Úterý 17. bøezna 1863

Stenografischer Gericht

über die

XXXII. Sitzung der zweiten Jahres-Session des böhmischen Landtages vom Jahre 1861, am 17. März 1863.

Vorsitz: Oberstlandmarschall-Stellvertreter Dr. W. Wanka, später Oberstlandmarschall Graf von Nostitz.

Gegenwärtig: die beschlußfähige Anzahl von Abgeordneten.

Am Regierungstische: Der k. k. Statthalterei-Vicepräsident, Ernst Freihr. von Kellersperg, dann die k. l. Statthaltereiräthe Johann Neubauer und Wilhelm Ritter, von Bach.

Beginn der Sitzung 9 Uhr 30 Min.

Stenografická zpráva

XXXII. sezení druhého rodního zasedání

snìmu èeského od roku 1861, dne 17.

bøezna 1863.

Pøedseda: námìstek nejvyššího maršálka zemského Dr. Vaòka a pozdìji nejvyšší zemský maršálek.

Pøítomní: poslancové v poètu k platnému uzavírání dostateèném'.

Od vlády: námìstek místodržícího svob. pán Arnošt z Kellerspergù a c. kr. místodržitelští radové Jan Neubauer a Vil. rytíø z Bachu.

Poèátek sezení o 9. hod. 30 min.

Oberstlandmarschall-Stellvertreter: Se. Excellenz der Oberstlandmarschall wird später erscheinen, ich habe daher die Ehre das Präsidium zu übernehmen, und die Sitzung zu eröffnen.

Das Geschäftsprotokoll der 18. Sitzung vom 11. März ist 3 Tage geschäftsordnungsmäßig in der Landtagskanzlei zur Einsicht aufgelegen. Ich stelle daher die Umfrage, ob Jemand zu diesem Protokolle eine Bemerkung zu machen hat. (Niemand meldet sich). Es wird somit dieses Protokoll agnoscirt.

In Druck sind heute vertheilt worden: 1. Der Bericht des Landesausschußes über die Organisi-rung des Landesbeamten-Status.

2. Bericht der Commission für das Gemeindege-setz,womit der Entwurf der Einfühlungsordnung zu der Gemeindeordnung vorgelegt wird. Der Gemein-degesetzausschuß wird eingeladen, sich heute sogleich nach der Unterbrechung der Sitzung zu einer kurzen Berathung zu versammeln. Ich bitte den Einlauf zu lesen.

Sekretär Schmidt lieft denselben.

Einlauf

vom 16. März 1863.

Nr. 762.

Abg. Dr. Pankrac überreicht das Gesuch der Stadtgen, einde Pilsen um Bewilligung zur EinHebung einer Bierumlage durch 10 Jahre. (L.Aussch.)

Èíslo 763.

Posl. Dr. Palacký podává žádost pøedstavenstva Labského-Kostelce, Èelákovic, Staré, Boleslavy a Brandejsa nad Labem za vymožení práva ku volbì vlastního poslance do snìmu zemského.

È. 764.

Posl. Dr. Tomíèek podává žádost výboru obce Ponikelské v okr. Jilemnickém o snížení mostního mýta.

È. 765.

Posl. Dr. Tomíèek podává žádost výboru obce Poniklé o povolení k vykoupení stálých dávek k faøe Ponikelské.

Nr. 766.

Abg. Seifert überreicht die Petition der

Došlé spisy.

na snìmovní kanceláø dne 16. bøezna 1863.

È. 762.

Posl. Dr. Pankrác podává žádost mìstské obce Plznì o povolení k vybírání pivního poplatku. (Zemsk. výboru.)

Nro. 763.

Abg. Dr. Palacký überreicht das Gesuch der Gemeindevertretung von Elbefostelec, Èelakovic, Starren, Bunzlau, Brandeis an der Elbe um Erwirkung des Rechtes zur selbstständigen Wahl eines eigenen Landtagsabgeordneten.

Nro. 764.

Abg, Dr. Tomièek überreicht das Gesuch des Gemeindeausschußes von Poniklá um Herabminde-rung des Mautgelbes.

Nro. 765.

Abg. Dr. Tomièek überreicht das Gesuch des Gemeindeausschußes von Poniklá um Zehents-Ablösung zur Pfarre Poniklá.

È. 766.

Posl. Seifert podává žádost vrchní správy

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J. M & M. D. Liebheim'schen Oberbergbau-Verwal-tung in Chotìšan um Ausbau der Staab-Pøesticer Bezirksstraße und z. in der Richtung Staab, Lossin, Èernotin. Dnešic.

È. 767.

Posl. Vácslav Seidl podává žádost mìstské rady v Klatovech o vyraoženi pøíplatku na technického poduèitele na c. k. podreálce v Klatovech.

È. 768.

Poslanec JUC. Skrejšovský podává žádost obce Rasošek a katastrální obce Starého Plesu o samostatné øízení obce t. j. samostatnost místního pøedstavenstva.

È. 769.

Posl. Dr. Esop podává žádost obce mìsta Bydžova za vymožení, aby obec ta samostatnì svého poslance aneb alespoò s mìstem Chlumcem spoleènì volila, i aby s velkostatkáøi volicího mìla hlasu.

0. 770.

Posl. Dr. Esop podává žádost obce Dolno-Èernutské v okr. Hoøickém za revisi zákona o honbì.

È. 771.

Posl. Dr. Šíchá podává žádost obvvatel-stva obce Rozkoše pøikatastrováné k obci Vidíc, v Kutnohorském okresu, o odtrženi od obce Vidíc a za prohlášení té samé za samostatnou. v dolech Lindheimových v Chotìšovì, by Stod-sko-Pøestická okresní silnice vystavena byla.

Nro. 767.

Abg. W. Seidl überreicht das Gesuch des Ge-meinde-Rathes von Klattau um Erwirkung eines Gehaltsbeitrageo für den technischen Unterlehrer an der k. k. Unterrealschule in Klattau.

Nro. 768.

Abg JUC. Strejšowský überreicht das Gesuch der Gemeinde Rosošek und der Katastralgemeinde Alt-Ples um selbststündige Verwaltung, beziehungsweise selbststäudigen Gemeindevorstand.

Nro. 769.

Abg. Dr. Esop überreicht das Gesuch der Stadtgemeinde Bydžov um die Erwirkung, damit diese Gemeinde ihren eigenen oder wenigstens mit der Stadt Chlumec gemeinschaftlich einen Abge-ordneren wählen dürfe, daß seiner diese Stadtgemeinde im Großgrundbesitze das Wahlrecht habe.

Nro. 770.

Abg. Dr., Esop überreicht das Gesuch der Gemeinte Unter-Èernetka im Bezirke Hoøic um Re-vision des Jagbrechtes.

Nro. 771.

Abg. Dr. Šicha überreicht das Gesuch der zur Gemeinde Vidic inkatastrirten Gemeinde Rozkoš (Bezirk Ji uttenberg) um Ausscheidung aus dem Ge-meindeverbande mit Vidic und um Erklärung als selbstständige Gemeinde. Wir gehen jetzt zur Tagesordnung über. Der erste Gegenstand ist der Landesausschuß-Bericht mit dem Gesetzentwurfe über die Regelung des Findel-Wesens.

Referent Herr Graf Franz Thun!

Graf Franz Thun: Ich erlaube mir als Berichterstatter vor Allem das hohe Haus zu fragen, ob es die Vorlesung des gedruckten Berichtes des Landesausschußes über diesen Gegenstand, der bereits längst vertheilt und in den Händen der Mitglieder des hoh. Hauses sich befindet, ob es die Vorlesung dieses Berichtes wünscht. (Rufe: Nein!) Da das hohe Haus die Lesung des Berichtes nicht wünscht, so kann der Landesausschuß, als dessen Berichterstatter ich zu erscheinen die Ehre habe, wohl von der Ueberzeugung ausgehen, daß jedes Mitglied dieses hoh. Hauses diesen Bericht mit der Aufmerksamkeit gelesen, und die vom Landesaus-schuße für seinen Gesetzentwurf vorgebrachten Gründe mit dem Ernste erwogen habe, den die wichtige Angelegenheit, um die es sich handelt, erfordert. Tenn wichtig ist die Angelegenheit nach verschiedenen Richtungen. Sie ist wichtig für das Wohl und Wehe der ganzen Classe von Kindern und Mütter, auf die sich bisher die Findelverpftegung bezog und sie ist wichtig mit Rücksicht auf die Feststellung der Prinzipien, die für eine weise Uebung der Pflege der Wohlthätigkeit doch maßgebend sind — sie ist wichtig dem ganzen Lande gegenüber und zwar auch in verschiedener Beziehung, einmal well das Aufrechterhalten des bisherigen Systems eine bedeutende Ausbehnung der bisherigen Findelver-pflegung zur Folge habe müßte, dann weil bereits jetzt die Findelverpflegung dem Lande einen sehr bedeutenden Kostenaufwand verursacht, der nach der Ansicht des Landesausschußes doch eigentlich ohne Resultat bleibt, dieser Aufwand aber bei Aufrecht-erhaltung des Systems sowohl, wenn es auf die hiesige Anstalt beschränkt bleibt, als auch besonders wenn es auf das ganze Land ausgedehnt würbe, noch außerordentlich steigen würde.

Ich halte es mit meiner Pflicht als Berichterstatter des Landesausschnßes nicht vereinbar, vor Beginn der Debatte andere Gründe für den An-


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trag des Landesausschußes aufzuführen, als diejenigen, welche im getruckten Berichte des Landesaus-schußes enthalten sind — wenn ich auch natürlich im Lauf der Debatte durch gegen die Anträge des Landesausschußes gemachte Einwürfe genöthigt sein werde, dieselben nach bestem Ermessen und dort wo ich mit den andern Mitgliedern des Landesausschußes zu reden nicht im Stande bin, auf meine eigene Verantwortung, nach meinem eigenen besten Ermessen zu wiederlegen. Dagegen glaube ich mich vor allen verpflichtet, die Genesis des Landesaus-schußberichtes und die Gründe, welche ihn unwider-stehlich zur Stellung seines Antrages bewogen haben, in Kurzem zu recapituliren.

Ich halte es ferner für meine Wicht, nach dieser Rekapitulation in kurzem wenigstens zweier Broschüren zu erwähnen, welche gegen den Lan-desausschuß - Bericht gerichtet, und bereits vertheilt sind. Ich glaube mich hiezu im Namen des Landesausschußes verpflichtet, eben weil diese Broschüren gegen den Antrag des Landesausschußes gerichtet und bereits vertheilt sind, weil sie also Waffen sind, die vor der Debatte, wenn auch von außer dem Hause stehenden Kämpfern gegen den Landesausschußantrag und die Motivirung desselden gebraucht worden sind. Es ist also Pflicht des Berichterstatters des Landesausschußes eben auch noch vor der Debatte den von der genannten Seite gegen den Antrag des Landesausschußes vorgebrachten Gründen entgegen zu treten. Ich werde mir endlich erlauben, mit Bezug auf den am Schluße des Berichtes des Landesausschußes citirten Erlaß des französischen Ministers Persigny, etwas näher auf die Darstellung der Verhältnisse und Resultate der Findelversorgung in Frankreich überzugehen, und die Anträge und Reorganisirungs-Projekte, die jetzt dort in Ausführung begriffen sind, etwas näher zu bezeichnen. Ich glaube, es dürfte dieß viel zur Klärung unserer Aufgabe beitragen und die Richtigkeit der Schlußfolgerungen des Landesausschußes noch mehr bestätigen. Ich erlaube mir also vor allem mit der kurzen Rekapitulation des Berichtes des Landesausschußes zu beginnen. Der Anlaß, der den Landesausschuß bewogen hat, die Frage der Zweckmäßigkeit der sogenannten Findelversorgung in ihrer bisherigen Ausdehnung in nähere Erwägung zu ziehen, war, wie in dem Berichte des Landesausschußes zu Anfange erwähnt ist, ein Dienstschreiben der hohen Statthalterei. In diesem Dienstschreiben waren die mangelhaften Resultate der Findelverpflegung, die wesentlichen Nachtheile, die sie für Kinder, denen sie Vortheile zuwenden soll, factisch Hat, mit aller Offenheit auseinander gefetzt; als Grund dieser Nachtheile aber ganz vorzugsweise die ungenügende Bemessung der Verpflegungsge-bühren bezeichnet worden, und der Antrag, den die hohe Statthalterei in diesem Dienstschreiben stellte ging dahin, daß der Landesausschuß allsogleich zu einer bedeutenden Erhöhung der sämmtlichen Ver-Pflegs-Gebühren einwilligen möge. Der Landesausschuß sah sich in Folge des Antrages zu verschiedenen Erhebungen veranlaßt, die ihm die Ueberzeugung verschafften, daß die Findelverpflegung bereits jetzt ein sehr bedeutendes jährliches Defizit, nämlich ein Defizit von mehr als 100.000 Gulden jährlich veranlaßt, und daß im Falle des Eingehens auf die von der Statthalterei gewünschte Gebühr-Erhöhung dieses Defizit sich auf das Doppelte erhöhen, also ,'der 200,000 Gulden betragen würbe. Der Landesausschuß konnte es natürlich nicht als in seiner Competenz liegend erachten dem Lande eine so bedeutende, bleibende Last auf eigene Verantwortung aufzubürden, er konnte sich also nur dahin entscheiden, wenn sich die Uebernahme dieser größeren Last wirklich als unvermeidlich herausstellen sollte, den Antrag auf den Beschluß zur Uebernahme dieser Last dem hoh. Landtage zur eigenen Erledigung zu unterbreiten.

Dieß machte natürlich die gründliche Instru-irung der Sache von allen Seiten durchaus nothwendig. Durch die zu diesem Zweck veranlaßten weiteren Erhebungen gelangte der Landesausschuß sehr bald zu der Ueberzeugung, daß auch in anderen Ländern der österreichischen Monarchie sich dieselben Uebelstände der officiosen Findelverpflegung wie hierlands zeigen, namentlich in Ober- und Niederösterreich. Mit dem Landesausschuße von Oberöfterreich hat er sich selbst ins Einvernehmen gesetzt und von demselben erfahren, daß auch bort der Mangel an Pflegeparteien und die Rückstellung der Findlinge fortwährend zunimmt, obwohl in Oberöfterreich bereits im Jahre 1833 die Findelgebühren theilweise bedeutend erhöht wordenwaren, und baß dermal eine abermalige Erhöhung derselben in Verhandlung steht. Der Landesausschuß hat sich zugleich überzeugt, daß in sehr vielen andern außerösterreichischen Ländern, die, was die Civilisa-tion betrifft, hinter den österreichischen denn doch gewiß nicht zurückstehen, eine offiziose Findelverpfle-gung in der Ausdehnung, wie sie hierlands besteht, nämlich auf uneheliche Kinder, die nicht zur Classe der Findlinge gehören, und wenn die offiziose Findelverpflegung nicht bestände, vielleicht gar nicht weggelegt worden wären, ganz unbekannt ist.

Sie besteht nicht nur in Baiern, Sachsen und Preußen, sondern überhaupt in ganz Deutschland und ebenso in England nicht. Sie scheint vielmehr, so viel der Landesausschuß nach den ihm zu Gebote stehenden Quellen zu urtheilen vermag, denn doch bloß in Oesterreich, in Frankreich und in solchen Ländern zu bestehen, die wenigstens längere Zeit unter der französischen Herrschaft gestanden sind, und auf die gewissermaßen die Einwirkung der französischen Gesetzgebung noch fortwirkt.

Diese zur Kenntniß des Landesausschußes g-langten Thatsachen mußten begreiflicherweise zu der Untersuchung auffordern, ob denn überhaupt die Aufrechterhaltung einer derartigen ausgedehnten Findelversorgung auf Staats- oder Landeskosten nothwendig und zweckmüßig sei; ob das Prinzip,

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welches dieser Versorgung zu Grunde liegt, wirk-lich richtig sei. Die genaue Erwägung dieser Frage hat den Landesausschuß zu der Ueberzeugung geführt, daß die Nachtheile, die sich bisher bei der offiziösen Findelverpflegung herausstellen, eben die nothwendigen Folgen des ihr zu Grunde liegenden Prinzipes find, daß diese Nachtheile sich durch eine Verbesserung des Findelwesens, durch eine Erhöhung der Verpflegsgebühren gewiß nicht beseitigen lassen; daß die Erhöhung der Verpflegsgebühren die Erhöhung der Opfer, die doch nur für einen sehr unbedeutenden Theil aller unehelicheil Kinder des Lande. auf Landeskosten gebracht werden, eben nur die Zahl der sich meldenden Verpflegsparteien vermehren würde, daß sie aber die wirklich zweckmäßige Pflege und Erziehung der Kinder bei diesen Parteien in keiner Weise sicherstellen könnte, daß diese Sichestellung wohl kaum durch eine Controlle mittelst bureaukratischer Organe zu erzielen sein würde, nachdem es doch fast unmöglich ist, in bureaukratischer Weife 1500 Kinder jährlich zweckmäßig unterzubringen, und die dauernde zweckmäßige Erziehung dieser Kinder zu controlliren. Ich sagt 1500, weil das beiläufig, wenigstens nach Angabe der Statthalterei die wirkliche Zahl jährlich in die offiziose Findelverpflegung gelangender Kinder sein dürfte, nachdem im Dienstschreiben der Statthaltern die Zahl der im hiesigen Gebärhause zur Welt kommenem unehelichen Kinder mit 3000 und die Sterblichkeit derselben im ersten Jahre mit beiläufig 50 pCt. angegeben wird.

Der Landesausschuß ist zu der Ueberzeugung gelangt, daß die offiziöse Findelverpflegung trotz der gewiß hoch anzuerkennenden edlen Absicht, diesen Kindern eine Wohlthat zuzufügen, die Kinder vielmehr in viel größerem Maße, als es sonst geschehen würde, der Gefahr des Todes und der Wahrscheinlichkeit körperlicher und geistiger Verkrüppelung ausseht, daß sie also für die Kinder statt nützlich, geradezu schädlich ist, daß sie den Müttern, denen sie zu Theil wird, allerdings eine materielle Erleichterung gewährt, daß aber gegen diese den Müttern zu Theil werdende materielle Erleichterung sehr wichtige andere Bedenken sprechen ; einmal das Bedenken, daß es nicht angezeigt ist, auch nur die unehelichen Mütter ihres natürlichen Muttergefühles und ihrer natürlichen Pflege zu entheben, ihnen möglichst leicht zu machen, dem natürlichen Muttergefühle zu entsagen, ihre Mutter-pflichten aufzugeben; daß es ferner nicht Aufgabe der Verwaltung und Gesetzgebung sein kann, die Folgen des Leichtsinnes, wie sie immer sein mögen, gänzlich zu beseitigen. Denn es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß das Beseitigen der Folgen des Leichtsinnes schon nach dem Urtheile des, gesunden Menschenverstandes eben auch jene Hindernisse, jene natürlichen Warnungen beseitigt, die dem Leichtsinne selbst entgegenstehen. Aber auch mit den der übrigen Bevölkerung und den Steuerzahlenden schuldigen Grundsätzen der Gerechtigkeit ist nach der Ansicht des Landesausschußes die Aufrechthaltung des bisherigen Systemes nicht vereinbar, weil dieß System, wie es ist, faktisch sich auf uneheliche Kinder beschränkt, die daher wenigstens in materieller Beziehung denn doch eine Bevorzugung der unehelichen vor der ehelichen Geburt ist; weil auf der anderen Seite sich, bisher wenigstens faktisch, diese materielle Wohlthat sich überdieß auf sehr einen kleinen Kreis unehelicher Mütter und Kinder beschränkt, bloß den in Prag und in der nächsten Umgebung von Prag niederkommenden unehelichen Müttern und ihren Kindern zu Gute kommt. Denn gewiß ist doch keine Ursache vorhanden, warum das Land zu Gunsten dieser ver-hältnißmäßig geringen Anzahl von unehelichen Müttern die Kosten zahlen und mittels Steuerzuschlägen aufbringen soll. Den Landesausschuß hat ferner zu seinem Beschluß noch die weitete Rücksicht bewogen, daß, wenn es bei der Aufrechthaltung des bisherigen Systems der Findelverpflegung, d. h. die Verbindung der gänzlichen Versorgung der in den Gebärhäusern zur Welt gekommenen Kinder auf Landeskosten mit den Gebärhäusern selbst bleibt, die Ausdehnung dieser Wohlthat, wenn es anders eine Wohlthat ist, auf das ganze Land ein Gebot der Gerechtigkeit und unvermeidlich sein wird, so bald auf dem Lande, wie es von der hohen Slatthalterei beabsichtigt und wie es auch dem Landesausschuße ganz zweckmäßig scheint, eben auch mit den Gebärabtheilungen verbundene Krank-heitshäuser organisirt sein werden. Dann wird man, wenn hier mit den Gebärhäusern die Uebernahme der Versorgung der im Gebärhause zur Welt kommenden Kinder verbunden wird, dasselbe Recht gewiß auch den in auswärtigen Gebärhäu-sern Niederkommenden gewähren müssen. Die Zahl der hier vorkommenden unehelichen Geburten be-trägt beiläufig 3000, die Zahl der unehelichen Geburten im ganzen Lande aber 27000 im Jahre. Ich frage nun das h. Haus, ob nach der beabsichtigten Organisirung der mit Gebärabtheilungen verbundenen Spitäler auf dem Lande die Zahl der auf Landeskosten zu erhaltenden Kinder nicht sehr bald und ungeheuer wachsen würde. Ob es gut und weise war, die moralischen Uebel, die nach Ansicht des Landesausschußes diese officielle Findelverpflegung mit sich führt, über das ganze Land zu verbreiten? und ob die Kosten dann überhaupt auch nur noch erschwinglich sein würden? Der Landesausschuß ist daher zur Ueberzeugung gelangt, daß die Aufrechthaltung der bisherigen, sogenannten, sich aber keineswegs auf bloße Findlinge beschränkenden offiziellen Findelverpflegung weder nach den Grundsätzen des Rechtes und der Billigkeit, den Steuerpflichtigen gegenüber, noch nach den Grundsätzen der wahrhaften vom Verstande ge-leiteten Humanität und Wohlthätigkeit, noch nach gesunden, socialpolitischen Ansichten rechtfertigen läßt, daß sie endlich auch der Pflicht einer weisen Sparsamkeit, die der Pflicht der Ersparung solcher


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Auslagen widerspricht, die zu dem beabsichtigten Resultate doch nicht führen und nicht führen können, überdieß aber den Keim eines fortzehrenden Wachsthums, eines Wachsthumes bis ins Unerschwingliche in sich tragen. Alle diese Gründe sprechen für das Ausheben des bisherigen Systems der Findelverpflegung. d. h. nicht für das gänzliche Aufgeben der Findelverpflegung an sich, wohl aber für die Beschränkung desselben auf diejenigen Kinder, welche entweder wirklich weggelegt oder deren anzunehmen wirklich Niemand irgend wie berufen und verpflichtet ist. Dieß ist die Schlußfolgerung, die den Gesehvorschlag, den sich der Landesausschuß dem hohen Hause zur Genehmigung vorzulegen erlaubt, zur Folge gehabt. Ich muß daher ausdrücklich hervorheben, daß dieser Gesehvorschlag solchen Kindern, die wirklich Findellinder oder sonst ganz verlassen und der Erhaltung auf Landeskosten absolut bedürfen, diese Erhaltung durchaus nicht verweigert, sondern sie ihnen auch für die Zukunft in Aussicht stellt und zusichert; daß ferner dieser Gesetzentwurf die Gebärhäuserfrage gar nicht berührt. Der Landesausschuß ist der Ansicht, daß die Gebärhäuser allerdings aufrecht zu erhalten sind, um eben die unehelich Geschwängerten im Momemte, in welchem ihre Zurech-nungsfähigkeit, wie dieß auch von der Gesetzgebung durch das geringere Strafausmaß für eigentliche Kindesmorde anerkannt ist, doch gewissermaßen in Frage steht, einen Zufluchtsort, eine Freistätte zu gewähren, um weiter den Nutzen, den die Gebärhäuser für die Wissenschaft, namentlich für den Unterricht der Geburtshelfer und Hebammen haben, aufrecht zu erhalten. Es handelt sich hier eigentlich nur darum, das Wort Findlinge auf die-jenigen einzuschränken, auf die es wirklich paßt, die Findelverpflegung zu dem zu machen, was sie eigentlich schon ihrem Namen nach sein soll. Ich gehe nun zur kurzen Beleuchtung der beiden gedruckten Denkschriften über, die sich bereits seit einiger Zeit in den Händen aller Mitglieder dieses h. Hauses befinden; die erste ist die Denkschrift über das Findelwesen von Seite des Vereines der praktischen Aerzte. Ick werde mich nicht lange bei derselben aufhalten; diese Schrift enthält geradezu einige für den Ausschuß sehr kostbare Zugestandnisse, einmal das Zugeständniß, daß die Findelanstalt dermal ihren Zweck nicht erreicht, 2. daß es der Mehrzahl derer, die in dem Gebär-hause niederkommen, nicht um Verheimlichung ihres Zustandes, sondern nur um ihre Unterkunft zu thun ist, 3. daß es ein entschiedener Fehler ist, daß die bezüglich des Gebärhauses und der Findel-verpflegung bestehenden Vorschriften der strengen Nachforschungen nach dem Vater eines unehelichen Kindes vermieden werden, 4. daß die Broschüre, die sogenannten Bureaux ouverts, b. i. Anmeldungsbureaus, bei welchen die in die Findelverpflegung zu gebenden Kinder nur mit Angabe ihres Herkommens angenommen werben, ferner die Belassung der unehelichen Kinder bei den Müttern und ihre Unterstützung bei denselben, als sehr glücklicher Gedanke in Frankreich nur Anerkennung gelangter Reorganisationsgrundsatz bezeichnet, 5. daß Privatvereine für verlassene Kinder viel besser als das Land oder der Staat zu sorgen im Stande find, und 6. baß endlich ein Hauptgrund des Mangels an nöthigen Pflegsparteien eben in der Ueberzahl der Kinder liege, die selbst zur offiziösen Findelversorgung gelangen.

Nun, meine Herren, auch der Landesausschuß ist der Ansicht, daß die Unterkunft den Gebärenden nicht verweigert werden solle, auch der Landesaus-schuß ist der Ansicht, daß die Nachforschung nach dem unehelichen Vater eher provocirt als verhindert werden solle. Auch der Landesausschuß ist der Ansicht, daß die Privatpflege für verlassene Kinder ganz unerläßlich und viel besser als die Staats- ober Landespflege ist, er glaubt aber, daß diese Privatpflege eben nur dann eintreten wird, wenn der Staat oder das Land sich der jetzt bestehenden Pflicht für alle im Gebärhause zur Welt kommenden Kinder aus Staatsmitteln, oder Landesmitteln zu sorgen entschlägt, daß dagegen substdialisch, nur um den Mängeln der vom Lande bezahlten Pflege abzuhelfen, Privatvereine wohl nie eintreten wird. Auch der Landesausschuß ist endlich der entschiedenen Anficht, daß die Ueberzahl der jetzt in die offiziose Findelverpflegung gelangenden Kinder, eine Ueberzahl, die eben durch eine Begriffsverwechslung, nämlich durch die Unterschiebung des Begriffes eines unehelichen Kindes, das seine Mutter noch besitzt, stall des Begriffes eines Findlings, erzeugt wird, daß, sage ich, gerade diese Ueberzahl den Mangel an Pflege-Parteien zur Folge hat und, baß gerade diese Ueberzahl die wirklich zweckmäßige Unterbringung dieser Kinder geradezu unmöglich macht. Diese Brochure enthält nebenbei verschiedene, theils nach meiner Ansicht geradezu falsche, oder wenigstens doch unerwiesene Behauptungen, wie z. B. die Behauptung, daß die Ursache der nachtheiligen Wirkungen des jetzigen Findelsystems, das Verlassen des unsprünglichen Standpunktes ist, während das nur wahr wäre, wenn mit diesem Standpunkte die Aor-Josefinische Zeit gemeint sein sollte, wo dieser Standpunkt eben der der Privatwohlthätigkeit war, an dessen Stelle seitdem die Regierungsobforge getreten ist; — dieser letztere Standpunkt aber ist seitdem unverbrochen aufrecht erhalten worden und gerade diese Aufrechterhaltung ist die Ursache der sämmtlichen jetzt bestehenden Uebelstande.

Ebenso unerwiesen und erst noch zu beweisen ist die Behauptung von der nothwendigen Verbindung der Findelversorgung mit der Gebäranstalt; ferner die Behauptung, baß die Aufrechterhaltung des bisherigen Findelsystems in seiner ganzen Aus-dehnung geradezu eine Pflicht der Humanität und Moral sei, die Behauptung, daß die Sterblichkeit in den Findelhäusern nur deshalb so groß sei, weil sie überhaupt immer bei unehelichen Kindern größer


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sei als bei ehelichen, während sie in den Findelhäusern ja noch viel größer ist als sonst bei unehelichen Kindern; feiner die Behauptung, daß die Ursache der Sterblichkeit der Kinder in dem Findelhause theils von den kränklichen Zustanden der Mütter, welche weist mit syphilitischen Krankheiten, oder Tuberkulose behaftet sind, daher von ererbien Uebeln herrühre, was kenn doch der in derselben Broschüre enthaltenen Angabe, daß diese Mütter meist Dienstboten sind, zu widersprechen scheint;' endlich die Behauptung, daß, wo das Kind eine Last ist, auch jedes Muttergefühl aufhört — eine Behauptung, die kaum widerlegt zu werden braucht, da sie sonst unsern ehelichen Müttern gelten müßte, bekanntlich gerade die Mutterliebe selbst unter den drückendsten Verhältnissen, wo die Kinder allerdings eine wahre Last sind, nicht aufhört, und dies in sehr vielen Fällen eben so auf von den unehelichen wie wo von ehelichen Müttern gilt. (Bravo links). Die Mutterliebe hört nicht auf (links: sehr gut) und sie hört auch unehelichen Kindern gegenüber nicht auf, wie wohl diese der Mutter allerdings eine große Last auferlegen. Ich glaube aber, auf diese Broschüre des Nähern nicht eingehen zu sollen. Sie ist ohne Frevel in der sehr lobenswerthen Abficht verfaßt, die volle Aufmerksamkeit des hohen Hauses auf eine überaus wichtige Frage zu lenken und die Erwägung, die gerechte Beurtheilung derselben von allen Seiten des Hauses zu veranlassen.

Sie ist aber offenbar ein Werk der Gile, und ich glaube deshalb auf die Broschüre nicht näher eingehen zu sollen, weil die 2. Broschüre viel aus' führlicher ist und im wesentlichen dasselbe enthält. Ich gehe also zur Beleuchtung der Broschüre ves Dr. Grünn über die Prager Gebär- und Findel-Anstalt.

Diese Broschüre ist eine viel gewichtigere Waffe, sie ist eine überaus gewandte und warme Appellation an das menschliche Gefühl, an das menschliche Herz, eine Appellation, die bekanntlich glücklicher Weise immer bei der Mehrzahl der Menschen Anklang findet. Ich muß aber vor Allem den Landesausschuß gegen den Verdacht wahren, als läge ihm das Wohl der Menschen weniger am Herzen als irgend Jemand anderem. Glauben Sie, meine Herren, ich selbst und gewiß alle Mitglieder des Landesausschußes haben die Frage der reiflichsten Ueberlegung unterzogen, wir Alle haben sehr wohl die Consequenzen, die, ich gestehe es, traurigen und drückenden Con-sequenzen vorgehalten, die die Durchführung unseres Gesetzentwurfes für einzelne Individuen haben muß; wir Alle haben uns aber, trotz dieser Consequenzen die unausweichlich sind, die eben die natürliche Folge gewisser natürlicher Handlungen sind doch in dem Beschluße die Aufhebung der Findelversor-gung in der gegenwärtigen Ausdehnung zu beantragen geeinigt, weil wir von der festen Ueberzeugung ausgehen, daß auch die Regungen des Herzens durch die Gesetze des Verstandes und auf der Grundlage gesunder Principien geregelt werden müssen, daß sie nur dann einen Werth haben, wenn sie von dieser Prüfung Stich halten, wenn diese Prüfung zeign, daß sie, während man Wohlthaten , brabsichtigt, nicht vielleicht das Gegentheil davon zur Folge haben. Der Ausschuß muß sich da mit einem Hauptgrundsatze vereinigen, den die mit der Sichtung der letzten in Frankreich über das Findelwesen stattgehabten Enquete beauftragte Commission qleich im Eingange ihres Generalberichtes ausgesprochen hat; sie sagt nämlich: "Es ist ein großer Unterschieb zwischen blinder Wohlthätiakeit, die ebenso gut das Laster wie die Noth unterstützt, und jener Wohlthätigkeit, die sich vorerst instruirt und aufklärt, am dann dort zu wirken, wo es wahrhaft Noth thut, wo mit wahrem Nutzen gewirft und geholfen werden kann."

