Pátek 17. prosince 1920

Sie rechnen für ein Visum für einmalige Fahrt 71 K und nehmen Sie jetzt noch dazu, daß man für die Fahrt von der Grenze bis Wien 40 bis 50 deutschösterr. Kronen benötigt. Sie dürfen nicht vergessen, wie schrecklich das für die Bevölkerung ist, die an der Grenze wohnt, die zu Tausenden und Abertausenden in Österreich und Wien ihre Angehörigen hat. Wenn Sie einmal in einer Gemeinde die Zuständigen durchgehen, die dort geboren sind, so finden Sie, daß bis zu 50 und 60 % der Leute nicht in der Heimatsgemeinde selbst, sondern draußen in Österreich oder Wien leben. Sie finden in unseren südböhmischen und südmährischen Gebieten vielleicht keine einzige Familie, die nicht irgend jemanden ihrer Angehörigen in Wien leben hat. Diese kommen heraus zu ihren Eltern und Anverwandten, um sich dort bei den traurigen Ernährungsverhältnissen in Wien etwas Nahrungsmittel zu holen. Da müssen sie durch dieses Höllentor - das ist die richtige Bezeichnung - wo sie ausgeraubt werden von Ihrem Militär und Ihrer Grenzwache. Raub am Eigentum wird dort betrieben und die Republik hält ihren schützenden Mantel darüber. Sie werden aus einer Interpellation, die mein Kollege Pittinger dieser Tage eingebracht hat, ersehen, was für eine Sorte von Leuten Sie vielfach draußen zu Grenzwächtern beordert haben. Es sind Leute darunter, die sich Gewalttätigkeiten an unseren Frauen und Schwestern zu Schulden kommen ließen. Es ist das eine Schmach und ein Skandal für unsere Republik!

Wenn Sie glauben, daß Sie die Verhältnisse auf die Dauer so werden aufrecht erhalten können, dann regieren Sie nur ruhig so weiter! Aber erwarten Sie nicht, daß sich die südböhmische und südmährische Bevölkerung mit diesen Verhältnissen abfinden kann. Die Leute können es nicht fassen, daß sie, wenn sie in ihre Heimatsgemeinde zurückkommen, plötzlich als Ausländer gelten und als lästige Ausländer hinausgeworfen werden können. Sie müssen aufhören mit diesem Regime des Militärs und der Gewalt, Sie müssen darauf achten, daß diese Leute doch ein Recht zum Leben haben. Wenn einmal Jahrhunderte vergangen sein werden, seit diese Republik besteht, dann wird sich die Bevölkerung an die neuen Verhältnisse vielleicht gewöhnt haben. Aber jetzt und für die nächste Generation müssen Sie doch dem neuen Zustand im Grenzverkehr irgendwie Rechnung tragen. Sie sollen den Leuten, die in ihre Heimat zurückstreben, ihre Anhänglichkeit nicht erschweren. Schon aus diesen Gründen müssen wir sagen, daß wir gegen diese Verordnung des Ständigen Ausschusses sind, wir können uns unter gar keinen Umständen mit ihr befreunden. Wir sehen auch nicht die Gesetzmäßigkeit und nicht die Dringlichkeit dieser Vorlage ein. Wenn Sie tatsächlich als Republikaner gelten wollen, dann müssen Sie sich gewöhnen, republikanische Manieren und republikanische Gesinnung anzunehmen, dann müssen sie Freiheit, Gleichheit und Selbstbestimmungsrecht gelten lassen. Wenn Sie das nicht wollen, bitte, dann lassen Sie es bleiben. Dann schaffen Sie aber die Lüge aus der Welt von der freien demokratischen Republik! Dann kehren Sie zurück zur absolutistischen Monarchie! Die paßt für Sie! (Hluèný souhlas na levici.)

6. Øeè posl. dr. E. Feyerfeila (viz str. 1445. protokolu):

