Støeda 15. prosince 1920

Wir haben weiters gefragt, ob die Regierung, insbesondere diese beiden Mi nisterien, gewillt sind, daß in Hinkunft bei allen zu vergebenden Bauten den Unternehmern die Bedingung auferlegt wird, daß die mit der Arbeiterorganisation abgeschlossenen Verträge eingehalten werden und daß die vereinbarten Löhne zu zahlen sind. Es ist dies in anderen Rechtsstaaten eine Selbstverständlichkeit, in diesem Staat muß man erst fragen und auf die Antwort warten. (Posl. Hillebrand: Und kriegt sie nícht!). Vielleicht bekommt man sie nicht und vielleicht bekommt man auch das Versprechen, daß es so gemacht wird und am selben Tage geht ein Erlaß hinaus, welcher das Gegenteil besagt. Das eine ist sicher: mag die Regierung, mögen die Ministerien in dieser Frage entscheiden, wie sie wollen, die Arbeiterschaft wird schon dafür Sorge tragen, daß auch die Regierung für ihre Arbeiten jene Löhne zu zahlen hat, wie sie die Privatunternehmer bei sonstigen Arbeiten zahlen. In dieser zweiten Interpellation verlangen wir wiederum wie in der ersten, daß das Ministerium uns bekanntgeben soll, welche Summe es eigentlich für eine Arbeiterfamilie für notwendig und ausreichend hält, und ich habe seinerzeit schon bei der Budgetdebatte darauf verwiesen, daß es sehr notwendig und sehr gut wäre und sehr beruhigend auf die Öffentlichkeit wirken würde, wenn einmal von einem kompetenten Ort ausgerechnet würde, wieviel denn eigentlich eine Arbeiterfamilie Einkommen haben muß, um nur das Lebensminimum fristen zu können. Die Herren Minister brauchen durchaus nicht ihre Lebenshaltung als Grundlage zu nehmen, sie brauchen durchaus nicht ihre Ausgaben als Grundlage der Bewertung zu nehmen, sondern nachdem wir in der Interpellation ein Haushaltungsschema vorgelegt haben, sollen sie es prüfen, ob es der Wirklichkeit entspricht. Dabei werden sie natürlich darauf kommen, daß der Grundsatz, den sie seinerzeit aufgestellt haben, daß die Arbeitslöhne draußen nicht höher sein dürfen, als in Prag, sehr bald zusam menbrechen muß.

Im Laufe dieser Woche habe ich ein Fachblatt einer èechischen Bruderorganisation in die Hand bekommen, in welchem die èechischen Arbeiter, die Prager Arbeiter sich ebenfalls diese Berechnungsgrundlage als Muster genommen haben und wobei eigentlich herauskommt, daß die Prager Arbeiter noch unverschämter sind als wir draußen, weil sie bedeutend höhere Summen herausbringen. Wenn es den Prager Arbeitern gelingt, was wir ihnen herzlichst gönnen und wünschen, auf Grund ihrer Berechnungsgrundlage Löhne abzuschließen, dann vielleicht haben wir es nicht mehr notwendiig, den beiden Ministerien den Vorwurf zu machen, daß es ungerecht ist zu sagen, die Löhne draußen dürfen nicht höher sein wie die in Prag.

Wir verlangen deshalb von den befragten Ministerien, daß auf alle diese von uns gestellten Fragen eine Antwort gegeben werde, die von jedermann verstanden wird. Wir verlangen, daß man nicht Ausflüchte gebraucht, wir verlangen, daß vor der ganzen Offentlichkeit beide Ministerien einmal klar darstellen, was sie eigentlich von dem Leben einer Arbeiterfamílie verstehen und was sie für die Arbeiter als gut genug befinden. Bisher haben sie dies offiziell noch nicht bekannt gegeben, wir wünschen, daß unsere Interpellationen Anlaß dazu geben, um einmal diese Feststellung zu bekommen. (Potlesk na levici.)