Um nun die Nothwendigkeit der Aufrechterhaltung des bisherigen Systems zu erweisen, beruft sich der geehrte Verfasser der genannten zweiten Bro-chüre darauf, "daß die Anfänge der Findelverpflegung bis vor 1000 Jahren zurückdatiren, und daß auch jetzt dort, wo die Findelverpflegung nicht besteht, namentlich in Preußen, die Nothwendigkeit von Maß-regeln zur Verpflegung gefühlt und wenigstens von Seiten der Privaten dasjenige versucht wird, was sich zu diesem Zwecke thun läßt." Dieser Beweis aber sagt gar Nichts gegen den Ausschußbericht, der nur die offizielle Findelverpflegung beschränken will.

Meine Herren! Vor tausend Jahren, und wie ich gesagt habe, bis auf die Zeiten Kaiser Josefs war die Findelkinderverpftegung ein Akt freiwilligen Zusammenwirkens wohlthätig gesinnter Menschen. Gegen diese Art der Findelverpflegung hat auch der Landesausschuß nicht die mindeste Einwendung. D Herr Verfasser selbst gesteht dieß, er deutet durch Citate sogar an, baß dieß noch unter Maria Theresia der Fall war, daß die große Kaiserin gewissermaßen nur die Wohlthätigkeit auf dieses Ziel ge-richteter Anstalten, namentlich des wälschen Spitals unterstützt hat. Die eigentliche offizielle Findelver-pflegung ist erst unter Kaiser Josef II. eingetreten. Ich kann nach sämmtlichen Daten, die mir zu Gebote stehen, bei der Ueberzeugung bleiben.

Erst unter Kaiser Josef fand die Aufhebung, der einzelnen gestifteten Spitäler, fand das Zusammenwerfen der sämmtlichen Fonbe dieser Spitäler in einen allgemeinen Spitalfond statt, unter Kaiser Josef in den Jahren 1747—49 ist das Diplom zur Regelung der Wohlthätigkeits-Anstalten erflofsen, welches die durch dieses Zusammenwerfen der Fonde herbeigeschafften sehr bedeutenden Mittel allerdings möglichst analog ihrer ursprünglichen Bestimmung nach 3 Kategorien, für arme Kinder, für arme Kranke und für Sieche eintheilte, ja ein Statthal-tereierlaß vom 30. Juni d. I. 1789, den der Herr Verfasser der genannten Broschüre citirt — erklärt geradezu, daß die Noth nie mehr Anlaß zu einem Verbrechen sein solle. Heißt dieß nicht, ich möchte sagen, geradezu den Staat an die Stelle der Vor-ehung sehen?


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Erst seit Kaiser Josef existirt die gesetzliche und systematische mit dem Gebärhaufe verbundene offiziose Verpflegung, die sich grundsätzlich und pflichtgemäß auf alle im Gebärhaufe zur Welt gekommenen Kinder erstreckt.

Seit dem hat eine fortwährende Eiweiterung der für die Versorgung der Findlinge bestimmten Lokalitäten stattgefunden.

Bereits im Jahre 1825 fand eine bedeutende Erweiterung des Findelhauses statt. Im Jahre 1860 zeigte sich die Nothwendigkeit vier Häuser zu miethen, eines für jene Aerzte, die den Unterricht im Gebärhause genießen, ein zweitens für die Wöchne-rinen und endlich 2 Häuser zur Unterbringung der Brustkinder.

Natürlich haben seit derselben Zeit auch die Auslagen für die Findelverpflegung fortwährend zugenommen. — Der Landesausschuß ist gewiß weit entfernt, die überaus mildthätige und wohlthätige Ansicht, die zu diesen gesetzlichen Bestimmungen geführt hat und die namentlich den hochherzigen Kaiser Josef dazu bewogen haben, zu vorkennen— er kann sich aber der Ueberzeugung nicht einschlagen, daß das dieser Findelversorgung zu Grunde gelegte Prinzip eben in falschen sozialpolitischen und philosophischen Systemen, die damals gang und gäbe waren, seinen Grund hat.

Er glaubt, daß die bisherige Erfahrung be-reits erwiesen hat, daß diese wohlthätige Absicht in der Weise absolut nicht realisirbar ist, daß sie zu Clonsequenzen führt, die absolut unausführbar sind. Auch diese Brochure scheint mir daher an wesentlichen Mängeln zu leiben. Der erste Mangel ist das falsche zu Grunde liegende Prinzip, nämlich die Verwechslung von Staats- oder officioser Obsorge mit der Pflicht der Obsorge durch Privatwohlthä-tigkeit. Der zweite Mangel ist die fortwährende Verwechslung des Begriffes Findling und des Begriffes eines im Gebärhause zur Welt gekommenen unehelich weder Vater- noch Mutterlosen Kindes, welches, wenn die pflichtmäßige Verpflegung, die Versorgung denselben nicht bestände, eben vielleicht in sehr vielen Fällen gar kein Findling geworben, gar nicht weggelegt worden wäre. Die Pflicht, die absolute Rechtspflicht, wie der Herr Verfasser sagt, zur Versorgung aller im Gebärhause zum Leben gekommenen unehelichen Kinder will der Hr. Verfasser aus der Pflicht des Staates ableiten, dem Kindesmorde vorzubeugen. Er sagt, ber Staat könne ein Verbrechen nicht strafen, wenn er nicht das zur Verhütung des Verbrechens Nöhige ge-than hat. Ich verneine die Richtigkeit des allge-meinen Grundsatzes keineswegs, glaube aber, die Pflicht des Staates zur Verhütung von Verbrechen beschränkt sich auf gewisse polizeilsche Maßregeln und die Maßregeln der Etrafgesetzgebung. Wenn der Staat noch außerdem ein Gebärhans aufrecht erhält, wo unglückliche, unehelich Geschwängerte in dem Augenblicke, wo sie fast der Zurechnungsfähig-keit beraubt sind, eine sichere Unterkunft finden, hat er nach der Ueberzeugung des Landesausschußes alles gethan, was dem Zwecke entspricht; dann ent-fällt eben schon der Drang des eigentlichen Kindesmordes, der. bekanntlich nur im Momente der Geburt stattfinde. Alles Elend aber, alle Folgen der Thorheit aufzuheben, um dadurch auch die Ver-brechen unmöglich zu machen, die erst in Folge die-ser Folgen erst manchmal entstehen, das kann nach meiner Ueberzeugung nie die Aufgabe des Staates sein. Soll die Pflicht zur Erhaltung aller unehelichen Kinder, die im Gebärhause geboren werben, daraus abgeleitet werden, daß der Staat die Pflicht hat, dem Kindsmorde vorzubeugen, so müßte man gerade eben so gut sagen, der Staat habe die Pflicht, um dem Raubmorde vorzubeugen, allen, die in dürftigen Verhältnissen leben, alles zu geben, was zu der vollen Befriedigung der Leidenschaft nothwendig ist.

Ein dritter Mangel der Brochure sind abermals sehr viele theils absolut unrichtige, theils wenigstens zweifelhaste Behauptungen, die sie enthält. Absolut unrichtig und ich kann die Unrichtigkeit beweisen, ist die Behauptung, daß die Findelver-pflegunq, die offiziose Findelverpflegung, obwohl dieß Wort bei diesem Anlaß nicht gebraucht wird, auch in England besteht. Ich habe mit größter Mühe mir vollkommen zuverlässige Auskünfte in dieser Beziehung verschafft; in England ist von offizioser Findelverpflegung gar keine Rebe und es ist sehr begreiflich, weil überhaupt die Regierung dort Alles möglichst dem Zusammenwirken von Privatkräften überläßt und es vielleicht gar kein Land gibt, wo durch Privatkräfte für die Wohlthätigkeit so Enormes geschaffen wirb. Ebenso ist eine ganz unrichtige Behauptung, daß man in Frankreich bereits daran gedacht hat, die Verpflegung unehelicher Kinder durch Unterstützung bei den Müttern zu erzielen, man jedoch von diesem System wieder zurück gekommen sei, da diese Art der Unterstützung den Zweck für die Kinder gar nicht erreicht und die Mütter geradezu demoralisirt.

Meine Herren, ich werde die Ehre haben, die Resultate der über das Findelwesen in Frankreich abgehaltenen Enquete in Kurzem mitzutheilen, und ich werde Sie dadurch überzeugen, daß die Verpflegung der unehelichen Kinder bei ihren Müttern in , Frankreich in fortwährendem Steigen ist, daß der Antrag der Enquete-Commission darauf hinausgeht, sie zur Regel zu machen, gesetzlich einzuführen und daß sie sich davon eine gänzliche Reorganisirung der Findelversorgung, daß sie sich davon die größten Vortheile, sowohl für das Wohl der Kinder, als auch für die Mütter selbst, als endlich auch für das ganze Land verspricht.

Eine dritte Behauptung, die mir nicht ganz richtig erscheint, ist die, baß sich die Sorge der Findelverpflegung in Oesterreich immer nur auf die unehelichen beschränkt hat, und daß damit der Haupteinwurf gegen die offiziose sogenannte Findel-versorgung behoben ist.


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Dieß ist höchstens, wenn überhaupt seit dem Jahre 1854 der Fall, in welchem Jahre mittelst eines Ministerialerlasses angeordnet wurde, daß von jeder in die unentgeltliche Abtheilung des Gebär-hauses Eintretende der Nachweis ihrer Zuständigkeit zu verlangen ist. Es ist aber trotzdem auch jetzt nicht absolut unmöglich, daß auch eheliche Kinder in die Findelversorgung gelangen, weil später, über die Anfrage der Krankenhaus - Direktion, ob hiedurch die Pflicht der Geheimhaltung aufgehoben sei, erfolgte Ministerialverordnungen und Statthal-tereierlässe sich dahin aussprechen, daß dieser Nachweis der Zuständigkeit nur dann verlangt werden soll, wo es unbeschadet der Aufrechthaltung des Geheimnisses eben möglich ist.

Es ist also auch jetzt nicht absolut undenkbar, daß auch eheliche Kinder in das Findelhaus gelangen, wenn auch dieß glücklicherweise wohl nie oder nur höchst selten der Fall sein mag.

Eine fernere, wie mir scheint, nicht richtige Behauptung ist die, daß durch die Aufhebung d offiziosen Findelverpflegung der Ruf unserer Hochschule benachtheiligt werde.

Der Ruf der Hochschule, insofern er mit dem Unterricht in der Geburts Heilkunde verknüpft ist, hängt an der Eristenz des Gebärhauses, aber nicht an der Uebernahme der Versorgung aller in den Gebärhäusern zur Welt kommenden Kinder.

Das Gebärhaus wird sicher fortbestehen, und wird, wenn auch dann vielleicht nicht in dem Maße, namentlich nicht von denen, welche nur hingehen, um ihrer Kinder los zu werden, doch von einer großen Zahl Unglücklicher benützt werden und benützt werden müssen.

An Unterrichtsmaterial wird nach meiner Meinung kein Mangel sein; sollte sich ein Mangel einstellen, so wird ihm in anderer Weise sehr gut abzuhelfen sein, es wird noch andere Mittel geben, allenfalls Bezahlung, um das Unterrichts-Material zu erlangen.

Eine fernere falsche Behauptung ist, daß die Ursache der Weglegung der Kinder in dem Gebär hause, —der Herr Verfasser nennt sie selbst Weglegung — bloß die Rücksicht auf das Wohl der Kinder ist, daß nur, um für das Wohl des Kindes zu sorgen, die Schwangeren sich in das Gebärhaus begeben, daß ferner Selbstsucht nie das Motiv sein könne in das Gebärhaus zu gehen, weil keine ehelichen Schwangeren aufgenommen werden.

Selbstsucht meine Herren! glaube ich, kann eben so gut bei unehelichen, wie bei ehelichen Müttern stattfinden, daß also nur uneheliche Mütter ins Gebärhaus aufgenommen werben, ist gewiß kein Beweis, um darzuthun, baß nicht Selbstsucht bei sehr Vielen doch das Motiv des Eintrittes ist. Weiter ist es eine unrichtige Behauptung, daß das Gebärhaus, nämlich die mit dem Gebärhause verbundene pflichtmäßige Uebernahme der sämmtlichen in demselben zur Welt kommenden Kinder das Weglegen der Kinder nicht erleichtert, daß sonst eine weit größere Zahl der Kinder weggelegt worden seien, daß der bekannte Spruch: "Findelanstalten machen Findelkinder" falsch sei, daß man dann ebenso gut sagen müßte, "Waisenhäuser ma-chen Waisen," und "Almosen machen Arme!"

Nun meine Herren! mir scheint darin eine gewaltige Begriffsverwirrung obzuwalten.

Man sagt, früher war das Weglegen der Kinder, die Zahl der weggelegten Kinder größer als jetzt. Ich frage aber, sind nicht alle Kinder, die jetzt im Gebärhause zur Welt kommen, eben auch weggelegte Kinder? und ist die Zahl der weggelegten Kinder, wenn man diese mit den außer dem Hause weggelegten Kindern zusammenrechnet, nicht gewiß jetzt viel größer, als die Zahl der weggelegten sonst war?

Denken Sie sich die mit den Gebärhäusern verbundene Findelverpflegung über das ganze Land ausgedehnt, ich frage, wird dann die Zahl der Kinder, für welche das Land zu sorgen hat, die Zahl der weggelegten Kinder nicht in enormer Weise zunehmen? Der Ausdruck: "Findelanstalten machen Findelkinder" ist in gewisser Beziehung also allerdings wahr; denn die Verpflichtung in den Gebärhäusern geborne Kinder in die Findelversorgung zu nehmen, induzirt zum Eintreten, wie zur Weglegung der Kinder im Hause, Der Spruch: "Waisenhäuser machen Waisen," ist freilich nicht wahr. Denn keiner Mutter wird es einfallen, ihren Gatten zu ermorden, um ihre Kinder zu Waisen zu machen und in Waisenversorgung zu bringen. Daß aber auch der Ausspruch "Almosen macht Arme" wahr ist, das muß ich auf Grundlage der Erfahrungen, die ich als Leiter der Armenanstalt zu Prag durch 12 Jahre gesammelt habe, entschieden behaupten. Die unvernünstige, die nicht durch Vernunft geleitete Ausübung von Wohlthätigkeit, das Geben von Almosen, wo sie nicht angezeigt sind, ruft aller-dings Bettelei und scheinbare Arme hervor, vermehrt die Zahl von "Armen." Das ist aber noch in viel höherem Grade der Fall, wo die Aus-übung der Armen-Pflege eben nicht von Privaten ausgeht, sondern Staatssache ist und das meine Herren ist nach meiner Meinung der einzige Fall, wo England uns zur Warnung dienen kann. In England hat das Almosen das Recht auf Unter-brückung Armer gemacht; daß das der Fall ist, zeigt die Abhilfe, zu der man sich entschlossen hat, nämlich die neuerliche Einrichtung, keine Unterstüz-zung zu geben, außer solchen, die in die Welkhäusel gehen. Eine weitere falsche Behauptung der Broschüre ist die, baß nur durch die offiziöse Kin-derverpflegung, — die Nachtheile der unehelichen Schwangerschaft, nämlich der Kindesmord und die Abtreibung beseitigt werden könne. Ob die Zahl der Kindermorde seit Einführung derselben zugenommen oder abgenommen hat, ist eine Frage, die noch nicht entschieden und die statistisch nachzuweisen schwer ist.


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Bekanntlich findet besonders in der neuesten Zelt gerade in Prag eine sehr bedeutende Zahl von Kindesmorden statt, während sie auf dem Lande und in den Städten Böhmens, die keine Findelanstalt haben, ziemlich selten sind. —

Die Abtreibung der Leibesfrucht aber wird durch die Findelanstalt sicher nicht beseitigt, dieser liegt nicht das Motiv zu Grunde, der Sorge für das Kind enthoben zu sein, sondern das Motiv jeder äußeren Bemerklichkeit der Folge eines unerlaubten Umganges vorzubeugen. Das geschieht namentlich für die unteren Classen in Gebärhäusern auch nicht, denn in die geheime Abtheilung, wo die Zahlungen sehr hoch sind, gelangen nur Reiche und größtentheils Ausländerinen; die unentgeltliche Abtheilung wird aber durchaus erst im allerletzten Momente der Schwangerschaft benützt. Es wird sogar die Schwangere Monate vor der Niederkunft, daher in dem Momente, wo ihre Schwangerschaft noch nicht ersichtlich ist, in dieser Abtheilung gar nickt aufgenommen. Eine falsche Behauptung ist ferner, daß, wenn der Antrag des Landesausschußes durchgange, die Pflicht das Nothwendige für alle verlassenen Kinder, also auch auf uneheliche Findelkinder zu thun, nur den Armenanstalten, den Gemeinden aufgeladen würde, baß deßhalb der Aufwand nicht gering, sondern die Vertheilung dieses Aufwandes nur ungerechter und drückender für einige Gemeinden wäre, während sie jetzt alle Steuer pflichligen gleich trifft. Ich bemerke gegen diese Behauptung, einmal wäre die Vertheilung keine ungerechte, sondern eine gelechte, denn sie träfe die Gemeinden, die eben für ihre Angehörigen zu sorgen verpflichtet sind.

Es ist nicht reckt zu begreifen, warum Gemeinden, die irgend Jemanden in die Findelanstalt liefern, die Kosten für die Erhaltung der Findelhäuser zahlen sollen.

Es ist aber auch nicht wahr, baß die Kosten dieselben bleiben würden. Wenn die Bestreitung derselben auf die zunächst berufenen Kreise gewiesen wird, so weiden diese Kosten immer bedeutend herabgedrückt. Es ist gerade dasselbe, wie mit den Krankenverpflegungskosten, wenn diese vom Lande gezahlt werden, so nimmt keine Gemeinde der Welt Anstand, Einzelnen die Zahlungsunfähigkeit zu bestätigen, Jedem ein Armuthzeugniß auszustellen, und darin liegt ein Hauptgrund des fortwährenden Wachsens solcher Auslagen. Wenn jede Gemeinde selbst die Kosten bestreiten soll, so wirb sie gerne nachsehen, ob sie die Kosten übernehmen muß, ob sie der Betreffende theilweise selbst zahlen kann. Das gilt gerade eben so von der Versorgung der Findelkinder, denn auch da wirb jede Gemeinde bann genau darauf sehen, daß nur geschehe, was in jedem einzelnen Falle absolut nothwendig ist. Eine weitere, faktisch nachweisbare Unrichtigkeit in dieser Broschure ist die Behauptung, daß in der hiesigen Findelanstalt jedes Kind von seiner eigenen Mutter gesaugt wird. — Es ist bekannt, daß in die Findelanstalt als Ammen nur jene Mütter unehelicher Kinder gelangen, die sich auf der unent-zeitlichen Abtheilung befinden. — Aus der zahlenden Abtheilung kommen gar keine Mütter als Ammen hin, von den, in der unentgeltlichen Abtheilung Befindlichen aber nur jene Mütter, die den Ammenpflichten zu genügen im Stande find d. h., die nicht kränklich und schwächlich sind. Ich habe mich übrigens als Referent dieser Angelegenheit durch eigenen Besuch überzeugt, daß in der Regel jede Amme 2 — 3 säugen muß, was auch in verschiedenen Dienstschreiben der Statthalterei bestätigt wird. Eben so wunderlich scheint mir die Behauptung über die Vortrefflichkeit der hiesigen Findelversorgung, daß die jetzige Findelversorgung alles mögliche gewährt, was erforderlich ist, daß die Verpflegung bei den Pflegeeltern nicht nur ausnahmsweise, sondern in der Regel besser ist als bei der Mutter selbst, baß sie bann namentlich den bedeutenden Vorzug habe, daß durch sie der Begriff Bastard verschwinde. — Diese Darstellung steht im grellsten Contraste mit den Resultaten der officiösen Kinderverpflegung, wie sie in dem im Berichte des Landesausschußes zitirten Dienstschreiben der Statthalterei ausdrücklich aufgeführt sind. nach welchen die Kinder von den Pflegeparteien in der Regel vernachlässigt werden, geistig und physisch verkümmern; sie stehen auch im grellsten Contraste mit den nach zuverlässigen Auskünften bei dem hochwürdigen Consistorium über den Schulbesuch der Findlinge eingehenden Nachrichten. Dieselben beweisen, daß der Schulbesuch ein überaus mangelhafter und schlechter sei. Und das meine Herren sind doch Daten, welche mit der größten Genauigkeit geliefert werben, und obiger Behauptung der Brochüre des Dr. Grün direct widersprechen. Ebenso falsch ist die Behauptung, daß die officiöse Kinderverpflegung keine Prämie auf uneheliche Geburt sei, daß dann auch Almosen eine Prämie auf die Armen genannt werde. — Rücksichtlich des Al-mosen habe ich mich bereits ausgesprochen. Daß die officiöse Findelverpflegung, nämlich die gänzliche Enthebung der Mütter von ihren Mutlerpflichten, wenn sie auf uneheliche Mütter beschränkt ist, eine Prämie oder eine Begünstigung unehelicher Geburt ist, eine Bevorzugung derselben vor armen ehelichen Müttern, mit Kindern überlasteten Wittwen, selbst Wittwen, die nach dem Tode ihres Mannes gebären, wirklich ist, das ist denke ich, doch ganz unleugbar.

Sehr zweifelhaftscheint mir die Richtigkeit der vom Herrn Doctor über die Sterblichkeit der Findlinge im Findelhause selbst gebrachten statistischen Daten, namentlich insofern sie sich auf die früheren Jahre beziehen. Ebenso zweifelhaft scheint mir die Ursache zu sein, die Herr Dr. Grün für die Sterblichkeit im Hause selbst anführt. Der Herr Dr. behauptet, daß die außerordentliche Sterblichkeit, welche bekanntlich nach offiziellen Angaben im ersten Jahre 50 — 60 pCt. beträgt, erst seit einigen

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Jahren herrsche, und in den früheren Jahren geringer gewesen sei, obwohl er selbst beklagt, daß ihm verläßliche, statistische Daten erst seit Kurzem gesammelt worden und für frühere Perioden gar nicht zu Gebote standen. Ich muß nur be-merken, daß diese überaus geringe Sterblichkeit in den früheren Jahren abermals den bezüglich Frankreichs vorliegenden Daten vollkommen widerspreche. In Frankreich ward nachgewiesen, daß dort die Sterblichkeit in den Findelhäusern während des ersten Lebensjahres früher noch viel größer war als jetzt, nämlich 75 pCt. und daß sie nur mit der äußersten Mühe neuester Zeit auf 50 pCt. vermindert wurde, weiter aber nicht vermindert werden konnte. Ebenso was eben die Ursachen dieser Sterblichkeit betrifft, so meint der Hr. Dr., daß alle Kinder dieser Findelhäuser an ererbter Körperschwäche, an ererbten Krankheiten sterben, in Folge des venerischen oder tuberculosen Zustandes ihrer Mütter oder in Folge der durch höchst sämmerliche Verhältnisse und schlechte Nahrung herbeigeführten Schwächlichkeit dieser Mütter. Nun meine , Herren, da scheint es mir, baß sich die Unrichtigkeit dieser Behauptung aus den Angaben des Hrn. Doctors selbst ergibt; denn, wenn dies wirklich der Fall ist, dann tonnte seine an einer anderen Stelle gemachte Angabe, daß die Bevölkerung der unentgeltlichen Abtheilung des Gebärhauses sich vorzüglich aus Dienstboten rekrutirt, unmöglich wahr sein. Ich glaube, kein Mensch kaun behaupten, daß die Mehrzahl der Dienstboten an Körperschwächen, ererbten venerischen Krankheiten, an Tuberkulose leide, ober daß gerade die Dienstboten jetzt noch jämmerlicher leben, als früher; schlechter daran find vielmehr in Folge der Theuerung nur diejenigen Stäube, die sich selbstständig ernähren müssen; die Dienstboten wenigstens sind doch mit hinreichender Kost und Wohnung gesichert; ferner aber wäre es auch ganz undenkbar, baß, wenn die enorme Sterblichkeit im Findelhause wirklich in der angebornen Schwache und Kränklichkeit, in der Skro-phulosität der Mehrzahl der Kinder ihren Grund hätte, daß dann die Regierung das Findelhaus, die Findelkinder gewissermaßen als Reservoir des Impfstoffes für das ganze Land benützte; denn der Impfstoff wird gewöhnlich nicht von kranken, sondern von gefunden Kindern genommen, und dann Hütte man gewiß die Abnahme des Impfstoffes aus dem Findelhause längst ganz aufgegeben (Bravo) obwohl ich hiebei noch bemerken muß, baß die Broschüre der practischen Aerzte allerdings ausdrücklich die absolute Trennung der Impfanstalt von der Gebäran-stalt für durchaus nothwendig erklärt und nebenbei bemerkt, baß die Verbindung beider Anstalten, seitdem nicht mehr in dem Findelhause selbst geimpft wurde, ohnehin nur eine äußerst lockere sei, baß ber Grund der großen Sterblichkei aber, wie Herr Dr. Grün in seiner Broschüre behauptet, überhaupt gar nicht in dem Findelhanse selbst liege, daß dort gar leine Kinder an endemischen Krankheiten sterben; diese Behauptung zu widerlegen überlasse ich den im h. Hanse anwesenden Aerzten. Ein 4. Mangel der Broschüre ist, daß sie aus an sich richtigen Prämissen ganz falsche Schlüsse zieht und wie mir scheint, mitunter auch Sophismen anwendet.

Der Herr Verfasser erklärt z. B. daß das Abnehmen der Zahl der Findelkinder oder der in der Findel-Versorgung stehenden Kinder in Paris während der letzten Jahre ein Beweis der dort steigenden Moralität sei. Die Enquetcommiffion beweist, daß dieses Abnehmen davon herrührt, daß die Zahl der sogenannten "tours" oder "Drehscheiben" d. i. solcher Orte, wo jeder Mensch sein Kind hineinlegen kann, ohne daß Jemand weiß woher das Kind kam, — daß die Zahl dieser Drehscheiben seit den zwanzig Jahren von 269 auf 25 reduzirt worden ist, daß der zweite Grund dieses Abnehmens die wachsende Zahl der bei ihren Müttern versorgten Kinder sei und daß dies geradezu der Hauptgrund ist, warum die Zahl der in offizieller Verpflegung stehenden Kinder fortwährend abnehme. Der dritte Grund ist ein viel traurigerer, nämlich der, daß unleugbar die Abtreibung der Lei-besfrucht in Paris in fortwährender Zunahme begriffen ist. Alle Kinder, die abgetrieben werden, kommen natürlich nicht zur Findelversorgung. (Heiterkeit.) Einen falschen Schluß hat ferner der Hr. Verfasser in der Behauptung aufgestellt, daß nur ausnahmsweise und aus höchster Noth die unehelichen Mütter bewogen werden, in die Gebäranstalt zu gehen, um ihrer Kinder los zu werben, nur in solchen Fällen, wo sie sich mit den Kindern durchzuhelfen absolut außer Stande sind. Den Beweis für diese Behauptung meint der Herr Doctor aus der Vergleichung der Zahl der im Gebärhause gebornen und der in ganz Böhmen gebornen unehelichen Kinder herzuleiten. Erstere betrage etwa 3000 Letztere etwa 27.000 jährlich, dieses geringe pCt. zeigt, baß nur im äußersten Nothfalle die Mütter das Gebärhaus in Anspruch nehmen. Der Vergleich wäre nur richtig, wenn man die Zahl der im Gebärhause stattfindenden Geburten mit der Zahl der unehelichen Geburten in Prag und in der Umgebung von Prag, nicht aber mit jenen in ganz Böhmen vergliche, denn die große Mehrzahl der unehelich Gebärenden in Böhmen kann die unentgeltliche Abtheilung der prager Gebüranstalt schon der Entfernung wegen gar nicht benützen. Es ist endlich ein falscher Schluß des Herrn Verfassers der Broschüre, ein Schluß, den ich kaum verstehe, baß die Aufrechthaltung der offiziösen Findelverpflegung in der bisherigen Ausdehnung durch die Interessen der Heilighaltung der Ehe und der moralischen Begriffe absolut geboten sei. Der Herr Dr. glaubt nämlich, wenn die uneheligen Kinder bei ihren Müttern gleich anderen armen Kindern versorgt würden, daß diese gewissermaßen die Scheu, den Schrecken, den Widerwillen gegen die uneheliche Schwängerung beheben könnte; mir scheint, daß das gänzliche Abnehmen der Last noch vielmehr diese Wirkung haben müsse, obwohl ich keineswegs


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einer Derjenigen bin, die diesen Mackel vermehren wollen; und ich glaube, daß vielmehr dieser Ma-ckel dem Gefühle wahrhaft christlicher Nachsicht weichen solle Ich kann endlich dem Herrn Dr. darin nicht recht geben, daß der Unterschied, ob es sich darum handle, Findelanstalten, wo sie nicht bestehen einzuführen, oder die offiziöse Findelverpflegung in ihrer Ausdehnung auf Kinder, die eben keine Findlinge sind, aufzuheben, wo die Bevölkerung bereit daran gewohnt ist, sogar bedeutend ist. Gewöhnt die Findel-verpflegung in Anspruch zu nehmen sind glücklicher Weise nur wenige hier, die sie eben wiederholt in Anspruch nehmen, und ich glaube gerade auf diese ist am meisten Rücksicht zu nehmen und ich glaube, gerade auf diese ist am wenigsten Rücksicht zu nehmen. Daß es aber im Allgemeinen bekannt ist, daß das Land oder der Staat die Versorgung derjenigen Kinder, die im Gebärhause das Licht der Wellt erblicken,übernehmen,daS kann uns an der Einschlagung des richtigen Weges, wenn der bisherige falsch ist, der bisher befolgt wird, unmöglich hindern. Die Gewohnheit in dieser Richtung besteht so lange, so lange diese Einrichtung aufrecht bleibt; in einigen Jahren ist diese Gewohnheit und selbst die Erinnerung daran vollkommen erloschen. Der Hr. Dr. ge-langt allgemein auch zum Resultate, daß die Fin-delversorgung zwar nicht aufzuheben, wohl aber zu beschränken sei. In wie weit sie zu beschränken sei, das sagt der Herr Dr. nicht. Ich glaube, wenn man das zugesteht, so muß mau zu demselben Resultate gelangen, zu dem der Landesausschuß gekommen ist, nämlich zu dem Resultate, daß nur eine prinzipielle Reorganisirung in der Richtung möglich ist, daß man sich auf diejenigen Kinder beschränken muß, die wirklich weggelegt sind, oder deren sich anzunehm absolut Niemand berufen ist. Die Frage des Herrn Doctors, was nach der Re-organisirung mit den weggelegten Kindern, mit Kindern solcher Mütter, die im Gebärhause sterben, zu geschehen hat, beantwortet sich bann von selbst, indem für solche Kinder nach dem Gesetzentwurfe des Landesausschußes die Findelversorgung aufrecht bleibt, und damit entfällt der Vorwurf des barbarischen Vorganges, den der Herr Dr. mit der Vernachlässigung der Sorge für sie verbindet. Ich gehe nun meine Herren zu einer ganz kurzer Darstellung des französischen Systems und die Resultate desselben, so wie der jetzt in Frankreich in der Durchführung begriffenen Reorganisations - Maßregeln über. Schon der Minister Billault hatte mit Erlaß vom 25. März 1860 eine allgemeine Enquete über das Findelwesen in ganz Frankreich angeordnet und zu diesem Zwecke ein sehr detaillirtes Frage, Schema an alle Präfecte der verschiedenen Depar-taments hinausgegeben. Nach dem Einlangen der Antworten hat sein Nachfolger, der Minister Per-figny vom 10. Okt. 1861 eine eigene Commission niedergesetzt und sie damit beauftragt, aus der Masse der durch diese Enquete gelieferten statistischen Daten die erforderlichen Resultate zu ziehen und diese Resultate in einem Gesammtbericht zusammen zu stellen. Diese Commission hat allerdings nicht so schnell, wie der Minister es wünschte, doch aber schon am 1. Juni 1862 ihren Bericht erstattet. Der Landesausschuß ist auf diesen Vorgang erst durch den Artikel des Journals des Debats vom 17. Dezember aufmerksam gemacht worden, welcher den Erlaß des Ministers Persigny an sämmtliche Präfekten der Departements enthielt, der eben die Folge des von der erwähnten Commission erstatteten Be-richtes war. Es hat sich also der Landesausschuß in seinem Berichte nur auf die Andeutung als wesentlichen Inhalts dieses Erlasses beschränken müssen.