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Sache eingehe, die uns vorliegt, nämlich auf die Verfügung des Ständigen Ausschusses, welche heute dem Hause zur Genehmigung vorliegt, kann ich nicht umhin, auf eine Bemerkung des Herrn Berichterstatters zum vorigen Punkt der Tagesordnung zurückzukommen. Der Herr Berichterstatter hat vom Arbeitswillen der Parteien gesprochen, welche in diesem Hause vertreten sind. Da muß ich Ihnen nun sagen: den deutschen Parteien würde der beste Arbeitswille nichts nützen, solange sie in die Ausschüsse hineingesteckt sind, als stumme und taube Puppen. Denn wenn man sich heute weigert, die Anträge und Referate auch nur auszugsweise den deutschen Mitgliedern zu übersetzen, so ist es für sie ganz unmöglich, an den Arbeiten in den Ausschüssen teilzunehmen. (Posl. dr. Stránský: Vždy vám to pøekládáme!) Es wird zwar hie und da etwas übersetzt, aber damit kann man doch nicht ernstlich den Arbeiten folgen. Ich selbst beherrsche die èechische Sprache, natürlich hat man aber nicht so die Ubung, um im Zuhören folgen zu können, es strengt das sehr an. Es gibt aber Kollegen genug, die überhaupt die èechische Sprache nicht beherrschen. Sie können doch nicht verlangen, daß einige hingeworfene Brocken genügen, die man uns als Übersetzung hinwirft, um dort gründliche Arbeit zu leisten.

Was nun die einzelnen Verfügungen des Ständigen Ausschusses anbelangt, die heute dem Hause vorliegen, so liegt als erster Punkt die Verfügung des Ständigen Ausschusses über die Inkorporation von Weitra und Feldsberg vor. Ich will da nicht wiederholen, was mein Vorredner über unsere Auffassung bezüglich der Einverleibung von Gebieten und Völkern in die Staaten gesagt hat. Unser Standpunkt ist bekannt: Wir stehen auf dem Standpunkte der Selbstbestimmung. Auch Sie haben einmal Demokratie und demokratische Gesinnung gespielt und haben anscheinend begeistert in den Wilsonschen Ruf nach Selbstbestimmung der Völker eingestimmt. Dann aber haben Sie sich eines anderen besonnen und kamen mit den historischen Grenzen. Man hätte sich schließlich auch mit diesem Standpunkt abfinden können, wenn gewisse andere Voraussetzungen gegeben gewesen wären. Aber daß Sie das verkündete Prinzip der historischen Grenzen im selben Atemzug wieder aufgaben und auf Gebiete griffen, die nie zu den Ländern der böhmischen Krone gehört haben, das zeigt, daß es Ihnen nicht um die Selbstbestimmung und nicht um die historischen Grenzen zu tun war, sondern einfach um die rohe Gewalt. "Ich habe die Gewalt und ich nütze sie aus", das war Ihr Standpunkt, als Sie zur Einverleibung der Gebiete von Feldsberg und Weitra schritten, und diesen Standpunkt nehmen Sie auch im Hause ein, wenn es sich darum handelt, jeden deutschen Antrag, jede deutsche Anregung niederzustimmen.

Nun, die Verfügung des Ständigen Ausschusses ist erflossen. Man hat die Gebiete einverleibt und es wird sicher einigermaßen inte ressieren zu erfahren, in welcher Weise diese Einverleibung vor sich gegangen ist. Ich denke da zunächst an den Bahnhof der Stadt Gmünd und an die umliegenden Stadtteile, die inkorporiert wurden. Das erste, womit Sie auftraten, war natürlich die berühmte Oèista. Alles, was deutsch war, mußte weg. Daß Sie dabei auch Anstandsorte nicht verschont haben, zeigt, bis zu welchem Punkte sich der Haß gegen das Deutschtum verstiegen hat. Daß Sie es für notwendig befunden haben, in die friedliche Stadt mit Bajonetten und einer Wehrmacht einzurücken, mutet bei Ihnen, die Sie sagen, demokratisch, antimilitärisch, republikanisch zu sein, sehr merkwürdig und komisch an. Auf der Post der reindentschen Stadt Gmünd wurde natürlich der Poststempel sofort in "Cmunt" verwandelt. Vor einem Jahr hat in der Budweiser Gegend noch kein Mensch gewußt, was Cmunt ist und man sagte auch bei den Èechen: "My jdeme do Gmündu." Aber jetzt beherrscht Cmunt die Situation. Dann kamen Sie selbstverständlich mit Ihren Verwaltungskommissionen. Wie diese Verwaltungskommissionen zusammengesetzt wurden, mit welch peinlicher Sorgfalt man dort vorgegangen ist, davon möchte ich auch noch ein Stückchen erzählen. Nicht genug daran, daß man die Zusammensetzung der politischen Parteien nicht im Mindesten berücksichtigte, hat man in diese Kommissionen Leute entsendet, deren Charakter nicht gerade die Bürgschaft dafür gab, daß man ihnen die Führung auch nur einer anständigen Gastwirtschaft hätte anvertrauen können. In den Gemeinden Naglitz und Weißenbach hat man den èechischen Lehrer Vanèura eingesetzt und dafür den deutschen weggejagt. Bis dahin schrieb sich Vancura mit "tsch" deutsch. Jetzt nennt er sich natürlich Vanèura mit dem Haken auf dem C. Der Mann hat als erste schöne Tat gesetzt, daß er zum Bezirksschulrat nach Gmünd ging und sich dort 5000 K mit Hilfe der Stampiglie der deutschen Schule behob, aber beileibe nicht sein Geld, sondern die 5000 K gehörten seinem Vorgänger. (Hört! Hört!) Der Mann wurde gerichtlich wegen verschiedener Dinge, die man ganz gewöhnlich Sittlichkeitsdelikte nennt, zur Verantwortung gezogen. Vielleicht hat man gerade daraus seine Qualifikation für das Amt eines Verwaltungskommissionsmitgliedes deduziert. Ich habe das auch im Budgetausschuß bereits vorgebracht und ich stehe gar nicht an, das, was ich hier sage, überall zu vertreten. Ich staune nur, daß der Mann sich heute noch in Amt und Würden befindet und daß die Behörden so langsam arbeiten.

