn und wie verzinst sich das investierte Kapital? Im privatkapitalistischen Wirtschaftssystem wird ja, wie allbekannt, nicht nach dem Bedarf produziert, sondern das Um und Auf ist jener Grundsatz und jene Auffassung, die ich eben skizziert habe. Es haben sich in der Vorkriegszeit gemeinnützige Körperschaften bemüht, die Schäden des Wohnungselendes zu mildern. Die österreichische Regierung hat sich gezwungen gesehen, jenen Antrag, den unsere Fraktion damals im Parlamente auf Schaffung eines Wohnungsfürsorgefondes einbrachte, zu geenehmigen, und es sind auf Grund dieses Gesetzes gewiß in verschiedenen Orten Milderungen des Wohnungselendes herbeigeführt worden.

Wie die Situation jetzt steht, ist der privatkapitalistische Spekulationsbau, wie wir ihn in früheren Jahren gesehen haben, beim. Wohnungsbau vollständig ausgeschlossen. Der Staat, die Gemeinden und öffentlichen Körperschaften müssen es übernehmen, diese Frage zu lösen. Daß dieser Umschwung gekommen ist, liegt wieder an dem Gesellschaftssystem, in dem wir leben, liegt wieder darin, daß sich der Bau von Kleinwohnungen nicht mehr in dem Sinne rentiert, wie es die Geldgeber und die Besitzenden haben wollen. Es fehlt die Rentabilität und es ist wohl einer der krassesten Widersprüche, daß auf der einen Seite alles nach Wohnungen schreit, auf der anderen Seite tausende Arbeiter arbeitslos sind und Baustoffbetriebe eingeschränkt und eingestellt werden müssen, trotzdem so viel Arbeit vorhanden sein könnte, daß diese Betriebe gar nicht in der Lage wären, in ihrem jetzigen Umfange alles herzustellen, was verbaut werden müßte.

Was hat nun die Regierung und was hat dieser Staat bisher in dieser Frage getan? Wir haben eine Unmenge Gesetze und Entwürfe, die dem Wohnungselend an den Leib rücken sollten und sollen. Wir haben das Anforderungsrecht von Wohnungen durch die Gemeinden, sowie das Mieterschutzgesetz, das ja schon einigemal geändert und ergänzt worden ist und wozu ja wieder eine neue Novelle vorliegt. Dieses Gesetz hat in seiner Wirkung in sehr geringem Grade eine Milderung des Wohnungselendes hergeiführen können. Es gibt heute noch wohl in allen Städten und in sehr vielen Ortschaften wohnbare Räume, die zu beschlagnahmen wären; die Beschlagnahme selbst scheitert aber daran, daß die Wohnungen neu eingerichtet werden müßten. Diese Neueinrichtungen haben nach dem Wohnungsbeschlagnahmegesetz die Gemeinden auf ihre Kosten durchzuführen. Welche Gemeinden sind nun in der Lage, selbst wenn in der Gemeindestube soviel sozialpolitisches Verständnis vorhanden wäre, diese Arbeit tatsächlich durchführen lassen zu können? Bei der finanziellen Situation, wie sie fast in allen Gemeinden vorhanden ist, bleiben die Wohnungen leer und können von den Wohnungslosen nicht bezogen werden. Wir haben weiters ein Gesetz, welches besagt, daß zu Bauzwecken für Kleinwohnungsbauten und öffentliche Bauten Baugrund enteignet werden kann. Auch dieses Gesetz dürfte kaum irgend einen wesentlichen Einfluß auf die Lösung dieser Frage ausgeübt haben. Gewiß haben sich eine Reihe von Städten Baugrund gesichert. Aber ebenso gewiß ist, daß bei vielen dieser Gesetze, die da in Frage kommen, die Situation so ist, daß sich die Beamten dieses Staates überhaupt nicht mehr darin auskennen. Gerade bezüglich dieses letzteren Gesetzes kann ich mitteilen, daß eine Gemeinde des Reichenberger Bezirkes um Enteignung eines Grundstückes für Bauzwecke ansuchte und, trotzdem es im § 1 des Gesetzes ausdrücklich heißt, daß für diese Zwecke, für Gemeinden, Bezirke, Staat und gemeinnützige Körperschaften Grund enteignet werden kann, wurde das Ansuchen der Gemeinde damit beantwortet, daß man erklärte, für Gemeinden könne Baugrund nicht enteignet werden.