Als Referent in dieser Angelegenheit und um mich für die Debatte über dasselbe so viel als möglich zu rüsten, habe ich es für meine Pflicht erachtet, mir den Belicht der Enquete-Commission selbst zu verschaffen, und es ist mir dies durch freundliche Unterstützung von anderer Seite gelungen. Dieser Bericht ist der, der hier auf dem Tische liegt. Ich habe es für meine Pflicht erachtet, trotz der Nothwendigkeit, mich auch der Theilnahme an der Verhandlung der anderen, auf der Tagesordnung stehend n Gegenstände nicht gänzlich zu entziehen, diesen Enquötebericht ins Detail durchzugehen, und ich habe denselben während dieser Landtagssession vollständig excerpirt. Die Resultate meiner Arbeit sind es nun, die ich Ihnen mitzutheilen mir erlauben werde. Ich muß mir dies auch darum erlauben, weil gerade diese Resultate der Enquete recht deutlich zeigen, zu welchen Consequenzen man kommt, wenn man den Weg, den wir in Oesterreich glücklicherweise noch im geringeren Maße, in geringerer Ausdehnung eben auch betreten haben, wirklich mit Consequenz verfolgt. Das System in Frankreich ist feinen wesentlichen Grundzügen nach dasselbe, wie hier. Auch bort findet keine unbedingte Aufnahme der Kinder statt; ja, die Aufnahme ist so gar in gewisser Beziehung beschränkter als hier, weil die Findelanstalten — wenn auch vielleicht in einigen Häusern, was nicht genau zu ersehen ist — wenigstens in der Regel mit den Gebäranstalten nicht in Verbindung sind. Eben so ist die Verpflegung, die den unter Obsorge der Regierung stehenden Kindern zu Theil wird, dem ganzen Systeme nach dieselbe wie hier. Die Kinder werden auch fast alle auf dem Lande unterbracht, und nicht etwa in Häusern erzogen. Ja, die Enquete-Commission spricht sich mit aller Entschiedenheit gegen jede Erziehung in Häusern für solche Kinder aus, sie spricht sich sogar dagegen aus, sie in Ackerbau - Colonien unterzubringen, und erklärt nur die Unterbringung auf dem Lande und einzeln für zweckmäßig sowohl in sanitärer Beziehung als auch in moralischer, weil nur sie die geeignete Vorbereitung für das viele Entbehrungen in Aussicht stellende künftige Leben solcher Kinder sei, und sie allein mit der für dieses Leben nöthigen Selbstständigkeit ausrüsten kann, während jede Erziehung in einem Erziehungshause die Selbstthätigkeit, die Möglichkeit, sich selbst zu helfen, weniger entwickelt und auf der

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anderen Seite auch den Nachtheil hat, die Kinder in gewisser Beziehung zu verwöhnen, weil man sich unmöglich enthalten kann, ihnen in den Häusern doch größere Bequemlichkeit zu verschaffen, als sie später zu erwarten haben. Eben so werden auch in Frankreich die in der Versorgung der Regierung stehenden Kinder gegen bestimmte Verpflegungs-Gebühren untergebracht, die in dem ersten Jahre am höchsten sind, dann nach und nach abnehmen und endlich gänzlich erlöschen. Endlich besteht auch in Frankreich eine Uiberwachung dieser auswärts un-terbrachten Kinder, wie ich später bei den Unterschieden nachzuweisen mir erlauben werbe, sogar im viel ausgedehnteren Maße als hier. Das französische System hat aber zugleich auch sehr wesentliche Unserschiede von dem hier gesetzlichen. Vor Allem beschränkt es sich durchaus nicht blos auf die unehelichen, vielmehr erstreckt sich die Uibernahme der Verpflegung der armen Kinder von Seile des Staates auf alle armen Kinder. Die Kinder, die Anspruch auf die officiöse Verpflegung in Frankreich haben, sind "entweder enfants trouvél, das heißt wirkliche Findlinge, deren Erzeuger und deren Herkommen nicht bekannt und nicht zu eruiren sind, ober sie sind eufants assistés, deren Herkunst bekannt ist, und die ursprünglich von den Eltern erzogen, von diesen aber verlassen und aufgegeben wurden, und rücksichtlich welcher es unmöglich ist, auf die Eltern zurückzugehen, entweder weil diese Verschwunden sind, oder weil sie wegen Armuth ihrer Pflicht absolut nicht genügen können.

Drittens gehören zu diesen Kindern endlich noch die vorphelins, Waisen, es ist also die ganze Classe der Waisen, die ehelichen Waisen mit in dieser Staatskinderversorgung in Frankreich inbegriffen; sowohl ganz elternlose Waisen als auch die von Seite des Vaters verwaisten Kinder, deren Mütter so arm sind, daß sie das Nöthige nicht bestreiten können, euditch unter derselben Bedingung auch Kinder, welche von ihren ehelichen Vätern verlassen wurden.

Auch die Modalitäten der Aufnahme in die Findelversorgung sind in Frankreich anders als hier. Ich habe bereits der Tours, der Drehscheiben erwähnt.

Dieser Tours haben im Jahre 1811, zur Napoleonischen Zelt, 251 existirt, später sind 24 noch dazu gekommen, so daß 269 die größte Zahl derselben war, aufgehoben wurden aber seitdem 241, es bestehen also jetzt nur mehr 25, und auch von diesen stehen viele unter fortwährender Controle, so daß bei der Einlage des Kindes der Nachweis der Zuständigkeit und Herkunft verlangt wird.

Die Commission spricht sich mit vollem Rechte für gänzliche Aufhebung aller Tours aus, indem sie sagt, daß diese Drehscheiben eine offenbare Verführung zum Wegtragen der Kinder sowohl unehelicher als ehelicher sind, und daß seit ihrer Verminderung viel weniger Weglegungen stattfinden. Die Hauptart, durch welche Kinder in Frankreich in offlciöse Versorgung gelangen, sind die sogenannten bureaux ouverts — Anmeldungs - Bu-reaur, Bureaur, wo Jeder, der sein Kind der staatlichen Obsorge übergeben will, mag es ehelich sein ober unehelich, gehalten ist, über das Herkommen des Kindes Rechenschaft zu legen, die Zuständigkeit und Herkunft des Kindes nachzuweisen, so baß also die Zuständigkeit desselben bekannt bleibt, und in gewissen Registern fortwährend in Evidenz gehalten wird. Ausnahmsweise scheinen auch die in den Gebärhäusern zur Welt gekommenen Kinder in offtciöse Findelverpflegung in Frankreich zu gelangen. Inwiefern dies statutenmäßig in einigen Gebärhäusern der Fall ist, habe ich aus der Enquete nicht eruiren können.

Die Commission erklärt aber, baß die Gebärhäuser namentlich dort, wo sie mit medicinischem Unterrichte, mit der Bildung von Aerzten und Hebammen verbunden sind, sehr wesentlich das Weglegen der Kinder fördern, und daß, mit Ausnahme der Mütter, die eben in Gebärhäusern niederkommen, keine Mutter daran denkt, ihr Kind wegzulegen, wenn sie nicht absolut durch die Noth dazu gezwungen ist.

Sie erklärt, baß von vielen Seiten deshalb die gänzliche Auflösung der Gebärhäuser verlangt wird, sie spricht sich aber dagegen aus, stellt jedoch die Reorganisirung der Gebärhäuser aufgefunden Grundlagen als unabweislich dar, und bezeichnet diese gesunden Grundlagen darin, daß einmal jede Mutter in dem Gebärhause verhalten werben soll, ihr Kind selbst zu nähren, daß ferner aber auch jede Mutter, die in demselben entbindet, verhalten werden soll, ihr Kind, sei es mit oder ohne Unterstüzzung, mit hinauszunehmen. Dieser Wunsch der Enquste-Commission ist nach dem von derselben am Schluße der Verhandlung aufgeführten Reglement, das bereits für die Mehrzahl aller Departements in Frankreich besteht, bereits Gesetz geworden, und es müssen bereits in den Departements, für welche das Reglement Gesetzeskraft hat. alle Mütter ihre Kinder aus den Gebärhäusern mitnehmen; wenn sie nicht im Stande sind, dieselben zu erhalten, in regelmäßiger Weise ansuchen, damit ihnen die nöthige Unterstützung zu Theil werde.

Ein weiterer Unterschied der französischen Einrichtungen von den hiesigen ist der. daß die Findel-Verpflegung sich in Frankreich nicht auf einzelne Städte beschränkt, sondern über das ganze Land ausdehnt, baß sie gesetzlich über das ganze Land organisirt ist, daß sie also eine enorme Ausdehnung hat.

Ein weiterer Unterschieb ist ferner die Dauer der Verpflegung. In Frankreich dauert die Findel-Verpflegung mittels Verpflegsgebühren bis inclusive das 12. Jahr: ja sie dauert in gewisser Beziehung bis zur Großjährigkeit, bis zum vollendeten 21. Jahre, denn auch vom 12. Jahre bis zur Groß-jährigkeit haben sie noch Anspruch auf gewisse Unterstützungen.


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Auch die Bemessung der Verpflegsgebühren in den einzelnen Jahren ist von dem hierlands bestehenden Ausmaße derselben verschieden, die Verpflegs-Gebühren sind in der Regel, wie gesagt, auch in Frankreich im ersten Jahre am höchsten, nehmen dann ab, sind vom 2, bis 4. Jahre gleich, nehmen dann wieder ab, vom 5. bis 7. sind sie dann wieder gleich, und sind dann zuletzt vom 9. bis 12. Jahre am geringsten. Die Bemessung ist in den verschiedenen Departements des Laudes sehr ver-schieden, in den einzelnen Departements beträgt sie jährlich 72 Francs, in anderen 150, in noch anderen geht sie sogar auf 250 Francs, und im letzten Jahre in einigen nur 36, in anderen wieder mehr. ja im Departement de Calais sind die Verpflegs-Gebühren sogar durch die ganzen 12 Jahre hin-durch ganz gleich, per Jahr mit 120 Francs bemessen. Der mittlere Aufwand für ein Kind beträgt in den verschiedenen Departements zwischen 510 und 1005 Francs.

Nebst dem beziehen die Pflegeeltern aber noch andere Vortheile, die bei uns zum Theile gar nicht vorkommen. Einmal ist die Abstillungsgebühr viel höher, nämlich 18 Francs, ferner beziehen die Pflegeeltern alljährlich eine vollständige Bekleidung für das ihrer Obsorge anvertraute Kind, ferner nach dem vollendeten 12. Jahre eine Remuneration von 50 bis 100 Francs, und bekommen die Kinder später berufs der Unterbringung in die Lehre eine sogenannte Ausstattung von 30 bis 50 Francs; ferner beziehen dort, nachdem die unehelichen Mütter — nicht wie bei uns aus den Gebärhäusern — mit den Kindern in die Findelanstalt gelangen, sondern die Ammen erst herbeigeschafft werben müssen, diese nebst ihrem Lohne Reisegelder, und wird den Hebammen, welche taugliche Ammen verschaffen, ein Honorar gegeben. Der letzte Unterschied ist die bei weitem größere Uiberwachung der auf dem Lande versorgten Findelkinder. Diese Uiberwachung wird besorgt durch ein bestimmtes Comite; in den Städten bestehend aus dem Maire, Friedensrichter und dem Geistlichen; auf dem Lande aus dem Maire, dem Schullehrer und aus dem Geistlichen und durch eigentliche bezahlte Findelinspectoren. Diese Inspectoren beziehen einen Gehalt von 2000 bis 5000 Francs, sie beziehen außerdem Reisediäten im Betrage von jährlichen 500 bis 2000 Francs.

Die Commission legt auf die gewissenhafte Pflichterfüllung dieser Inspectoren das größte Gewicht; die Pflichten dieser Inspectoren sind enorm, sie müssen Protokolle führen über jedes Kind, sie müssen alle Vaterspftichten bis zur vollendeten Großjährigkeit ausüben, und die Commission bemerkt, daß manche Inspectoren die Aufsicht über 5000 mitunter in großer Entfernung von einander unterbrachte Kinder haben, und diese jährlich zweimal besuchen müssen — eine Verpflichtung, die wohl kaum erfüllbar ist.

End ich besteht noch ein Unterschied zwischen dt'N französischen und hiesigen Systeme bezüglich der Deckung der Kosten. Wie ich angedeutet habe, ist das Findelwesen nicht ein Findelwesen, wie es hier besteht, sondern eine vollständige Staatsfürsorge für alle arme uneheliche und eheliche Kinder. Die Sorge für die Kosten für das Findelwefen wird theils von dem sogenannten Hospice oder wie aus der Enquete hervorzuleuchten scheint, von dem gesammten Spital-fonde in Frankreich getragen, theils von den Departements. Die Findelhäuser zahlen nur die Kosten, die für die Kinder in den Findelhäusern selbst erwachsen, und dann die Kosten der spätern jährlichen Bekleidung. Die Verpflegsgebühren, dann die Auslagen für die Inspectoren, Schulunterricht, Begräbniß haben die Departemems selbst, — also offenbar eigentlich auf Rechnung der Armenseelsorge zu bestreiten. Die Resultate des französischen Findelwesens sind, trotzdem es durch die Ausdehnung auf das ganze Land ganz andere Dimensionen annimmt, dieselben wie hier. Nur diese Dimension ist eine ganz andere. Im Jahre 1858 waren in auswärtiger Verpflegung 80.894 Kinder, bei Müttern waren unterbracht 12.511 Kinder, die gesammte Summe daher 93.405 Kinder. Im Jahre 1859 waren von 9 bis 12 Jahren 76520 Kinder und von 12—21 waren ihrer 57.365. Daher die Gesammtsumme 133.885. Im Momente der Enquete war die Gesammtzahl der ans Staatskosten versorgten Kindel 148.000, alle zwischen dem ersten Jahre und der Großjährigkeit befindlichen Kinder inbegriffen. — Die Kosten, welche die Findelversorgung dem Lande verursacht übersteigt 10 Millionen Francs jährlich. — Dir Enquete-Commission hebt ausdrücklich hervor, daß diese Kosten seit dem Jahre 1832, obschon die Lage der Kinder seitdem wesentlich verbessert und der Auf-wand nach allen Seiten hin vermehrt wurde, nur deßhalb nicht gestiegen sind, weil die Zahl der Kinder seit dem Jahre 1832 fortwährend abgenommen hat, diese Abnahme aber sei theils der Erfolg der Aufhebung der Drehscheiben, vorzüglich aber der Erfolg der Unterstützung der Kinder bei den Müttern. — Die Commission hebt dieselben Mängel der officiösen Kinderversorgung hervor, die sich auch hier gezeigt haben.

Ueberall seien Verbesserungen, sei eine Vermehrung der Auslagen nothwendig. Auch sie klagt über den Mangel an Ammen, darüber, daß es unmöglich sei, jedes Kind mittelst einer Säugamme naturgemäß zu ernähren; auch sie klagt über die enorme Sterbelichkeit sowohl in Salles de maternité, das ist in Geburtshäusern, wo fortwährend Epidemien rasen, als auch in den Findelhäusern, namentlich bei den Kindern in den ersten Jahren. — Sie führt merkwürdiger Weise an, daß die Sterblichkeit in solchen! Anstalten, in welchen noch die Drehscheiben beste-, hen, in die also viele eheliche Kinder gelangen, noch viel größer sei als in denen, in welchen sich wesent-lich nur uneheliche Kinder befinden. Dieß beweise daß die Ursache dieser Sterblichkeit in der Anhangfung der Kinder liegt und keineswegs ist der er-


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erbten größeren Schwächlichkeit unehelicher Kinder. Die Commission führt auf, daß die Sterblichkeit der Kinder in dem ersteren Jahre in den Findel-häusern von dem Jahre 1815 bis 25 75% betra-gen habe, daß diese Sterblichkeit seitdem varire und bis unter 50pCt. gar nicht herabzubringen sei. Im Jahre 1858, wo Kinderkrankheiten nicht blos in den Findelhäusern, sondern überall geherrscht haben, sei die Sterblichkeit bis 56pCt. gestiegen, während die Sterblichkeit bei den Müttern unterbrachter unehelicher Kinder nur 29pCt. betragen habe, also um 27pCt. geringer und nur um 2pCt. höher gewesen sei, als bei unter ganz günstigen Verhältnissen stehenden wohlhabenden Familien. Die Commission dringt also in Anerkennung der unendlichen Nachtheile, der Anhäufung der Kinder in den Findelhäusern darauf, baß gerade kränkliche Kinder auch mit den größten Kosten auf dem Lande unterbracht werben. ES ist schon durch den gewöhnlichen Menschenverstand geboten, Kinder, wo Krankheiten herrschten, zu trennen. Die Richtigkeit dieses in jeder Familie beobachteten Verfahrens sei durch die Resultate des Enquetes vollständig erwiesen.

Einen ferneren sehr großen Uebelstand der dortigen Versorgung der Kinder auf Staatskosten findet die Commission in dem fortwährenden Steigen des Aufwandes. So hoch der Aufwand schon sei, so sei doch, wenn wirtlich für die Kinder ordentlich gesorgt werden soll, noch eine weitere Erhöhung desselben nach allen Richtungen erforderlich. Sie findet eine bessere Versorgung der Gebärenden im Gebärhause, der Findlinge im Findel-hause absolut nothwendig, sie hält es für absolut nothwendig, die Verpflegungsgebühren in vielen Departements zu erhöhen, sie findet es absolut nothwendig, daß die Kinder eine reichlichere Kleidung erhalten, daß ferner die Inspektion noch bei weitem vervollständigt werde, ja sie schlagt nur die Mehrkosten der besseren Bekleidung und der Vermehrung der Inspection zusammen auf eine Million an. Sie sagt ferner, daß den Verbesserungen und den dadurch bedingten Mehrkosten übrigens eine natürliche Grenze dadurch gezogen sei, daß die Spitalfonde außer Stande sind mehr Geld herzugeben und daß die Departements müde sind, den immer steigenden Anforderungen, die ihr Ziel doch nie erreichen, länger zu entsprechen, trotzdem spricht sich die Commission im bekannten französischen centralistischen Geiste für die Aufrechthaltung des Systems der Staatsfürsorge für die sämmtlichen armen Kinder eheliche und uneheliche, Findlinge, u. s. w. aus, und meint, daß denn doch wenn alle Revenues hospitaiiaires, also wie ich vermuthe, die gesamm-ten 170 Millionen betragenden Spitaleinkünfte in Frankreich zusammengeworfen würden, der höhere Bedarf noch nicht unerschwinglich wäre. Ganz merkwürdig aber ist der Hauptgrund, den die Commission für die Aufrechthaltung des Kinderverpflegswesens in der bisherigen Weise in Frankreich geltend macht. Die Commission weift nämlich nach, baß 44000 uneheliche Kinder als Ackerbauer dem Lande nützlich sind, sie beschwört die Regierung, sie möge die Möglichkeit über diele Kinder, die allein ihrer unbedingten Verfügung unterstehen, zu Gunsten des Ackerbaues zu verfügen, unter keiner Bedingung aufgeben; und warum? wegen der fortwährenden Verwaisung der Ackerbaudistricte. Nach der Darstellung der Commission äußern die Städte durch den bort in Aussicht stehenden, wohl in neuerer Zeit noch künstlich gesteigerten Erwerb, und durch die vielen Genüße, die sie bieten, eine solche Anziehungskraft, daß die Verwaisung der Ackerbaudistricte von Jahr zu Jahr zunehme und die besten Arbeiter fortwährend in die Städte ziehen. Es sei so weit gekommen, daß in ganzen Distrikten den Boden verbessernde Pflanzen aus Mangel an Händen nicht mehr kultivirt werden können, daß in ganzen Di-strikten ohne Zuhilfenahme von Militär die Ernte gar nicht einzubringen wäre!

Man sieht meine Herren, wozu die Omnipo-tenz der Regierung, die Meinung sie könne ungestraft in natürliche Verhältnisse des Verkehrs und der Arbeit eingreifen, führt. Trotzdem gesteht aber die Enquetcommission vollkommen, daß Reformen nöthig seien, die geeignet wären, den Uibelständen der französischen Versorgung abzuhelfen. Sie sieht die Möglichkeit der Abhilfe aller dieser Uibelstände nebst der gesetzlichen Festsetzung, daß jede Mutter ihr Kind aus dem Gebärhause mitnehmen und, mit oder ohne Unterstützung, selbst erhalten müsse, vorzüglich darin, daß das System der Unterstützung der Kinder bei den Müttern gesetzlich zur Regel gemacht werde. (Unruhe; Gespräch unter den Abgeordneten). Sie meint, baß dieses System nur den Kindern Vortheile bringe, nicht aber den Müttern.

Denn die Unterstützung sei nur so geringe, daß die Mütter doch nur mit großer Aufopferung und großer Selbstverleugnung ihrer Verpflichtung nachkommen können; sie meint ferner, daß darum eine Bevorzugung der unehelichen vor den ehelichen Kindern nicht geschehen werden könne, weil diese Versorgung auch ehelicher Kinder, die in sehr ärmlichen Verhältnissen sind, zugänglich ist, überdieß aber die unehelichen Kinder allein in traurigen Verhältnissen seien und der Staat gegen sie also größere Pflichten habe. Sie weift nach, daß seit den dreißiger Jahren eine fortschreitende Zunahme dieser Versorgung der unehelichen Kinder bei den Müttern stattgefunden habe. 1844 waren nur 8000 uneheliche Kindern bei ihren Müttern durch Unterstützung versorgt, 1859 waren ihrer schon 14000. Im Ganzen seien schon 88000 uneheliche Kinder bei ihren Müttern versorgt worden. In den einzelnen Departements betrüge das Contiugent solcher bei den Müttern versorgten Kinder nur 50—70 selbst 90 pCt.,hebt hervor daß die Mütter in der Regel mit wahrer Freude darauf eingehen, die Kinder bei sich zu behalten, da wo die Idee der Trennung aufgegeben oder nicht angeregt ist, die Mutterliebe von selbst zurück-


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kommt. Sie führt feiner auf, daß die Unterbrin-gung der unehelichen Kinder bei Fremden immer sehr bedeutenden Einwendungen und Gefahren un-terliege; man möge die Verpflegungsportionen stellen, so hoch man will. Sie führt endlich die Vortheile der Vertheilung im Detail an, und sin der diese Vortheile für die Mütter, für die Kinder und für das Land gleich groß, für die Mütter bestehen dieselben in der Rehabilitirung ihres Charakters, theils barin, daß die Gegenwart des Kindes ihnen fortwährend die Pflicht Znahe lege. eben nur für ihr Kind also ordentlich zu leben und weitere Verlegenheiten zu vermeiden, theils darin, daß daS Kind sehr häufig zur Ehe zwischen der Mutter und dem natürlichen Vater desselben führe. Und selbst, wo das nicht der Fall sei, die Mutter aber mit wahrer Aufopferung für ihr Kind sorge, rehabilitire sie sich wenigstens in der öffentlichen Meinung und seien selbst spätere Ehen mit Männern, die an ihrem ersten Fehltritt nicht Schuld waren, nicht selten. Ebenso findet die Commission diese Versorgung entschieden vortheilhast für die Kinder, sie hebt hervor, daß die Mutterliebe durch gar kein Mittel erseht werden könne; sie führt ferner auf, baß die Sterblichkeit der bei den Müttern ver-pflegten Kinder, gegen die der in Findelhäusern befindlichen statt 56 pCt. bloß 29 pCt. betrage und erwähnt endlich die ernorme Ersparung, die die Durchführung dieses Systems in den Kassen der ganzen Findelverpflegung in Frankreich zur Folge haben würde. Diese Ersparung rühre ans doppelter Ursache her, nämlich daraus, daß die Verpflegungs-Gebühren, die den Müttern gezahlt werden, welche ihre Kinder selbst erziehen, viel geringer bemessen find als diejenigen, die an gedungene Parteien gezahlt werden müssen. Zweitens davon, daß der Be-zug dieser Verpflegungsgebühr auch viel kürzer dauere. In einigen Departements beschränkt sich die Unterstützung bei der Mutter auf ein Jahr 6 Monate, in einem einzigen Departement dauert sie durch 8 Jahre, in den meisten nur durch die ersten 3 Jahre. Dann erlösche die Unterstützung vollkommen, was natürlich eine ungemeine Ersparung der gesammten Kosten zur Folge haben müsse. Diese Ersprarung theilt sich natürlich sowohl zwischen den hospices (Findelhäusern) und den Departements, also der Armenfürsorge, denn hospices (Findelhäuser) haben für solche Kinder nur die Kosten der Bekleidung, die Departements aber für dieselben nur die vielgeringer bemessenen und kürzer dauernden Verpflegsgebühren zu bestreiten.

Die Enquete-Commission weift nach, baß die durch-schnittlichen Kosten für die Erhaltung eines Kindes bei der Verpflegung bei der gedungenen Verpflegungs über 1.082 Francs, bei der Mutter nur 232 Francs betragen und daß wenn alle un-ehelichen Kinder bei den Müttern unterbracht wären, dann die enorme Ausgabe der offiziosen Kinderver-sorgung in Frankreich von jährlich 10 Millionen Francs auf 170.000 herabsinken würde. Allerdings bestehen einige Bedingungen, unter welchen die Kinder ihren Müttern hinausgegeben werden. In der Regel sollen es Mütter sein, welche sich erst den ersten Fehltritt erlaubt oder doch Hoffnung zu guter Aufführung geben. Ferner habe sich jede solche Mutter zu verpflichten, das Kind selbst zu Hause und gut zu pflegen, und müsse sie sich dann für die Zeit, in der sie unterstützt ist,die Findelinspection der Uiberzeugung unterwerfen, ob sie das Kind in die Schule schicke und gehörig verpflege. Ist das nicht der Fall, so wird ihr das Kind abgenommen. Im Reglement ist, wie gesagt, dieses System, die Verpflegung bei der Mutter, als bereits in den meisten Departements zur Regel geworden, dargestelt, und ist die allgemeine Durchführung derselben als einziges Heilmittel erklärt gegen die enormen Uibelstände, welche ans der offiziosen Versorgung der unehelichen Kinder sich auch in Frankreich herausstellen.

Nun, meine Herren, denselben Zweck verfolgt auch der Antrag des Landesausschußes; der einzige Unterschieb liegt darin, daß der Landesausschuß nur von unehelichen Kindern spricht, weil glücklicher Weise in der Findelversorgung bisher entweder ohne ober doch nur mit sehr wenigen Ausnahmen eben nur uneheliche Kinder stehen. Der Antrag des Landesausschußes nähert sich in der Richtung vollkommen der in Frankreich bereits in der Durchführung begriffenen Reorganisations - Maßregel, ja er gedenkt die Unterstützung, welche den unehelichen Kindern zu Theil werben soll, sogar ganz analoger wie jene, die sie in Frankreich zu betreiben haben, zuzuweisen; denn dieses geschieht in Frank-, reich von den Departements und hier hätte es von den Gemeinden zu geschehen.

Nach dem Gesagten werden Sie, meine Herren, mit mir übereinstimmen, daß die beiden Broschüren dem Ausschuß durchaus gar keinen Anlaß gaben an der Zweckmäßigkeit seines Antrages, daran daß dieser Antrag prinzipiell und praktisch allein richtig ist, zu zweifeln; Sie werden mir ferner zugestehen, daß das Resultat der Enquete-Commission in Frankreich und die in Folge derselben dort bereits in Durchführung begriffenen Reorganisationsmaßregeln eine geradezu glänzende Bestätigung der Ansicht des Ausschußes und der Wichtigkeit des von ihm als angezeigt beantragten Reorganisirungsmaßregel liefert. Allerdings hat der Staat, das ist jetzt das Land, gegen wirklich verlassene Kinder Pflichten, ich sage das Land, denn, wie dem hohen Hause ans dem Berichte des Ausschußes bekannt sein wird, war die Findelversorgung bis zum I. 1854 Staatssache, und wurde der ganze Kostenbetrag bis dahin vom Staate gedeckt, im J. 1854 sind die Findelanstalten dagegen für Landesanstalten erklärt und die Last der Erhaltung derselben vom Staate auf das Land abgewälzt worden. Allerdings also hat das Land, das wird wohl Niemand leugnen, die Pflicht für die Sicherheit der Aufziehung seiner Kinder zu sorgen, die verlassene Kinder sind. Es ist aber dringende Pflicht, darauf zu sehen, daß diese Fürsorge eben nur sochen Kindern zu Theil werde, die wirklich


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verlassen sind, daß die in Aussicht gestellte Versorgung nicht ein Mittel wird, die Zahl der verlasse-nen Kinder noch zu vermehren, die Eltern, oder auch nur die unehelichen Mütter zum Aufgeben ihrer natürlichen Pflichten, wo sie dieselben nur erzwungen zu erfühllen im Stande sind, zu verführen, oder ihnen diese Aufgaben doch zu erleichtern. Der Ausschuß glaubt denn doch in vollste Erwägung ziehen zu sollen, ob die nach der bisherigen Findelversorgung für alle im Gebärhause zur Welt kommenden unehelichen Kinder in Aussicht gestellte Wohlthat eine wirkliche Wohlthath oder nicht vielmehr ein Nachteil sei, sowohl für die Kinder, als auch, moralisch wenigstens, für die Mütter und für die Gesammtbevölkenmg, ob nicht durch diese Art der Versorgung, wenn auch vielleicht in einzelnen Fällen, dem Selbstmorde gesteuert wird, der Quotient der Todesfälle unehelicher Kinder, also gewissermaßen ein systematisch betriebener Mord der Kinder noch viel größer wird.

Der Landesausschuß selbst hält die bisherige Findelversorgung für keine Wohlthat für die Kinder, denen sie zu Theil wird, er glaubt vielmehr, daß diese Findelversorgung sie der fortwährenden Gefahr eines massenhaften Todes,die übrig bleibenden aber fast sicherer geistiger und körperlicher Verkrüppelung aussetzt; er glaubt, daß auch den unehelichen Müttern damit nur eine materielle Erleichterung, keine Wohlthat erwiesen wirb, daß ferner das Aufrechterhalten dieser Begünstigung der unehelichen Kinder und Mütter in einem kleinen Kreise sowohl mit den Pflichten, die man den armen ehelichen Eltern schuldig ist, als auch mit den Pflichten, die man den sämmtlichen andern Gegenden Böhmens mit Rücksicht auf ihre nicht in das hiesige Gebürhans gelangendert, sondern zu Hause versorgten unehelichen Geburten schuldig ist, also mit der den Steuerzahlenden schuldigen Gerechtigkeit nicht vereinbar ist, daß sie endlich den Leichtsinn häufig ermuntert und die Vorsicht und das moralische Gefühl bei beiden Geschlechtern abschwächt. Jede Gesetzgebung meine Herren! ist mehr ober wenister das Product ihrer Zeit! Die Gesetzgebungen und einzelne Gesetze haben sehr oft in den zur Zeit ihres Erlasses bestandenen philosophischen Prinzipien und sozial-politischen Ansichten ihren Grund.

Jede Gesetzgebung muß aber nach meiner innersten Ueberzeugung, wenn sie aus der Ursache, daß die zur Zelt ihrer Entstehung herrschenden sozialpolitischen Ansichten und philosophischen Systeme falsch waren, sich in eine falsche Richtung verirrt hat, auf die natürlichen gefunden Grundlagen, auf richtige Grundsätze zurückzukommen, sie kommt allerdings sehr häufig, erst nach bitteren Erfahrungen auf diese Grundsätze zurück. Diese bitteren Erfahrungen, nicht nur in pecunärer Beziehung, sondern auch was die Versorgung der Kinder, was den allgemeinen Einfluß auf die Moralität betrifft, glaube ich liegen bereits vor.

Ich glaube es ist unsere Pflicht dafür zu sorgen, daß diese bittern Erfahrungen nicht noch be-deutend größer werden.

Wird die sogenannte Findelversorgung in ihrer bisherigen Ausdehnung aufrechterhalten, so ist die Fortdauer der bisherigen Uebelstände unvermeidlich, so ist überdieß ein außerordentliches Steigen der bisher in ihrem Wirken doch fruchtlos gebliebenen Kosten nach zwei Richtungen unvermeidlich. Dieß Steigen wird einmal durch die dann wohl unvermeidliche Erhöhung der Verpflegsgebühr, ferner in noch größerem Maße aber durch die denn kaum zu vermeidende Ausdehnung des Findelwesens über das ganze Land verursacht werben, denn wenn auch auf dem Lande Krankenhäuser mit der Gebärabtheilung organisirt werden, so wird den in diesen Abtheilungen Gebärenden die Abnahme ihrer Kinder, wenn sie hier fortbesteht, gewiß nicht verweigert werben können, und dann steht auch dem Lande ein wirklich unerschwingbarer Aufwand bevor.

Aber nicht nur die Kostenfrage (Unruhe links, wird geläutet) läßt die Behandlung dieses Gegen-standes als sehr wichtig, ja als bringend erscheinen. Es handelt sich um das Wohl und Wehe der ganzen Klasse von Kindern, auf die bis jetzt die offiziöse Findelversorgung sich erstreckte, und für welche nach der Ueberzeugung des Landesausschußes, nach den vorliegenden Erfahrungen, nach den im Dienstschreiben der Statthalterei ausdrücklich enthaltenen Geständnissen diese Findelversorgung bisher nur Gefahren und Nachtheile zur Folge hatte.

Es ist also unsere dringende Pflicht, dem Lande eine überflüssige Last abzunehmen, es ist um so sehr unsere dringende Pflicht, eine Anstalt, die sich für diejenigen, für die zu sorgen sie berufen ist, als nachtheilig erwiesen hat, nicht aufrecht zu erhalten.

Oberstlandmarschall-Stellvertreter: Nachdem der Herr Berichterstatter den in Verhandlung stehenden Antrag begründet und beleuchtet, und nachdem derselbe aus mehreren Theilen besteht, so werde ich früher die General- und später die Spezialbebatte darüber eröffnen.

Ich erkläre die General-Debatte für eröffnet, und bringe dem hohen Hause zur Kenntniß, baß sich nachstehende Herren als Redner gemeldet haben: Gegen den Antrag: Herr Rector Magn. Dr. Lösch-ner. Dr. Tedesco, Herr Fleischer und Dr. Ernst Mayer.