Ein weiterer Zweig, worin sich die èechische Verwaltungskunst herrlich betätigte, war die Frage der Valutaänderung, die naturgemäß sofort nach der Inkorporation eintrat. Die Leute hatten in Deutschösterreich Geld und von vornherein war man in Prag einer ganz verfehlten Ansicht, indem man nämlich zur Grundlage der Umwechslung den Kurs machen wollte, der im freien Verkehr gilt, ohne zu bedenken, daß das österreichische Geld in Österreich selbst einen ganz anderen Wert hat als im Austauschverkehr mit anderer Valuta.

Denn man bekommt natürlich in Österreich mit österreichischer Valuta viel mehr, als wenn man das österreichische Geld in èechische Kronen umwechselt und hier kauft. Beispiele anzuführen würde viel zu weit führen. Ein anderer und geradezu unverantwortlicher Fehler war aber der, daß man die Leute mit der Geldauswechslung in einer ganz sinnlosen Weise hinau sgezogen hat. Die schöne Verfügung des Stálý výbor war schon lange ergangen und nichts destoweniger warteten die Leute fortwährend darauf, ihr Geld auszuwechseln, weil sie sich ja ein Stück weiter außerhalb der Grenze für ihr Geld nichts kaufen konnten, weil sie sich weiters sagen mußten, daß sich die Valuta von Tag zu Tag verschlechtere. Endlich kam ein Erlaß der Finanzministeriums, daß das Geld umzuwechseln sei, u. zw. in einer Frist von 8 Tagen. So war es in Feldsberg. Dieser Erlaß des Finanzministeriums wurde aber erst am achten Tage publiziert und der Bezirkshauptmann selbst mußte einsehen, daß die Leute ja doch in dem einen Tage die Geldumwechslung nicht vornehmen könnten. So verlängerte er aus eigener Machtvollkommenheit die Frist um weitere 8 Tage. Es wurde aber wieder so spät, ehe die Verfügung der politischen Bezirkverwaltung bekannt wurde, daß den Leuten nur ganz kurze Zeit zum Geldwechseln übrig blieb. Infolgedessen geschah es, daß ungemein zahlreiche Parteien gezwungen waren, sich das Geld zum laufenden Kurse auszuwechseln, wodurch sie einen ganz außerordentlichen Schaden erlitten haben. (Výkøik: Sie haben ja gar nicht das Geld gekriegt, Sie haben Gutscheine bekommen, aber kein Geld!) Daß die Leute Gutscheine nicht für Geld nehmen wollten, darüber dürfen wir uns nicht wundern.

Mit solchen Verwaltungsmaßnahmen, mit der Einsetzung solcher Verwaltungskomissionen, mit offenen und unverhüllten Absichten in das neubesetzte Gebiet zu kommen, das sind sicherlich nicht geeignete Mittel diese neubesetzten Gebiete für Ihre Republik zu gewinnen. So werden diese Gebiete ebensowenig gewonnen, wie Sie es bis jetzt verstanden haben, uns Deutsche zu gewinnen. Es nützt Ihnen nichts, wenn Sie künstlich èechische Schulen bauen, künstlich èechische menšiny konstruieren, indem Sie einen èechischen Gendarmeriewachtmeister und einen èechischen Postmeister in eine deutsche Gegend versetzen. Wenn Sie uns bei Ihrem Staat zu erhalten trachten wollen, müssen Sie uns legal gewinnen. Diese Kunst, geehrte Herren von der rechten Seite, fehlt Ihnen aber vollständig. Man hat natürlich in den neubesetzten Gebieten mit den Schulkünsten auch angefangen, wie man sie in Deutschböhmen und Deutschmähren und Schlesien èechischerseits praktiziert hat. 148 Kinder in Böhmzeil sind wahrscheinlich heute noch ohne jeden Unterricht, weil man ihnen die Schule einfach weggenommen hat. Die Feststellung solcher Tatsachen nützt Ihnen gegenüber natürlich nichts. Sie bleiben auf dem Standpunkte, daß uns recht geschieht, denn was Ihnen in Österreich geschehen ist, muß Ihrer Ansicht nach uns hier geschehen. Wenn Sie aber diese Ansicht haben, dann sprechen Sie von keiner Entösterreicherung. Die Entösterreicherung vollzieht sich auf Gebieten, wo sie sich nicht vollziehen soll.