Es ist weiters ein Gesetz für eine ganze Reihe von Städten, wie Prag, Brünn, Olmütz, Pilsen u. s. w. geschaffen worden, durch das Bauerleichterungen eingeführt worden sind. Es kann dies aber als ein Fortschritt nicht anerkannt werden. Wir alle sind bestrebt gewesen, dafür einzutreten und zu sorgen, daß die Wohnungen besser werden, als wir sie bisher gehabt haben. Jede Bauerleichterung bedeutet aber in Wirklichkeit einen Rückschritt auf dem Gebiete des Wohnungswesens. (Posl. dr. Lehnert: Das ist nicht wahr!) Es wird mir vom Herrn Koll. Lehnert eingewendet, daß dies nicht wahr (Posl. dr. Lehnert: Nicht richtig!) oder nicht richtig sei. Wenn ich erklärt habe, daß dies ein Rückschritt ist, so meine ich das in dem Sinne, daß Räume für Wohnungen hergerichtet werden, die nicht bloß nach der früheren Bauordnung dafür als nicht geeignet angesehen wurden, sondern daß sie auch eingerichtet worden sind, ohne daß irgendwelcher volkswirtschaftlicher Nutzen daraus entstehen kann. Wenn Keller- und Dachwohnungen, die bisher nicht eingebaut werden durften, jetzt tatsächlich benützt werden können, so mag das als Notbehelf gelten, aber ein volkswirtschaftlicher Nutzen kann daraus nicht entstehen, außer der Bewohner dieser Räume ist in der Lage, diese Räumlichkeiten zu allen Jahreszeiten tatsächlich wohnlich zu gestalten. Wir haben ferner ein Gesetz zur Förderung der Bautätigkeit, durch welches der Staat in die Lage versetzt wurde, bis zu 40% der Bausumme Subventionen geben zu können. Nach den Berichten, die bisher in die Öffentlichkeit gedrungen sind, scheint dieses Gesetz auch nicht allzuviel zur Lösung der Wohnungsfrage beigetragen zu haben. Außerdem steht bei diesem wie bei allen anderen Gesetzen noch das eine im Wege, daß der bürokratische Instanzenzug die Bauweise selbst von vornherein sehr stark beeinflußt. Wir haben weiters das Gesetz bezüglich der Übernahme der Differenz zwischen Bauaufwand, der Hauserhaltung, der Amortisation und den Zinsen, wofür ja erst vor einigen Tagen wieder ein Betrag von einigen Millionen bewilligt worden ist. Nach diesem Gesetz, ebenso nach dem Gesetz bezüglich der Bürgschaftsübernahme bis zu 90% steht aber die Sache so, daß immer nur dann gebaut werden kann - selbst bei der Bürgschaftsübernahme oder bei der Über nahme der Bürgschaft durch Zahlung der Differenz durch den Staat - wenn die Gemeinden oder gemeinnützigen Körper schaften erst einen Geldgeber finden, der das Baukapital vorstreckt. Es ist deshalb nach alledem das eine klar, daß, wenn man durch Neubauten - und nur da durch kann man die Wohnungsnot lin dern - diese Milderung herbeizuführen gedenkt, in allererster Linie darnach getrachtet werden muß, Baukapital zu beschaffen.