Für den Antrag: Se. Eminenz der Cardinal-Erzbischof, Prof. Jaksch und Herr Marefch.

Berichterstatter Graf Franz Thun: Ich glaube die General-Debatte dürfte vor Allem über das Prinzip zu eröffnen fein.

Abgeordneter Tebesco ruft: Auf die Behandlung.

(Oberstlandmarschall übernimmt den Vorsitz,)

Oberstlaudmarschall: Ich werde also, nachdem die General-Debatte eröffnet ist, die Herren ersuchen. Von den aufgezeichneten Rednern bitte ich, nachdem Herr Dr. Löschner dem Herrn Tebesco,


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der sich früher gemeldet hat, den Rang abgetreten hat. Herrn Tedesco das Wort zu ergreifen.

Dr Löschn er: Ich bitte, Herr Tedesco hat sich früher gemeldet, ich werde daher dann sprechen und ich thue daher nichts als meine Pflicht, wenn ich den Herrn Tedesco früher sprechen lasse.

Oberstlandmarschall: Nachdem der Herr Tedesco sich also früher gemeldet hat, so bitte ich ihn, zu sprechen.

Dr. Tedesco: Meine Herren! denken Sie nicht, daß ich nach dem zweistündigen Vortrage des Referenten mich sehr lange ausdehnen werde. Ich werde mich bemühen so kurz als möglich zu sein.

(Rufe: Laut, laut.)

Vor allem muß ich constatiren, daß es eine verdienstliche Thätigkeit des Landesansschußes und insbesondere seines Herrn Referenten war, die ganze Angelegenheit hier in diesem hohen Hanse aufs Tapet gebracht zu haben. Es läßt sich nicht leugnen, daß sich mit dem Findelwesen im Laufe der Zeit Uebelstände verknüpft haben, und diesen Uebelständen abzuhelfen ist umso mehr ein dringendes Gebot, als das Findelwesen mit einer Menge von socialen Verhältnissen im unmittelbaren Zusammenhange steht. Wenn ich heute aber das Wort ergreife und gegen den Gesetzentwurf spreche, so ist es nicht so gemeint, als ob ich eine Reorganisirung des Findelwesens gänzlich bekämpfen würde, im Gegentheil ich anerkenne die Nothwendigkeit, ich halte die Sache aber in dem gegenwärtigen Augenblicke noch nicht für hinreichend spruchreif. Ich bin der Ansicht, daß die Berichte, die der Landesausfchuß uns vorgetragen hat, durchaus nicht das nöthige Material enthalten, welches nothwendig wäre, um die Frage gerecht beurtheilen zu können. Wir haben leine statistische Daten da, wir haben Behauptungen, denen andere eben so wichtige entgegen gestellt worden sind.

Wo sich zwei oder mehrere Behauptungen, entgegen stehen, da kann Niemand in diesem hohen Hause bei einer General- oder Specialdebatte, wo man die Sache nicht gehörig erwogen hat, die Zahlen und Daten prüfen; das kann nur am grünen Tische vor einer Commissionsberathung geschehen. ES ist dies der erste und einzige Fall, daß der Landesausschuß einen Gesehenwurf vor das hohe Hans brachte, dem keine specielle Commission vorangegangen war, selbst bei der Berathung des Armengesetzes, zu dessen Beurtheilung doch jeder L. A. Beisitzer competent und geeignet ist, hat man, und es war gerade derselbe Herr Referent, es für nöthig gefunden, eine specielle Commission zusammenzuberufen, bevor der Gesetzentwurf vor das Haus gebracht wurde. Nun und bei einem Gegenstande, der als einer der wichtigsten von allen anerkannt werden muß, und dessen Bedeutung tief bis in das Familienleben aller Stände und Classen hineinragt, bei einem solchen Gegenstande hat man geglaubt eines speciellen Comités entbehren zu können. (Bravo.)

Es ist aber auch noch etwas anderes zu bemerken, man hat nicht einmal das Urtheil der Fachmänner, die vor allem berufen wären, in dieser Frage mitzusprechen, beachtet, man hat nicht einmal die medicinische Facultät um Rath gefragt (Bravo), eine Facultät, die an Ruf und Ansehen keiner in der Welt nachsteht. (Bravo.) Wenn dem nun so ist, so ergibt sich daraus klar, baß wir in eine specielle Debatte über diesen Gegenstand heute nicht eingehen können, deßwegen, weil sie uns nicht zum Ziele führen würde.

Wenn ich die Anführungen des Herrn Grafen Thun widerlegen und darüber sprechen wollte; ich könnte dieß bis zum späten Abend thun, wenn mir beim Sprechen nicht der Athem, (sehr gut) dem hohen Hause aber nicht die Geduld ausginge. (Bravo links). Einige Bemerkungen muß ich aber noch gegen den Vortrag des Herrn Grafen Thun sowie gegen den Landesaus schußbelicht machen. In dem Landes-ausschuhbericht sind einige falsche Daten enthalten, nemlich, es ist angegeben, baß außer in Frankreich und Oesterreich das Findelwesen der Art nicht besteht, was allerdings Herr Graf Thun in seinem mündlichen Vortrag etwas modificirt hat, und sagte: "in allen jenen Ländern, wo französischer Einfluß gewaltet halte." Nun, meine Herren außer diesen beiden Staaten haben noch die Länder Italien, Spanien, Portugal und Belgien derartige Anstalten. In ganz Italien herrscht das französische System mit der Drehlabe und im Großherzogthum Toscana gibt es allein mehr Findelanstalten als in ganz Oesterreich zusammen genommen, das Venetianische inbegriffen. — Spanien und Portugal haben dasselbe System mit der Drehlabe, welches ich durch, aus verurtheile, denn die Drehlabe ist in jeder Beziehung zu verdammen. — Wenn übrigens hingewiesen wird auf Deutschland und namentlich auf die angrenzenden Staaten, daß in diesen das Findel-wesen nicht vorkommt, so hat man einen Satz ausgesprochen ohne nähere Begründung und ohne das politische Materiale zu sichten. Vor allem andern aber meine Herren ist der Grundsatz anzuerkennen und festzuhalten, daß die Findelhäuser in vielen Gegenden, überhaupt in kleineren Städten und auf dem Lande durchaus unnöthig und kein Bedürfniß sind, und nur höchstens da Bedürfniß werden, wo große Städte, wo die Centren der Civilisation, auch die Centren der Demoralisation sind. Es wäre demnach von allen deutschen Staaten und Städten eigentlich nur Preußen und zwar Berlin in Betracht zu ziehen. Aus Preußen und Berlin haben wir aber leider sehr traurige Auskünfte über die Folgen, die das Nichtbestehen des Findelwesens dort nach sich zieht.

ES ist einerseits die Zahl der Kindermorde in Preußen 6mal so groß als in Frankreich. Andererseits existirt in Berlin das System der Halte-Frauen. Das ist auch ganz natürlich und würd-bei Aufhebung des Findelwesens auch bei uns stattfinden müssen, freilich erst im Laufe der Jahre und im Anfange wäre das Bedürfniß ungedeckt.

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Es sind nämlich statt der offiziösen Findelhäuser die Haltefrauen, Weiber aus der Hefe des Volles — demoralistrte Weiber — und die bilden bann die private Findelanstalten. Und diese Findelan-stalten sind, meine Herren, in der That eigentliche Mordanstalten, diese verdienen den Namen mit Recht; denn in diesen sterben die Kinder nicht nur in Folge der schlechten Verpflegung oder krankheitlichen Einflußes, nein, sondern man läßt sie zum Theil absichtlich verschmachten und verhungern. Man wollte diesem Uibelstande abhelfen derart, daß sich eigene Privatvereine in Berlin bildeten, um diese Haltefrauen zu überwachen. Und diese Vereine erhielten gewissermaßen ein polizeiliches Recht. Einzelne Mit-glieder oder Commissionen erhielten das Recht nachzusehen und bezüglich der Verpflegung der Kinder die Haltefrauen zu jeder Stunde des Tages oder der Nacht zu überraschen. Diese Vereine bestehen noch und es wurde wohl in Folge dieser Maßregel etwas besser, aber trotzdem haben noch jetzt diese Haltefrauen im berlinischen Dialekte den Namen Engelmacherinen erhalten, weil sie wirklich aus den kleinen Kindern Engel machen (Heiterkeit).

Ferner hat sich das Bedürfniß nach Findelhäusern eben in Berlin derartig rege gemacht, baß die Stadt ellerdings dort vor einigen Jahren ihr eigenes Findelhaus errichtete, aber es war ungünstig gelegen und eingerichtet, die Sterblichkeit war sehr groß, es mußte aufgelassen werden. Es war aber der große Fehler und der große Uibelstand, daß die Findlinge in gänzlicher Verpflegung des Hauses blieben und nicht der auswärtigen Verpflegung auf dem Lande übergeben wurden, und es ist eben gegenwärtig in der Sache eine Verhandlung in Berlin in Schweben, ob man nicht ein auf derartige Grundsätze basirtes Findelhaus erst errichten solle.

Uiber diese Angelegenheit hat Hr. Dr. Lion, der neueste Schriftsteller, ein geborener Preuße und Berliner Arzt, das Ausführlichste geschrieben und hat das genenwärtig dort herrschende System verdammt.

Meine Herren! wenn solche Stimmen laut werden, so ist es immerhin zweifelhaft, ob wir das Beispiel nachahmen sollen. Hiebei komme ich noch auf einen anderen Punkt. Die ganze Angelegenheit ist von rein theoretischem Standpunkte aus betrachtet worden, man hat theoretisch untersucht, ist es besser, das Findelhaus zu errichten, oder ist es besser das Findelhaus nicht zu errichten.

So steht die Frage allerdings nicht, die Frage steht allerdings so, ob das bestehende Institut, ein Institut, das seit 100 Jahren wirksam ist, aufgehoben werden könne ohne Gefahr für das ganze Land oder nicht, und darüber meine Herren, ist man uns die Antwort schuldig geblieben, darüber sind weder Erhebungen gepflogen noch sonst Daten gesammelt worden.

Wie der Herr Berichterstatter Graf Thun meint, käme das ganz auf Eins heraus. Dem ist aber nicht so. Denn wo nie ein Findelhaus bestanden hat, da haben sich im Laufe der Zeit naturgemäß jene Einrichtungen gebildet, die nothwendig sind, um jenen grellen Schäden, die durch Mangel an den nöthigen Vorkehrungen hervorgingen, wenigstens theilweise abzuhelfen, wenigstens zum Theile sie zu mildern; wenn aber eine rasche, eine plötzliche Aufhebung des Findelinstituts statt fände, ja, meine Herren, für diese Folgen will ich nicht die Verantwortung übernehmen (Bravo links.) Sollte die Aufhebung auch Statt finden, so müßte sie consequent nicht durch Jahre, nein, durch Jahrzehente vorbereitet werden, (Bravo links) gesetzlich und administrativ, und zu dieser administrativen Vorbereitung, zu solchen Maßnahmen würde ich sehr gerne die Hand bieten, und theilweise, meine Herren, habeich es bereits in einem Vorschlage gethan, der in der Budgetcommission bei der Berathung des Findelfondes zur Sprache kam und den ich ebenfalls in diesem, h. Hause zu vertreten und zu vertheidigen in der Lage fein werde.

Wenn endlich der Herr Referent in seiner heutigen Rede an einer Brochüre aussetzte, daß sie sage: die Sterblichkeit der Kinder, aus die so viel hingewiesen wird, sei nicht die Folge der Krankheit der Eltern, man sehe die Dienstboten, und die Dienst-botenverhaltnisie seien nicht so schlecht: so muß ich ganz einfach bemerken, daß die Gratisabtheilung des Gebärhauses — und von dieser kann nur die Rede sein — die geheime Abtheilung des Gebärhauses, die soll dem Lande nichts kosten, und die kann und wird alle Kosten tragen, die sie verursacht; bis jetzt thut sie es nicht, aber dahin muß gestrebt werben, für die geheime Abtheilung soll das Land gar nichts thun. Es handelt sich also bloß um die Gratisabtheilung und da muß ich dem Hrn. Grafen Thun bemerken, daß allerdings ein Theil und zwar der größere Theil aus Dienstboten besteht, die gesund, rüstig und kräftig hinkommen ober wenigstens nicht syphilitisch sind. Aber ein anderer Theil kommt hinein, der besteht aus der Hefe der städtischen Bevölkerung, aus der Verbrecherbevölkerung, meine Herren, und diese kommen allerdings mitunter in einem sehr deplorablen Zustande hinein. Daß es nun nicht rathsam ist, solchen Personen die Pflege und Erziehung der Kinder anzuvertrauen, das — meine Herren — kann keinem Zweifel unterliegen. Und da komme ich nun auf einen wesentlichen Ein-wurf. Es ist überhaupt das Findelwesen hier bloß bettachtet worden als eine wohlthätige Anstalt gleichsam wie eine Armenanstalt ober eine Vetpflege-Anstalt. Meine Herren! das ist ein ganz falscher Standpunkt; der Standpunkt, auf dem wir stehen müs-sen ist der, das Findelwesen als eine staats- und sanitätspolwiliche Maßregel zu betrachten. Das ist der rechte Standpunkt, aber nicht bloß Armenversorgung. — Wenn nun Graf Thun die absolute Noth derjenigen leugnet, die die Gratisabtheilung des Gebärhauses in Anspruch nehmen, so mache ich nur aufmerksam auf einen Posten im Budget des Findelfondes wo von dem Betrage des Werthes der Habseligkeiten der im Gebärhause Verstorbenen die Rede ist und wo ber gesammte Ertrag ber Kleidungs-


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stücke und alles dessen, was diese Personen mitgebracht haben per Kopf 1 ft. 3 kr. öft. W. beträgt. — Meine Herren, wenn, im Durchschnitte Alles, was eine Person auf die Gratis-Abtheilung mitnimmt. 1 fl. 3 kr werth ist, dann, meine Herren, muß die Noth wohl eine nicht zu leugnende sein. - Uibri-gens ist der Herr Graf Thun hier in offenem Widersprüche mit dem Aktenstücke, das er selbst verfaßt und das ich gestern in den Händen hatte und dem Herrn Hofrath Taschek zur Berichterstattung übergeben habe — in diesem Aktenstücke spricht er es aus, daß die Uibergabe der Mütter in das Gebärhaus ober Kinder ins Findelhaus dem absoluten Todesurtheil — für die Mütter und für die Kinder gleich komme. — Meine Herren! Ich bin an derlei hyperbolische Redeweisen gewohnt, aber wenn das Eine wahr ist, so kann doch nicht das Andere wahr sein, denn ohne Noth seht sich Niemand einem absoluten Todesurtheile aus.

Es ist ferner in der heutigen Rede des Referenten ein statistisches Monstrum vorgekommen. — Es wurde die Sterblichkeit behauptet und auf eine Brochüre hingewiesen, die nachweist, daß bis zum Jahre 1855 die Sterblichkeit keine größere, wenigstens keine bedeutend größere war, als sie ohnedies außer dem Hause bei ehelichen und unehelichen Kindern vorkommt — bei ehelichen im ersten Jahre 28 pCt., bei unehelichen im ersten Jahre und zwar im ganzen Lande, also auch auf dem Flachlande gegen 33 pCt. die Brochüre weist nach, daß in den früheren Jahren ungefähr 34—35 pCt. die Sterblichkeit der Kinder war.

Vom Jahre 1856 hat sie sich allerdings auf 24 pCt. vermehrt und ist bann ein rascher Sprung auf etliche 50 übergangen und bis auf 60 gekommen, das, meine Herren, tritt allerdings ein, daß man sagen muß, hier müssen sich während der Zeit Miß-und Uibelstände eingeschlichen haben und diese Miß-und Uibelstände müssen behoben und Abhilfe geschaffen werden. Aber nicht das ganze System ist zu verdammen, das System, welches bis zum Beginne des Jahres 1855 diese Folgen nicht gehabt habe.

Hiebet nun hat der Hr. Graf Thun die Richtigkeit der statistischen Nachrichten bezweifelt und hat nachgewiesen, in Frankreich weisen die Ausweise schon in den früheren Jahren eine größere Sterb-lichkeit nach, das kann ich nun nicht anders als ein statistisches Monstrum nennen, die statistischen Daten müssen für jedes Land besonders gesammelt werden und man darf sich nicht auf Enquete-Commissionen berufen, die in Frankreich gesessen sind und daselbst Erhebungen gepflogen haben. — Hier im Lande muß man Erhebungen pflegen, hier muß man Berichte erstatten und darum habe ich mir folgenden Antrag zu stellen erlaubt.

Unter Anerkennung der verdienstlichen Thätigkeit des Landesausschußes die Frage der Reorganisation des Findelwesens vor das hohe Haus gebracht zu haben, jedoch in Erwägung, daß hierüber nicht die medicinische Fakultät und überhaupt specielle Commissionen gehört worden find, hält der hohe Landtag die Angelegenheit noch nicht für spruchreif und weift daher den Gesetzent-wurf mit dem Auftrage zurück 1. vor Allem das Gutachten der Prager medicin. Fakultät einzuholen, 2. eine Enquete- Commission unter dem Vorfitz eines Landesauschußbeisitzers zu bilden, welche das statistische und sonstiges zur Aufklärung der Frage zweckdienliches Material zu sammeln und alle nöthigen Ergänzungen im Einvernehmen mit den Sachverständigen zu pflegen, die Resultate zusammenzustellen und die Antrüge dem Landesansschuße begründet zu übergeben hätte.

Abg. Ernst Meier: Euer Ercellenz, ich verzichte auf das Wort, nachdem, was gegenwärtig gehört worden.

Tedesco: Ich denke mir, daß diese Enqnete zu bestehen hätte: 1. aus Sachverständigen und zwar aus solchen, die mit Gebär- und Sindelwesen vertraut sind durch praktisches Leben,daher Ärzte, Kreis-Aerzte. Die wissen wie die Verpflegung auf dem Lande vorgeht; dann denke ich auch, daß Kriminal-Statistiker dazu genommen werben müssen, um die Kenntniß der kriminalischen Verhältnisse zu eruiren, es werden auch Polizei- oder politische Beamte dazu genommen werden müssen, und ich denke überhaupt, daß es der Landesausschuß für gerathen halten dürfte, daß er sich in der Beziehung mit der h. Statthaltern ins Einvernehmen setzen könnte, um gemeinschaftlich diese statistischen Erhebungen zu pflegen, und bann, wenn die statistischen Erhebungen gepflo-gen sind, wäre es an der Zeit, die Fragen der Zweckmäßigkeit überhaupt zu berühren und jene Umstünde namhaft zu machen und jene Maßregeln anzugeben, welche voraus getroffen werden müssen, um überhaupt eine Aufhebung des Findelwestens in späterer Zeit möglich zu machen, oder welche Maßregeln getroffen werde müssen, um das Findelwesen auf haltbarer Basis zu reorganisiren. Das, meine Herren, kann niemals Sache eines Jahres oder kurzer Zeit sein, wie ich es ihnen sage; es braucht vielleicht ein Decennium, ehe man dahin kommen kann, daß alles erreicht wird, was erreicht werden soll. (Bravo, výbornì.)

Oberstlandmarschall: Ich bitte Se. Eminenz ist vorgemerkt.

Cardinal Schwarzenberg: Ich bitte darüber erst abstimmen zu lassen, ob auf den Antrag des Dr. Tedesco eingegangen wird, ober nicht.

Oberstlandmarschall: Die Debatte ist noch nicht geschlossen. Ich muß alle Redner für und gegen sprechen lassen, und bann erst abstimmen lassen.

Cardinal Schwarzenberg: Gut, ich bin bereit.

Tebesco: E dürfte vielleicht zur Abfindung der Sache besser sein, daß dann, meine Herren, bevor die Generaldebatte über das Findelwesen allgemein eröffnet wird, vielleicht die Debatte über meinen An-

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trag eröffnet wird; es ist ein Unterschieb, wenn gleich (Unruhe! Oberstlandmarschall läutet.)

Oberstlandmarschall: Nach der Geschäftsordnung kann nach der Generaldebatte überhaupt keine andere Abstimmung stattfinden, als die, ob ein Gegenstand allenfalls zu vertagen ist, also das Resultat der Generaldebatte kann das sein, ob ein Antrag angenommen wird, oder ein anderer Antrag auf Vertagung, oder ob diese Anträge verworfen werden und in die specielle Debatte eingegangen wird.

Cardinal: Das hohe Haus hat beschlossen, Anfangs der heutigen Sitzung den Landesausschußbericht nicht ablesen zu lassen. Ich glaube, zwei Gründe schwebten dem Hause hierin vor, erstens, weil die einzelnen Mitglieder des Hauses ohne Zweifel den Commissionsbericht werben genau gelesen haben, und, zweitens dürfte auch ein Anftandsgefühl das Haus hiezu bestimmt haben. Ich tadle nicht, was im Landesausschußbericht enthalten ist, ich danke sogar dem Landesausschußbericht, daß er das Laster grell geschildert hat und kann hierin dem Landesausschuße nur auf das Wärmste beistimmen. Dem hohen Hause schwebte wohl der Gedanke vor, daß es in einer öffentlichen Sitzung nicht ganz ziemlich sei, das Alles auseinanderzusetzen, und hätte man die Ablesung des Commisstonsberichtes beschlossen, so glaube ich, wäre auf die Räumung der Gallerie angerathen worden. Wenigstens hätte man es für anständig gefunden, die ehrsamen Damen zu ersuchen, die Gallerie zu verlassen, indem Gegenstände besprochen, weiden müssen, die sich schicklicher besprechen lassen, wenn Damen nicht gegenwärtig sind. (Bravo, Unruhe, Präsident läutet.) Der Landes-ausschußbericht ist so ausführlich, daß ich mich in Weiteres nicht einlasse, und nur aus dem Seel-sorgerleben Einiges beizufügen mir erlaube, was zur Kritik des dermaligen Findelwesens beitragen kann. Es wurde schon vom Berichterstatter gesagt, es zeigt sich, daß die Findelkinder in der dermaligen Weise, wo sie Eltern übergeben werden, von denselben vernachläßigt sind, die Schule häufig vernachläßigen. Ich muß aus meinen seelsorglichen Erfahrungen, deren ich bei meiner Visitationsreise viele sammle, das bestätigen, muß aber auch sagen, daß wenn die Findelkinder die Schule viel besuchen, und durch den Eifer des Seelsorgers und Schul-lehrers dazu angehalten werden, daß es mir schon vorgekommen ist, daß die Vorstände der Gemeinde sagten: unser Schulhaus ist groß genug für unsere Kinder, wir brauchen keine größere, sie braucht nicht vergrößert zu werden, aber wohl haben wir viele Prager Kinder, wegen deren sollen wir ein größeres Schulhaus bauen? Sie sehen also auch, daß, wo der Seelsorger und der Schullehrer diese armen verlassenen Kinder ermuntert, die Schule zu besuchen, anderwärts wieder daran gehindert werben.

Umso betrübender ist die Lage dieser Kinder, und die jetzige Behandlung ist gerade- keine sehr lobenswerthe. Wenn man sagt, die Kinder werden nur braven Familien anvertraut, so kann ich das leider nicht immer bestätigen; man sagt die Ortsvorstände und Seelsorger geben ja Zeugnisse; und nur jenen Familien, die ein gutes Zeugniß erlangen, werden solche arme Kinder anvertraut. Mit diesen Zeugnissen hat es viele Schwierigkeit.

Ein gewissenhafter Seelsorger, der solchen Leuten, die nur aus Gewinnsucht ein fremdes Kind annehmen, das Zeugniß verweigert, setzt sich großen Klagen und Verläumbungen aus, und wenn er in der Ausstellung der Zeugnisse freigebig ist, klagt so die Gemeinde: wir haben gar so viele fremde Kinder; er ist also inter scyllam et charibdin nicht nur in seinem Inneren zwischen Barmherzigkeit und Klugheit, sondern auch im Kampfe mit dem ökonomischen Zustande der Gemeinde und Sorge für die Findelkinder. Wenn er im Zeugnißausstellen vorsichtig ist, so seht er sich Klagen derjenigen aus, denen er ein Zeugniß nicht ausstellt und es heißt: warum bekommt dieser ein Zeugniß und ich nicht? bin ich denn schlechter als jener? jener hat dies angestellt, das hab ich nicht gethan.

Bitte die Lage aller Seelsorger sich zu bedenken, wenn viele hundert und taufende Kinder im Lande müssen vertheilt, und officiös vertheilt werden.

Gegen diese officiöse Vertheilung, die eben da das Princip des Findelwesens ist, gegen diese ergreife ich das Wort: Wenn man meint, daß der' Arzt — sei er Bezirks- ober Kreisarzt — diese armen angestifteten Kinder überwachen könne, so ist das, meine Herren, eine Unmöglichkeit, und ich glaube, daß der eifrigste Arzt eines kleinen Bezirkes die Verpflegung dieser Kinder nicht controlliren kann. Wie soll er in die einzelnen Häuser gehen! und wenn er endlich hineingeht, und er findet ein blasses, ein kränkliches Kind, so wird er daraus nicht urtheilen können, ob diese Schwächlichkeit und diese Blässe Ursache der Pflegeeltern ist, oder ob andere Ursachen da sind. Aus der Blässe und Schwächlichkeit der Kinder kann man nicht sogleich auf die schlechte Verpflegung schließen, sonst müßten die Kinder der Reichen immer prächtig aussehen. (Heiterkeit.) Ich habe mich für den Landesausschußantrag ausgesprochen, der gegen das Findelwesen, wie es jetzt besteht, sich im Prinzipe ausspricht. Auch andere Gründe haben mich bewogen, das Wort zu ergreifen, aus Anlaß nämlich des Berichtes, der gedruckt vertheilt ist. Es ist in demselben auch in wenigen Worten die Rede von der sogenannten Findelanstalt nächst Prag zu Øepy. Es kommen in diesem Landesausschußberichte einige Bemerkungen über das Findelhaus zu Repy vor, welche mißdeutet werden.

Es ist meines Amtes dieses Institut zu rechtfertigen. Es ist die Bemerkung enthalten, Repy sei bedeutend theuerer als wie die gewöhnliche Verpflegung in Familien und es ist angegeben, daß ein über 8 Jahre altes Kind in den einzelnen Familien des Landes um 1 fl. 57 tr. verpflegt wird, in Repy aber um 8 fl. 40 kr. Ganz richtig 8 fl.


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ist mehr als 1 fl., daraus wird man schleßen, das ist kostspielig. Ich bitte zu bemerken was ist Øepy? Repy ist der Ersatz einer Anstalt, die früher in Prag nächst dem Gebärhause bestanden und diese Anstalt hatte den Zweck die Kinder, welche von den Pflegeeltern zurückgegeben werden und noch nicht anderen Pflegeeltern übergeben sind, zu erhalten, zu pflegen zu kleiden und ,ernähren. Statt dieser sonst neben dem Gebärhause bestehenden Anstalt existirt Øepy; und für die kurze Zeit, während dem sie von den Pflegeltern zurückgegeben wurden und anvertraut werden, sind sie in Øepy zu verpflegen und in Repy kosten sie weniger als sie früher in der provisorischen Anstalt nächst dem Gebärhause gekostet haben, darum ist die Anstalt doch nicht gerade so sonderlich theuer. Man sagt. die Kinder seien in Repy nicht gesund. Seit Repy besteht, sind dieser Anstalt anvertraut worden 838 Kinder. Von diesen 838 Kindern sind nur 3.gestorben. ES muß also die Gesundheits-Pflege in Repy doch nicht so ganz übel sein, weil von den Kindern, die sich doch einige Zeit in Øepy aufhalten, nur 3 gestorben sind. Es muß mit dem Gesundheitszustände doch nicht so ganz übel sein; denn die ägyptische Augenkrankheit, die dort wirklich grassirte, was hat sie für Folgen gehabt? Ein Kind ist erblindet, die übrigen sind geheilt. Ich glaube, daß das die Sorgfalt der frommen Hände beweist, die dort die Kinder pflegen und als die ägyptische Krankheit ausgebrochen ist, es war doch die ägyptische Krankheit ? (Rufe: ja ja) so haben die barmherzigen Schwestern die Kinder 120 an der Zahl von Øepy weggenommen und in ihre eigene Wohnung am Fuße des Lorenziberges gebracht und bort gepflegt.

Von den Schwestern ist eine in Folge der Krankenpflege erblindet, eine ganz, die andere halb, von den Kindern sind alle genesen bis auf Eins, wie ich schon gesagt habe. Es muß also um die Pflege nicht sogar kläglich bestellt sei. Wenn man sagt. die Kinder seienz jetzt krank, so bitte ich alle Arzte, ich bitte Sie Alle hinzugehen und die Kinder anzusehen, und wenn Sie sie krank finden, mir, der ich der geistliche Oberhirt des Landes bin, und über die Leistungen der religiösen Körperschaften verantwortlich bin, Mittheilungen mir zu machen, ich werde Ihnen dankbar sein. Wenn aber nicht gerare die blühendsten Kinder in Repy sich befinden, so hat das einen anderen Grund. Die Mehrzahl der Kinder in Repy sind diese, die von den Pflege-Eltern zurückgegeben werden, und von andern Pflege-Eltern noch nicht abgeholt worden sind. Welche Kinder geben die Pflege-Eltern der Anstalt zurück? Jene, von deren körperlichem Gedeihen sie nichts mehr erwarten, diese zur Arbeit nicht gut brauchen können, also gewiß nicht die kräftigsten, und diejenigen Pflege-Eltern, die sich Kinder aussuchen die machen es, leider Gottes, wie bei einem Sclaven-— oder Pferdemarkte. Sie sehen sich die Kinder an und die welche ihnen schwächlich oder gebrechlich dünken, lassen sie zurück und nehmen sich die besten und gesündesten in Verpflegung. Wenn also nur schwächliche Kinder übrig bleiben, würden Sie sich meine Herren nicht wundem? Aus dem was ich hier gesagt habe, folgt etwas anderes, was auch im Bericht des Landesansschußes erwähnt ist. In Sachsen und in Baiern gibt es sogenannte Waisenhäuser, wo diejenigen Kinder, die wirklich keine Eltern und keine zustehende Gemeinde haben, wenn sie das 6. oder 7. Jahr bei Pflegemüttern zurückgelegt, auf Staatsunkosten erzogen werben. Solche Waisenhäuser meine Herren werden auch, wenn der Antrag des Landesausschußes durchgeht, für Böhmen nothwendig werden. Wenn wir verlassene Waisen wieder auf das Land hinaus senden und Eltern übergeben, die sie wegen Geld, das ihnen gezahlt wirb, verpflegen, so würden wir wieder in die alten Übelstände zurückkommen, die eben hier vermieden werden sollen. — Ich glaube, daß in der Folge, mögen die Antrage des Landes - Ausschußes durchgehen ober nicht, einzelne Waisenhäuser nöthig werden. Und dazu empfehle ich Ihnen, meine Herren die Aufrechterhaltung von Øepy. — Es wurde auch erwähnt, man solle diese Kinder nicht alle für das städtische Leben erziehen. Ich bin damit vollkommen einverstanden. Man solle sie für das Landleben erziehen.

Ich weiß, daß der Zudrang in die Städte aus keiner reinen Quelle stießt und daß die Arbeit des Knechtes und der Magd auf dem Lande eine nützlichere für das Land und für das Seelenwohl ist, ich glaube, baß gerade ein solches Waisenhaus wie Repy ist, für das Landleben Arbeiter erziehen kann.

Auf dieses wollte ich Sie, meine Herren, aufmerksam machen, um diejenigen, die im Ausschußberichte einigen Tadel über Repy lesen wollen, darüber aufzuklären, damit sie es nicht als Tadel ansehen, und über das Institut nur richtig urtheilen. Sollte in die Special-Debatte eingegangen werden, sollte das ganze Gesetz, gegen welches ich nichts einzuwenden habe, angenommen werden, so werde ich mir vorbehalten, am Ende der Special-debatte einige specielle Anträge über den provisorischen Zustand und über die fernere Zukunft zu stellen.

Ob nun in die Specialbebatte eingegangen werden wird oder nicht, das wird das hohe Haus entscheiden. (Bravo, Výbornì.)

Oberstlandmarschall: Herr Professor Löschner!

Löschner: Ich sitze in diesem hohen Hanse als Rector der Universität. Als solcher muß ich vor Allem in der gegenwärtigen Frage das Wort ergreifen, weil durch den Antrag, welcher eben vorliegt, und durch den Gesetzentwurf mehr oder weniger, wenn er zur vollkommenen Ausführung kommen sollte, das Unterrichtswesen an der medicinischen Fakultät getroffen würde. Ich habe als Rector die Pflicht auf mir — ich stehe in dieser Beziehung unter dem Eide, alle Gesetze, welche das Unterrichtswesen nach allen Richtungen mit sich bringt, auf


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recht zu erhalten, das Unterrichtswesen der Univer-sität wo möglich zu fördern, nicht aber irgend dasselbe nach einer Richtung verkümmern zu lassen.

In dieser Beziehung muß ich demnach vo, Allem zuerst das Wort ergreifen, und muß einige Auseinandersetzungen bieten.