In der zweiten Verfügung, welche zur Behandlung steht, handelt es sich um die Erhöhung der Konsulargebühren. Daß diese Erhöhung an und für sich notwendig ist, ist nicht zu leugnen, ob aber zu dieser Verfügung ein zwingender Anlaß vorlag, daß sie im Ständigen Ausschuß als provisorisches Gesetz erledigt werden mußte und daß sie nicht dem Hause vorgelegt werden konnte, das will ich bezweifeln. Der geehrte Herr Vorredner hat in diesem Zusammenhang auf die heute üblichen hohen Einreisegebühren. Paßvisumsgebühren hingewiesen. Ich möchte wieder den Herren von der èechischen Seite sagen, daß es so nicht weiter gehen wird, wenn Sie uns förmlich hermetisch gegen die uns umgebenden Staaten abschließen. Bei diesen Einreisegebühren, Paßvisumsgebühren besteht auch die horrende Ungerechtigkeit, daß nämlich der Arbeiter, der nach Wien, Niederösterreich, Bayern oder Oberösterreich Arbeit suchen gehen muß, weil ihm die Republik diese Arbeit nichtgeben kann, für seine Paßvisa und Einreisebewilligungen dasselbe Geld zahlen muß, wie der Schieber, der um Geschäfte zu machen nach Wien fährt. Es sind dies Umstände, die Sie berücksichtigen müssen. (Posl. Záruba: Ten poplatek jest tak nízký, že nemùže býti nižší!) Für den Arbeiter, den Sie zwingen hinauszugehen, müssen die Gebühren niedriger sein.

Es liegt dann noch eine Reihe von Verfügungen vor, bei denen man gleichfalls die Notwendigkeit derselben nicht bestreiten kann, wohl aber die Notwendigkeit von dringenden Verfügungen. Meine Herren! Der Ständige Ausschuß ist ein Ersatz, wie schon der Vorredner erwähnt hat, ob Sie es nun zugeben wollen oder nicht, der § 14-Verordnungen des alten Österreich. Aber in manchen Verfügungen, die dieser Ständige Asschuß geschaffen hat, macht sich ein sehr unangenehmer Unterschied gegenüber den § 14-Verordnungen des alten Österreich geltend.

Denn, ich glaube, wir werden in dem dicken Buch der österreichischen § 14-Verordnungen lange blättern müssen, bevor wir eine derartige Ausgeburt unsinniger Phantasie finden werden, wie in dem Mehlsteuergesetze, das Sie im Ständigen Ausschuß geschaffen haben und welches die èechischen Parteien mit Änderungen, vielleicht nach der schlechteren Seite, weiter in Gültigkeit belassen wollen. Diese Verfügung, die ein Symbol sozialer Ungerechtigkeit ist, verdankt ihre Entstehung dem Ständigen Ausschuß und man kann sich darnach einen Begriff machen, wie andere Arbeiten des Ausschusses ohne Kontrolle der übrigen Mitglieder des Hauses aussehen. Wenn die Herren demokratisch sein wollen, dann müßten sie den Ständigen Ausschuß abschaffen. Ich habe den Motivenbericht zu der Verfassung gelesen. Da steht auch viel darinnen über die Notwendigkeit das ständigen Ausschusses, und zwar in Worten, daß man daraus entnehmen kann, daß die Gesetzgebung Ihrer Revolutions-Nationalversammlung sich noch etwas zu gute hielt auf diese Einrichtung, die in anderen Ländern nicht besteht. Ich glaube, als Demokraten können Sie sich nichts darauf zu gute halten, Sie müßten vielmehr darauf sehen, daß alle Dinge, welche das Volk angehen, vor dem Hause verhandelt werden sollen. Damit aber dieses Haus zu einem Volkshaus wird, dazu ist zunächst notwendig, daß Sie selbst Demokraten werden. Und das, meine Herren, sind Sie heute nicht, und darum wird dieses Haus und dieser Staat zu keiner erquicklichen Arbeit kommen, solange Sie nicht die Grundsätze der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit anerkennen werden und solange Sie sich nicht emanzipieren werden von dem Standpunkt der reinen Gewalt, auf welchem Sie heute stehen. (Potlesk na levici.)

