Ètvrtek 3. února 1921
Hohes Haus! Das Übereinkommen, das in Washington abgeschlossen wurde, gibt uns Gelegenheit, wenigstens in kurzen Zügen über die sozialpolitische Gesetzgebung dieses Staates im Allgemeinen zu sprechen.
Vorerst lassen Sie mich Ihnen sagen, daß jeder Staat, der Mitglied des Völkerbundes ist, gleichzeitig auch Mitglied der Arbeitsorganisation ist, deren Aufgabe es nach diesem Vertrage ist, durch internationale Vereinbarungen die Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse zu verbessern. Die Regierung ist durch den Friedensvertrag im Art. 350 verpflichtet, die Beschlüsse der Arbeitskonferenz spätestens ein Jahr nach Schluß ihrer Tagung der gesetzgebenden Körperschaft zu unterbreiten, damit sie zum Gesetz erhoben oder eine anderweitige Maßnahme getroffen werde. Nun hat die Schlußsitzung in der Washingtoner Konferenz am 27. Jänner 1920 stattgefunden. Das Jahr ist also schon verstrichen und die Vorlage ist demnach nicht termingemäß dem Hause zur Genehmigung, zur Beschlußfassung oder zur Stellungnahme unterbreitet worden. Ich erhebe also einen formalen Einwand dagegen, daß derart vorgegangen wird.
Die Arbeitskonferenz hat nun 6 Entwürfe von Übereinkommen beschlossen, und zw. 1. den 8-Stundentag und die 48stündige Arbeitswoche, 2. die Organisation der Arbeitsvermittlung, 3. den Schutz der schwangeren Frauen und der Wöchnerinnen, 4. das Verbot der Nachtarbeit der Frauen, 5. das Verbot der Arbeit der Kinder unter 14 Jahren und 6. das Verbot der Nachtarbeit der Jugendlichen unter 18 Jahren. Außerdem ist der Beitritt zur internationalen Berner Vereinbarung, betreffend das Verbot der Benützung von weißem Phosphor, beschlossen worden.
Nun muß man sich in erster Linie vor Augen halten, wie die Konferenz zusammengesetzt ist. Die Konferenz ist keineswegs so zusammengesetzt, daß sie von vornherein den Wünschen und Bedürfnissen der arbeitenden Klasse entspräche. Wir alle, die wir die Taten der Washingtoner Konferenz verfolgt haben, müssen sagen, daß dort der Einfluß der Arbeitgeber, der Einfluß der industriellen Interessen überwogen hat und daß die Interessen der Arbeiterschaft, der Arbeiterklasse im Allgemeinen nur sehr spärlich berücksichtigt wurden. Es bedeuten also die Beschlüsse dieser Konferenz für uns keineswegs das Maximum der sozialpolitischen Einsicht, sondern sie bedeuten das Minimum dessen, was jeder Staat zu machen hat.
Und was haben wir bisher von diesem Minimum verwirklicht? Wir haben bisher den 8-Stundentag verwirklicht, und ich will ohneweiters zugeben, daß das Gesetz über den 8-stundentag in einzelnen Bestimmungen darüber hinausgeht, was die Washingtoner Konferenz den Staaten mit auf den Weg gegeben hat. Aber das ist auch alles, womit wir die Beschlüsse der Konferenz überschritten haben. In allen anderen Fragen stehen wir hinter den Beschlüssen der Konferenz zurück. Wir haben das Verbot der Nachtarbeit der Frauen, wir haben das Verbot der Benützung des weißen Phosphors und wir haben schließlich im Krankenversicherungsgesetz, das wir im Dezember zum Beschluß erhoben haben, den Schutz der Schwangeren und Wöchnerinnen, aber keineswegs in jenem Maße, wie es die Konferenz zum Beschlusse erhoben hat. Lassen Sie mich darauf näher verweisen.
Im Artikel 2 des Vertrages über die Beschäftigung der Frauen vor und nach der Entbindung heißt es: "Das Wort 'Frau' im Sinne dieses Vertrages bezeichnet jede Person weiblichen Geschlechtes ohne Unterschied des Alters und der Nationalität, ob sie nun verheiratet ist oder nicht, und das Wort 'Kind' bezeichnet jedes eheliche und uneheliche Kind." Jene Herren und Damen, die mit uns im sozialpolitischen Ausschuß gewirkt haben, als die Abänderung des Krankenversicherungsgesetzes zur Verhandlung gestanden ist, werden sich wohl zu erinnern wissen, daß die Regierung in der ursprünglichen Vorlage, die uns zur Grundlage der Verhandlung gegeben wurde, keineswegs das Wort 'Frau' so definiert hatte, wie es hier steht. Sie wissen, daß wir erst beantragen mußten, das Wort 'Gefährtin' einzuführen, um das zum Ausdruck zu bringen, was auf dieser Konferenz beschlossen wurde, und Sie wissen, daß wir ebenso das Wort 'Kind' präzisieren mußten, indem wir ausdrücklich die Aufnahme einer Bestimmung verlangt haben, daß sich dieses Gesetz auch auf uneheliche Kinder zu beziehen hat.