Mittelst eines Statthalterei-Erlasses vom 30.September 1861 wurde der akademische Senat in Kenntniß gesetzt, daß die Uebergabe der Findel-. Gebär- und Irrenanstalt an den Landesaus-schuß stattfinden werde, u. z. unter folgenden Modalitäten: 1) werden diese Aufladen dagegen zu übergeben sein, baß der gesetzliche Zweck und Widmungen derselben aufrechterhalten werden, und daß die darauf Bezug nehmenden Statuten und Direc-tiven, so lange sie nicht im verfassungsmäßigen Wege eine Abänderung erleiden, daher insbeson-dere auf jene Rücksicht, daß die möglichst freie Benützung dieser Anstalt zum Unterrichte beobachtet und die obwaltenden Verpflichtungen erfüllt werben. In einem 4. Punkte heißt es: "Es wird das Recht der wissenschaftlichen und sanitätspolizeilichen Ueberwachung durch die Statthaltern beziehungsweise den medicinischen Rath dem Professoren-Collegium vorbehalten." Nachdem ich diese 2 Stellen vorgelesen habe, muß ich meine Herren bemerken, daß ich mich als Medizinalrath jedes Wortes hier begebe, und Se. Eicellenz den Hrn. Vizepräsidenten der Statthalterei in dieser Beziehung das Wort zu ergreifen bitte. Ich selbst rede für heute nur als Rector der Universität. Der Unterricht, welcher an der Prager Universität ertheilt wird, ist gestellt unter die Professorencollegien und zwar nicht durch die provisorischen Gesetze des Jahres 1848, in welchem Jahre den Professorencollegien selbst die Regelung des Studiums in ihrem Kreise vollkommen anheim gestellt worden ist, sondern auch durch die später folgenden Gesetze des Iah. 1849, 1855, 1856 und 1857, folgerichtig wäre es demnach, nachdem das Unterrichtwesen auf der Universität in bedeutender Weise, wie ich nachzuweisen bemüht sein werde, betroffen wird, daß diese früher vorgegangenen Punktationen den Landesausschuß dazu bestimmt hatten, das Gutachten des Professorencollegium und der medicinischen Fakultät überhaupt zuvor einzuholen, um eben das Landesgesetz, welches hier herauswachsen soll, oder herauswachsen sollte, wenigstens in dieser Beziehung als vollkommene Vorlage hinstellen zu können. Ich muß jedoch bedauern, baß die medicinische Facultät überhaupt in dieser Beziehung wenigstens nicht in der Gnade des Landesausschußes gestanden ist. (Gelächter links). Denn bei der Enqustecommission, welche hier und zwar nicht nur bezüglich der Gebärhaus, sondern auch der Findelhausfrage stattgefunden hat, wurden Inländer nicht berücksichtigt, wohl aber 2 Ausländer, wie es im Commissionsberichte heißt, nemlich die Herren Schwarz und Hecker. (Bravo und hört! links), jener aus Göttingen, dieser aus München (Sehr gut! links).

In dieser Richtung erlaube ich mir einige Worte, die schon der Vorredner Herr Dr.Tedesco hervorgehoben hat, des braucht sich die medicinische Facultät Böhmens durchaus nicht zu scheuen, mit jeder anderen Facultät auf den Kampfplatz zu gehen. (Bravo, Bravo!)

Sie hat dieses auch gar nicht nothwendig; denn seit mehr als 25 Jahren haben die ausländischen Facultäten von allen Seiten Professoren von der Prager Facultät, aus dem Prager Colle-gium bezogen; und wenn dieß in der letzten Zeit etwas nachgelassen hat, so liegt es gewiß nicht an der medicinischen Facultät, sondern in dem Verhält-nisse, daß sich die Wissenschaft auf den andern Universitäten eben so hoch und noch höher gehoben hat. —

Aber bemungeachtet ist gerade die Anstalt, von welcher heute gehandelt wird, in der Richtung ge-fährdet, daß der Unterricht bedeutend abnehmen wird; wenigstens läßt sich dieses annäherungsweise vermuthen; ich will daher in dieser Beziehung ein gelindes Wort sprechen, und dieses mit einigen Worten begründen. Die Gebäranstalt von Prag ist also cine der größten Anstalten, das heißt bezüglich des großartigen Materials, welches hier vorhanden ist, und ist von jeher, seit langen Reihen von Jahren am meisten besucht worden. Der Zuzuq der fremden Studenten Hieher hatte — wollen wir uns in dieser Richtung nicht täuschen,— vorzüglich dem großen Material im Gebärhause und dem dort obwaltenden Unterricht viel zu verdanken. ES sind bahn 50, 60—100 fremde Aerzte hieher gewaß-ert, um sich den Unterricht in der Gebäranstalt zu holen, sich anzueignen und ihn dann weiter zu vecpflanzen; nicht genug an dem, sondern es ist auch die Lehranstalt für Inländer von großem Gewichte, wegen des bedeutenden Materials. Bis zum Jahre 1846, ja sogar bis 1852 mußte sehr viel Klage geführt werben über den ,mangelhaften Unterricht, welchen die Hebammen genossen haben; selbst die Geburtshelfer haben sich wenig ausgebildet, erst seit 1850 datirt der bedeutende Emporschwung der Gebäranstalt; es lag dieses wahrscheinlich an den bedeutenden Capazitäten, die sich nach und nach an der Anstalt entwickelt haben; sie haben die Berufung nach mehreren Orten bekommen, und sind dort als die tüchtigsten Lehrer aufgetreten. Was aber die Bildung von Geburtshelfern anbelangt, ist dieses eine der wichtigsten Elemente in der medicinischen Praris, sie ist zugleich ein Fach der Medicin, welches nicht anders als demonstrativ vorgetragen werben kann, und deshalb haben auch in der letzten Zeit die theoretischen Vorlesungen über Geburtshilfe ganz aufgehört, und es ist der theoretische Curs mit dem praktischen verbunden, und dadurch die nothwendige Zeit erweitert worden, welche solche Aerzte dort zubringen müssen, um sich zu tüchtigen Geburtshelfern heranzubilden, und ebenso ist auch das Zeitmaß für die gegenwärtige Anstalt der Hebammen wenigstens bedingter Weise erweitert worden..


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Was ein tüchtiger Geburtshelfer ist, wissen vielleicht viele Väter in diesem Hause zu würdigen; ich will nur darauf hinweisen, daß die Erziehung tüchtiger Geburtshelfer ein großartiges Material in dieser Beziehung voraussetzt; und als früher dieses Material nicht vorhanden war, mußte man sich mit Phantomen begnügen, Phantome werden aber nie dem Unterrichte genügen, es bleibt bann ein Scheinunterricht, weil nur der lebende Unterricht das Ei gentliche leisten kann ; so wie in dieser Richtung — um mich so auszudrücken — dem Künstler die Form anatomisch nichtgegeben werden kann aus bem bloßen Phantome, sondern nur aus dem menschlichen Körper.

Nachdem ich in dieser Beziehung das Nothwendige vorausgeschickt habe. will ich darauf eingehen, ob denn wirklich die Anstalt durch diesen Vorgang, der durch das Landesgesetz angestrebt wird, leiden tonnte; — ich behaupte, sie müsse leiden.

Die Gebäranstalten sind mit den Findelanstal-ten von jeher innigst verbunden gewesen, sie sind mit einander entstanden, und keine ist ohne der an-deren; sie sind im Jahre 1762 bereits angestrebt und begonnen worden. Nicht also Josephs Zeiten sind es, die diese Anstalten hervorgerufen haben; nur gab es damals nicht hinreichende Mittel, um diese Anstalten in der Richtung, wie sie jetzt sind zu erweitern. Die Anstalt hatte bis zum Jahre 1828 höchstens bis 1829 jährlich 800 Entbindun-gen; jetzt hatte sie ein Jahr 3000, ein Jahr sogar 3100, und im letzten Jahre ist dieses wieder auf 2600 herabgesunken. Von diesen 2600, die jetzt in derselben Gebäranstalt entbinden, kommen höchstens 450—500 auf diejenigen, die in den sogenannten Gratis-Abtheilungen entbinden, 2100,2200 bis 2400 im Durchschnitte auf diejenigen, die auf den sogenannten Gratis-Abtheilungun'entbinden. Nachdem durch das angestrebte Landesgesetz in dieser Richtung die Kinder mit den Müttern gleich am 9. Tage nach der Entbindung der Mutter entlassen werden, glaube ich, wird sich — und ich kann es als bestimmt voraussetzen — die Anzahl der dort Entbundenen vermindern, und zwar vorzüglich dadurch, daß geradezu jetzt erst die großartigsten Sorgen für das Kind eintreten müssen. Das Bild, welches ich in dieser Beziehung entrollen könnte, würde vielleicht ein abschreckendes sein: ich will demnach nur einige Grundzüge desselben feststellen. Diese an und für sich armen Individuen — 2200 nehmen wir also an, — sind in der Regel Taglöhnerinen, Dienst-boten aus Prag und der nächsten Umgebung, das ist constatirt, sie werden in der Regel in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft vom Dienstherrn entlassen: mit Noth bringen sie die letzten Monate noch zu, und verzehren die letzten Heller, welche sie noch ersparten, in abgekümmertem Zustande kommen sie nachmals bereits krank in die Anstalt, entbinden dort, haben also nichts, und werden dann, wenn ste aus dem Gebärhause mit dem Kinde am 9. Tage scheiden sollen, dort und noch weniger als dort anzufangen wissen, wo sie in das Haus eingekehrt sind.

Es frägt sich demnach, was soll mit ihnen geschehen? Der Antrag ist, so viel ich vermuthe, der, daß sie alle sammt den Kindern an die Gemeinde gewiesen werben. Dieser Antrag ist an und für sich löblich und billig; allein wenn man ihn auf den Grundsatz zurückführt, baß ja sie, diese Individuen, leicht von der Gemeinde werden aufgenommen werben, muß ich darauf mit "Nein" antworten. Man hat in dieser Richtung das Beispiel vor sich gehabt, daß auf dem Lande in den Gemeinden eben auch viele uneheliche Kinder vorkommen und daß deswegen in den Gemeinden wenig Aufhebens gemacht wird, sondern daß dort Mutter und Kind versorgt werben und sich selbst versorgen. ES ist ganz etwas anderes. Dort kennt man den Vater, dort kennt man die Verhältnisse und sehr oft wird dann das eheliche Band dasjenige, was eben zur Versorgung der Kinder weiter führen kann. Anders verhält es sich mit diesen hie-her gewanderten Dienstboten, welche aus allen Gegenden des Landes sind und welche hieher gekommen, eigentlich durch die Verhältnisse der Stadt selbst, wie sie eben durch die große Stadt und vielleicht bei uns weniger noch als bei andern, in diese Verhältnisse gerathen sind. — Man hat weiter hervorgehoben, daß diese Individuen ein zweitesmal nicht in diesen Fehler verfallen weiden. Meine Herren, ich bitte, wollen wir lieber dahin trachten, baß sie nicht das erstemal in diesen Fehler verfallen; es würde das höher, es würde das wichtiger sein. Wollen wir demnach dahin streben, daß größere Sittlichkeit u. s. w. stattfinde, daß dies in das Volk gebracht werde, bann werden die ersten Fehler nicht begangen werben; aber der zweite folgt gewöhnlich dem ersten leichter nach. Ich bin also in dieser Beziehung überzeugt, daß das Gebärhaus bald auf die Quantität herabsinken würde, welche in früherer Zeit vorhanden war. Das hat vom humanen Standpunkte gewiß eine günstige Folge in der einen Richtung; aber was das Unterrichtswesen anbelangt, so wird dasselbe in dieser Beziehung sinken. Man wird aber darauf antworten: das allgemeine Beste geht dem Unterrichtswesen vor. Ich weiß das sehr wohl zu würdigen und eben deswegen, um Mittel zu finden, diese zwei einander schroff gegenüberstehende Angelegenheiten zu ordnen, ist der Gesetzentwurf nicht zur vollkommenen Reife gebracht; und es muß eben die Commission entscheiden, ob und wie das Unterrichtswesen in dieser Beziehung sich künstig regeln wirb und muß. Wenn man aber sagt: nach dem Landesgesetze könne die Commission alle diese Angelegenheiten ordnen, so ist es, glaube ich, viel zu spät, und es wäre höchstens damit nachgewiesen, daß es jetzt nicht anders sein kann. Ich gehe nun zum 2. Punkte über, nämlich dem der Findelanstalt und was mit der Findelanstalt in Verbindung ist.

Meine Herren, der Antragsteller hat selbst darauf hingewiesen, baß das Findelinstitut mit dem Impfinstitute verbunden sei. Ich begreife es auch


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und muß, nachdem ich auch einige Erfahrung in dieser Richtung habe, mich gerade gegen das, was in den beiden, hier vorliegenden Broschüren enthalten ist und was auch der Herr Berichterstatter hervorgehoben hat, daß nemlich die meisten Er-krankungen und Todesfälle der Kinder in Folge der Krankheiten, die ich hier nicht erst repetiren will, im Findelhause vorkommen; es ist dies an und für sich nicht der Fall, wie es so grell hingestellt worden ist. ES würbe sich so von selbst verstehen, daß das ganze Impfinstitut von bort getrennt werden müßte, um eben dadurch die Gelegenheit zu bieten zur Vertreibung solcher Krank-heilen. Und ich wäre der erste, der sagen würde, es sei an der Zeit dasselbe nach allen Richtungen aufzuheben. Aber nachdem dieses nachgewiesener Maßen nicht der Fall ist, so muß wenigstens, bevor ein solches Gesetz ins Leben gerufen ist, gesorgt werden, wie denn eigentlich dieses Institut künftig organisirt werden müsse? Wenn auch jetzt Anbahnungen dazu getroffen sind, so sind sie doch zu keiner Reife gelangt, und es bedarf wieder weitläusiger Berathungen und eingehender Erhebungen, um das Impfwesen in so kräftiger Weise hinstellen zu können, wie es gebührt. Aber es hängt noch etwas mit dieser Angelegenheit zusammen; nemlich der Unterricht im Impfen besteht seit dem I. 1804 und 1805, endlich im I. 1821 nachdem das Gebär-haus erweitert worden ist, wurden ausdrückliche Gesetze gegeben, daß alljährlich den Medicinern ein Curs im Impfen zu geben sei und auch den Chirurgen, so lange die Lehranstalt bestände, und daß zugleich auch Uibun-gen vorgenommen werden, damit jeder junge Arzt und Chirurg ordentlich impfen könne, ja daß er praktisch sehen müsse und könne, wie der Verlauf der Vac-cina selbst sei; endlich daß er sich durch Revisionen überzeugen kann, ob die ganze Impfung gehaftet hat oder nicht gehaftet hat.

Wird das Findelhaus in dieser Richtung, wie es beantragt ist, aufgehoben, so ist über diese Belehrung abermals der Stab gebrochen, und es handelt sich darum, daß Mittel und Weg gefunden wird, um diese Belehrung dem Arzte zu Theil werden zu lassen, so lange überhaupt noch Impfan-stalten nothwendig sind. Man wirb einwenden, es wird ja das Institut nicht ganz aufgehoben, sondern es wird im Einzelnen noch fort bestehen. Das ist recht gut gesagt, aber gerade in dieser Beschränkung, wie sie in dem Antrage aufgestellt ist, wird man für eine Impfanstalt von dort aus nicht Sorge tragen können. Ich will damit nur betonen, daß gerade die commissionellen Erhebungen statt finden müssen, um unser Unterrichtswesen in geordneter Weise zu regeln. Ich gehe nun zu dem andern Punkte des Antrags über, den ich noch weiter hervorheben will, um ebenso wenigstens nur einiges zu widerlegen, was hier vorgebracht wurde. Es heißt in demselben, daß in England kein Findel-wesen existirt, und Herr Graf Thun hat es vor, züglich hervorgehoben und mit Recht. Es existirt dort kein Findelwesen. Ich nehme mir die Freiheit, etwas über London, was im Jahre 1861 in dieser Beziehung überall, theils im Auszuge theils im Ganzen in jedem medizinischen Werke zu lesen war, zu sagen.

An den Gerichtshöfen sind 72 Mordfälle von den eigenen Müttern vorgekommen, in ganz London sind 150 Kindern odt auf der Straße gefunden, 50 wegen Mangel an Aufsicht und Wege gestorben, 250 im Bette erstickt; das ist zusammen 522. Wie viel London Bewohner hat, brauche ich nicht zu sagen, wie viel Böhmen Bewohner hat, brauche ich auch nicht zu sagen. Die Verhältnißzahlen können sie alle und sie werden finden, daß in London vielmehr Morde vorkommen, als in ganz Böhmen. Da sind aber alle jene noch nicht gerechnet, welche durch die geheime Tödtung, das sogenannte Ver-schmachtenlassen umgekommen sind. Es ist in dem hohen Hause darauf hingewiesen worden, baß man keineswegs officiöse Tödtung ausüben muß, um bestraft werden zu können vor dem Publicum; sondern es kommt vor, daß das Verschmachtenlassen von Seite der Eltern geradezu auch den Tod des Kindes bedingt. Was Preußen betrifft, da brauche ich nichts zu sagen; es ist schon genug in dieser Beziehung hervorgehoben worden. Was noch den Punkt B. des Antrages des Landesausschußes betrifft, so erlaube ich mir nur etwas zu erwähnen, nämlich, daß schon seit dem Jahre 1854 die Heimats-Zuständigkeit aller derer, die sich in der sogenannten Gratisabtheilung befinden, zu ermitteln anbefohlen wurde, und daß man in dieser Beziehung Alles mögliche angestrebt hat, und alle Vortheile den Müttern dargeboten hat, welche ihre Kinder nach Hause nehmen wollen. Ich will nicht für das Bestehen des Findelhauses, wie es jetzt existirt, sprechen, es sei ferne von mir. Den Grund des Findelwesens, die Ursache des Findelwesens hasse ich, und ich werde demnach dafür hier nicht eintreten. Ich habe nur noch Einiges zu erwähnen, bezüglich dessen, was Seine Eminenz über Øepy gesagt hat, und über die Pfarrei und Aerzte auf dem Lande. Über Repy wurde nie der Stab gebrochen. Im Gegentheile es wurde gesagt: Repy ist eine gute, Repy ist eine löbliche Anstalt; es wurde nur gesagt, daß die große Anhäufung von Kindern, wenn nämlich in einem Saale gegen 30 bis 50 schlafen, jedenfalls der Gesundheit nicht zuträglich sein könne. Daß das also eine kleine Abänderung erleiden möge. Ich bin zu wiederholten malen in Repy gewesen; ich habe mich von der Pflege überzeugt, sie ist gewiß gut.

Es wurde gesagt, baß in sanitären Beziehung Vieles zu wünschen übrig bleibt; aber welches Institut hat nicht Mängel? und nachdem Repy erst seit Kurzem besteht, sollte es da nicht noch Fort-schritte machen können? Muß es immer auf demselben Standpunkte stehen? Ich bitte also das-jenige, was in dem Commissions- Antrage gesagt wurde, durchaus nicht in einer Repy selbst heruntersehenden Weise zu nehmen. Die Augenkrankheit


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hat dort geherrscht, und wie Seine Ercellenz schon gesagt hat, in bedeutender Weise.

Sie wurde aber nicht behoben, daß man die Kinder wo anders hin gegeben hat, sondern durch Vertheilung war es möglich die Augenkrankheit zu beherrschen Das ist aber nicht in Øepy allem der Fall sondern das muß überall geschehen. Endlich wenn es heißt die Pflegepartei müsse sich mit Zeugnissen ausweisen vom Vorsteher n. s. w., so ist dieß eine zu wiederholtenmalen beantragte und immer streng gehanbhabte Maßregel. Warum sie nicht zum Ziel geführt, mögen vielleicht die Gründe Sr. Eminenz die richtigen sein.

Jedenfalls liegt aber noch etwas anderes zu Grunde, was nicht vor das hohe Haus gehört.

Der Arzt kann nicht die Kinder überwachen und der Kreisarzt hat zweimal im Jahre Besuche abzustatten. ES ist hier nicht der Bezirksarzt, denn wir haden ja noch gar keinen, aber jeder Arzt an Ort und Stelle hat die Pflicht sich der Kinder an-zunehmen, und auch haben wir öffentliche Findelaufseher, welche in dieser Richtung ihre Maßnahmen treffen sollen. — Daß das Institut seine bedeutenden und großen Mängel hat, hat wohl niemand besser gefühlt als jene, welche in dieser Richtung die Initiative zu ergreifen geneigt waren. Daß aber diese Angelegenheit bis jetzt nicht spruchreif sein kann, so baß sie endlich nach meinem Dafürhalten durch ein Landesgesetz hätte geregelt werden können, sondern daß sie nach meinem Dafürhalten eine Reichsangelegenheit sei und durch ein Reichs-gesetz geregelt werben müssein allen Ländern Oesterreichs, das, meine Herren, dürfte sich vielleicht von selbst verstehen (Bravo).

-Dr. Jaksch: Hoher Landtag! Im Wider-spruche mit dem größten Theile meiner Collegen habe ich den Antrag des Landesausschußes bezüglich der Auflassung des Findelhauses mit Freuden begrüßt (Rufe: Laut!), denn seit lange her bin ich von der Uiberzeugung durchdrungen, daß diese Anstalt, so edel auch die Absicht derjenigen gewesen sein mag, welche dieselbe gründeten, so edel auch die Absichten derjenigen sein mögen, welche dieselbe vertheidigen, denn doch nicht den Namen einer Humanitätsanstalt verdiene, indem sie das Wohl derjenigen, für welche sie bestimmt ist, anstatt zu fördern, vielmehr untergräbt. Ich will nur das mit, theilen, was ich selbst bezüglich dieser Anstalt erfahren habe. Ich glaube in der That. daß die Findelanstalt, wie sie gegenwärtig ist, große Nachtheile bringe: 1.) Den Findlingen selbst, 2.) den Muttern, 3.) dem Lande und 4.) daß sie den positiven Gesehen widerspreche. Was zunächst die Findlinge selbst betrifft, so ist es vor Allem die große Sterblichkeit, welche ich hauptsächlich der Anstalt selbst zur Last lege. Diese Sterblichkeit beträgt um 23 bis 30 % mehr als bei Kindern, in derselben Altersperiode außer der Findelanstalt. Man hat zur Erklärung dieser großen Sterblichkeit dazu seine Zuflucht genommen, daß man sagte: Mütter, welche durch chronische Leiden, durch Syphilis, Tuberculose durch Gram, Kummer, Sorge und Noth herabgekommen sind, können nur schwächliche und wenig lebensfähige Kinder zur Welt bringen.

Ich muß dies in Abrede stellen. Was zunächst die Syphilis anbelangt, so ist es Thatsache, daß die Prostitution hier, wie überall nur ein sehr geringes Kontingent zu den Gebär- und Findel-anstalten stelle. Was die chronischen Leiben anbelangt, welche diejenigen häufig an sich tragen sollen, die zur Gebäranstalt ihre Zuflucht nehmen, so muß ich d!eß ebenfalls in Abrede stellen. Ich habe a!S Primärazt der Krankenanstalt Gelegenheit gehabt, mit Hunderten der Personen in Berührung zu kommen, welche in der Gebäranstalt entbunden hatten und ich müßte von der Wahrheit abweichen, wenn ich etwas anders sagen wollte, als daß es meist kräftige, im jugendlichen Alter stehende Individiuen gewesen seien, was auch leicht begreiflich ist, wenn man bedenkt, daß es zumeist Dienstboten sind, welche zu der Gebüranstalt ihre Zuflucht nehmen. Man hat ferner gesagt, daß die Schwangeren,' welche die Gebäranstalt aufsuchen, durch Gram und Kummer und Noth herabgekom-men sind; auch dagegen muß ich mich aussprechen. Vor Allem muß ich fragen, ist denn die Lage derjenigen Schwangeren, die auf dem Lande entbinden, eine andere? Warum sollten die Gemüthsaffecte gerade denen, welche in Prag entbinden, so nachtheilig sein? Uebrigens schützt der Leichtsinn vor den üblen Folgen dieser Affecte, (große Heiterkeit, mit Zustimmung links) baß der Affect nicht so groß sei, dafür spricht der Umstand, daß es häufig vorkommt, daß dasselbe Individuum 2-, 3-, 4- bis 8mal zur Gebäranstalt seine Zuflucht nimmt. Wenn ich mich über den Grund der großen Sterblichkeit in der Findelanstalt erklären soll, so ist meine Ansicht folgende: Die Mutter und das neugeborene Kind sind Verwundete, das Kind trügt die Nabelwunde, die Mutter die Uteruswunde an sich und es ist eine bekannte Thatsache, daß, wenn in Spitälern Verwundete gehäuft werden, wie z. B. in Kriegsspitälern, die Luft in den Krankensälen eine Verderbniß erfährt, welche macht, baß oft nur geringe und an sich gefahrlose Wunden, bösartig brandig und todtbriugend werden; und eben so ereignet es sich bei Neugeborenen und Wöchnerinnen in den ersten Tagen nach der Entbindung. Anstatt einer gutartigen heilenden Entzündung der Nabelwunde, tritt Eiterung, Verjauchung und selbst Brand in derselben ein. (Unruhe, Rufe: zur Sache, Gelächter.) Meine Herren, wollen sie das nicht als eine Hypothese ansehen, was ich angebe (Heiterkeit), durch pathologisch-anatomische Untersuchungen ist dies festgestellt worden, welche Dr. Milbner und Dittrich anstellten zu einer Zeit, als die Sterblichkeit unter den Findlingen groß war.

Ich selbst habe im Jahre 1856, als gerade die Sterblichkeit in der Findelanstalt groß war, die Untersuchungen an einer Reihe von Kindesleichen wie-

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derholt. Ich muß es bestätigen, daß bei mehr als vier Fünftel der untersuchten Leichen als Todesursache das aufgefunden wird, was ich hier eben erwähnt. Ich glaube hiemit erklärt und bewiesen zu haben, baß die Anhäufung von Neugeborenen und Wöchnerinnen in der Gebär- und Findelanstalt die Lebensgefahr mit sich bringe.

Nicht minder schlimm ergeht es den Findlingen bei ihren Pflegeeltern. Es ist gewiß, daß bei der Pflegeeltern eine größere Anzahl von Kindern zu Grunde geht, als von Kindern, welche von der eigenen Mutter verpflegt werden. Ich habe mir eine klare Uebersicht zu verschaffen gesucht, wie viel denn eigentlich von den Kindern in der Findelanstalt nach einer Reihe von Jahren übrig bleiben, und ich habe zu diesem Zwecke die Zahlen der Broschüre des Herrn Dr. Grün entnommen. Ich habe die Periode von 1853 bis 1862 gewählt, well für diese die Daten die verläßlichste sein bürsten. Der Schluß liegt ganz nahe, daß, well die Findelanstalt die Kinder durch 10 Jahre in Obsorge hat, die Summe derjenigen Kinder, welche mit Ende des 10. Jahres noch in Verpflegung sind, die Summe derjenigen darstelle, welche nach 10 Jahren noch am Leben find.

Es fanden vom Jahre 1853—62 in der hiesigen Gebäranstalt 28570 Geburten statt, mit Ende 1862 befanden sich von den Findlingen in aus-wärtiger Pflege 2874 in der Findelanstalt und in Øepy zusammen 3024; das gibt die Summe von 5878. Rechnet man zu diesen Findlingen die Zahl derjenigen, welche innerhalb dieser 10 Jahre recla-mirt und als eigen angenommen wurden, mit 1526, so ergibt dieß die Sümme von 7422 als Bestand der Findlinge nach 10 Jahren. Zieht man diesen Bestand von der Zahl der Geburten ab, so ergibt sich ein Deficit von 21146 Kindern. (Hört!) Meine Herren, wenn allen Kindern im Lande das gleiche LooS beschieden wäre, wissen Sie, daß in 3 Decennten die Population von Böhmen auf 1 Million und circa 400,000 herabgesunken sein würde?

Doch wollen wir die Tobten lassen und uns an die Lebenden halten, und sehen, wie die Kinder bei den Pflegeeltern gedeihen, und da tritt uns eine große körperliche und geistige Verwahrlosung entgegen.

Was insbesondere die körperliche Verwahrlosung. anbelangt, so kann ich als Beleg hiefür eine Thatsache mittheilen.

Im vorigen Iahte wurde der Verein zum Wohle hilfsbedürftiger Kinder angegangen, die resti-tuirten Findlinge in seine Obsorge zu nehmen. Dieser Verein versorgt bloß gesunde Kinder, kranke weiset er zurück. Als nun der Arzt des Vereins die aufzunehmenden Findlinge untersuchte, da ergab sich, daß an 4/3 derselben wegen der elenden Körperbeschaffenheit zurückgewiesen werden mußten.

Was die moralische Verwahrlosung anbelangt, so kann ich auch da zahlen geben, die belehrend sein dürften.

Ich habe mich bei dem Vereine für das Wohl entlassener Findlinge erkundigt; dieser Verein hat vom Jahre 1850 bis gegenwärtig 195 Zöglinge aufgenommen. Von diesen Zöglingen ist bei 42 folgende Anmerkung zugesetzt, sie sind als Findlinge bezeichnet aus dem Präger Findelhanse, von wo sie an die Pflegeeltern übergeben, von diesen aber zum Betteln und Vagiren angehalten, entweder so schlecht verköstigt wurden, daß sie davon liefen, ober geradezu weggesagt und in die weite Welt hinausgestoßen wurden mit dem Bedeuten, daß sie ferner für sich selbst sorgen müssen.

Wenn man, meine Herren, die weisen und ausgezeichneten Gesetze und Bestimmungen lieft, die bezüglich der Uebergabe der Findlinge an Parteien, bezüglich der Pflege derselben hohen Ortes erlassen wurden, so muß man sich in der That wundem, wie derlei Resultate zum Vorschein kommen, und es beweisen diese Resultate eben nur, daß die Gesetze nicht beobachtet worden. Einen ebenso großen Schaden wie den Kindern, bringt auch die bisherige Findelversorgung den Müttern. Man hat eingewendet, baß mit Auflassung der Finbelanstalt die Frucht-abtreibung, die Weglegung des Kindes, der Kindesmord häufiger sein werben: ich fürchte dieß nicht, und den Beweis hiefür liefert der Umstand, daß, obgleich in Böhmen zehnmal mehr uneheliche Kinder außerhalb der Gebär- und Findelanstalt zur Welt kommen, trotz dem von zahlreichen Fällen von Kindesmord nichts zu hören ist. Was insbesondere die Fruchtabtreibung anbelangt, so steht sie mit dem Findelhause in keinem Zusammenhange; die Frucht-abtreibung wird gewöhnlich vorgenommen zu dem Zwecke die Schwangerschaft zu verheimlichen, somit im den ersten Monaten den Schwangerschaft. Ich weiß nicht, meine Herren, ob dieses Verbrechen in jenen Ländern, wo noch Findelanstalten bestehen, seltener oder häufiger ist, als in den Ländern, wo sie nicht bestehen, daß es jedoch in den Ländern, wo Findelanstalten bestehen, nicht fehle, davon glaube ich überzeugt zu sein. Die Fruchtabtreibung in späteren Monaten ist weniger zu besorgen, da die Schwangerschaft bereits offenkundig geworden ist und das Verbrechen, wenn es begangen würde, leicht entdeckt werden könnte.

Wenn vor der Einführung der Findelanstalten der Kindesmord so häufig vorkam, so lassen sich dafür ganz andere Ursachen anzuführen. Zufolge eines Vorurtheils, welches damals im Volke herrschte, waren die unehelichen Schwangeren und Mütter entehrenden Strafen und Mißhandlungen ausgesetzt; Furcht und Angst, vor diesen ehrenverletzenden Strafen war es, die die Mütter zur Verzweiflung und zum Kindesmorde trieben. Das war es ja auch, was die edle und weise Kaiserin Maria Theresia bewog Gesetze zu erlassen zum Schuhe der unglücklichen Gefallenen; wie viel aber diese Gesetze vermögen, beweist der Umstand, daß diese Mißhandlungen der unehelichen Schwangeren und Mütter bis in dieses Jahrhundert hineinreichen.


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Der Kindesmord kömmt auch in Prag und in dessen Nähe vor, obgleich die Findelanstalt hier besteht, und ich glaube in der That, daß es richtig sei, was die Erfahrung herausgestellt hat, daß das Verbrechen meistens in einem Zustande von Sinnen-verwirrung begangen werde, die eher eine Folge des schmerzhaften Geburtsaktes ist, als der Ueberlegung der Noth und Schande, die nun bevorsteht.

Wenn ich gegen die bisherige Findelverpflegung spreche, so will ich keineswegs damit ausgesprochen haben, daß auch die Gebäranstalt beseitigt werden solle, im Gegentheil, sie muß und wird bleiben. Ich möchte sogar, baß auch den armen Schwangern auf dem Lande, die von allen Mitteln entblöst sind, Gelegenheit geboten werde, sich den Geburts-alte mit Ruhe und bequem unterziehen zu können.