Wir haben ja noch neuere Gesetze, die erst vor einigen Tagen zur Diskussion gestanden haben, und es erwartet uns ein Entwurf, der im Senat schon einge brachtet wurde, der Entwurf über die Baudiktatur. Wenn dieser Entwurf Gesetz werden sollte, so habe ich die volle Über zeugung, daß dann der schwache Anreiz, wenn er überhaupt noch be steht, Neubauten zu schaffen, vollständig erstickt wird. Dieser Entwurf wird nicht bloß den geschlossenen Widerstand aller Unternehmer finden, er kann auch von der Arbeiterschaft nicht akzeptiert werden. Und es ist sicher, daß die Baustoffindustrie - nicht weil das Gesetz bevorsteht, sondern schon wegen der Vorlage desselben - mit ihrer Produktion zurückhalten wird, was gewiß nicht dazu beiträgt, die Bautätigkeit zu fördern.

Es wird sehr oft behauptet, und auch von Seiten der Regierung ist es schon gehört worden, daß in allererster Linie die furchtbare Verteuerung der Baukosten die einzige Schuld daran trage, daß neue Wohnungen nicht geschaffen werden können. Dabei wird insbesondere hervorgehoben, daß die Arbeitslöhne die wesentlichste Ursache bei der Verteuerung der Baukosten sind. Wenn die geehrte Versammlung oder die ganze Öffentlichkeit sich darüber ein Bild machen will, ob diese Behauptung der Wahrheit entspricht, so möge sie sich an fachmännische Kreise wenden; sie wird dann die Mitteilung erhalten, daß der Anteil der Arbeitslöhne an den Baukosten nicht bloß gegen die Vorkriegszeit nicht gestiegen ist, sondern daß vielmehr ein merkliches Sinken derselben vorhanden ist. Es ist also eine Fabel, wenn behauptet wird, daß die Arbeitslöhne im Wesentlichen dazu beigetragen haben, die Baukosten in der Weise zu erhöhen. Es wäre gewiß sehr interessant, wenn die Regierung und die maßgebenden Kreise sich einmal da für interessierten, ob die Preise für die Baumaterialien, ob die Gewinne der Baustoffindustrie noch bürgerlich genannt werden können. Es würde bei einer sol chen Untersuchung wahrscheinlicher Weise konstatiert werden können, daß hier sehr gut Abstriche möglich wären, ohne die Existenz dieser Kapitalisten irgendwie zu beeinträchtigen. In Deutschland hat man es mit der Regulierung und dem Abbau der Baukosten versucht, und zwar da durch, daß sich gewerkschaftliche Orga nisationen, soziale Baubetriebe gebildet haben, daß die Arbeiter selbst solche Arbeiten übernehmen und, wie die Sta tistik nachweist und wie jede Stadt, die durch diese sozialen Baubetriebe Arbeiten sich hat aufführen lassen, bestätigen wird, sind die Baukosten von Bauten, die von diesen sozialen Baugenossenschaften aus geführt worden sind, bedeutend gesunken. Dies hat einen sehr wesentlichen Einfluß auf die Kalkulationen unserer Bauunter nehmer ausgeübt. Bei uns sind diese Versuche noch sehr gering. Draußen in Deutschland werden diese Körperschaften vom Staate und von den Gemeinden unterstützt und gefördert. Bei uns ist es zumindest momentan noch wesentlich anders. Es haben die Bauarbeiter bei spielsweise in Nordböhmen solche ge meinnützige Unternehmungen gegründet, sie haben den Gesellschaftsvertrag dem Ministerium unterbreitet und das Mini sterium hat diese Verträge nicht geneh migt, aus Gründen, die jeder Stichhältig keit entbehren.

Es werden allerorts, bei uns und auch in Deutschland, überhaupt über all, wo man über die Wohnungsnot reden muß, eine Menge Vorschläge ge macht, um die Preise für die Erstehung des Baues herabzudrücken. Insbesondere spielt dabei die Frage der Ersatzbauten eine besondere Rolle. Meiner persönlichen Auffassung nach sind die Ersatzbauten zu 90% in technischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht ein Rückschritt. Was an den Baukosten erspart werden kann, wird auf der anderen Seite wieder wettgemacht. Eine Verbilligung der Kleinwohnungsbauten könnte wohl, wenn eine entsprechende Organisation da wäre oder geschaffen werden könnte, durch die Normalisierung und Typisierung der Bauten erreicht werden. Dazu gehört natürlich eine gut funktionierende entsprechende Organisation.

Meine persönliche Auffassung und auch die meiner Parteigenossen ist die, daß die Wohnungsfrage privatwirtschaftlich überhaupt nicht mehr zu lösen ist. Das einzige Mittel zur wirklichen Abhilfe ist die Überführung der vorhandenen und der neu zu erbauenden Mietswohnungen in die Verwaltung und in das Eigentum von Selbstverwaltungskörpern mit öffentlichen Rechten. Staat und Gemeinden sollten im Wohnungswesen nur Hoheitsrechte und die gesetzgebende Funktion ausüben und sich auf diese beschränken. Unserer Auffassung nach wäre es notwendig, ein Gesetz über Heimstättenorganisationen zu schaffen, die diese Funktionen übernehmen könnten. Wenn von der Förderung der Bautätigkeit gesprochen wird, gibt es momentan nur zwei Möglichkeiten: Entweder Wiederherstellung des freien Spiels der Kräfte und damit die gewaltigste Ausbeutung der Mieter, oder die Solidarität aller mit allen, den Bau verhältnismäßig billiger Wohnungen mit Hilfe öffentlicher Mittel. Die Frage ist die, wie die Mittel aufgebracht werden sollen. Es können in diesem Hause noch so viele Entwürfe vorgelegt werden, solange nicht ein Entwurf kommt, welcher den Weg zeigt, wie die Mittel aufgebracht werden, die direkt dem Bauherrn zur Verfügung gestellt werden, solange bleibt es bei der Wohnungsnot.

Es hat auch die Regierung sich mit dieser Frage beschäftigt und es soll demnächst nach den Berichten eine Vorlage vor das Haus kommen, durch welche man sich die Mittel zu beschaffen hofft, nämlich durch die Losanleihe. Die erforderlichen Mittel für die Neubauten werden, nachdem sie wohl auf gewöhnlichem Wege nicht hereingebracht werden können, nur durch das Anleiheverfahren aufzubringen sein. Dieses Anleiheverfahren, die Aufnahme einer Anleihe, würde dann erst Erfolg haben, wenn die jenigen, die in der Lage sind, für der artige Zwecke Geld zu geben, auch ent sprechende Gewinne, Profite davon hät ten. Denn darin sind sich wohl alle ei nig, die im Besitze der Mittel sind, ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit der Nation, daß ihr Geld erst dann verwendet und verwertet werden kann, wenn hiebei entsprechende Gewinne für sie abfallen. Eine andere Frage wäre, wenn die Mittel tatsächlich beschafft sind, dann die, wie die Amortisation und die Verzinsung aufgebracht werden. Da gehen die Meinungen bei jenen, welche sich mit dieser Frage beschäftigt haben, sehr weit auseinander. Es wird von einer Seite propagiert, daß eine Mietumlage eingeführt werde, eine Umlage, die eigentlich nach der Auffassung jener, die diese Idee vertreten, die Solidarität aller jener, die eine Wohnung haben gegenüber jenen, die wohnungslos sind, zum Ausdrucke bringen sollte. Wenn diese Frage ventiliert würde, müßte gewiß mit Nachdruck dafür gesorgt werden, daß jede Härte in sozialer Hinsicht ausgeschaltet würde und es müßten das Einkommen sowie die Mietbeträge berücksichtigt werden. Außerdem dürften die Einnahmen aus dieser Umlage nicht fiskalisch verwaltet, sondern jenen gedachten Selbstverwaltungskörpern übermittelt werden. Die Verbraucher und Lastenträger müßten in eine juristische Person vereinigt werden und dann diese Korporation auch für den Neubau und die Adaptierung der alten Wohnungen sorgen. Denn es dreht sich nicht einzig und allein darum, neue Wohnungen zu schaffen, sondern es ist auch daran zu denken, nachzuholen, was an den alten Wohnungen nachzuholen ist. Der Zustand ist der, daß, wenn es so weiter fortgeht, von den bestehenden Wohnungen in absehbarer Zeit sehr viele in einen solchen Zustand geraten werden, daß auch sie nicht mehr als bewohnbar werden bezeichnet werden können.

Als Förderung der Bautätigkeit müßte natürlich auch ins Kalkül gezogen werden, daß die feuerfeste Industrie, die Baustoffindustrie rechtzeitig, regelmäßig und qualitativ der Produktion entsprechend mit Kohle beliefert werde. Es müßte natürlich auch dafür gesorgt werden, daß die Besitzer der Baustoffindustrie nicht willkürlich ihre Betriebe schließen. Wie war es im Vorjahre? Trotz der geringen Bautätigkeit ist es dahin gekommen, daß noch Baumaterialien fehlten, nur aus dem einfachen Grunde, weil inmitten der Saison Baustoffindustrien geschlossen worden sind. Die Baustoffpreise selbst müßten von der Herstellung bis zum Einbau nachgeprüft und unnötiger Zwischengewinn ausgeschaltet werden.

Die vollständige Lösung dieser Frage ist, wie schon erwähnt, unserer Auffassung nach nur möglich, wenn wir eine andere Wirtschaftsform, ein anderes Wirtschaftssystem aufbauen, wenn auch die Wohnungsfrage der Sozialisierung zugeführt wird. Wenn wir dieses Elend aus der Welt schaffen wollen, wenn die Wirtschaft wieder aufgebaut werden soll, so ist dazu eine Arbeiterschaft notwendig, die mit Lust und Liebe arbeitet und die ihre ganze Kraft einsetzt für das Volk. Diese Arbeiterschaft werden sie in der heutigen privatkapitalistischenWirtschaftsordnung nie und nimmer haben. Die Arbeiterschaft, die alle Kräfte für das Volk einsetzt, wird nur zu erreichen sein, wenn eine Wirtschaftsordnung geschaffen wird, welche die Aufhebung der Ausbeutung bringt und die Bereicherung einzelner auf Kosten der Arbeiter unmöglich macht und welche alle wirtschaftlichen und technischen Fortschritte dem ganzen Volke nutzbar macht. Erst in einer sol chen Wirtschaftsordnung, in einer solchen Gesellschaftsordnung würde es möglich sein, diese Frage endgiltig der Lösung zuzuführen. Alle jene Mittel, die bisher angewendet wurden, haben, wie ja die Tatsachen zeigen, nichts geändert, sie haben nicht einmal örtlich eine merk liche Milderung gebracht, und alle Be mühungen, die auf diesem Wege weiter gemacht werden, haben dasselbe Resultat zu erwarten, weil es unmöglich ist, in diesem System jene Not zu mildern, weil alle diese Mittel nicht ausreichen, um den Ring zu sprengen, den zu sprengen not wendig ist. Es ist deshalb auch die neue Vorlage nach unserer Auffassung nicht geeignet, irgend welche Verbesserung zu bringen. Die neue Vorlage besagt sonst nichts, als daß sie ein Verlegenheits produkt aller jener ist, die genötigt sind darüber nachzudenken, um zu zeigen, daß zumindest irgend etwas in dieser Frage getan wurde. Solange aber die Frage nicht von jener Seite angeschnitten wird, wie sie nach unserer Auffassung zu lösen ist, solange bleibt diese Frage ungelöst und solange werden leider auch unsere Arbeiter und Arbeiterinnen unter dieser furchtbaren Wohnungsnot zu lei den haben. (Potlesk na levici.)

Øeè posl. dr. Lehnerta (viz str. 2097. protokolu):

Hohes Haus! Es steht zur Verhandlung ein Gesetzesantrag bezüglich der Einschränkung der Übersiedlungsfreiheit. Diejenigen meiner Herren Kollegen von der deutschen Seite, welche wie ich der èechoslovakischen Sprache nicht mächtig sind, werden ja vielleicht aus den Ausführungen meiner beiden Herren Vorredner ziemlich klar geworden sein oder vielmehr nicht klar geworden sein, um was es sich handelt. Es handelt sich hier um die Ermächtigung für die Regierung, Einschränkungen in der persönlichen Freiheit der Bürger zu treffen, die vollkommen gegen die in diesem Staate eingesetzte und angenommene Verfassung verstoßen. Der § 108 unserer Verfassung, das heißt der Verfassung des èechoslovakischen Staates - Sie müssen mir verzeihen, wenn ich mich manchmal verspreche und "unser" sage, denn unser ist er ja noch nicht und wird es wahrscheinlich, wenn die Dinge so weiter gehen, gewiß nicht werden in diesem § 108 der Verfassung steht Folgendes: "Jeder èechoslovakische Staats bürger kann sich an jedem beliebigen Orte der èechoslovakischen Republik an siedeln, dort unbewegliche Güter erwerben und seine Erwerbstätigkeit in den Grenzen der allgemeinen Rechtsbestimmungen aus üben. In dem Gesetz, das uns vorliegt, wird vorgeschlagen - angenommen ist es ja noch nicht - daß die Regierung bis zum 31. Dezember 1921 das Recht hat zu bestimmen, in gewisse Gemeinden dürfte man im Allgemeinen nicht übersiedeln. Nur unter gewissen Ausnahmen ist das gestattet, und wenn man in diese Gemein den übersiedeln will, muß man eine eigene Einreisebewilligung in dieselben haben. Wir sind doch natürlich, wie uns unlängst Minister Beneš erklärte, das Herz Europas und gewiß im Kreise der alliierten und assoziierten Siegernationen, das heißt, die èechoslovakische Nation ist gewiß eine der führenden und mindestens gleich hinter Frankreich kommt Prag. Wenn man vielleicht einmal das Nachtleben von Prag nur so von Weitem sieht, so muß man sagen, es ist auf dem besten Wege, ein Klein-Paris zu werden, und ich wünsche, daß es an der französischen Krankheit einmal - ich wollte sagen, daß es an der französischen Krankheit nicht einmal zugrunde geht.