6. Øeè posl. Schäfera (viz str. 1375. protokolu):

Meine Herren und Frauen! Es ist bedauerlich, daß bei der Verhandlung dieser beiden Interpellationen das Ministerium für soziale Fürsorge nicht im Hause vertreten ist, daß der Herr Minister für diese Abteilung der Verwaltung des Staates abwesend ist. So unscheinbar auch manchem die Sache scheinen mag, die hier besprochen wird, so hat sie doch für die Arbeiterklasse eine ganz beträchtliche Wichtigkeit. Es handelt sich vor allem um die Verletzung eines Grundsatzes, den wir auf das leidenschaftlichste verfechten, um die Verletzung des Grundsatzes, daß Arbeitsverträge, die zwischen Unternehmern und Arbeitern abgeschlossen werden, nicht verletzt werden dürfen, daß sie vielmehr einzuhalten sind. Wir haben in einigen Staaten bereits gesetzliche Maßnahmen, die darauf zielen, diese Verträge unter einen besonderen Schutz zu stellen. Ich erinnere daran, daß Österreich das Gesetz über die Einigungsämter besitzt, worin der Schutz der Kollektivverträge vorgesehen ist. Auch in Deutschland sind Anzeichen dafür vorhanden, daß von Seiten des Staates den Verträgen, die zwischen Arbeitern und Unternehmern abgeschlossen werden, besondere Aufmerksamkeit zugewendet wird, und sie unter staatlichen Schutz gestellt werden.

Was das Ministerium für soziale Fürsorge oder seine Organe hier nach dem Inhalte der Interpellationen getan haben, das ist ein Eingriff in die Rechte der Arbeiter, Verträge mit dem Unternehmer abzuschließen, ein Eingriff, der auf das allerschärfste zurückgewiesen werden muß und der uns auch lehrt, daß heute noch im Ministerium für soziale Fürsorge das notwendige Verständnis für die Bedeutung einer solchen Regelung der Arbeitsverhältnisse fehlt. Die Gewerkschaften aller Länder haben vom Anfang ihrer Tätigkeit an darauf Wert gelegt, daß das Arbeitsverhältnis nicht ein Einzelvertrag zwischen zwei Personen sei, sondern daß die Arbeiterschaft als Ganzes, als organisierte Gruppe an die Stelle des Einzelnen tritt und wenn es im Laufe der jahrzehntelangen Entwicklung durch die Tätigkeit der Arbeiter in ihren Organisationen gelungen ist, die Unternehmer dazu zu erziehen, dazu zu bringen, daß sie diesen Gedanken anerkennen, so scheint es mir zumindest eine schwere Verfehlung zu sein, wenn von einer Stelle der Staatsverwaltung aus durch Handlungen diese alte Anschauung der Unternehmer unterstützt wird, wenn von einer Stelle der Verwaltung aus gegen solche Abmachungen vorgegangen wird.

Ich glaube also, meine Frauen und Herren, daß wir dem Ministerium für soziale Fürsorge hier auf das dringlichste nahelegen müssen, in Hinkunft von solchen Eingriffen abzusehen, vielmehr müssen wir vom Ministerium für soziale Fürsorge verlangen, daß es sich endlich dazu entschließe, wie in anderen Staaten Abmachungen zwischen Arbeitern und Arbeitnehmern unter einen gesetzlichen Schutz zu stellen. Die Verträge, welche zwischen Arbeiter und Arbeitgeber abgeschlossen werden, müssen rechtliche Kraft haben und müssen auch anerkannt, befolgt und berücksichtigt werden in den Fällen, wo der Staat einzelnen Unternehmungen für Bauten, wie in diesem Falle, Geld zur Verfügung stellt. Der Unternehmer wird natürlich, wenn solche Handlungen vorkommen, sie nicht bekämpfen, sondern auf das freudigste begrüßen, aber es kann in der gegenwärtigen Zeit, nach dem, wie heute Arbeiterfragen in der ganzen Welt beurteilt werden, zumindest nicht begriffen werden, daß in der Èechoslovakei das Ministerium für soziale Fürsorge eine solche rückständige Haltung einnimmt. Wir nehmen die Gelegenheit wahr, die sich bei der Besprechung dieser Interpellationen bietet, um auf das dringendste zu fordern, daß ähnlich wie in Deutschösterreich, ähnlich wie in anderen Staaten endlich durch das Gesetz die Verträge zwischen Arbeitern und Arbeitgebern geschützt werden.