Man hat ferner eingewendet, wenn eine Person mit ihrem Kinde in ihre Heimat zurückkehre, sie abgesetzen von der Schande, einer harten Behandlung ausgesetzt sein werde. Was zunächst die Schande anbelangt, so glaube ich nicht, daß es Aufgabe der Landesvertretung sei, dafür zu sorgen, daß die moralische Folgen eines Fehltrittes von dem abgewendet werden, der sich denselben hat zu Schulden kommen lassen; was die harte Behandlung anbelangt, so besorge ich weniger von derselben. Unser Volk ist gutmüthig und religiös und deshalb hoffe ich, daß die schöne Lehre, welche in der Erzählung vom Verlornen Sohne liegt, nicht bloß zu dem Ohren, sondern auch zu den Herzen desselben gedrungen fei.

Erwägen Sie aber auch noch die Vortheile, welche der Mutter daraus erwachsen, daß sie das Kind bei sich behält und für dasselbe sorgen muß.

Es ist eine Erfahrungssache, daß Hie Muttergefühle, auch wenn sie tief schliefen, nach und nach rege und wach werben, wenn die Mutter für ihr Kind sorgen und sich mit ihm abgeben muß; und ist geschieht es, daß das, was ihr als eine Last, als ein Unglück erschien, sehr bald ihre Freude, ihr Glück wird. Hat die Mutter das Kind lieb gewonnen, so ist es die Sorge für dasselbe, welche sie zur Thätigkeit und zu einem ordentlichen Lebens-wandel anspornt.

Gewiß, meine Herren, gibt es kein besseres Mittel, den Leichtsinn der Mutter zu heilen, als die Sorge um ihr Kind. Persigny erwähnt desgleichen, daß selten eine uneheliche Mutter, die ihr Kind mit sich genommen hat, zum zweitenmale schwanger geworden sei.

Ferner ist es gerade das Kind, welches in Vielen Fällen das lockere Band zwischen den unehelichen Eltern fester knüpft und zur Ehe führt.

Endlich wird das uneheliche Kind nicht selten die Stütze der Mutter im Alter. Eine Mutter, die für ihr Kind zu sorgen hat, thut dies besser, als die Pflegemutter, ihr liegt daran, daß aus dem Kinde etwas werbe; daß es die Kirche und die Schule besuche. Richt selten ragt ein solches Kind durch geistige Anlagen hervor.

Ein edler Seelsorger, ein Schulaufseher oder ein wohlhabender Ortsbewohner wird aufmerksam auf das Kind und unterstützt dasselbe; wir haben Beispiele, daß derlei Kinder zu höheren Stellungen in der Gesellschaft gelangten, ja eine Zierde derselben und die Stütze ihrer Mütter geworden sind.

Ich glaube daher, meine Herren, daß der Sah, welcher in der Schweiz und England so hochgehalten wird, daß Kind und Mutter nicht getrennt werden sollen, auch bei uns zur Geltung kommen müsse, will man sich nicht an beiden versündigen.

Ich habe noch zu beweisen, baß die bisherige Findelversorgung auch dem Lande nachtheilig ist, der Nachtheil liegt darin, daß die bisherige Verpflegung mit sehr großen Auslagen verbunden ist, ohne baß damit das Wohl der Findlinge und Mütter gefördert wird. Man sagt freilich, eine Reorganisation ist nothwendig, worin aber soll diese bestehen? Sie kann nur darin bestehen, daß man eine großartige neue Findelanstalt aufbaut, daß man die Entlohnung der Berpflegsparteien vermehrt, und eine bessere und bezahlte Controle einführt. Wie weit sich damit die Auslagen steigern müßten, ist leicht abzusehen.

Noch etwas muß hervorgehoben werden, es gibt nemlich viele Orte und Gegenden in Böhmen, aus welchen noch nie eine schwangere Mutter in die Prager Gebäranstalt kam, um ihren Findling daselbst abzugeben. Warum sollen die Orte mitbeitragen zur Erhaltung einer Anstalt, die für sie eigentlich gar nicht besteht.

Endlich scheint mir noch die bisherige Findel-Verpflegung mit dem §. 137 B. G. B. im Wider-spruche zu sein. Es heißt nemlich dort, zur Verpflegung des unehelichen Kindes ist der Vater verbunden. Wenn dieser nicht im Stande ist, die Kosten für das Kind zu erschwingen, fällt die Last auf die Mutter."

Ich weiß keinen Grund, warum von einem so weisen Gesetze abgegangen werden sollte. Wenn jedoch auch die bisherige Findelverpflegung aufgegeben werden sollte, so wirb doch die Versorgung von gewissen Findlingen noch fortbestehen müssen, solchen nemlich, die ausgesetzt wurden, also wahren Findlingen ; ferner solchen, deren Mütter während aber kurz nach der Entbindung gestorben sind, und endlich Findlingen von Müttern, die wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen unfähig sind, ihre Kinder selbst zu pflegen. Die Zahl dieser Findlinge wirb nicht so groß sein, und gewiß werden die Interessen des Findelfondes mit einer gewiß nicht gar großen Beisteuer aus Landesmitteln hinreichen, den Kindern eine gehörige Verpflegung und Erziehung zuzuführen.

Ich stimme daher dafür, es möge im Prinzip die Auflassung der bisherigen Findelverpflegung ausgesprochen werden. Da jedoch die plötzliche Auflassung Schwierigkeiten haben und zu Collisionen fuhren dürfte, so stelle ich ferner den Antrag: Der Landesausschuß werde ermächtigt und beauftragt, den Zeitpunkt wann und die näheren Moda-

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dalitäten, unter welchen dieses Gesetz zur Ausführung zu gelangen hat, im Einvernehmen mit der l. k. Statthalterei (Bravo) festzustellen. (Rufe: Schluß, andere Stimmen: nicht Schluß.)

Oberstlandmarschall: Es ist Schluß der Debatte beantragt worden, ich bitte diejenigen Herren, die für den Schluß der Debatte sind, aufzustehen. Bitte meine Herren, auf ihre Plätze zu gehen, weil ich über den Schuß der Debatte abstimmen lassen muß.

Dr. Hanisch: Nur Unterbrechung der Sitzung.

Oberstlandmarschall: Wir müssen zuerst über den Schluß der Debatte abstimmen und dann erst weiter gehen. Ich bitte diejenigen Herren, die für den Schluß der Debatte sind, aufzustehen (geschieht). Majorität!

Nachdem der Schluß der Debatte ausgespro-ist, so werde ich die Sitzung auf eine Stunde unterbrechen und dann dem Berichterstatter das Wort ertheilen.

(Eine Stunde Unterbrechung.)

Oberstlandmarschall: Herr Schulrath Maresch ist noch als Redner vorgemerkt. (Rufe: Er ist nicht da.) Wenn er nicht da ist, so verliert er nach der Geschäftsordnung das Wort.

(Rufe ja, ja.)

Ich werde dem Berichterstatter das Schlußwort ertheilen.

Graf Franz Thun: Meine Herren! Indem ich als Berichterstatter im Namen des Landesaus-schußes das Wort ergreife, um das Resultat der Verhandlung zu reasummiren, will ich im Kurzen 2 Bemerkungen Sr. Eminenz des Herrn Erzbi-schofs berichtigen. Ich muß bemerken, daß die Waisenhäuser in München und Dresden nicht wie Se. Eminenz erwähnte, Landes, sondern Stadtanstalten sind, und daß die Erwähnung der Mängel der Anstalt in Øepy, welche in dem Berichte des Landesausschußes vorkommt, und die auch der Hr. Regierungsrath Löschner als in diesem Berichte vorkommend bezeichnet hat, aus dem in dem Eingange dieses Berichtes citirten Dienstschreiben der Statthalterei wirklich abgeschrieben ist, daß ferner der Landesausschuß auch weit entfernt ist, der Anstalt den Vorwurf zu. machen, als seien der Verpflegsgebühren in Øepy an sich zu hoch; er , hat in seinem Berichte nur eben den durch die Restituirung und die Unterbringung restituirter Findlinge herbeigeführten Mehraufwand hervorheben wollen.

Ich gehe zur Erwiederung der Einwendungen derjenigen Herren über, die dem Berichte des Lan-desausschußes entgegengetreten sind. Ich habe in Betreff der beiden Broschüren einige in denselben vorhandenen Unrichtigkeiten aufzudecken, mich für verpflichtet erachtet, ein Bestreben, in dem der Herr Statthaltereirath Dr. Löschner mich wesentlich unterstützte, indem er selbst eben auch bestätigte, daß in England eine offiziöse Findelverpflegung nicht existire und 2. daß die Mehrzahl der in der Fin-delanstalt sterbenden Kinder nicht in Folge ererb-ten Krankheiten und an angeborener Schwäche sterben, also bei beiden Behauptungen gerade so wie ich es als absolut, als falsch bezeichnete.

Der erste Redner hat getrachtet, mir in dem Berichte des Landesausschußes, und namentlich in meinem mündlichen Vortrage, den ich als Berichterstatter des Lanbesausschußes gehalten, eben auch Unrichtigkeit nachzuweisen. Er hat angeführt, daß der Umstand, daß die Nachlassenschaft der in den Gebärhäusern verstorbenen nicht groß sei, allein genüge nur zu beweisen, daß sie diese Anstalt nur aufsuchen, wenn die Unmöglichkeit sich mit dem Kinde fortzuhelfen schon vorliege.

Meine Herren! die Nachlassenschaft ähnlicher Eltern ist auch oft unbedeutend, und auch hier hin-dert das nicht, daß es möglich wäre, sie mit ihren Kindern durch ihre Arbeit doch durchzubringen.

Herr Dr. Tedesco hat ferner gesagt, baß in einem eben auch von mir gearbeiteten Berichte die Versehung einer Mutter in die Gebäranstalt absolut ein Tobesurtheil genannt werbe. Ich vermuthe, das ist ein Vortrag, den der Landesausschuß zur Rechtfertigung seiner Einwilligung zu dem bereits früher vom Ministerium genehmigten Bau einer neuen Gebäranstalt an den Landtag gerichtet hat, und der der Budgecommission zugewiesen worden ist. Ich muß darauf erwidern, daß es allerdings meine Ansicht ist, daß das hiesige Gebärhaus, namentlich zur Zeit in demselben herrschenden Puerperal -Fieberepidemien, sowie das hiesige Findelhaus wahre Mordanstalten sind, und baß der Eintritt in dieselben nicht absolut, aber annähernd zu gewissen Zeiten einem Todesurtheil gleich komme. Ich muß aber dabei bemerken, daß dieses eben dem Publikum nicht bekannt ist, na-mentlich nicht unter den Classen, die in der unentgeldli-chen Abtheilung des Gebärhauses Zuflucht finden, weil eben diese keine statistischen Daten und leine Zeitung lesen, daß also auch die Wahrheit meiner Ansicht über beide Anstalten noch gar lein Beweis wäre, daß die Armen sich in solche Gefahren doch um ihre Kinder zu retten begeben können — zumal als sie diese Rettung dann mit Rücksicht auf die gleiche den Kindern im Findelhause drohende Gefahr nicht einmal erwarten könnte!

Die Haupteinwürfe, die Dr. Tedesco dem Vorgange des Landesausschußes in dieser Angelegenheit machte, sind aber folgende: der Landesausschuß sei ganz abweichend von den Uebungen, die er in allen Fällen bezüglich der dem Landtage vorzulegenden Gesetzentwürfe beobachtet habe, darüber hinweggegangen; für den Zweck der Erhebung dessen, was in Beziehung auf das Findelwesen nöthig ist, eine eigene Commission zusammenzustellen; der Landesausschuß habe es ferner versäumt, von der in dieser Sache vorzugsweise competente Autorität, der medicinischen Facultät ein Gutachten abzuverlangen. Nun, meine Herren, die Erklärung und


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Rechtfertigung dieses Vorganges des Landesaus-schußes scheint mir sehr einfach und leicht.

Die Zusammensetzung einer Commission ist dort, wo es sich um einen Entwurf von gesetzlichen Bestimmungen handelt, die sich an den verschiedenartigen Verhälnissen aller Gegenden Böhmens anpassen sollen, handelt, allerdings nothwendig, und der Landesausschuß wird sich der unbefangendsten Würdigung der möglichsten Beleuchtung eines solchen Gegenstandes nie entschlagen, und es nie unterlassen, sich über das Für oder das Widerunter Beiziehung von Fachmännern, wo derselbe irgend nöthig ist, so viel als mög-lich zu lnftruiren. Ich erlaube mir aber zu bemerken, baß es etwas ganz anderes ist, wo es sich um die Entscheidung einer principiellen Frage handelt, deren Beleuchtung nach dem Verhältniße der verschiedenen Landestheile durchaus nicht nothwendig ist, eigentlich nur um ein Princip, das sich auch aus gewissen socialpolitischen und philosophischen Grundsätzen von selbst ergibt, und um einige gesetzliche Bestimmungen, die dann aber nur die unausweichliche Conse-quenz dieses Principes sind.

Wenn der Landesausschuß in solchen Fällen eine Commission berufen wollte, so müßte er sie ans Socialpolitikern, Philosophen usw. bilden (Oho links), und da würde er nicht viel weiter kommen. In solchen Fällen muß der gesunde Menschenverstand, die gesunde Logik entscheiden. Sie haben durch Wahl 8 Männer in den Landesausschuß berufen, in welche Sie gewiß das Vertrauen sehen, daß sie in solchen Fällen mit Vernunft und Unbe-fangenheit und gewiß nicht nach einer vorgefaßten Meinung vorgehen werden. Was aber das Gutachten der medicinischen Facultät betrifft, so erlaube ich mir zu bemerken, daß nach meiner Meinung die Frage durchaus nicht eine rein oder auch nur vorzugsweise medicinische ist, wohl aber hat sie ihre medicinischen Seiten nemlich da, wo das Findel-wesen mit dem Unterricht in der Geburtshilfe in nähere Berührung tritt, und in dieser Beziehung wird ein Einvernehmen mit der medicinischen Fa-cultät unerläßlich sein, sobald es sich um die Durchführung des zu beschließenden Gesetzes handelt, um dabei jedem Nachtheile für den Unterricht möglichst vor. zubeugen. Das kann aber in der principiellen Entscheidung der Frage nichts ändern, sondern hat eben nur auf die Modalitäten der Durchführung Einfluß. Ueberdieß erlaube ich mir zu bemerken, daß, wenn in dieser Frage die medicinische Facultät vorzugsweise kompetent ist, es doch auffallend erscheinen dürfte, daß die medicinische Facultät, deren hier anwende Mitglieder ebenfalls die enormen Gebrechen der hiestigen Findelverpflegung eingestanden haben, nicht schon längst die Initiative einer gründlichen principiellen Reorganisirung derselben ergriffen hat. Der Herr Redner hat überdieß gesagt, daß die Sache nur theoretisch beleuchtet wurde, und deßhalb noch nicht spruchreif sei. Auch dem muß ich widersprechen. Die Sache ist allerdings, was das Princip betrifft, vor allem theoretisch beleuchtet worden, aber über das Princip läßt sich nur auf Grundlage einer gefunden Logik, mit dem Verstaube also theoretisch urtheilen.

Die Daten aber, welche zu einer Reorganistrung des Institutes nothwendig drängen, die dann eine principielle sein muß, die liegen aus der Erfahrung in reichem Maße vor. Der Landesausschußbericht enthält Daten, welche sich aus der Erfahrung ergeben haben, auch hat er dieselben nicht selbst geschaffen, sondern sie sind ihm von der Statt-halterei in ihrem officiellen Schreiben zugekommen. Ich übergehe nun auf die Rehe einer jedenfalls sehr einsichtigen Autorität, auf die des Herrn Medicinal und Regierungsrathes Dr. Löschner, der überdieß ausdrücklich erklärt hat, in der Eigenschaft eines Vertreters der medizinischen Facultät zu sprechen. Vor allem andern muß ich mich und der Landesausschuß feierlichst gegen den Vorwurf verwahren, welchen er ausgesprochen hat, indem er erklärte, es scheine, als ob die medicinische Facultät vor dem Forum des Landesausschußes keine Gnade gefunden habe, da dieselbe bei der über die Findel- und Gebäranstalt vom Landesausschuße eingeleiteten Enquette gar nicht befragt und nicht zugezogen worden sei, diese Ehre vielmehr nur 2 Ausländern zu Theil geworden sei. Nun, meine Herren, ich glaube, Niemand von Ihnen wird den Lan-desausschuß im Verdacht haben, daß er auf, unsere berühmte medicinischen Facultät die so viele und eminente Kräfte von europäischen Ruf in ihrer Mitte zählt, und die nicht nur für die Krankendes Landes, sondern durch die Ausbildung so vieler, die hiesige' Universität besuchender fremder Aerzte auch für die Kranken des Auslandes so segensreich wirkt, weniger stolz ist, als Jeder von Ihnen. Ich muß aber noch dazu bemerken, baß die vom Hrn. Statthaltereirach, gegebene Darstellung des Vorganges, aus der derselbe den obigen Schluß zieht, das thatsächliche Verhältniß durchaus nicht richtig schildert. Die von Hm erwähnte Enquete betraf gar nicht das Findelwesen, sondern lediglich die Gebähranftalt, und wurde nur eingeleitet, um dem Landesausschuße über gewisse für den Neubau eines Gebärhauses maßgebenden Fragen Beruhigung zu verschaffen. Ueber diese Fragen lagen dem Landesausschuße bereits die Voracten vor, unter welchen Acten sich auch das Protokoll einer unter der Theilnahme des Landesprotomedicus über denselben Gegenstand bei der Statthalterei abgehaltenen ärztlichen Conferenz befand. Die Meinung der hiesigen Aerzte und mehrerer Coryphäen der hiesiger medicinischen Facultät über die Frage, um die es sich damals handelte, war also dem Landes-ausschuße schon so ziemlich bekannt. Trotzdem hat der Landesausschuß die Enquete-Commifsion aus drei einheimischen Aerzten, und ich glaube, daß dieselben wohl werth sind genannt zu werden, und daß wir auf sie stolz sein können, nemlich aus den Herren Professoren Oppolzer, Rokitanský, Skoda und aus drei Ausländern, nämlich den Hrn. Professo-


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ren, Virchow,Heser Und Schwarz gebildet, und alle diese Herren waren, die in Wien befindlichen sogar zweimal dringend ersucht worden, sich bei der Enquete wo nur immer möglich persönlich einzufinden, allein alle bis auf zwei haben dieser Einladung we-gen verschiedener Hindernisse keine Folge leisten zu können erklärt, indem sie jedoch alte ausführliche überaus werthvolle schriftliche Äußerungen einsandte. Ganz zufällig sind also nun die beiden Herren Prof. Hecker aus München und Prof. Schwarz aus Göttingen persönlich gekommen. Zufällig kam bei der Verhandlung über den Neubau eines Gebärhauses auch die Findelverpflegung zur Erwähnung und ich habe mich als Referent für verpflich-tet erachtet, die von diesen 2 Aerzten, die eben nicht in den diesigen Zuständen befangen und an die Existenz der Findelanstalt gewohnt find, über die Findelhäuser geäußerte Ansicht in dem Berichte des Landesausschußes mit zu erwähnen. Der Landesausschuß hat sich also keines wie immer gearteten Mangels an der, der hiesigen medicinischen Fa-culität oder der hiesigen Aerzte überhaupt irgend nur gebührenden Achtung schuldig gemacht. Nach dieser Abwehr gehe ich zur eigentlichen Erwiederung der vom Herrn Protomebicus gegen den Antrag des Landesausschußes angeführten Gründe über. Der Herr Protomedicus hat sich vor Allem auf jenen Ministerialerlaß berufen, welcher die Uebergabe der Gebär- und Findelanstall an den Lan-desansschuß gewissermaßeu normirt und namentlich hervorhebt, baß diese Uebergabe der Verwaltung auf keinen Fall dem Bedürfnisse des Unterrichte-Abbruch thun dürfe. Der Herr Medicinalrath hat ferner gesagt, daß dieser Unterricht aber durch Aufhebung der Verbindung der Findelverpflegungswe-sens mit der Gebäranstalt, möglicherweise Abbruch erleiden könnte, obwohl er selbst gestand, daß er durchaus nicht behaupten könne, ob nach Aufhebung der offiziösen Findelverpflegung das Gebärhaus wirklich weniger frequentirt sein werde als jetzt. Die beiden Richtungen, nach welchen hin die Aufhebung der Verbindung der Findelverpflegungs-mit der Gebäranstalt, wenn dieselbe einen geringeren Besuch der Letzteren zur Folge haben sollte, dem medicinischen Unterricht Abbruch thun würde, sind ach der Darstellung des Herrn Medicinalrathes folgende: 1. wäre es möglich, wenn das Gebär-haus nicht genügend besucht würde, daß nicht die nöthige Anzahl von Geburten vorhanden wäre, um dann auch ferner noch dort den Unterrichtin der Geburtshilfe für Aerzte und Hebammen ertheilen zu können.

2. Aber sei das Impfinstitut und der Unter-richt in der Impfung an die Eristenz der Findel-Anstalt in ihrer jetzigen Ausbehnung verbunden, und werde bei Aufhebung des Findelhauses nicht mehr möglich sein. Ich muß nun beide diese Ein Wendungen als nicht stichhältig bezeichnen und glaube dieß vollkommen nachweisen zu können. Was den Unterricht in der Geburtshilfe betrifft, so muß ich doch bemerken, daß es sich vor allem um den Unterricht der einheimischen Aerzte handelt, und daß diesem Zwecke ein etwas geringeres Material auch noch entsprechen würde. Aber. meine Herren! Noch auf etwas muß ich Sie aufmerksam machen: Das Unterrichtsmateriale in den Kranken- und Geburtshäusern sind lebende Menschen; daß dieses Material, wo Kraule vorhanden sind, zu Unterrichts-zwecken benützt wird, ist gewiß seht weise und jeder Mensch wird dem gewiß seinen vollen Beifall schenken. Ich möchte aber doch fragen, ob, wenn es nachgewiesen ist, daß die Verbindung der Fin-delanstalt mit der Gebäranstalt für die Mütter nach-theilig ist, daß sie den Kindern offenbare Gefahre., der Gefahr des eines massenhaften Todes und späterer geistigen und körperlichen Verkümmerung aussetzt, ob es dann unsere Pflicht ist, diese Verbindung aufrecht zu hatten, und diese Gefahren ignoriren, bloß um eine Masse von Unterrichtsmaterial für den Unterricht in der Geburtshilfe herbeizuschaffen. Meine Herren! In derselben Weise müßten wir, wenn gewisse Krankheiten nicht existiren würden, sie hervorrufen (Oho! links), ganz in derselben Weise. Meine Herren, mein Schluß ist lediglich richtig, ich trete der Anficht keines der Hrn. Redner entgegen, aber beleuchte nur die Consequenzen ihrer Angaben.

Ich trete gewiß der Anficht keines Redners nahe, aber mir scheint, daß der Schluß wegen der Nothwendigkeit des Unterrichtsmaterials müßte das Fin-belwesen aufrecht erhalten werden, auch wenn es mörderisch ist für die Kinder, falsch ist. (Bewegung Oho — )

Wir müßten da, wenn es an syphilitischen Krankheiten mangelt, zur Verbreitung der Syphilis schreiten.

(Rufe: Oho! Oho!)

Das sind die Consequenzen, ich bitte mir die Inconsequenz meiner Schlußfolgerung nachzuweisen.

Die Impfanstalt und der Unterricht in der Impfung wird aber durch die vom Landesausschuße beantwortete Beschränkung der Findelanstalt gar nicht bewährt. Es besteht auch jetzt die Vorschrift, daß jedes Brustkind am 9. Tage an Pflegeparteien auf das Land abgegeben werde und geschieht dieß nicht, so ist es nur wegen dem Mangel an sich meldenden Pflegeparteien, einem Mangel, auf dessen Beseitigung die Behörden fortwährend dringen. Nun nach dem Antrage des Landesausschnßes sollen die Kinder ja auch bis zum 9. Tage in der Anstalt bleiben, und am 9ten Tage nur statt mit einer Pflegepartei, mit der Mutter dieselbe verlassen.

Wenn die Kinder, wie es jetzt gesetzlich ist und worauf die Findlingsaufsicht und auch die Statlhalterei fortwährend dringt, vom 9. Tage zu Ammen hinausgegeben werden, so ist die Kinder-Anzahl also auch nicht größer, als sie bei Durch-führung des Antrages des Landesansschußes sein wirb, das Material zum Impfunterricht wird also dasselbe sein. Die Vergleichung des Herrn Medicinalrathes mit den ermordet gefundenen Kindern in London im Verhältniß zu den in Böhmen todt gefundenen Kindern ist wohl nicht anwendbar. London ist eine Stadt von 2 Will. Bewohnern. Eine


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große Stadt unterliegt immer furchtbarem moralischen Verderben als die Bevölkerung. Es kann also höchstens die Zahl der Kindsmorde in London mit der Zahl der Kindsmorde in Prag, und mit dem Verhältniß der Bewohnerzahl beider Städte, aber nicht mit der Zahl der Kindsmorde in Böhmen verglichen werden und dann würde, da auch hier die Zeitungen sehr häusig Kindsmorde erwähnen und London eine wenigstens 10mal größere Bevölkerung hat als Prag, das Resultat ein ganz anderes sein. Der Herr Medicinalrath hat ferner erklärt, baß die Entscheidung der vorliegenden Frage durchaus nicht eine Landes-, sondern eine Reichsangelegenheit ist, daß also dem Landtag die Competenz zum Beschluß, die Findelversorgung in der bisherigen Ausdehnung aufzuheben, abgeht. — Meine Herren, dem muß ich doch entschieden entgegentreten. Sind die Gebär- und Findelanstalten eine Reichsanstalt, dann soll das Reich auch ferner die Kosten zahlen, wie es bis zum Jahre 1824 her Fall war. Wälzt der Staat die Kosten der gesammten Gebär- und Findelanstalten ab, so glaube ich, hat die Landesvertretung gewiß das Recht zu sagen: Wir sind entschieden für die Aufhebung der Verbindung beider Anstalten und es wird sich dann für die Beschränkung der offiziösen Findelverpflegung jedenfalls ein Modus finden lassen, allen Nachtheilen für den Unterricht in geeigneter Weise vorzubeugen. Meiner Ansicht nach ist die Sache vollkommen spruchreif. Dem Antrag des Herrn Dr. Tedesco, den Landesausschuß zu ver-pflichten, noch eine Enquete, ich weiß nicht ob in Oesterreich oder in Europa— (Oho! Oho!)

Oberstlandmarschall: ES steht ja ausdrücklich hier — in Böhmen. —

Graf Thun (fortsetzend): Also in Böhmen zu veranlassen und sodann die medicinischen Facul-tät um ihr Gutachten zu ersuchen, dem Antrag muß ich mich im Namen des Landesausschußes, obgleich ich nicht mit den übrigen Mitgliedern gesprochen, entschieden entgegen stellen., Mir scheint, daß zur principiellen Entscheidung der Frage vollkommen genügende Gründe vorliegen und aus der Annahme des Prinzipes ergibt sich dann von selbst der vorliegende nur wenige Paragraphe enthaltende Gesehentwurf, ich halte also, daß die Sache nach allen Richtungen hin für vollkommen spruchreif ist. Es kommt mehr auf die logische Consequenz, auf allgemeine Gründe, auf das System an, als auf ein großes Detail, was auf statistischen Daten zu beruhen hätte; auch das Gutachten der medicinischen Facultät ist in einer Sache, wo medicinische Gründe nicht die Hauptsache sind, nicht nothwendig, so über aus wichtig dasselbe auch bei der Durchführung zur Wahrung der Interessen des medicinischen Unterrichtes sein wird. Ueber die Modalitäten der Durchführung der zu fassenden Beschlüsse und über Dasjenige, was in verschiedenen Richtungen namentlich für den Unterricht bann zu geschehen hätte, wird allerdings das Zusammenwirken des Landesausschußes mit der Landesregierung und mit der medicinischen Facultät unerläßlich sein. Der Landesausschuß wird dieß Einvernehmen, da er nach dem Schlußabsatz des Gesetzentwurfes mit der Durch, führung beauftragt ist, dabei gewiß mit aller Sorgsalt pflegen. Weniger entschieden würde ich mich dem Antrage des Dr. Jaksch entgegensetzen. Wie gesagt, principiell scheint mir die Sache spruchreif, nur die Form des Antrages, glaube ich, ließe etwas zu wünschen übrig.

Das Princip besteht darin, die Findelverpflegung in der bisherigen Ausdehnung aufzuheben und auf diejenige Kinder zu beschränken, die wirkliche Findlinge, oder vollkommen verlassen sind, und daher entweder fortwährend oder wenigstens für eine Zeit der Unterbringung in Landespflege bedürfen. Daraus ergibt sich, wenn ich nicht irre, mit aller Consequenz, der Gesetzentwurf des Landesausschußes, wie er eben vorliegt. Ich halte also auch den Gesetzentwurf vollkommen genügend und zur Annahme geeignet und würde mir erlauben darauf hinzudeuten, daß sämmtliche Wünsche, welche Prof. Jaksch ausgesprochen hat, Wünsche der Durchführung sind, und baß, wenn der hohe Landtag auf die Tendenz des Hrn. Professors eingeht, es genügen würde, auch die Festsetzung des Termins, mit welchem die bisherige Ausdehnung der Findelversorgung aufzuhören hätte, auch dem Ermessen des Landesaus-schußes, einvernehmlich mit der Statthalterei, anheim zu stellen.

Freiherr v. Kellersperg: Der Regierung, meine Herren, ist, was die Versorgung des Findelwesens betrifft, hauptsächlich daran gelegen, daß diese armen Kinder künftig nicht schlechter behandelt werben, als bisher. Das ist das Hauptprincip, von dem die Regierung bei der Behandlung dieser Angelegenheit dem Landtage gegenüber ausgehen wird. Ob die Findelhäuser fortbestehen sollen oder ob für die Findlinge anders gesorgt werden soll, ist wirklich eine Frage, welche sich innerhalb dieses Hauptprincips bewegen kann. Wie aber jetzt die Sache vorliegt, werbe ich so kurz als möglich Ihnen darzuthun trachten, baß ich glaube, daß wir noch nicht an jenem Punkte angelangt sind, wo wir mit Beruhigung die Aufhebung des Findellnftituts aus-sprechen können (Bravo!). Die Frage, ob Findelhäuser oder ob nicht Findelhäuser? ist für denjenigen, der sich mit Versorgungs-Anstalten abgegeben hat, eine langbesprochene, eine mit allen möglichen Gründen pro et contra, erkämpfte, erwiesene Frage und es haben sich darüber, namentlich in Frankreich, Italien und auch in Deutschland Autoritäten für und Autoritäten dagegen ausgesprochen, und so ist es auch. Es läßt sich sehr viel gegen die Versorgung, namentlich gegen die Findelhäuser sagen, es läßt sich aber auch sehr Vieles sagen gegen die Verfügungen, die in jenen Staaten obwalten, wo eine solche Findelversorgung in Findelhäusern nicht existirt. —

Staaten mit Findelhäusern sind nicht, wie der


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Landesausschuß irrig behauptet, in Europa bloß in Oesterreich und Frankreich.

Staaten mit Findelhäusern find Frankreich, vor allem aber Italien, welches da voranging, wie überhaupt in Allem, was die Cultur, Intelligenz und Kunst betrifft, um Jahrhunderte uns voranging. Auch da stand Italien an der Spitze und Frankreich lernte von Italien. Ferner nenne ich Schweben, Dänemark, Belgien, Spanien und Portugal. Keine Findelhäuser sind in den meisten deutschen Bundesstaaten, in Norwegen, in den Niederlanden, in der Schweiz und in der Türkei. England besitzt zu Großbrittanien keine officiellen Findelhäuser. In Irland existiren dieselben, sie sind officiell, sie gehören dem Staate an. Ueber England möchte ich aber wirklich abgesondert sprechen, denn es ist der Mühe werth, über die dortige Einrichtung zu Gunsten der Findlinge einige Worte zu reden. England, wie gesagt, hat zwar keine öffent-lichen Findelhäuser, es ist aber vorgeschrieben, daß die Findlinge an der Armentaxe theilzunehmen haben, daß sie von dem Kirchspiel unterstützt werden müssen; und schon feit zwei Jahrhunderten hat sich dort dennoch ein Bedürfniß nach Findelhäusern ausgesprochen.

Die Auslagen für Findlinge und verlassene Kinder absorbiren in England den 10. Theil der Armentare, und die Armentare beträgt 80 —100 Mill. Gulden; also kosten England die Findlinge 8—l0 Mill. Gulden jährlich.

Wenn Sie dann, weiter gehen, welches immense Netz von Anstalten für derlei Kinder, überhaupt von Wohlthätigkeiten in England besteht! — Wäre das bei uns der Fall, bann, meine Herren, könnten wir ganz getrost heute das Findelinstitut aufheben; dann wäre es wirklich überstüßig. Es würde genügen, darauf zu bemerken, daß Findlinge, daß Waisen, daß uneheliche Kinder für die Verhältnisse Böhmens und Oesterreichs überaus gut versorgt sind. Ich habe das nur gesagt, weil ich doch einige Anträge des Ausschußes widerlegen muß, da sie offenbar unrichtig sind.

Es scheint hauptsächlich darum Frankreich und Oesterreich hervorgehoben worden zu sein, well man die Findelverpflegung um sie leichter zu schlagen glaubte, indem man sie mit dem beliebten Worte Vureaukratismus und Centralisation in Verbindung bringen wollte.

Meine Herren, in Preußen existirt keine Fin-delverpflegung, und wo ist der Bureaukratismus auf einen höheren Standpunkt gebracht, als gerade in Preußen?

Was aber den Bureaukratismus und die Centralisation mit der Findelverpflegung zu thun hat, das, muß ich aufrichtig sagen, leuchtet mir nicht ein; denn so sehr der Bureaukratismus sich mit vielen Dingen beschäftigt hat, mit denen er sich hätte lieber nicht beschäftigen sollen, mit der Findelverpflegung hat er seit jeher sehr wenig zu thun gehabt. Es wurde das Geld hinausgeschickt, und draußen wurde es wieder erhoben. Pas ist der ganze Einfluß der Bureaukratie auf die Findelver-pflegung nebst der Aufsicht durch die Kreisärzte bei der einmaligen Bereisung im Jahre. Jeder andere Arzt hat vermöge seiner Inftruction und seines Ei-des die Verpflichtung das zu thun, was er thut, und das kann man doch keinen bureaukratischen Einfluß nennen.

Eine weitere unrichtige Behauptung ist, daß die ehelichen Kinder leine Aufnahme in der Findelanstalt finden, und daß nur uneheliche Kinder daselbst aufgenommen werden.

Eheliche Kinder dürfen in der Regel zwar nicht aufgenommen werden. Wenn jedoch arme erkrankte Mütter ins allgemeine Krankenhaus gebracht werden, oder die Eltern, in Arrest kommen, so sind die Kinder derselben im ersten Falle auf Anweisung der Krankenhaus, Behörde, im letzteren Falle auf Ansuchen der betreffenden Behörden in die Findelanstalt aufzunehmen, und daselbst zu verpflegen, sodann aber den Eltern zurückzustellen. — Derlei Fälle also, daß eheliche Kinder in die Findelanstalt aufgenommen werden, sind sehr selten und die Behauptung des Landesausschußes in dieser Beziehung ist offenbar unrichtig. Nun kommt es zu den Uebelständen der Findelhäuser. Hauptsächlich seien es die Kindermorde, welche ohne Findelhäuser viel zahlreicher seien, welche mit Findelhäusern geringer seien, das wird von vielen Seiten bezweifelt. Meine Herren, es ist statistisch nachgewiesen, baß in Preußen gegenüber von Frankreich, dessen Einrichtungen und Findelwesen ich nicht vertheidigen will, die Zahl der Kinbermorde 6mal größer sei, als in Frankreich. Es scheint doch, daß die Behauptung eine Basis habe, die Findel-anstalten taugen dazu, um Kindermorde zu vermindern. Ich will nicht läugnen, daß bei Findelhäusern große Mißbräuche stattfinden; überhaupt ich rede nicht speciell von Böhmen, die meisten Mißbrauche sind bei uns behoben. Die Drehlade hat bei uns nie existirt, die in Frankreich noch existirt und in vielen Gegenden, in Italien; in der Lombardei erst abgeschafft worden ist, als ich dort zu dienen die Ehre hatte. Die unbedingte Findlingsaufnahme ist ebenfalls schlecht, die geschieht an vielen Orten, bei uns ist sie nicht mehr erlaubt, es werden nur uneheliche Kinder aufgenommen, und eheliche Kinder sind in der Regel ausgeschlossen. In Frankreich hat man erst in neuerer Zeit zum Mittel der admission au bureau ouvert, nämlich der Erforschung der Mütter gegriffen. Die Erforschung der Mütter ist bei uns schon im Jahre 1854 vollkommen eingeführt und wird auch ganz unbean-ständet seitdem prakticirt. In Frankreich hat man dazu gegriffen, das Deplacement einzuführen, d. h. die Kinder ziemlich weit von den Eltern weg zur Pflege zu übergeben, damit die Mütter nicht, um sich die Kosten der Erziehung zu ersparen, veranlaßt werden, die Kinder hinein zu geben in der Hoffnung, sie recht oft sehen zu können. Auch bei


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uns gilt das Princip, daß man die Kinder nicht in die Nähe von den Müttern gebe; nach Prag selbst sollen in der Regel gar keine Kinder in die Pflege gegeben werden.

Was die Uebelstünde betrifft, die der Landes-ausschuß bezeichnet hat, so gehen sie eigentlich nur auf Eins hinaus: die Vernachlässigung der Findelkinder, die moralische und körperliche. Meine Herren, ich gebe zu, daß eine Behandlung der Fin-del wie. sie sein soll, auch wenn wir die Anstalt verbessern, denn doch schwer zu erreichen fein dürfte. Jetzt ist die Tare so gering, daß die Pflegeeltern beinahe nicht zu bekommen sind.

Allein wenn es auch wirklich den Kindern künftig bei der Verbesserung der Anstalt nicht so gut gehen würde, als es gehen sollte, besser, glaube ich, würde es doch gehen, als wenn sie in 9 Tagen mit der Mutter aus der Anstalt fortgehen.

Der Landesausschuß redet in dem Berichte von der Kostenfrage. Er sagt: Die Sache lostet jetzt mehr als 100.000 fl. die Sache wirb, nachdem Erhöhungen bereits bewilligt sind, auch 200.000 fl. losten. Wenn das so fortgeht, so wird es Millionen kosten, denn die Statthaltern hat die Idee, Anstalten im ganzen Lande zu errichten, Spitäler würden errichtet werden u. s. w.

Die Millionen werden als Schleckbild dem Landtage vorgestellt, damit das Institut über Bord geworfen werden könne. Bis Dato kostet es nur 100.000 fl., und wenn es weiter bewilligt wird, so wird der Landtag es in seiner Macht haben, dasselbe bis zu 200.000 fl. zu bewilligen. Wenn die Spitäler im Lande errichtet werden, so ist nicht die nothwendige Folge, daß auch Gebär- und Findelhäuser zu errichten wären. Wenn man dieses auch durchsehen wollte, und den Landtag um Unterstützung bitten würbe, so wird sich doch der Landtag darüber aussprechen.

Und diese Errichtung würde eine sehr unbedeutende Anzahl der Findelkinder herbeiführen.

Am flachen Lande sind die Verhältnisse Prags nicht vorhanden und wenn ich mich recht entsinne, ist im Projecte von den Landspitälern höchstens auf Findlinge in der Zahl von 15 — 20 und höchstens 25 gedacht; und wenn auch Spitäler errichtet werden könnten, die man zu errichten wünscht, so würbe die Zahl der Findelkinder am Lande sich auf 4 — 500 belaufen, welche Zahl in Vergleich mit Prag, nämlich 2600 denn doch in gar keinem Verhältniße steht. — Kurz die Geldfrage scheint mir erstens nicht so schrecklich und zweitens hängt es ja vom Landtage selbst ab, ob er diese Gelder bewilligt. Der Landesausschußbericht sagt, das sei ein Institut, aus dem die Zuchthäuser sich recrutiren. — Ich muß aufrichtig sagen, ich kann dem hohen Landesausschuße nicht den Vorwurf machen, daß derselbe, so lange ich die Ehre habe neben ihm die Geschäfte der Regierung zu leiten, nicht in jeder Beziehung sich der Regierung sehr gefällig und sehr zuvorkommend benommen habe, aber in diesem Falle hätte es mich wirklich gefreut, wenn sich der Landesausschuß an mich gewendet hätte, denn aus mei-nen Acten wäre die Zuchthausrecrutirung nicht herausgekommen.

Im Strashause sind jetzt 1.111 Sträflinge und darunter find bloß 12 Findlinge (links: "hört") Männliche Corrigenden sind 116 und darunter 3 Findlinge, am Hradschin sind 24 weibliche Corrigenden und darunter sind leider auch 3 Findlinge, im ganzen zähle ich also hier 18 Findlinge unter mehr als 1300 Corrigenden und Sträflingen (hört! links). Diese Behauptung, daß eine Zuchthausrecrutirung statt finde, muß ich also verwerfen. Die Sterblichkeit! — nun da ist wirklich schwer zu entgegnen. Die Sterblichkeit im Findelhause ist wirklich sehr groß, sie beträgt mehr als 60 %. Meine Herren! als Graf Forgách Statthalter von Böhmen wurde, war es seine erste Angelegenheit, die hiesigen Wohlthätigkeits-Anstalten zu untersuchen um sich zu überzeugen, wie es da steht. Und seit jenem Momente hat auch die Regierung diesen Wohlthätigkeits-Anstalten ihre vollste Aufmerksamkeit gewidmet.

Herr Graf Forgách hat den Hrn. Dr. Löschner beauftragt, diese Wohlthätigkeitsinstitute zu revi-diren und die Operate liegen vor.

Auf Grundlage seines Antrages ist die Verfügung von Seiten der Statthalterei geschehen und das war der Grund, warum ich das Vermächtniß des Herrn Grafen Forgách mit solcher Energie weiter verfocht, diesen Unfug und das Unglück, in diesem Hause nicht weiter sehen wollte, und das war der Grund, warum die Statthalterei an den Landesausschuß von 14 zu 14 Tagen sich verwendete, um Gottes Willen die Verpflegungsgebühr zu erhöhen, weil wir in den elenden Lokalitäten leinen Raum für die Findlinge hatten. Und ich habe gebeten, ja nicht auf den Landtag erst zu warten, sondern unverzüglich zu handeln, weil mich die Rücksicht zu der Menschlichkeit leinen Tag mehr warten ließ.

Ich habe aber, wenn ich nicht irre, 6 Monate auf eine Antwort warten müssen, seitdem die Verpflegungsgebühr für das erste Jahr erhöht ist. Seitdem ist aber das Findelhaus fast entvölkert; mir sagte erst vorgestern der Director desselben,daß er keinen Anstand habe, Pflegeparteien zu finden, und daß er glücklich fei, daß wenigstens für das erste Jahr die Verpflegungsgebühren erhöht worden sind. Daß aber an der Sterblichkeit die Uiberbürdung des Hauses und die Belastung der Zimmer die Schuld trägt, darüber spricht folgender Ausweis, der mir ämtlich übergeben worden ist.

Im I. 1857 war die Sterblichkeit bei einer Gesammtzahl von 2778 Findlingen nur 21%. Im Jahre 1856 bei 2800 auch nur 24%, im Jahre 1858 stieg die Zahl über 3000 und in diesem Jahre stieg das Sterblichkeitsverhältniß, durch andere Nebenumstände noch befördert, auf 54% und seitdem ist es noch nicht im Sinken. Alle Palliativmitteln haben Nichts gefruchtet, das einzige Mittel war,

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schnell die Findlinge wegzuschaffen, und seitdem es-durch die Zustimmung des Landesausschußes bewilligt ist, den Pflegeparteien mehr zu zahlen, ist dieses Hinderniß wenigstens vor der Hand behoben, , und wie gesagt, Pflegeparteien fanden sich in Masse ein. Wenn ich aber das Sterblichkeitsverhältniß ! übergehe, und auf die auswärtige Pflege Rücksicht! nehme, welche eigentlich mehr beanständet wird, als das Findelhaus selbst, so kann ich dem hohen Hause die Versicherung geben, daß im Durchschnitt von 1852 bis 1862, also in 10 Jahren, das erstaunliche Ergebniß zu melden ist, baß sich die Sterblichkeit der in auswärtiger Pflege befindlichen Findlinge nur auf 17% belauft, gewiß ein Verhältniß, welches bei unehelichen Kindern als außerordentlich günstig zu betrachten ist.. Nebenbei erlaube ich mir zu erwähnen, daß in Øepy das Sterblichkeitsver-hältniß im Durchschnitte von 6 Jahren nur 1 1/2 % war. Es wurde auch gesagt, daß wir da immer weiter schreiten werben. Wenn wir das nicht heute kurzweg abthun und die Findelverpflegung in Böhmen für geschloffen erklären, so wird die Zahl bis ins Unendliche vergrößert. Die statistischen Daten weisen gerade das Gegentheil auf. Seit 1848 steigt die Zahl der Findlinge nicht nur nicht, sondern seit 1848 ist sie in steter Verminderung begriffen, daher zu jener Befürchtung, die der Landesausschuß aus-sprach, nicht der entfernteste Grund vorliegt. Ich bitte, meine Herren, es mir nicht für übel zu nehmen, daß ich in diesem Falle so offen und decibirt dem Antrage des Landesausschuß,es entgegentrete, ich muß offen sagen, es hat mich geschmerzt, daß von mir als Chef der Regierung vom Landesausschuße gar keine Daten angenommen wurden.

(Sensation links).

Nun, meine Herren, in den protestantischen Landern, in dem übrigen Deutschland existiren gar keine Findelinstitute; aber in allen Ländern, wo dieselben nicht existiren, existiren wenigstens folgende vier Hauptprincipien:

1. Alle Findlinge werden ihren Müttern in die Pflege gegeben und ärmeren Müttern werden Aushilfen auf die Hand, und dann in wiederkehrenden Zeiträumen Aushilfen gegeben.

Das ist das System, welches Herr von Per-signy in neuester Zeit in Frankreich so sehr vertheidigt.

2. Findlinge, welche die Verpflichteten nicht übernehmen können, werden bis zum schulfähigen Alter erprobten Pftegeeltern auf dem Lande in die Kost gegeben. Das finden Sie in allen Ländern, wo leine Findelinstitute bestehen, als eine Norm.

3. Mit erreichtem schulfähigen Alter werden sie in öffentlichen Waisenhäusern unterbracht, wo sie so lange bleiben, bis sie in die Lehre kommen.

4. In vielen Ländern gibt man ärmeren Müttern Unterhaltsbeiträge für sich und für ihre Kinder; das sind nämlich die sécour aux filles unsres, wie sie in Frankreichsan der Tagesordnung sind und schon seit vielen Decennien practicirt werden.

Ich erwähne dieß nur, damit, wenn das hohe haus glaubt, die Findlinge könnten anders verpflegt werden, wenn das h. Haus glaubt, weil Preußen keine Findelhäuser zu haben braucht, so brauchen wir auch keine, und können uns die Auslagen ersparen, daß dann das h. Haus auch wisse, was in jenen Ländern als Supplement für unsere Findelhäuser geschieht, baß nur Mütter des größten Elends in die Gebäranstalt, daher ihre Kinder in die Findelanstalt kommen; darüber, meine Herren, glaube ich wohl nicht viel reden zu müssen.

Ich will Ihnen 2 Fälle nennen; ein Bekannter, den ich vor 2 Tagen über diese Angelegenheit sprach, ein ganz einfacher Mann, sagte mir zwei Fälle in seinem Hause.

Eine Magd, die er in seinem Dienste hat, mußte ins Gebärhaus, sie ist die Tochter eines elenden, armen, bettelhaften Flickschneiders ans dem Taborer Kreise, der Vater des Kindes ist ein Bedienter hier in Prag, Soldat noch dazu, wer hätte für das Find am 9. Tage sorgen sollen, sie hat nichts und muß dienen, er hat nichts und muß dienen, und sie gehört in den Taborer Kreis. Und der 2. Fall ist ganz gleich, die Mutter ist Dienerin, der Vater Taglöhner, beide arm und bettelarm, wer soll dieses Kind auf sich nehmen? die Ge-meinde? Ja, meine Herren, wenn ich da beruhigt wäre, daß die Gemeinde für dieses Kind sorgen würde, so wäre ich der erste, der Ihnen heute anrathen würde, im Principe die Findelanstalt aufzulassen.

Aber davon, glaube ich, sind wir leider noch weit entfernt, bis die Autonomie der Gemeinde, die Armengesetzgebung so sehr ins Volk gedrungen sein wird, um derlei arme Kinder durch die Gemeinde zu erhalten. Ich fürchte, w!r sind noch weit davon.

In Italien, und ich muß es wieder sagen, was Wohlthätigkeitsanstalten anbelangt, habe ich nie Schöneres, Herrlicheres, Großartigeres gesehen, als in Italien. Ich war bei der Centralcongregation, wo man die Drehladen aufhob, es waren sehr routi-nirte, verständige in den Anstalten wohlbewanderte Herren beisammen, aber daß Einer daran gedacht hätte, in dem Lande wohlthätige Anstalten, wie die Findelverpflegung über Bord zu werfen, das ist Niemand eingefallen. Daß es wirklich Mütter im größten Elende sind, die in diese Anstalt kommen, wird auch daraus klar werden, sie kommen aus dem ganzen Lande, die meisten kommen ans Prag und dem Präger Kreise, weil sie sie in der Nähe haben, aber mit Ausnahme des äußersten Theiles des Jièíner und Königgrätzer Kreises, kommen sie aus allen übrigen Theilen des Landes, sogar vom Budweiser und Egerer Kreise, da in dem Jahre nur 2600 kommen, während die Zahl der unehelichen Geburt 27000 beträgt, das dürfte wohl auch ein Beweis sein, daß man nicht sehr gern in die Gebäranstalt geht, wenn man nicht muß, wer nicht so arm ist, daß er auf dieser Erde keinen Winkel findet, wo er


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sich der Bürde entledigen kann. der. meine Herren, geht nicht in die Anstalt, der gibt sich nicht her, um an seinem Leibe Studien machen zu lassen. Ich werde mir, bevor ich zum Schluße kommt, nur erlauben, den Herrn Berichterstatter über einige seiner Ansichten zu berichtigen; daß die Findelversorgung in Ländern, welche unter französischer Herrschaft waren, vorwiegend besteht, muß ich bestreiten; Italien ist die Wiege und Frankreich hat von Italien gelernt; daß der Herr Referent glaubt, die Folgen des Leichtsinns solle man nicht beseitigen, es widerspreche dies dem gesunden Menschenverstand (so lauteten seine Worte) Meine Herren, da muß ich schon, wenn ich auch selbst nicht leichtsinnig bin, denn doch behaupten, die unnöthigen Folgen möchte ich dem Leichtsinn aufbürden, der Leichtsinn in diesem Falle ist gestraft genug, ich glaube da wäre es an uns die weiteren Folgen zu beseitigen, und wenn ich auch auf meinen Verstand nicht ein gar so besonderes Gewicht lege, aber gesunden Menschenverstand besitze ich doch, und die große Kaiserin Maria Theresia ist, glaube ich, auch bekannt gewesen, daß sie gefunden Menschenverstand besessen hat, und sie bestimmte am 15. Jäner 1762, daß zur Verminderung des Kindsmordes in den zu errichtenden Findlingshäsern die geschwächten Weibspersonen ihren Zufluchtsort finden sollen, und Kaiser Joeph II., der die Anstalt eigentlich zur Anstalt machte, hat gewiß auch Menschenverstand besessen. Die Beschränkung der Wohlthat auf uneheliche Mütter in und um Prag sei ungerecht, sagt der Herr Referent. Die Regierung hat nichts dagegen, die Wohlthat nach und nach in geringerem Maße, weil es gleich nothwendig sein wird auch auf das Flachland auszudehnen; sie ist aber auch schon jetzt für das Flachland da, denn wie gesagt, kommen Leute aus vielen Gegenden her nach Prag, und überdieß diejenigen, die in Prag von der Anstalt Gebrauch machen, sind zu sehr geringem Theile zuständig nach Prag, wie heute wiederholt erwähnt wurde, sind es meistens dienende Leute und davon find die wenigsten aus der Umgegend, der größte Theil vom Flachlande, oft sehr wett her. Bet diesem Anlaße muß ich widerlegen, was Prof. Jaksch gesagt hat, daß die Beiträge ungerecht seien, weil manche Gemeinden gar nie von dieser Anstalt Gebranch machen. Ja. meine Herren, dann dürfen wir gar keine Umlage machen, denn was wir thun, bei allen diesen Einrichtungen wird es der Fall sein, daß manche Gemeinden davon nicht Gebranch machen. Ich bitte an die Hypothenbank zu denken, davon weiden viele nicht Gebranch machen, und sie werben nöthigenfalls denn doch Beitrüge dazu zahlen müssen, ich bitte auf das polytechnische Institut, was wir gestern beendet haben, ich bitte auf andere ähnliche Einrichtungen zu denken. Wenn ich den Maßstab annehmen will, daß jeder soviel zahlt, als er davon Gebrauch macht, da hört jede Möglichkeit jeder Umlage auf, denn das ist unmöglich genau nach den bestehenden Instituten zu bestimmen.

Der Mangel der Parteien lüge an der Anzahl der Kinder, sagt der Referent. Ich habe schon erwähnt, und der Director der Anstalt hat es mir vorgestern bestätigt, daß seit dem die Gebühr erhöht ist, ein Mangel an Pflegeparteien gar nicht besteht, und in dem großen Lande Böhmen, würde ich nicht glauben, daß man, wenn anders den Parteien soviel gegeben ist als sie brauchen, an solchen Pflegeparteien Mangel leiben sollte. Ich weiß nur, baß, in der Gegend des Taborer und Budweiser Kreises man gerade die Kinder nicht nehmen will, weil die ober- und unteröfterreichischen Anstalten viel mehr zahlen, und baß daher bort die meisten ober- und nieberöfterreichischen Kinder find.

Daß die Privatpflege besser sei als die öffentliche, dasselbe sagt auch Prof. Jaksch und meint, das Kind soll bei der Mutter sein, soll wo möglich ihre Stütze werden, die Mutter soll die Mutterliebe fühlen lernen. Wer stimmt damit mehr überein als ich; aber wenn es nicht möglich ist, daß die Mutter das Kind bei sich halten kann, wenn, wie in den früheren zwei Fällen gesagt ist, (und solche Fälle wird es vielleicht unter Hundert 95 geben) das Kind nicht absolut bei der Mutter sein kann, ist es doch besser, es ist bei den Pflegeeltern, als das Kind geht darüber zu Grunde.

Daher find wir nicht im mindesten auseinander, wenn es möglich ist, der Mutter das Kind zu geben; dann aber, meine Herren! müßte jedenfalls zu dem Mittel gegriffen werden, was man in Frantreich anwendet, und wie es in den deutschen Staaten bereits allgemein ist. Man müßte der Mutter im 1. Moment Geld geben, und die Mutter müßte selbst unterstützt werden, um das Kind unterhalten zu können. Das macht aber große Auslagen, vielleicht bedeutendere Auslagen, als die jetzige Einrichtung. Hoher Landtag! wenn Sie das beschließen, wird die Regierung mit Freuden beistimmen, denn der Zweck der Regierung ist der, dafür zu sorgen, baß die Kinder besser daran seien, als sie es bisher waren. Die Behauptung, es sei die Sterblichkeit bei unehelichen Kindern größer, als bei ehelichen, behauptet der Herr Referent, sei unrichtig. Ich bin zwar kein Fachmann, aber ich habe viele statistischen Werke gelesen und es heißt überall, und die Aerzte behaupten es durchwegs, baß wirklich bei unehelichen Kindern die Zahl der Sterbefälle größer ist als bei ehelichen.

Die Landesverpflegung sei theuerer, weil die Gemeinde bei Krankenanstalten nie ansteht, ein Zeugniß zu geben, wenn es sich um das Krankenhaus handelt, so auch bei Gebärenden, wenn es sich um das Gebärhaus handelt, wenn aber die Gemeinde selbst zahlen muß, werden sie es wohl erwägen ob sie ein Armenzeugniß ausstellt.

Da, meine Herren, stimme ist mit dem Hm. Referenten vollkommen überein. — Aber das ist, was ich fürchte, und was ich miterlebt habe. Ich habe 3 Jahre meines ämtlichen Lebens als Brzirks-hauptmann, ich möchte sagen, ich schäme mich dessen

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nicht, es sind das mitunter meine angenehmsten Erinnerungen, mit dem Bauer gelebt, und ich weist, wie es am Lande zugehl ganz genau aus unmittelbarer Anschauung. Mir sind Fülle vorgekommen, wo derlei arme Weiber, von denen man wußte, daß sie vor der Zeit schwanger sind, aus den Gemeinden fortgejagt worden sind, und wie Hunde von einer Gemeinde zur anderen gejagt wurden, ohne daß sie jemand unterhalten wollte.

Das ist nicht in diesem Lande geschehen, aber die Hartherzigkeit gegenüber derlei Personen ist leider groß, und wenn man früher von den Zeiten unter Maria Theresia sprach, wo derlei arme Geschöpfe weiß Gott was zu fürchten hatten, und deßwegen zur Tödtung der Frucht verleitet wurden, so ist es jetzt freilich viel besser, die Bildung hat da zugenommen, aber schlecht ist es doch noch immer, und solche arme Leute sind der Gemeinde gegenüber namentlich da, wo die Armenversorgung noch nicht entwickelt ist, wie bei uns, auf das Höchste zu bedauern.

Der Herr Referent hat uns aus der Relation und den Verfügungen des Grafen Persigny vieles gesagt, wie es in Frankreich mit der Findelversorgung steht. Ich muß vorausschicken, daß in Frankreich in jedem Arondissement seinerzeit ein Findel-haus war. Das ist soviel, als wenn bei uns in jedem Bezirke ein Findelhaus wäre. Da das aber ungeheuere Kosten verursachte, so hat man überall Drehladen eingeführt, daher jede solche Mutter in der Lage war, ihres Kindes ganz leicht los zu werden. Das ist wohl von selbst vorauszusehen und leicht zu schließen.

Wenn ich aber das alles zusammenfasse, was der Herr Referent gesagt hat, das ganze Reich von Wohlthaten, die man in Frankreich erwies, um Mütter und Findlinge zu versorgen, meine Herren, wenn wir in diesem Sinne die Sache umstalten, daß die Findlinge besser daran sein, da wird eine h. Regierung sehr wenig Anstand nehmen, die Sache zu verändern.

Se. Eminenz der Herr Cardinal hat erwähnt, daß die Aufsicht schwierig sei, der Seelsorger und Gemeindevorsteher haben für entsprechende Behandlung der Findelkinder zu sorgen, von dem Seelsorger hängt es ab, ob ein Zeugniß der Pflegeeltern gegeben wirb, daß sie wirklich brav und verläßlich feien. Auf das kommt Alles an; wenn die Pflege-eltern schlecht sind, ist auch die Unterbringung schlecht, sind die Pflegeeltern gut, dann ist auch die Unterbringung gut, ich kenne es aus eigener Erfahrung.

Se. Eminenz sagt, der Seelsorger setze sich Feindschaften aus, wenn er das Zeugniß zu schwer ausstellt, und der Gemeindevorsteher setze sich Feindschaften der Gemeinde aus, wenn er das Zeugniß zu leicht ausstellt. Ob man sich Feindschaften aus-setzt oder nicht, das, glaube ich, ist Nebensache, und die Hauptsache ist die Pflicht des Seelsorgers, und ich glaube, wenn er, ohne nach rechts oder links zu schauen, Jedem das Zeugniß ausstellt, wie er es verdient, so wird er in seinem Gewissen die Beruhigung haben, recht gehandelt zu haben. Der Herr Referent erwähnt und spricht oft von der officiösen Vertheilung, und die Vertheilung wird hauptsächlich angegriffen, well sie officiös sei.

Aber, meine Herren, worin besteht diese offi-ciöse Vertheilung?

Die Verwaltung des Findelhauses schickt das Geld an die betreffenden Organe, die Parteien erheben dort das Geld, die Quittungen kommen herein, die Parteien kommen hierher, melden sich um die Kinder. Die Direction gibt ihnen ein Kind oder sie gibt ihnen keines, das ist die ganze officiöse Einstußnahme. Ich begreife nicht, wie man da von Nachtheilen der officiösen Einwirkung sprechen kann.

Was Øepy anbelangt, so wäre es nicht nöthig vom Herrn Referenten gewesen, zu erwähnen, daß das, was im Ausschußberichte steht, wörtlich Mittheilungen der Statthaltern waren. Die Statthalterei wird ihre Mittheilungen nie verleugnen, und ich hätte selbst die Erklärung abgegeben, daß die Statthalterei diese Mittheilungen gemacht hat. Die Statthaltern ist nicht einverstanden mit dem Bestände großer Kindersäle in Øepy. Diesfalls wurden den Schwestern Mittheilungen wenigstens mündlich gemacht ; die Statthalterei ist nicht einverstanden, daß in Repy ein großes Depot von Findlingen ist, weil die Statthaltern dafür hält, daß wenn keine Muttererzie-hung, doch eine Familien-Erziehung die Hauptsache sei. (Bravo.)

Aber die Statthalterei ist durchaus nicht dem entgegen, daß Repy sich entwickle und als Waisenhaus immer größer und größer werde, denn baß die Noth vorhanden ist, ist gewiß. (Bravo.)

Prof. Jaksch berechnet, daß von 28.000 Findlingen im Laufe von 10 Jahren nur 7422 am Schluße der 10 Jahre übrig geblieben sind. Nachdem überhaupt diesfalls mir Erhebungen und statistische Daten fehlen, so bin ich in diesem Momente in dieser Sitzung selbst darüber einen bestimmten Aufschluß zu geben, nicht in der Lage.

Daß die Sterblichkeit im Ganzen gering war, das ist nachgewiesen, daß die Sterblichkeit in den ersten Jahren eine große ist und daß die Sterblichkeit in der auswärtigen Versorgung eine kleine war, habe ich nachgewiesen; daß die Sterblichkeit in den Findelhäusern groß ist, habe ich zugegeben. Ich kann jedoch diese Daten nicht agnosciren, gewiß aber werden sie mir das Substrat zu einer weiteren Nachforschung bilden. Die Anslage, meint Herr Prof. Jaksch, wenn man die Findelverpfle-gung aufgibt, wird nicht groß sein, desto besser, das heißt, desto besser, wenn die Findlinge gut verpflegt werden, wenn aber die Auslagen darum zu vermindern sind, damit die Findlinge verschlechtert werben oder Hungers sterben, dann, glaube ich, ist es an der Zelt, erst später auf die Verminderung dieser Auslagen zu denken, welche den ärmsten Leuten des Landes zu Gute kommen.

Herr Dr. Löschner und Herr Referent, obwohl sie in der Hauptsache differirten, sagen doch über, einstimmend, daß die Anzahl der Gebärenden küns-


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tig, wenn der Antrag des Landesausschußes angenommen werden würde, kaum viel kleiner sein wird, als sie jetzt ist.

Aber, meine Herren, da bleibt ja, was die Sterblichkeit anbelangt, in den Findelhäusern es beim Alten, denn jetzt schon werden nach 9 Tagen die Kinder (und das geschieht faktisch jetzt schon) den Pflegeeltern abgegeben, welche sich viele darum melden; also es bleibt beim Alten.

Diejenigen Kinder, die noch nicht 9 Tage alt sind und bei denen die Sterblichkeit groß ist, und wo vielleicht, obwohl ich kein Mediziner bin, die gefährlichen Krankheiten am meisten zu Tage treten, diese bleiben, wenn die Zahl der Gebärhäuser sich nicht vermindern sollte, auch jetzt noch ohne allen Schutz, und die Sterblichkeit wäre dadurch um kein Haar vermindert, und ich wüßte nicht wie aus Humaniät dem Antrage des Landesausschußes vor dem jetzigen Statute der Borzug zu geben sei. Da-Alles, meine Herren, bestimmt mich, Ihnen zu sagen, daß ich nach meiner innersten Uiberzeugung, diese Sache durchaus nicht für reif halte, um dar über absprechen zu können, wenn ich meine Ansicht aussprechen soll. Ich bin in diesen Dingen gar nicht eigensinnig. Wenn ich das Gegentheil einsehen werbe, so werde ich auch anderer Ansicht wer-den, aber so wie jetzt die Sache vorliegt, scheint mir die Auflassung des Findelfondes jedenfalls gefährlich. Ich muß mit Dr. Tedesko übereinstimmen, daß ich nicht einsehe, ob schon in einem oder in zwei Jahren jene Vorbedingungen ins Leben gerufen werben, welche nothwendig sind, um die Findel-Anstalten aufzulassen. Wenn die Gemeinde einmal lebend da steht und wirkt, wenn ein Armengesetz eingeführt ist und es völlig in das Blut des Volkes Übergängen ist, dann mild vielleicht der Moment da fein, um diese Sache in einem eigenen Antrage zur Sprache zu bringen.

Einstweilen glaube ich, meine Herren, werden wir sehr gut thun, wenn wir die Sache neuerlich berathen. Wenn ich wünsche, daß wir die Sache erst gründlich erörtern lassen, und in einem späteren Zeitpunkte erst darüber abstimmen, so finde ich mich um so mehr dazu bestimmt, als ich aus dem Privatrechtsstandpunkte zu einer principiellen Entscheidung heute schon dazu, daß das Institut aufgelassen werden solle, wohl meine Zustimmung nicht zu geben in der Lage bin. Denn die Kaiserin Maria Theresia, die Gründerin des Instituts, hat ausdrücklich erwähnt, daß in dem zu errichtenben Findelhause geschwächte weibliche Personen ihren Zufluchtsort finden sollen. Nach dieser Errichtungsurkunde ist dieses Institut nicht allein für solche Findlinge. Es ist offenbar auch für Kinder unehelicher Geburt geschaffen, und das ist, glaube ich, die Rechtsfrage, die erst zu untersuchen kommt, ob wir nämlich berechtigt wären, auch wenn alle Gründe für uns sprechen, nach der Institutionsurkunde uns auf die eigentlichen Findelkinder zu beschränken. (Unruhe.)