7. Øeè posl. Patzela (viz str. 1448. protokolu):

Hohes Haus! Gestatten Sie, daß ich zunächst denn doch Verwahrung einlege gegen die Praxis, bei jedem Anlaß die Redezeit durch eine Circumcision einzuengen oder zu beschneiden. Gerade diese Art von Verhandlungsführung schafft viel mehr Verbitterung, als irgend welche andere Dinge. Nun, ich muß auch ein Wort dazu sagen, was der Kollege, der die Berichterstattung zu dem vorangegangenen Gegenstand geführt hat, in seinem Schlußworte betont hat. Wenn wir Deutschen mitarbeiten wollen, müssen wir das in den Ausschüssen tun. Gerade bei diesem Gegenstand und im Zusammenhange damit will ich Ihnen sagen, wie Sie unsere Mitarbeit auffassen. Eines der umstrittensten Gesetze, das der Ständige Ausschuß geschaffen hat, ist die Verfügung über die Regelung der Preise der Mahlprodukte, und ich glaube, es gibt weder im èechischen, noch im deutschen Volke, mit Ausnahme einiger weniger Schieber, keinen einzigen Menschen, der irgendwie von dem Inhalte dieser Vorlage befriedigt wäre, nämlich keinen arbeitenden Menschen. Nun haben wir im Ständigen Ausschuß seinerzeit die Vorlage sachlich und vom verfassungsrechtlichen Standpunkte bekämpft, und es haben damals auch die Vertreter der èechischen Parteien mit uns den Standpunkt eingenommen, daß die Verfassung verletzt würde, wenn der Ständige Ausschuß sich beimißt, eine Verfügung zu treffen, die immerhin eine auf Monate hinaus geltende, jeden Monat zu entrichtende, daher in gewissem Sinne dauernde Belastung der Bevölkerung enthält. Wir haben nunmehr bei der Verhandlung im Ausschuß des Abgeordnetenhauses dieselbe Frage wieder aufgeworfen und haben, als unsere staatsrechtliche Anfrage im gleichen Sinne wie im Ständigen Ausschuß abgelehnt wurde, wenigstens den Versuch gemacht, durch gemeinsame Zusammenarbeit diese Verfügung ihrer Härten zu entkleiden. Wir waren bereits im Budget- und im Ernährungsausschuß zu einer einvernehmlichen Regelung gekommen, zu einer Vereinbarung darüber, welche Grundsätze wir der Regierung für die Novellierung dieses unmöglich zu erhaltenden Gesetzes vorlegen wollen. Ich wiederhole, alle èechischen und deutschen Parteien hatten sich in einem gegenseitigen Kompromiß auf den Gedanken geeinigt, und als wir heute vormittags beisammen waren, kam der Ernährungsminister und teilte mit, daß in irgendwelcher Versammlung der èechischen Parteien bereits etwas ganz anderes ausgeknobelt worden sei, was nach unserer Meinung und, wie ich glaube, auch nach der Meinung èechischer Vertreter eine Verschlechterung des bestehenden Zustandes ist, aber keine Verbesserung, was aber wahrscheinlich die èechischen Parteien schützen werden. Das ist die Einladung zu sachlicher Mitarbeit? Wenn wir an einer Gesetzesverfügung, die gewiß jedes politischen und nationalen Charakters entbehrt, wirklich auch durch sachliche Anträge mitarbeiten, die èechischen Parteien einem Vorschlag, der von den Deutschen und Èechen gestellt worden ist, zustimmen, dann aber die èechischen Parteien hingehen und ihren staatsrechtlichen Standpunkt an das Wohlwollen des Finanzministers verkaufen, dann hört jede Art der Mitwirkung auf.