Es ist ebenso bedauerlich, daß das Ministerium für soziale Fürsorge in Fragen der Arbeitslosenunterstützung durch den Staat versagt hat. Man hat nach dem Zusammenbruche am Ende des Weltkrieges in allen Staaten sich sofort zu raschen Notmaßnahmen entschließen müssen, um das Elend der durch die Zerrüttung der Volkswirtschaft arbeitslos gewordenen Massen zu mildern. Das ist geschehen auf dem Wege von kleinen Gesetzen, die nur ausgereicht haben gerade für die Zeit der Not und es wäre Aufgabe des Ministeriums für soziale Fürsorge gewesen, sofort daran zu gehen, eine ordentliche Arbeitslosenfürsorge einzurichten; es hat die Arbeiterklasse auf das allerabsonderlichste berührt, daß das Gegenteil vielfach geschehen ist, daß man nicht die Tatsache, daß die zerrütteten volkswirtschaftlichen Verhältnisse als Folge des Krieges die Arbeitslosigkeit zu einer lang andauernden Erscheinung gemacht haben, als Anlaß benützte, um sofort an eine geordnete Arbeitslosenversicherung zu schreiten, an die Notgesetze anzuknüpfen und weiterzubauen, sondern daß das Ministerium für soziale Fürsorge in der Èechoslovakischen Republik vom Anfang an keiue andere Aufgabe gehabt hat, als das Gesetz vom Dezember 1918 zu verschlechtern, von Monat zu Monat förmlich durch neue Erlässe dieses Gesetz immer unzureichender zu machen, sodaß letzten Endes fast nichts mehr von ihm übrig geblieben ist.

Auch andere Staaten haben in dieser Frage mehr soziales Verständnis für die Aufgaben der Staatsverwaltung gezeigt. Auch hier erinnere ich daran, daß z. B. das viel ärmere Österreich ein Sozialversicherungsgesetz geschaffen hat, das in seineu Bestimmungen und Grundzügen vorzüglich ist und das uns deutlich zeigt, daß selbst unter sehr ungewöhnlichen und unter sehr niederdrückenden wirtschaftlichen Verhältnissen in der Zeit der schwersten Bedrängnis eines Staates es möglich ist, für die Arbeitslosen, die Opfer der kapitalistichen Gesellschaftsordnung und die Opfer des Weltunglücks, das über uns dahingegangen ist, erfolgreich zu arbeiten. Das Ministerium für soziale Fürsorge in diesem Staat hat in der Frage der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenunterstützung durch seine Verordnungen Erbitterung auf Erbitterung bei der Arbeiterschaft ausgelöst und wenn nicht die ganze Kraft der Arbeiterklasse in Bewegung gesetzt worden wäre gegen die Absicht, immer mehr und mehr die bisherige Arbeitslosenunterstützung abzubauen, ich weiß nicht, zu welchen Verordnungen wir schließlich noch gekommen wären.

Wir glauben nach all' den Ersheinungen und nach all' den bitteren Erfahrungen, die wir in der Arbeitslosenunterstützung gemacht haben, die wir überhaupt gemacht haben in der bisherigen Tätigkeit des Ministeriums für soziale Fürsorge, daß da eine Umkehr notwendig ist und wir wollen bei der Verhandlung dieser beiden Interpellationen nicht unterlassen, auszusprechen, daß diese Umkehr eine gründliche zu sein hat und daß vor allem das Ministerium für soziale Fürsorge seinem Namen entsprechend handeln und vorgehen soll. Wenn man den Titel dieses Ministeriums sich vorstellt, so glaubt man natürlich, daß dieses Ministerium unausgesetzt darauf bedacht ist, die Lage der arbeitenden Schichten, soweit es möglich ist, auf dem Gesetzgebungswege zu ändern und zu verbessern, so glaubt man, daß sein Bestreben, unausgesetzt darauf gerichtet sein muß, in der Èechoslovakischen Republik eine soziale Gesetzgebung zu schaffen, die mustergültig dasteht und den Vergleich aufnehmen kann mit der sozialen Gesetzgebung anderer Staaten. Wir vermissen bis heute diese Arbeit, wir vermissen bis heute den großen Zug in unserer sozialen Gesetzgebung und diesen Mangel wollen wir auch bei der Verhandlung dieser beiden Interpellationen feststellen. Daß man überhaupt solche Fragen, wie sie hier am Schluß der Interpellationen an die Regierung gerichtet worden sind, aufstellen muß in einem Parlamente eines demokratischen Staates, das an sich richtet ja am allerschärfsten die Tätigkeit des Ministeriums für soziale Fürsorge in der Zeit, in der es seine Aufgabe wäre, mehr als sonst, mehr als zu jeder andern Zeit die soziale Gesetzgebung vorwärtszubringen und auszubauen. (Potlesk na levici.)

Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP