Verhandlungs-Protokoll
der achten Sitzung des böhmischen Landtages vom 16. April 1861, welche
nach 12 Uhr Vormittags begonnen hat, und um 4 Uhr geschlossen wurde, unter
dem Vorsitze des Herrn Präsidenten-Stellvertreters Herrn J. U. Dr. Wenzel
Wanka und in Gegenwart der beschlußfähigen Anzahl von Abgeordneten.
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Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a: Die Sitzung ist eröffnet, ich bitte das Geschäftsprotokoll zu lesen.
(Aktuar Schmidt liest das Protokoll der 7. Sitzung des Landtages in deutscher Sprache.)
Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a: Ich bitte das Protokoll jetzt böhmisch zu lesen. (Schmidt liest es böhmisch.)
Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a: Hat Jemand Etwas zu erinnern?
v. Haase: Ich werde mir in Bezug auf eine Äußerung, die gestern gefallen ist, das Wort erbitten.
Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a: Ich glaube, es ist offenbar eine Berichtigung des Protokolls.
Haase (fährt fort): Es bezieht sich darauf, was gestern hier gesprochen wurde.
Dr. Klaudi sprach nämlich gestern von einer
"Minorität," und wie gefragt wurde, wer diese Minorität bilde, rief Herr Dr.
Dem muß ich auf das Entschiedenste widersprechen. Mit uns hier stimmt so mancher, der
in slavischer Zunge spricht, Mit den Herren, die hier sitzen, stimmt so mancher Deutsche.
Es kann nicht von rein slavischer und rein deutscher Partei die Rede sein, wohl aber von
politischen Parteien. Wir meine Herren, gehören einer Partei an, die auf ihrem Banner
kein Landeswappen trägt; auf unserer Fahne steht das Wappen von Gesammt-Oesterreich.
(Bravo!) Für das treten wir ein. Unser Wahlspruch, unser Feldgeschrei ist:
"Groß-Oesterreich für immer;" dafür treten wir jedenfalls ein. Wir wollen ein
Parlament, welches alle Fragen entscheidet, die der Gesammtmonarchie gemeinsam sind. Wir
wollen dadurch ein starkes und ungetheiltes Oesterreich erhalten. Das ist unsere Meinung.
Wenn wir nun abstimmen, so halten wir uns nie daran, ob Derjenige, der uns
gegenübersteht, in slavischer oder deustcher Zunge spricht. Das ist uns gleich; wir halten uns nur an seine politische Schattirung. Wenn es sich um
die Wahlen zum Reichsrathe handeln wird, wird es gleich sein, ob mehr slavisch Sprechende,
ob mehr deustch Sprechende in den Reichsrath kommne. Was uns aber nicht gleich ist, ist,
ob die Herren, die hinein kommen, für Groß-Oesterreich oder gegen Groß-Oesterreich
stimmen. (Bravo!) Das ist die Frage, um die es sich bei uns handelt, ich weise also jede
nazionale Grundlage auf das Entscheidenste zurück. In diesem Saale existirt sie nicht,
und soll nicht existiren. Wir sind Kinder eines Landes, wenn uns auch politische Meinungen trennen; wenn Einer
das für das Heil Oesterreichs besser hält, und ein Anderer etwas Anderes, so soll daraus
keine nazionale Zersplitterung entstehen. Dagegen verwahre ich mich auf das Allerentschiedenste, in meinem Namen, und im Namen
meiner Gesinnungsgenossen. Dr. Rieger: Ich bitte um´s Wort. Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a: Ich bitte, es
ist dies eine Verwahrung und darüber kann nach der Geschäftsordnung keine Debatte mehr
stattfinden und ich kann daher Niemanden mehr das Wort geben. Dr. Rieger: Ich bitte also, wenn es dem Hrn. Haase erlaubt
ist, auch meine Verwahrung zu Protokoll zu geben. Aus Anlaß einer Berichtigung des
Protokolls würde es auch mir erlaubt sein, eine gleiche Verwahrung zu geben:
"Gleiches Recht für Alle!" (Bravo!) Herr von Haase hat in ganz unpassender
Weise diese Gelegenheit benützt, um hier ein politisches Programm abzugeben. Wir, meine
Herren, sind nämlich Böhmen slavischer Zunge; das ist ein statistisches Faktum, was sie
in der offiziellen Statisktik des Herrn von Czörnig nachsehen können. Wenn sie wollen,
ist es ein Unglück, es gibt Leute in unserer Mitte, die dies für ein Unglück erklärt
haben. (Bravo!) Unser liebe Herrgott hat dies nun einmal so gewollt und so ist es einmal,
sie müssen uns, meine Herren, nehmen, wie wir sind. Das einmal zugegeben, wollen wir,
daß der böhmische Volksstamm gleich behandelt werde mit allen andern. (Bravo!) Wir
können es nicht illigen, daß uns eine Wahlordnung gemacht wird, wodurch der böhmische
Volksstamm in eine künftige Minorität versetzt werde. (Bravo!) Wir verwahren uns also
auch weiter gegen die Meinung des Herrn Abgeordneten Haase, daß wir kein
Groß-Oesterreich haben wollen; im Gegentheile, wir sind es, die ews wollen. (Bravo!) Aber
diejenigen, die Oesterreich in 2 Hälften theilen wollen, sind Klein-Oesterreicher, keine
Groß-Oesterreicher; wir wollenein Oesterrecih schaffen, bei dem alle Völker und alle
Provinzen gleichberechtigt sind, aber nicht in 2 Hälften getrenntes; wir müssen einen
Rahmen schaffen, der für Alle paßt und wo such die Theile zum Ganzen harmonisch
verhalten. Das ist es, was wir ansterben, und wir verwahren uns gegen die Meinung des
Herrn Abgeordneten Haase, daß wir nur ein Schild kennen; wir kennen ein Schild von
Oesterreich, aber wir kennen allerdings auch das Schild des Königreiches Böhmen, das wir
nie verrathen werden. (Bravo!) Aber das Schild des Königreiches Böhmen können wir uns
nicht getrennt denken von dem Schilde der Gesammt-Monarchie. (Bravo!) Also, meine Herren,
Diejenigen, welche das Scild des Königreiches Böhmen verläugnen wollen, sind unsere
Gegner und werden es sein. (Bravo!) Also abgesehen von der nazionellen Frage, muß auch
diese politische Frage gelöst werden und da werden wir uns ewig verwahren, daß man uns
wie französiche Departements behandeln wolle und unsere Monarchie geschichtlich
verläugnen möchte. (Beifall; besonders stürmischer Beifall von der Gallerie aus.) Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a (zur
Gallerie gewendet): Seien Sie da oben ruhig, sonst muß ich die Gallerie räumen lassen,
Sie haben kein Recht, Ihren Tadel oder Ihren Beifall auf irgend eine Weise zu äußern. -
Wir gehen somit zur Tagesordnung über.