Nun liegen heute wiederumVerfügungen des Ständigen Ausschusses vor, die überprüft, beziehungsweise genehmigt werden sollen. Zwei von diesen scheiden aus der verfassungsrechtlichen Kritik aus, weil sie als wirklich dringende Verfügungen betrachtet werden müssen, das ist die Verfügung betreffend den Kredit für die Stadt Preßburg und über die Teschener Währung. Etwas anderes ist es freilich mit der Frage der Inkorporierung von Feldsberg und Weitra und mit den Konsulargebühren. Gerade wir Deutschen waren im Ständigen Ausschuß vielleicht bessere Hüter und Wahrer Ihrer eigenen Verfassung als Sie. Denn nach der èechoslovakischen Verfassung ist jede Änderung der Grenzen der Republik eine Änderung der Verfassung. Also muß auch die Inkorporation eines bisher nicht zur Republik gehörigen Gebietes eine Änderung der Verfassung sein. Aber nach § 54 der Verfassung hat der Ständige Ausschuß nicht das Recht, das Gebiet der èechoslovakischen Republik zu ändern, und wenn Sie der Bequemlichkeit halber, weil es in einem Aufwaschen geht, durch den Ständigen Ausschuß solche Verfügungen genehmigen lassen, welche Ihre eigene Verfassung mißachten, so dürfen Sie sich freilich nicht wundern, wenn sie bei den anderen Angehörigen der Republik nicht jene Achtung findet, die sonst in anderen Staaten das Verfassungswerk verdient. Wir lehnen die Verfügung auch deswegen ab, weil sie im Widerspruch steht mit allem nationalen Fühlen, weil sie aber auch im Widerspruch steht mit dem, was Sie ja selber immer für die èechoslovakische Republik verlangt haben, daß nämlich der èechische Staat innerhalb jener Grenzen entstehe, auf die Ihre Nation früher einmal ihr Hoheitsgebiet erstreckt hat. Hat aber jemals das Königreich Böhmen, haben Mähren und Schlesien je die staatliche Hoheit über Feldsberg und Weitra erstreckt?

Über die Frage der Konsulargebühren wurde bereits ausführlich gesprochen. Der Verfügung betreffend die Anleihe für die Stadt Preßburg stimmen wir zu. Wir möchten aber verlangen, daß die Regierung der èechoslovakischen Republik und ihre Finanzämter, wenn sie der Anleihe einer einzelnen, wenn auch noch so bedeutenden Handelsverkehrsstadt eine Pupillarsicherheit gewähren, auch bei Anleihen deutscher Gemeinden, die in schwierigen Vermögensverhältnissen sind, eine gewisse Liberalität an den Tag legen, daß es z. B. nicht vorkommen darf, daß der. Finanzminister der Stadt Karlsbad, die in schwierigen Verhältnissen ist, ein angebotenes amerikanisches Darlehen verweigert aus Gründen, die unerfindlich sind, während Preßburg ruhig ein amerikanisches Darlehen aufnehmen darf. Dann müssen wir auch verlangen, daß nicht am Ende den deutschen Gemeinden die Bewilligung zur Aufnahme von Darlehen an die Bedingung der Zeichnung von Staatsanleihe gebunden wird, die nicht zeichnen können, solange die Kriegsanleihefrage nicht aus der Welt geschafft ist.

Nur noch ein paar Worte zur Vorlage betreffend die Währung in Teschen. Gerade diese scheinbar so kleine Vorlage ist ein Schulbeispiel der Folgen schlampiger Gesetzgebung und dafür, wie man nicht Gesetze geben und Gesetze ausarbeiten soll. Es erfolgte die Entscheidung des Obersten Rates in Paris über das Gebiet von Teschen, es fiel an die èechoslovakische Republik; irgend ein anderer Staat hätte rechtzeitig Fachleute in das Gebiet geschickt, die sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse unterrichtet und der Regierung Maßnahmen empfohlen hätten. Nicht so die èechoslovakische Republik; da kam am grünen Tisch eine Verordnung heraus, die für die Umwechslung einen Kurs festsetzte, der an der Moskauer, Warschauer, Wiener, meinetwegen Prager Börse für das Verhältnis der èechischen Krone zur polnischen Mark gilt, ohne Rücksicht darauf, daß die Leute ihr altes österreichisches Geld in polnische Mark hatten umstempeln lassen. Es kam zum Widerstand der Bevölkerung. Der Finanzminister mußte einsehen, es kam die Einladung an den Stálý výbor und der mußte durch eine Verfügung eine Abänderung der Regierungsverordnung schaffen. Der Ständige Ausschuß beschloß damals, die Giltigkeit für die Anmeldung gewisserForderungen von öffentlich rechtlichen Personen, nicht wie die Vorlage sagte, bis 31. Oktober, sondern bis 30. November zu erstrecken.

Bei der Hast, mit der hier gearbeitet wird, kam in die Verfügung des Ständigen Ausschusses, wie sie hinauskam, wieder der 31. Oktober, und sie kam zu einer Zeit hinaus, wo die Durchführung der Anmeldungen unmöglich war, so daß der Landespräsident von Schlesien, der betreffende politische Beamte aus eigener Machtvollkommenheit das Gesetz korrigieren und den 30. November hineinschreiben mußte, genau so wie der Bezirkshauptmann in Feldsberg. Wenn Sie durch schlampete gesetzestechnische Arbeiten die Beamten, Ihre eigenen Beamten, die nicht auf dem Buchstaben reiten, sondern wirklich Sorge haben um die Erhaltung der wirtschaftlichen Bedürfnisse und Notwendigkeiten der Bevölkerung, zwingen, Übertretungen der Gesetze zu begehen, so muß ich sagen, daß das für den ganzen Charakter der Gesetzgebung und Verwaltung nicht gerade schmeichelhaft ist. Und dann bekamen wir, da die Regierung doch einsehen mußte, es müsse der Fehler eine Korrektur erhalten, diese Korrektur in das Abgeordnetenhaus und im Ausschuß sollten wir dann die Korrektur vom 31. Oktober auf den 30. November vornehmen, und zwar am 10. Dezember. Zu dieser Komödie, zu dieser lächerlichen Komödie haben wir uns nicht hergegeben und es ist anerkennenswert, daß auch èechische Herren zugestimmt haben, daß wir den Termin bis zum 31. Dezember verlängern, daß wir also im Stande waren, jenen juristischen Personen, die die Anmeldung ihrer Barschaften noch nicht vorgenommen haben, die Anmeldung ihres Besitzes bis zum 31. Dezember dieses Jahres zu ermöglichen.

Bei dieser Sache möchte ich noch etwas bemerken: Wir wurden zur Mitarbeit eingeladen; wie man dann im Ständigen Ausschuß unsere Mitarbeit auffaßte, auch darüber will ich etwas erzählen. Wir haben im Ständigen Ausschuß versucht, bei der Umwechslung, die da eine Rolle spielt, jene Vermögen, bei denen die polnische Mark beim Umwechseln der èechischen Krone gleichgestellt wird, zu erhöhen von 10.000 auf 20.000 Kronen, um gerade die kleinsten Sparer und Besitzer zu schonen. Diesen Antrag haben Sie abgelehnt. Wir haben versucht, in diese Verfügung die Bestimmung aufzunehmen, daß sie auch Gültigkeit habe für jene èechoslovakischen Staatsbürger, die sich jetzt aus Zwang noch auf dem Gebiete befinden, das im Augenblicke noch zur polnischen Republik gehört, im Interesse aller Staatsbürger; auch das haben Sie abgelehnt und haben die Verfügung darüber der Regierung überlassen, das heißt, es der Entscheidung von Bürokraten überlassen, ob èechoslovakische Staatsbürger, die teils aus wirtschaftlichen Verhältnissen, teils mit Willen der Regierung noch jenseits der Olsa im heutigen polnischen Gebiete leben, der gleichen wirtschaftlichen Berücksichtigung zu Teil werden sollen. Das haben die politischen Parteien nicht im Wege der Gesetzgebungen festgestellt, sondern es der Regierung überlassen.

Ja, meine Herren, wenn Sie unsere Mitarbeit so quittieren, dann darf es Sie nicht wundernehmen, wenn wir manchmal über diese Einladung unsere eigenen Gedanken haben. Wir müssen verlangen, daß künftig, wenn der Ständige Ausschuß schon besteht, er beschränkt bleibe bloß auf die Gebiete, die ihm vorbehalten werden müssen, auf Verfügungen in der Zeit der äußersten Not, nicht auf Verfügungen, die man längst vorgesehen hat und die man dem Ständigen Ausschuß vorbehält, weil es angenehmer ist, die Diskussion im offenen Parlamente zu scheuen. Dann müssen wir aber verlangen und wir werden die Anträge, die diesbezüglich von allen Seiten kommen, unterstützen, daß die Verhandlungen im Ständigen Ausschuß für öffentlich erklärt werden. Es geht nicht an, daß der Ständige Ausschuß, der aus Mitgliedern des Abgeordnetenhauses und Senates besteht, hinter geschlossenen Türen verhandelt, daß nicht einmal Abgeordnete und Senatoren, die nicht Mitglieder des Ausschusses sind, daran teilnehmen dürfen, weil sich sonst ein mystischer Sagenkreis in der Bevölkerung um den Ausschuß webt, als wenn dort Dinge vorgiengen, die das Tageslicht scheuen müssten. Wir deutsche Abgeordnete sagen, wir haben keine Kontrolle der Öffentlichkeit, keine Kontrolle unserer Tätigkeit, durch welche Öffentlichkeit immer zu scheuen. (Potlesk na levici.)

8. Øeè poslance dr. Petersilky (viz str. 1450. protokolu):

Hohes Haus! Mir ist die Ehre zu Teil geworden, etwas über den Kontrollausschuß sagen zu sollen. Als ich davon gehört habe, habe ich mir gedacht: Worüber müßte man eigentlich reden? Über den Kontrollausschuß? Wozu ist der da? Es regiert doch das Parlament! Nein, es regiert der alte § 14, der Stálý výbor und der wird noch kontrolliert vom Kontrollausschuß Ich möchte wirklich den Antrag stellen, ob nicht über den Kontrollausschuß noch ein anderer Kontrollausschuß gestellt werden könnte, und über den noch ein anderer, so daß ewig kontrolliert würde. Mir kommt die Geschichte so vor, wie in China, wo einer über dem anderen steht, jeder kontrolliert den andern. Und was ist aus der ganzen Kontrolle? Warum ist die Kontrolle da? Weil man eben nicht vertraut. Und warum vertraut man nicht? Nun ja, man weiß, wo der eigentliche Fehler steckt, in der Mutter - und die Mutter ist die Entente. Unlängst habe ich einen Artikel gelesen über den Frieden von St.-Germain, der von der Entente gemacht worden ist. Dieser Artikel ist nicht von einem Österreicher, auch nicht von einem Deutschen geschrieben worden, sondern er ist geschrieben worden im Lande der Freiheit, von einem Amerikaner. Und dieser sagt: "Unter allen Frieden, welche je auf Erden geschlossen worden sind, ist keiner so grausam gewesen, wie dieser es ist, und dieser Friede hat ein noch vielfürchterlicheres Irrenhaus, hat eine noch schrecklichere Hölle entfesselt als der Weltkrieg selbst war. Den Herren in St.-Germain ging es nicht um das Wohl der Völker. Es haben die Herren dort über Kali und Kupfer, über Bergwerke und Ökonomie gesprochen, aber über die Herzen und die Freiheit haben sie gelacht." Ist das ein demokratischer Friede? Das war ein Gewaltfriede und diesem Gewaltfrieden haben wir es auch zu danken, daß wir uns heute mit der Inkorporation von Weitra beschäftigen müssen. Ja, hat man die Bewohner von Weitra überhaupt gefragt, ob sie zu uns kommen wollen? Sie werden antworten: Sie haben nicht zu fragen, sie haben zu folgen, geh, sei ruhig, sonst kommst du ins Kastel! Sie werden sagen: Die österreichische Republik hat mit uns den Vertrag gemacht. Ja, wer hat denn der österreichischen Republik das Recht gegeben, einfach auf die Bewohner von Weitra zu verzichten? Nur das größte Elend, nur die größte Not haben Österreich dazu bewogen, mit anderen Worten, sie werden gezwungen, an dem Karren zu ziehen, an dem sie nicht ziehen wollten. Mit blutendem Herzen haben die österreichischen Parlamentarier ihre Zustimmung dazu gegeben, daß Weitra uns inkorporiert wird. Es ist dies die Folge des traurigen Völkerbundes, die Folge des fürchterlichen Friedens von St.-Germain. Völkerbund nennt man das, und von dieser Stelle aus hat auch der Minister des Äußeren so wunderbar über den jetzigen Völkerbund gesprochen. Der ist aber nichts anderes, als eine Versicherungsgesellschaft für gemachten Raub. Diesen Völkerbund haben wir schon einmal da gehabt, vor 19 Jahrhunderten bei den alten Römern. Die haben alle Völker miteinander verbunden, die damals existierten, aber durch ein doppeltes Band, das eine war grau, das andere gleißend. Das graue hieß Militarismus, das andere hieß Kapitalismus und ganz dieselben Bänder binden auch heute noch die einzelnen Vertreter des Völkerbundes, und unter diesen Banden schmachtet auch Weitra. Die Völker, die damals gebunden waren durch die Römer, waren wirklich gebunden. Was ist ein Bund? Ein paar Stöcke zusammengebunden, und wenn jeder von diesen Stöcken Leben hätte, möchte er ächzen und klagen. Alle, die durch den Völkerbund gebunden sind, werden ächzen und klagen, geschweige denn die armen Besiegten. Der Militarismus ist es auch, der Weitra an uns binden wird. Man redet vom Völkerbund und gleichzeitig liest man heute in den Zeitungen, das Japan eine Flottendemonstration macht, daß die Amerikaner und Engländer ihr Militär vermehren. Das nennt man einen Völkerbund zur Unterdrückung der Nationen.


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