Wenn wir also an der Spitze der Kultur marschieren und wenn wir auf Schritt und Tritt dem Rufe "Naše republika" begegnen, wo das höchste Ideal des Staatsbürgers die Freiheit ist, wenn wir sehen, daß diese Republik etwas auf Freiheit hält, so müssen wir, die wir sonst immer mit wenig Freiheit umgeben sind, denen man die Freiheit nur kärglich zumißt, uns sagen: Es freut uns, wenn einmal für alle anderen auch derartige Freiheitsbeschränkungen eingeführt werden. Wir müssen das Gesetz unter dem Gesichtswinkel betrachten, was es für eine Wirkung auf die Bürger dieses Staates haben wird, wenn mittelalterliche Zustände wieder einreißen, wenn sich jede Stadt mit einer Mauer umgibt, wenn man von einem Ort zum anderen nicht reisen kann, ehe man nicht 10 Pässe iu der Tasche hat, wenn man erst nachweisen muß, was man in der Stadt zu tun hat, wenn man erst zum Bürgermeister ein Gesuch einreichen muß, wenn man, um nach Prag zu fahren, erst womöglich detaillierte Auskünfte über seine Familie geben und angeben muß, wo man geboren, wo man zuständig ist usw.; denn all das ist in dem Gesetze enthalten. Wenn man sieht, wie da die Liebe zur Republik und zu den Zuständen in diesem Staate ins Unendliche wachsen muß, so können wir von unserem Standpunkte nicht anders, als dem Ausschuß, der dieses Gesetz so zugerichtet hat, seinem Berichterstatter und der Regierung, die das Gesetz eingebracht hat, gratulieren und deshalb spreche ich auch "pro". Denn wie ich Ihnen sagte, wir sind ja an den Zustand der Unfreiheit gewöhnt. Wir wissen, daß die Freiheit als ein herrliches, schön gebildetes junges Weib, so rein, wie es aus Gottes Hand hervorging, gezeigt und von allen Künstlern dargestellt wird. Hier in diesem Staat hat man die Freiheit hereingezerrt und setzt sie angeblich als Göttin auf den Thron. Aber wie? Mit einem Unterrock (Veselost na levici.) und der Unterrock ist noch nicht einmal ganz in Ordnung. (Veselost na levici.) Es ist tatsächlich eine Freiheit mit allen Einschränkungen. Sie haben ja in der Verfassung schon diese Zweizüngigkeit. Die Zweizüngigkeit, wird als Beispiel, als Exempel für eine treulose, für eine widerspruchsvolle, für eine vertrauensunwürdige Person eingeführt, und diese Zweizüngigkeit zeigt sich nun in der von der Vorgängerin dieser hohen Versammlung geschaffenen Verfassung, indem man im § 108 sagt, daß jeder Staatsbürger überall sich niederlassen kann; eine Beschränkung dieses Rechtes ist bloß in öffentlichem Interesse auf Grund eines Gesetzes möglich. Da haben wir - gleich ein Beispiel, wie die Verfassung beschaffen ist. Wir haben Freiheit, volle Freiheit, überallhin zu übersiedeln und uns niederzulassen. Bloß wenn ein Gesetz dagegen geschaffen wird, wird diese Freiheit geändert. Allerdings steht im § 33 des Verfassungsgesetzes, daß zur Änderung eines Beschlusses dieser Verfassungsurkunde eine Dreifünftel-Mehrheit aller Mitglieder in jeder Kammer notwendig ist. Nach unserer Auffassung ist also zur Änderung dieses grundlegenden Rechtes der Staatsbürger, der Freizügigkeit, eine Verfassungsänderung notwendig, die man mit Dreifünftel-Mehrheit beschließen müßte. In welcher Weise das heute hier gehandhabt wird, darüber täuschen wir uns gar nicht. Wir sind auch gar nicnt interessiert daran. Wir sprechen ja nur dafür, weil wir glauben, daß wenn diese Ordnung, diese Wirtschaft in dem Staate weiter so besteht, die Katastrophe und das endliche Aufatmen nach all dieser Qual früher eintreten wird.

Welchen Zweck verfolgt denn dieses Gesetz, wenn man sich überhaupt einen vernünftigen Zweck dabei denken will? Dieses Gesetz will der Wohnungsnot steuern. Die Wohnungsnot ist ja von meinen beiden geehrten Herren Vorrednern schon des langen und breiten erörtert worden und die ganze Frage ist in ihrer vollen Breite aufgerollt worden. Mit einem solchen Gesetz wird man dieses Problem, an dessen Größe ich heute nur zu rühren wage, gewiß nicht lösen. Wie will man durch die Beschränkung der Freizügigkeit die Wohnungsfrage lösen? lst denn die Wohnungsnot dadurch entstanden, daß zuviel Leute von einem Ort zum andern zogen? Oder ist sie nicht überall entstanden? Nach meiner Meinung herrscht die Wohnungsnot überall, in der Stadt und auf dem Lande, in Prag, Brünn, Reichenberg - überall. Sie wird also dadurch gewiß nicht gelindert und aus der Welt geschafft, daß man die Leute verhindert, von Reichenberg nach Prag zu ziehen oder von Prag nach Teplitz. Dies ist den Gesetzgebern der èechoslovakischen Republik vorbehalten gewesen, und ich bewundere nur die Weisheit, mit der diese Gesetzgeber vorgehen. Darum spreche ich ja für dieses Gesetz.