Der Artikel 3 der Vereinbarung bestimmt unter Punkt a), daß die Frau nicht berechtigt ist, während der Dauer von 6 Wochen nach der Entbindung zu arbeiten. Diese Bestimmung findet meiner Ansicht nach in unserer Gesetzgebung bisher keinen Ausdruck. Wir haben zwar auch im Krankenversicherungsgesetz die Verpflichtung für die Krankenkassen, daß sie die Frauen 6 Wochen nach der Entbindung zu unterstützen haben, aber wir haben keineswegs den Washingtoner Beschlüssen Rechnung getragen, indem wir überhaupt keine Bestimmungen haben - sie konnten natürlich ins Krankenversicherungsgesetz nicht aufgenommen werden - welche ausdrücklich besagen würden, daß die Frauen 6 Wochen nach der Entbindung nicht arbeiten dürfen.
Unter b) wird gesagt, daß die Frau berechtigt ist, ihre Beschäftigung zu verlassen, wenn sie durch ein ärztliches Zeugnis nachweist, daß sie voraussichtlich binnen 6 Wochen niederkomme.
Unter c) erhält die Frau für die Dauer ihrer Abwesenheit auf Grund der Bestimmungen unter a) und b) ei ne Unterstützung, welche für ihre eigene Ernährung und die ihres Kindes in gesundem Zustand hinreicht. Nun sind unsere schwangeren Frauen und unsere Wöchnerinnen lediglich auf die Krankenunterstützung angewiesen, die keineswegs dem Normallohn der Arbeiterin im gesunden Zustand entspricht. Auch nach dieser Richtung hin ist meiner Überzeugung nach den Beschlüssen der Konferenz keineswegs entsprochen.
Weiter heißt es: "Ein Irrtum des Arztes oder der Hebamme bei der Abschätzung der Geburtsdaten kann nicht zum Verlust der Unterstützung für die Frau führen. Die Frau hat vielmehr Anspruch auf die Unterstützung von jenem Tage, mit welchem ihr das ärztliche Zeugnis ausgestellt wurde, bis zur tatsächlichen Entbindung."
Das, wofür wir eigentlich im sozialpolitischen Ausschuß gekämpft und gestritten haben, was wir offen zum Ausdruck gebracht haben, ist nicht erreicht worden. Ich bekenne offen, daß ich den genauen Text des Vertrages damals nicht zur Hand gehabt habe. Aber aus der Betätigung haben wir es herausgefühlt, daß es notwendig ist, ausdrücklich zu bestimmen, daß, wenn ein Irrtum vorliegt, wenn die Frau die Unterstützung, die ihr nach dem Krankenversicherungsgesetz nur 6 Wochen zukäme, schon früher als Schwangerschaftsunterstützung bezogen hat, daß sie dann in der Spanne Zeit, die noch bis zum letzten Tage der Entbindung verfließt, in dieser ärgsten Zeit unmöglich ohne Unterstützung bleiben dürfe; dieser unserer Anregung ist nicht Rechnung getragen worden. Trotzdem sind wir nach den Washingtoner Beschlüssen eigentlich verpflichtet, es zu tun. Es wird also notwendig sein, das Versäumte nach dieser Richtung hin nachzuholen.
Unter allen Umständen - heißt es im Absatz d) - hat die Frau auf 2 halbstündige Unterbrechungen Anspruch, wenn sie ihr Kind selbst stillt. Auch nach dieser Richtung hin finden sich noch keine Bestimmungen in unserer Gesetzgebung. Diese Lücke muß also ausgefüllt werden.
Im Art. 4 des Vertrages heißt es: "In jenen Fällen, in denen die Frau auf Grund der Bestimmungen der Absätze a) und b) des Artikels 3 des Vertrages der Arbeit fern bleibt, oder wenn sie infolge einer mit der Schwangerschaft oder mit der Entbindung zusammenhängenden, ärztlich beglaubigten Erkrankung der Arbeitsstätte noch länger fernbleibt, darf sie der Unternehmer durch eine durch das zuständige Amt festzusetzende Frist während ihrer Abwesenheit oder innerhalb einer Frist, die während ihrer Abwesenheit ablaufen würde, nicht entlassen.
Das ist der Schutz der schwangeren Frauen und Wöchnerinnen, der hier zum Ausdrucke gebracht wird. Diesen Schutz gewährleistet unsere Gesetzgebung überhaupt nicht. Unser Bemühen wird es also sein, auch nach dieser Richtung hin eine Änderung, die den Konferenzbeschlüssen entsprechen würde, platzgreifen zu lassen.