Es ist ein Beweis des krassesten Dilettantismus, ein Musterbeispiel des Dilettantismus und doktrinärer Verbohrtheit, wenn man sich dieses Gesetz vor Augen hält, und je mehr sich die Erkenntnis davon im Volke durchringt, in welcher Weise hier gearbeitet wird, desto rascher wird das eintreten, was wir wünschen und erhoffen, und darum sage ich: die Mehrheit, die ja sicher für dieses Gesetz vorhanden ist, soll sich nur ja nicht im letzten Moment irremachen lassen und ja nicht Erwägungen der Vernunft Raum geben, sondern soll prompt die Sache mit der vìtšina erledigen. Wir sind das gewohnt. Unsere Macht reicht nicht weiter, als unsere Zahl. Argumente der Vernunft haben hier keine Gültigkeit. Wir wissen ja, daß heute eine große Redefreiheit gewährt wird, weil es den Herren im Präsidium so paßt, ich werde mich deswegen auch aus Gefälligkeit ein wenig weitschweifiger ergehen; während wir ja sonst nur 10 Minuten Redefreiheit haben, gibt man uns heute eine halbe Stunde und ich glaube sogar, daß ich dem Präsidium einen Gefallen tue, wenn ich etwas länger spreche, damit inzwischen wieder eine Frist abläuft, die notwendig ist, um die zweite Lesung gewisser Gesetzentwürfe zu ermöglichen, ohne eine Unterbrechung eintreten zu lassen. Es ist ja schließlich gleich, ob wir hinübergehen, oder ob wir uns hier untereinander besprechen.

Dieses Gesetz über das Verbot der Übersiedlung ist, wie ich schon sagte, ein Eingriff in die Freiheit der Staatsbürger. Unser Präsident Masaryk, der mit allen Stimmen der Èechen gewählt worden ist, hat die Freiheit so in Schutz genommen, daß er einmal sogar sagte, als ihm ent gegnet wurde, die Freiheit könne miß braucht werden: "Der beste Schutz gegen den Mißbrauch der Freiheit ist noch mehr Freiheit." Die Worte sind immer herrlich; die Worte, die unser Ministerpräsident und auch unser erlauchtes hehres Staats oberhaupt sprechen, sind immer großartig. Man kann sie drucken und in die Welt hinausschicken, dann wird man sich in der ganzen Welt verwundern, wie glänzend, wie philosophisch unser Staat von den er lauchtesten und hehrsten Geisteskräften geleitet wird, wenn man nämlich diese Worte liest. Wie ist es aber in Wirklich keit mit der Freiheit beschaffen? Wir sehen, daß die primitivsten Rechte der Staatsbürger mit Füßen getreten werden, indem in den nächsten Stunden dieses Gesetz zur Annahme gelangen wird.

Es ist aber nicht bloß ein Ausfluß des Dilettantismus wie ich vorhin sagte, sondern auch doktrinärer Verbohrtheit. Es ist ein Glied in der großen Kette der Zwangswirtschaft, jener Zwangswirtschaft, die wir seit dem Kriege mit uns herum schleppen und die wir nach zwei Jahren Frieden nicht bloß nicht los geworden sind, sondern noch mehr verstärkt haben; die Massen haben es zu spüren bekommen. Dieses Zwangssystem, in das der Staatsbürger eingepfercht wird, ist in der Ernährung, in der Wohnung, es war in der Kleidung, es ist jetzt in die Ortsbewegung hineingekommen, wenn das Gesetz zur Annahme gelangt. Überall macht es bankerott und überall bricht das Zwangs system zusammen, und auf einem Gebiete, wo man es bisher noch nicht eingeführt hatte, versucht man es jetzt, post festum möchte ich sagen, wo schon der Ban kerott des ganzen Systems offensichtlich ist, einzuführen, woran niemand gedacht hätte außer hier in Prag. Das Zwangs system ist von Übel für das ganze Wirt schaftsleben. Darüber sind wohl alle kla ren Geister, welcher Partei sie immer an gehören mögen, einer Meinung. Ich glaube, daß sogar vielleicht auch die Moskauer; weil ich einen Moskauer nicht sprechen kann, so vermute ich es nur, nach der Geistesverfassung, die wir hier haben, daß das auch solche Menschen sind wie wir, die, wenn sie die Schädlichkeit des Systems erkennen, sie dann zu der Erkenntnis kommen müssen, von dem System abzulassen. So vermute ich, daß auch die Moskauer heute gegen das System sind - nur ist keiner da, ich kann sie nicht fragen.


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