Nicht erledigt sind bisher die Bestimmungen bezüglich der Organisation der Arbeitsvermittlung. Da wurde uns heute vom Herrn Referenten Dr. Winter gesagt, daß darüber noch im Schoße der Regierung beraten wird. Bedenken Sie, meine Herren! In einer Zeit, in der es für jeden - er muß gar nicht im Ministerium sitzen - klar ist, daß der krisenhafte Zustand in der Industrie andauert, in einer Zeit, wo die Arbeitslosigkeit um sich greift, wäre nichts notwendiger, als daß gerade diese Frage gelöst werde, die Frage der Organisation der Arbeitsvermittlung. Wir sind keineswegs mit den Thesen, die auf der Konferenz aufgestellt wurden und mit deren Details ich mich heute nicht beschäftigen kann, einverstanden. Aber die Regierung sollte uns endlich die Möglichkeit geben und diese Vorlage hier im Hause unterbreiten, denn sonst wird sich - und alle Anzeichen sprechen dafür mit der Zeit die Gepflogenheit herausbilden, daß eben alle Parteien ihre Anträge selbst hier im Hause werden stellen müssen und daß man auf Vorschläge seitens der Regierung überhaupt nicht mehr wird warten können. Man wird durch die Verhältnisse gezwungen sein, eben aus eigener Initiative heraus derartige notwendige Anträge zu stellen.
Und nun lassen Sie mich ein wenig mit dem Motivenbericht beschäftigen. Darin heißt es: "Es soll nicht geleugnet werden, es soll vielmehr darauf Bedacht genommen werden, daß die sozialpolitische Gesetzgebung eine gewisse Belastung der Produktion bedeutet. Es ist deshalb im direkten Interesse eines jeden Staates mit einer fortgeschrittenen sozialpolitischen Gesetzgebung gelegen, daß auch die anderen Staaten die Höhe ihrer Entwicklung erreichen, damit die Produktionslasten in den verschiedenen Staaten sich nach Tunlichkeit ausgleichen. Wenn also unsere Gesetzgebung weitergehend ist als die Gesetzgebung anderer Staaten, mit deren Produkten unsere Produkte auf dem internationalen Weltmarkte konkurrieren müssen, liegt uns daran, daß die bisherige internationale Vereinbarung ehestens ratifiziert werde und daß an der internationalen sozialpolitischen Gesetzgebung weitergearbeitet werde." (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.)
Wir sind natürlich grundsätzlich anderer Auffassung, als der, die im Motivenbericht zum Ausdruck gebracht wird. Das ist der Standpunkt, der vor dem Kriege vielleicht seitens einiger Sozialpolitiker eingenommen werden konnte, der aber meiner Ansicht nach heute nicht mehr standhalten kann. Man steht noch immer auf dem Standpunkte, daß die sozialpolitische Gesetzgebung eine Belastung der Produktion sei und daß sie die Konkurrenzfähigkeit der einheimischen Produkte hindere. Lassen Sie mich auf ein Beispiel hinweisen: Es wird niemand behaupten können, daß Deutschland vor dem Kriege nicht konkurrenzfähig war, und doch hat Deutschland schon vor dem Kriege eine sozialpolitische Gesetzgebung gehabt, auf die wir in gewissen Richtungen stolz sein könnten, wenn wir sie hier nach dem Kriege hätten; und trotzdem war Deutschland konkurrenzfähig. Das Gegenteil ist meiner festen Überzeugung nach richtig. Richtig ist, daß jener Staat, der es versteht, seine sozialpolitische Gesetzgebung auf die höchste Stufe der Entwicklung zu bringen, konkurrenzfähiger wird. Man darf nicht lediglich die Lasten, die die Sozialversicherung mit sich bringt, vor Augen führen, sondern man muß vor Augen haben, welche Wirkungen die soziale Versicherung und die sozialpolitische Gesetzgebung im Allgemei nen nach sich zieht. Wir alle, die wir die Wirkungen des Krieges und der Nachkriegszeit angesehen haben, müssen sagen, daß der Staat nur gesunden kann, wenn er in Bezug auf die sozialpolitische Gesetzgebung jene schweren Versäumnisse nachholt, die während des Krieges und vor dem Kriege begangen wurden. Wenn man aber auf jenen Grundsätzen fußen wird, die hier zum Ausdruck gebracht sind, wird man niemals zu einer ernsten sozialpolitischen Gesetzgebung kominen. Deutschland hat durch Präventivmaßnahmen in der sozialpolitischen Gesetzgebung trotzdem seine Konkurrenzfähigkeit erhalten.
Lassen Sie mich damit schließen,
daß die Zukunft des Staates davon abhängt, wie sich die sozialpolitische
Gesetzgebung entwickeln wird. Wir werden für die Ratifikation
des Vertrages stimmen, und zwar deshalb, weil wir doch darin die
Ansätze zu einer sozialpolitischen Gesetzgebung erblicken. (Potlesk
na levici.)