Ich glaube daher, dem hohen Landtage den Antrag des Herrn Dr. Tedesco anempfehlen zu sollen, daß eine Enquete - Commiffion sich niedersetze und diese Frage reiflich erwäge, und wenn ich noch die Ehre haben sollte, damals hier zu sein, so sollen Sie der Uiberzeugung sein, von meiner Seite aus wird lein Anstand genommen werden, von der Øe-gierung das Nöthige zu erwirken, um das Los der Findelkinder zu verbessern. (Bravo, Výbornì,)

Berichterstatter Graf Franz Thun verlangt das Wort.

Oberstlandmarschall: Wünschen Sie das Wort zu einer persönlichen Bemerkung?

Graf Franz Thun: Auf persönliche Bemerkung verzichte ich gerne. Ich kann nur wiederholen, daß mir wahrhaftig nur an der Sache gelegen ist, und daß ich von tendenziösen Ausstellungen weit entfernt bin.

Oberstlandmarschall: Nachdem nun die Generaldebatte geschlossen ist, so kann nur eine Abstimmung insoferne nach der Geschäftsordnung statt-finden, als ein Antrag auf Uibergang zur Tagesordnung oder Vertagung vorliegt.— Es liegt nun der Antrag des Herrn Dr. Tebesco auf Vertagung vor, ich werde ihn zur Abstimmung bringen.

Landtagssekretär Schmidt liest den Antrag des Dr. Tedesco:

In Anerkennung der verdienstlichen Thätigkeit des Landesausschußes, die Frage der Reorganisation des Findelwesens vor den hohen Landtag gebracht zu haben, jedoch in Erwägung, daß hierüber ins-besondere nicht die prager medicinische Fakultät, überhaupt kein specielles Comite gehört worden ist, hält der hohe Landtag die Angelegenheit gegenwärtig noch nicht für spruchreif und weist daher den Gesetzentwurf an den Landesasuschuß mit dem Auftrage zurück

1) vor allem das Gutachten der prager medicinischen Fakultät einzuholen,

2) eine Enquete-Commission unter dem Vorsitze eines Landesausschußbeisitzers zu bilden, welche die statistischen und sonstigen zur Aufklärung der Frage die zweckdienlichen Materialien zu sammeln, die nöthigen Erhebungen und Einvernehmungen zu pflegen und die Resultate zusammenzustellen und ihre Anträge dem Landesausschuße begründet zu übergeben hätte.

Slavný snìm raèiž uzavøíti:

Uznávaje chvalitebnou èinnost zemského výboru, že otázku o upravení ústavu nalezencù pøed slavný snìm byl uvedl, uváživ však, že v tomto smìru pražská fakulta lékaøská ani zvláštní komise slyšána nebyla, nemá slavný snìm tuto vìc za úplnì zralou a vrací návrh zákona slavnému zemskému výboru zpìt s naøízením :

1) by pøedevším dobré zdáni lékaøské fakulty pražské vyslyšel.

2) by sestavil komisi znalcù pod pøedsednictvím pøísedícítio výboru zemského, která by mìla sbírati všechna k objasnìní této otázky


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a jiná k tomu èelící data, a èeho potøeba je yyšetøiti, znalce slyšeti a výsledky sestaviti a pak návrhy odùvodnìné zemskému výboru o-devzdati mìla.

Oberstlandmarschall: Ich bitte die-jenigen Herren, welche diesen Antrag unterstützen, aufzustehen (wird unterstützt.)

Nachdem er aus drei Absätzen besteht, werde ich ihn, wenn bet Herr Antragsteller nichts dagegen hat, in drei Absätzen zur Abstimmung bringen (Rufe: nein), weil es dann doch möglich ist, daß bei der Abstimmung einer oder der andere fallen könnte.

Dr. Tedesco: Da kein Amendement zu diesem Antrage gestellt ist, so glaube ich, wäre es überflüßig. (Rufe: ja wohl). Uibrigens wende ich dagegen Nichts ein, wenn Se. Excellenz . . .

Oberstlandmarschall: Wenn der Herr Antragsteller es nicht wünscht, so werde ich den Antrag im Ganzen zur Abstimmung bringen und bitte die Herren, welche für diesen Antrag find, aufzustehen (Majorität.)

Ich glaube nun, nachdem in die Specialdebatte eingegangen wird, so muß noch der 2. Antrag, den der Landesausschnß in diesem Berichte stellte, auch noch vor das Haus kommen, und zwar bitte ich den Antrag aus dem Berichte vorzulesen.

(Landtagssekretär Schmidt liest die bezügliche Stelle, wo ihm einfüllt der ...

Oberstlandmarschall: Ich bitte, wenn das hohe Haus es erlaubt, so werde ich den Antrag dahin fornmliren: "Der hohe Landtag wolle die nachträgliche Genehmigung der bereits ins Werk gesetzten Erhöhungen bei der Verpflegung im Findelhause aussprechen."

Dr. Tedesco: Ich glaube, baß das bei der Berathung des Budgets zur Sprache kommen könnte, daß eine Post dort enthalten ist, die auf die Erhöhung des Betrages im Findelhause abzielt (Rufe: nein, nein) und da kann allerdings diese Genehmigung stattfinden und bedarf leiner besonderen Genehmigung von Seiten des Hauses früher, da es eine Budgetfrage ist,

Oberstlandmarschall: Ist das Haus damit einverstanden, daß diese Frage erst bei Berathung des Budgets in Angriff genommen wird, so bitte ich die Hände aufzuheben, (einige Abgeord-, nete erheben sich.) (Rufe: nein, nein, jetzt gleich)

Bürgermeister Pftroß: Ich erlaube mir nur aufmerksam zu machen, daß die Frage eine doppelte ist, es handelt sich nämlich um die nachträgliche Bewilligung der bereits erfolgten Erhöhung des Beitrages und des im Budget erst für die nächste Zeit beantragten, ich glaube, daß es geschieden werden soll. (Bravo links, Rufe: ja wohl, Dr. Görner: ganz richtig,)

Oberstlandmaschall: Ich bitte diejenigen Herren, welche dem so formulirten Antrage beistimmen, daß nämlich der hohe Landtag nachträglich die Genehmigung zu der vom Landesausschuße selbst-ständig vorgenommenen Erhöhung der Gebühren für die Findelkinderverpflegung aussprechen, die bitte ich die Hand aufzuheben. (Wird mit großer Majorität angenommen.) Nun ist es fertig.

Nachdem wir ziemlich weit in der Zeit vorgeschritten sind, frage ich das Hans, ob es nicht vielleicht vor der Karolinenthaler Angelegenheit die Regierungsvorlage betreffs der Bauordnung noch heute abthun wollte. (Rufe links: Ja! Jal Ganz wohl!)

Dr. Rieger: Ich würde mir erlauben, zu beantragen, daß es bei der Tagesordnung bleibe; ich glaube, daß dieser Gegenstand nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen wird.

(Bravo im Centrum.)

Oberstlandmarschall: Ich bitte also!

(Ganz kurze Unterbrechung.)

(Oberstlandmarschall: läutet:)

Dr. Rieger: Slavný snìme! Záležitost o nížto se jednati má, a kterouž z uložení zemského výboru si. snìmu pøedložiti mám, jsou nìkteré poplaty, kteréž obec Karlínská od úèastníkù a obyvatelù svých vyzdvihuje a kterýchž vybírati musí, ponìvadž potøeby obecní jsou tak veliké, že ]ich žádným jiným spùsobem ukrýti nelze. Sl. snìmu byl referát zemského výboru o té vìci již dávno v tisku doruèen. Já nevím jestli jest žádost si. snìmu, bych vìc tu ještì jednou pøednesl ....?(Volá se, zvláštì z levice : Ne! ne! ne!) Jestliže tedy si. snìm ještì v pamìti chová, co zemský výbor o zájmech a o pomìrech nynìjší obce Karlínské povìdìl, tedy výbor zemský doufá, že si. snìm dùvody tam položené za dobré uznává, a prosí, aby si. snìm tímto návrhem, kterýž z nevy-hnutedlných potøeb obec Karlínská vykládá, své svolení milostivì udìliti ráèil — (Ète:)

Slavný snem raèiž z výhradem nejvyššího schválení uzavøíti:

Pøedmìstské obci Karlínské,

1) povoluje se, aby i dále vybírala pro fond obecní a ústavy místní, jako se více než 20 rokù bez pøekážky stávalo, poplatky pøi kupování nemovitosti, pøi stavbách, pøi udìlování práva mìštanského a pøijímání do pøíslušnosti k obci spùsobem, jenž výše podotèen a na nìmž se obecni zastupitelstvo usneslo.

2) Povoluje se, aby svrchu dotèenou obecní pøirážku z lihových nápojù a sice:

1. zl. 5 kr. z jednoho sudu piva — 52 kr. z jednoho dolnorak. vìdra vína a 1 zl. 75 kr. z jednoho dolno - rak. vedra koøalky, lihu a jiných a líhu pøipravovaných nápojù po èas 7 rokù, t. j. poèínajíc správním rokem 1864, pro zapravení nákladu na stavbu vlastní školy vybírala ; a koneènì

3) povoluje se na uhrazení schodkù v obecní správì za správní rok 1863 pøirážku 15pCt. ku pøímým daním v tom tíž správním roku.


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Ein hoher Landtag geruhe unter Vorbehalt der a. h. Sanction zu beschließen:

Der Vorstadtgemeinde Karolinenthal wird

1) gestattet, die seit mehr als 20 Jahren unbeanstandet eingehobenen Gebühren bei Realitäten, Verkaufen, bei Ballführungen, und bei Bürgerrechts-und Gemeindeverbandaufnahmen nach der vorangeführten, von der Gemeindevertretung beschlossenen Modus zu Handen des Gemeindefondes und der Localanstalten fortan weiter zu erheben;

2) die Bewilligung zur Erhebung des wei-ter oben bezeichneten Gemeindezuschlags von gei-stigen Getränken, und zwar:

mit 1 fl. 5 kr. ö. W. von einem Faß Bier, 52 kr. ö. W. von einem n. ö. Eimer Wein; und mit 1. fl.75kr. von einem n. ö. Eimer Branntwein, Spiritus und anderen daraus erzeugten Getränken, auf die Dauer von 7 Jahren, d. i. vom Verwal-tungsjahre 1864 beginnend, behufs der Bedeckung der Kosten für den Bau eines eigenen Schulgebäu-des ertheilt; und daß endlich

3) behufs der Deckung des Deficits im Ge-meindehaushalte des Verwaltungsjahres 1863 eine 15 pCt. Umlage auf die directen Steuern im zuletzt bezeichneten Verwaltungsjahr bewilligt wird.

Oberstlandmarschall: Herr Baron Wucherer hat sich das Wort gewünscht.

Baron Wucherer: Meine Herren! Es ist einleuchtend, baß eine volkreiche an dem Thore der Hauptstadt gelegene Gemeinde wie Karolinenthal in Betreff ihrer Gemeindeanstalten großen Anfor-derungen zu entsprechen hat und daß sie zu diesem Behufe große Opfer bringen muß. — Nachdem nun diese Gemeinde nicht hinlängliche Mittel besitzt, um aus ihren Erträgnissen diesen Anforderungen zu genügen, so ist es wohl auch ganz natürlich, daß sie ihre Zuflucht zu ihren Gemeindebürgern nehmen und daß sie also Gemeindeumlagen veranlassen muß, dieses ist, wie es aus dem Berichte des Landesaus-schußes zu entnehmen ist in Karolinenthal auch schon seit einer Reihe von Jahren geschetzen, schon beiläufig seit 20 Jahren, und nämlich mit Genehmigung und Wissen der Behörden find die Gebühren bei Besitzveränderungen, bei Bauführungen, bei Ertheilung von Bürger- und Heimathrecht eingehoben worden.

Ebenso wurde seit dem Jahre 1854 der. Zuschlag auf die geistigen Getränke, auf Bier, Wein, Brandwein, Spiritus und den daraus erzeugten, und in Verschleiß gebrachten Getränken eingehoben. Es handelt sich also in diesen zwei ersten, Punkten des Schlußantrags nicht um, eine neue Umlage, sondern um eine Umlage, die schon, seil mehreren Jahren besteht und für die Gemeindeerfordernisse nothwendig ist.

Was die im 3. Punkte aufgeführte Umlage von 15% auf die direkten Steuern anbelangt, so ist das allerdings eine neue Umlage, dieselbe wird aber nur für ein Jahr, für das Jahr 1863 in Anspruch genommen. Es ist nicht zu verkennen, daß diese sämmtlichen Gemeindeumlagen eine große, bedeutende Höhe erreichen, und daß auch die Gebühren bei Besitzerneuerungen und bei Bauführungen eine ganz außergewöhnliche Leistung sind, welche hie, von den Gemeindeangehörigen in Anspruch genommen wird. In Anbettacht jedoch, daß die besondern Verhältnisse der Gemeinde hier in Rücksicht gezogen, werden müssen, daß diese Umlagen, die erforderlich sind, rechnungsmäßig und ziffermäßig ausgewiesen und nachgewiesen sind, glaube ich im Wesentlichen gegen den Antrag des Landesausschußes nichts einwenden zu sollen. ES handelt sich hier in der Hauptsache nicht um eine neue Umlage, sondern zunächst nur um die Fortsetzung bereits bestehender Umlagen ; sowohl die Größe der Auslagen als jene des Erfordernisses sind ziffermäßig dargestellt und durch das Präliminare nachgewiesen worden, und ich glaube nicht, daß der hohe Landtag in die Beurtheilung, darüber sich einlassen sollte — ob diese von der Gemeinde als nothwendig anerkannt, allerdings in vieler Beziehung sehr bedeutenden Auslagen wirklich erforderlich seien — ein Eingehen in die Spizialitäten des Präliminars könnte auf Abwege führen und würde die Schlußfassung des hohen Landtags nur zu beirren geeignet sein. Gegen den im vorliegenden Falle beobachteten Vorgang stelle sich wohl ein Bedenken heraus und zwar, daß bei der Abstimmung sämmtlicher Wahlberechtigten, welche nach dem Gemeindegesehe in solchen Fällen vorgeschrieben ist — von den 876 Wahlberechtigten, bei der Abstimmung im Ganzen nur 190 Stimmberechtigte, also eigentlich nur die Minorität, erschienen sind, daß von diesen 190 nur 152 für diesen Zuschlag gestimmt haben, 37 sich der Abstimmung enthalten haben, und was der letzte, der 190te gethan hat, ist aus dem Berichte nicht ersichtlich; — es hat also eigentlich, wenn wir die Zahl der Wahlmänner oder stimmberechtigten Gemeindemitglieder im Auge behalten, nur eine Minorität für diese Gemeindeumlage gestimmt, allein bei einer solchen, Abstimmung in Gemeindeangelegenheiten ist es unerläßlich nothwendig, daß die Abwesenden, welche von ihrem Stimmrechte leinen Gebrauch machen, sich nothwendiger Weise der Majorität der Abstimmenden fügen müssen. Die Abwesenden, welche das Stimmrecht vernachläßigen, haben nach meiner Meinung auch keinen Grund zur Klage und es bleibt kein anderer Ausweg übrig, als sich nach der Majorität der Anwesenden zu richten.

Diejenigen, die von ihrem Stimmrechte keinen Gebrauch gemacht haben, werben sich durch diese Behandlung gewiß nur aufgefordert fühlen, das ihnen gesetzlich zustehende wichtige Recht bei den vorkommenden neuen Fällen gewissenhaft und pünktlich zu wahren, und künftighin selbst bei der Abstimmung zu erscheinen.

Ich glaube also, nach dem Vorausgeschickten, im, wesentlichen gegen die Anträge des Landesausschußes, leine Einwendung erheben zu sollen, allein ich bin des Erachtens, daß in formeller Beziehung der


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Schlußantrag des Landeausschuße namentlich über den zweiten Punkt nicht präcis genug stylisirt ist, um für die Folge alle Zweifel und Anstände hint-anzuhalten.

Der 2. §. ist nämlich stylisirt "die Bewilligung zur EinHebung des weiter oben bezeichneten Gemeindezuschlags von geistigen Getränken und zwar von Bier, Wein, Brandwein und Spiritus und anderen daraus erzeugten Getränken." Gs ist hier also keineswegs ausgedrückt, ob diese Umlage, dieser Aufschlag nur auf die in Karolinenthal zur Verzehrung gelangenden oder auch auf die dort erzeugten oder gar auf die dort im Handel vorkommenden geistigen Getränke dieser Art auszudehnen sei und verstanden wird, es heißt nämlich im 2. Absatze des Gesuches auf der ersten, Seite dieses Berichtes, daß der Zuschlag von den daraus erzeugten und zum Verschleiße gebrachten geistigen Getränken eingehoben werden soll; nun zum Verschleiße gebrachte, heißt auch "in den Handel gesetzte Getränke", und es kann doch, glaube ich, diese Umlage auch auf die im Handel durch Karolinenthal passirenden und dort transito durchkommenden geistigen Getränke und umsoweni-ger auf die dort erzeugten Getränke angewendet werden.

Es ist wohl einleuchtend, daß eine Umlage auch auf im Handel vorkommende und produzirte Getränke eine Umlage wäre, welche die Probuction und den Handel mit diesem Artikel beinahe un-möglich machen würde. Denn, wenn auch die produzirten geistigen Getränke besteuert werden sollen, so wäre eine Concurrenz der Produzenten mit den auswärtigen Produzenten in dem Falle als sie ihre Produkte in Gebunden ausführen wollen, wo ein Gemeinbezuschlag auf Getränke nicht besteht, ganz unmöglich gemacht. Auch würde sich in Betreff des Handels diese Ungleichheit zum Nachtheil der Karolinenthaler Gewerbs- und Handelsleute zu sehr fühlbar machen, um einen solchen Zweifel über die Tragweite dieser Umlage bestehen zu lassen. Man könnte dagegen einwenden, daß es mit der Autonomie der Gemeinden unvereinbar sei, wenn die Gemeinde die Umlage mit dieser Stylisirung beschlossen hat, hier eine Aenderung in der Stylisirung und in der Ausdehnung dieser Umlage zu veranlassen.

Allein die Gemeindeautonomie, ein kostbares Gut, welches wir Alle zu schätzen und zu schirmen bereit sind, hat gewiß auch ihre Grenzen. Sie hat ihre Grenzen in den bestehenden Gesetzen, sie hat ihre Grenzen in dem öffnttlichen Wohl und sie hat ihre Grenzen auch in den Rechten der Gemeinde-Ange-hörigen und in dem Rechte der Staatsbürger und ich glaube daher, daß es ganz in der Ordnung wäre, auch im vorliegenden Falle die Beschlüsse der autonomen Gemeinde auf das gebührende Maß zu beschränken, die nachtheilige Folgen in national-ökono-mischer Beziehung auf Handel und Produktion äußern könnte. Um dies nun zu erreichen, erlaube ich mir das Amendement zu stellen und zwar in dem, baß

im 2. Absätze "die Bewilligung zur EinHebung des weiter oben bezeichneten Gemeindezuschlages" die Worte "weiter oben bezeichnete Gemeindezuschlag" weggelassen, und statt dessen der 8- so stylistrt werbe:

"Die Bewilligung zur EinHebung eines Ge-meindezuschlages von den zur Nerzehrung gelangenden geistigen Getränken u. s. w." wie es im §. vorkommt, und bann in der 7. Zeile vor dem Worte "Dauer" der Beisatz "weitere", nämlich auf ble weitere Dauer von 7 Jahren einbezogen werde, um anzudeuten, daß das leine neue Umlage, sondern nur die Verlängerung einer bereits bestehenden Umlage sei. Ich glaube daher den Antrag stellen zu sollen, baß der 2. Absatz des Schlußantrages wegen EinHebung des Gemeindezuschlages u. s. w. zu stylisiren sei:

"Die Bewilligung zur Erhebung eines Gemeindezuschlages von den zur Verzehrung gelangenden Getränken u. s. w." wie es im zweiten Absätze heißt, und baß in der 7. Zeile desselben Absatzes vor dem Worte "Dauer" das Wort "weitere" einzuschalten wäre.

Dr. Hanisch meldet sich zum Worte.

Oberstlandmarschall: Herr Dr. Hanisch (Rufe: Schluß - Schluß.)

Oberstlandmarschall: Ich bitte diejenigen Herren, die für den Schluß sind, die Hände aufzuheben.

(Schluß angenommen.)

Ich bitte Hr. Dr. Hanisch, Sie haben sich bereits vor dem Rufe gemeldet, bitte das Wort zu ergreifen.

Dr. Hanisch: Ich muß auf die Gefahr hin die Geduld des hohen Hauses auf eine recht harte Probe zu stellen, (Oho im Centrum) mir doch das Wort auf eine etwas längere Zeit erbitten. (Oho! oho! im Centrum.) Ich bedauere das recht sehr und weiß wohl die Stellung eines Redners zu würdigen, der nach einer so langen und gründlichen Debatte, wie sie heute über das Findelwesen stattgefunden, doch über einen Gegenstand sprechen muß, der unter gewöhnlichen Umständen secundärer Natur zu fein scheint, allein nachdem in der Tagesordnung fortgeschritten werden soll, muß ich doch bitten, mir das Wort unverkümmert zu gestatten, (Unruhe im Centrum) vielleicht ist der Herr Berichterstatter in der Lage, uns heute über die Geschäftsbehandlung dieses Gegenstandes hinauszuhel-sen. Ich erlaube mir nämlich die Anfrage, ob nicht eine damit zusammenhängende Petition vorliegt, und ob es nicht zweckmäßig wäre, dieselbe, wenn sie vom Petitionsausschuße nicht bereits erledigt ist, unter Einem mit diesem Gegenstande zu behandeln, oder den Gegenstand selbst also bis zur Berichterstattung über die Petition aufzuschieben. Ich bin nämlich gewöhnt immer bei der Behandlung meiner Geschäftsstücke die priora bei mir zu haben — (Unruhe und Heiterkeit), hat aber der Petitionsausschuß schon darüber Bericht erstattet, so würde ich vorschlagen, daß der Bericht mit zum Vortrag


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gebracht werde, vielleicht könnte der Hr. Referent in dieser Beziehung einen Aufschluß geben.

Oberstlandmarschall: Die Petition ist dem Hrn. Referenten zugestellt worden, damit, wenn die Sprache bei der Verhandlung darauf käme, von dieser Petition Gebrauch gemacht werden kann. Insofern etwas dem Hrn. Hanisch bekannt ist, bitte lch darüber zu sprechen.

Dr. Rieger: Ich bitte, wenn es das h. Haus wünscht, nicht mit einer, sogar mit 2 Petitionen kann ich aufwarten, und ich werde dem h. Hause das Vergnügen machen, sie beide zu lesen. (Allgemeine Heiterkeit).

Dr. Hanisch: Ich bitte, mir ist die Petition nicht bekannt, aber es kommt in dem gedruckten Berichte nichts davon vor, daß etwa Anstünde obgewaltet hätten, nur von Recursen ist daselbst die Rede, und ich würde mir deshalb an den Herrn Referenten die Bitte erlauben, uns den wesentlichen Inhalt dieser Petition mitzutheilen, worin die Anstünde, die glaube ich stattgehabt haben, bestanden, damit das h. Haus in kurzer Weise informirt werde.

Vielleicht wird der Hr. Referent die Güte haben, diesem meinem Ansuchen entgegenzukommen.

Oberstlandmarschall: Wünscht das h. Haus, daß die Petition vorgelesen werde?

Dr. Hanisch: Nicht vorgelesen, nur baß die wesentlichen Punkte angegeben werben.

Dr. Rieger: Ich bitte, der Herr Redner wirb selbst im Stande sein, den wesentlichen Inhalt derselben eben so genau mitzutheilen. Ich finde mich nicht verpflichtet, Auszüge ans den Petitionen zu machen; diese Petition ist eigentlich an den Petitionsausschuß gelangt und dieser hat darüber durch seinen Referenten Hrn. Rich. Dotzauer ein Referat abgefaßt, und ich werde also, wenn das h. Haus wünscht, dieses Referat vorlesen oder den von ihm gestellten Antrag.

(Rufe: Ja! ja!)

Dr. Hanisch: Ist das Referat zum Beschluß erhoben?

Dr. Rieger: Rein. Der Pelitionsausschuß hat über das Referat des Hrn. Dotzauer beschlossen, nachdem dieser Gegenstand gleichzeitig vom Landesausschuße aus Anlaß der Gesetzvorlage dem h. Hause vorgelegt wird, diese Sache sammt dem Referat des H. Dotzauer abzutreten.

Dr. Rieger liest:

"Hoher Landtag des Königreichs Böhmen!

Die Genossenschaft der Bierwirthe und Ver-schleißer geistiger Getränke in Karolinenthal bei Prag bittet ehrfurchtsvoll um Ablehnung des von der Gemeinde Karolinenthal gestellten Ansuchens um Bewilligung einer Umlage von Bier und geistigen Getränken im Wege eines Landesgesetzes. Ueberleicht von Johann Ritter von Limbeck."

Rufe: Durch wen?

Riegei: Durch Johann Ritter von Limbeck.

Hoher Landtag!

Die Vorstadtgemeinde Karolinenthal nächst Prag hat in der Versammlung der Urwähler vom 12. und 13. Mai 1862 beschlossen, für den Zweck der Errichtung eines Schulgebäudes eine Gemeind-Umlage von Vier und geistigen Getränken einzuheben und ist dieser Beschluß behufs Erlassung eines Landesgesetzes dem Landesausschuße vorgelegt worden. Nach dem hierüber erslossenen provisorischen Gesetze wurde die EinHebung der genannten Umlage für die Dauer eines Jahres bewilligt und bezüglich der weiter angesuchten Bewilligung zur EinHebung dieser Umlage für weitere 7 Jahre die Entscheidung dem h. Landtage unter Vorbehalt der allerhöchsten Sanction anheim gestellt worden. Die ehrfurchtsvoll gefertigte Genossenschaft Bierwirthe und Verschleißer geistiger Getränke in Karolinenthal wagt es, mit Bezugnahme auf ihre bereits dem h. Landesausschuße aus diesem Anlaß überreichten Verwahrungen und Eingaben noch nachstehend das ergebenste Ansuchen zu begründen womit, der hohe Landtag der von der Gemeindevertretung zu Karolinenthal angesuchten Umlage die Bewilligung verweigere.

Wenn wir auch nicht in Abrede stellen, daß die Verbesserung des Volksschulwesens eine dringende Nothwendigkeit ist und als Gemeindebürger zu diesem Zwecke nach unsern Kräften beizutragen uns ebenso verpflichtet halten, als bereit erklären; so müssen wir doch gegen die Form dieser Umlage Einsprache erheben, weil dieselbe keine gleichmäßige ist, und statt sämmtliche Gemeindeangehörigen zu treffen, nur direkt aus unserer Tasche bezahlt werden müßte, wodurch wir in Verhältnisse zu den übrigen Steuerpflichtigen der Gemeinde offenbar prägravirt sind, und der Fortbestand unseres Gewerbes sowie unserer Steuerkraft durch deren Einführung gänzlich vernichtet werden muß.

Denn so leicht in der Hauptstadt so wie überhaupt in geschlossenen Städten die EinHebung eines solchen Gemeinde-Zuschlages fällt, so sicher dadurch alle Consumenten getroffen werden, so schwierig ist es in einer offenen Stadt wie die Vorstadt Karolinenthat es ist, diese Umlage auf die Consumenten zu überwälzen.

In der Gemeinde Karolinenthal selbst würde diese Umlage nur dann gleichmäßig von allen Consimenten eingehoben werben können, wenn entweder ein andrer Bierbezug ausgeschlossen oder doch mindestens die nächst gelegenen Gastwirthschaften vor dem Gebiete der Gemeinde selbst soweit entfernt wären, daß der Bezug des Bieres oder geistiger Getränke aus solchen Schankwirthschaften für die Consumenten nicht mehr lohnend wäre.

Dieß ist aber thatsächlich nicht der Fall, denn es bestehen beinahe innerhalb des Gebietes der Gemeinde, nämlich an den Viadukt anstoßend das zum Weinberge genannte Schankwirthshaus, wel-ches nicht zur G. Karolinenthal sondern zur Weinberg-Gemeinde gehört, woselbst ein solcher Zuschlag für Gemeinde-Bedürfnisse nicht eingefühlt

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ist, ebenso ist die Wirthschaft des Invalidenhauses und der in der Nähe gelegenen Stadt Etraßburg in so geringer Entfernung von der Vorstadt situirt daß von den Vorstadtbewohnern das Bier ans diesen Wirthschaften leicht bezogen werden kann, während diese beiden Besitzstände gleichfalls unter einen andern Gemeinde- Verband gehören, in welchem ebenfalls eine Gemeinde-Umlage nicht besteht.

Diese Thatsache allein genügt, um es Unbefangenen außer Zweifel zu sehen, daß diese Umlage nicht die Consumenten, sondern die Verschleißer des Bieres und anderer geistigen Getränke trifft, welche ohnehin durch die andern öffentlichen Abgaben genügend belastet sind und nach gerechten Prinzipien unmöglich dazu verhallen sein können, diese bedeu-tende Last allein und aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen zu tragen.

So gewiß es daher ist, daß diese Umlage den Anforderungen der Gerechtigkeit und Billigkeit nicht im mindesten entspricht, weil sie nicht gleichmäßig und statt alle Gemeindeangehörigen und Steuerpflichtigen nur einen kleinen und nicht bemittelten Theil derselben trifft, so würde dieselbe doch auch ungerecht und unzweckmäßig erscheinen, wenn selbst eine Ueberwälzung dieser Umlage auf die Consumen-ten möglich wäre.

Wenn nämlich eine Umlage für gewisse genau normirte Zwecke ausgeschrieben wirb, so ist es gerecht und billig, daß dieselbe zunächst jene Personen trifft, welche an der Erreichung des angestrebten Zweckes und beziehungsweise an dem zu Standekommen der betreffenden Gemeinde-Institution das naheliegendste oder wenigstens irgend ein Interesse haben. Der größere Theil der Con-sumenten in der Vorstadt Karolinenthal welche Bier oder geistige Getränke von den Verschleißern abnehmen, bestrht aber aus den daselbst befindlichen Fabriksarbeitern und aus den in der Kafferne zu Karolinenthal einquartirten Militärpersonen.

So wenig die Militärpersonen von der beabsichtigten Verbesserung des Schulwesens für ihre Person einen Nutzen zu gewärtigen haben, so wenig haben auch die daselbst beschäftigten Fabriksarbeiter ein Interesse an dem Zustandekommen eines neuen Volksschulgebäudes, weil dieselben nach ihrer Lebensweise und Beschäftigung keinen bleibenden Aufenthalt in der Gemeinde nehmen, bald in die Fabriken der benachbarten Gemeinden übersiedeln, und daher die Früchte eines solchen Unternehmens, welche auf eine jarelange Dauer berechnet sind zu genießen, nimmermehr in der Lage sind.

Uiberdieß ist namentlich in den Sommermonaten das Haupteinkommen der Bierwirthe und Verschleißer geistiger Getränke auf Gäste aus der Hauptstadt berechnet, die zu ihrem Vergnügen die Vorstadt besuchen, und sonach am wenigsten Interesse an der Errichtung der genannten Gemeindeanstalt haben, während uns durch den erhöhten Preis der Getränke dieselben so vertheuert werden, daß uns die Concurrenz mit den übrigen in der Umgebung der Hauptstadt befindlichen Gärten unmöglich ist, welche sämmtlich von einer ähnlichen Umlage nicht be-troffen sind, und daher die Getränke um so viel billiger geben können.

Endlich müssen wir noch hervorheben, daß zur Ausschreibung einer Umlage nur dann geschritten weiden kann. wenn das dringende Bedürfniß dafür vorhanden ist, und der angestrebte Zweck auf keine andere Art erreicht werden kann.

Allein die Gemeinde Karolinenthal besitzt ein, fast schuldenfreies Haus im Werthe von 50.000 Gulden, welches nicht zu Gemeindezwecken verwendet wird, sondern vermiethet ist.

Diese Realität könnte entweder zur Deckung der Kosten des Schulbaues veräußert oder durch hypothekarische Verpfändung derselben ein Anlehen aufgenommen und successive getilgt werden, durch welches die Kosten einer solchen Bauherstellung gereckt wären.

Auch ist nach den bestehenden Gesetzen der Schulpatron verpflichtet, zu den Kosten der Erhaltung der Schule beizutragen, und es wäre sonach der hochwürdige Kreuzherrenorden gleichfalls zur Concurrenz bei diesem Schulbaue heranzuziehen gewesen.

Indem wir uns auf unsere mehrfachen dem hohen Landesausschuße überreichten Eingaben berufen und hier nur in der Kürze unsere Beschwerbegründe hervorzuheben uns begnügen, können wir nicht unerwähnt lassen, daß die Gemeinde Karolinenthal bereits eine im besten Zustande befindliche Volksschule besitzt, in welcher der Unterricht mit bestem Erfolge ertheilt, und die öffentliche Anerkennung demselben bisher zu Theil geworden ist.

Es ist daher eine Dringlichkeit nicht vorhanden, ein neues Schulgebäube zu errichten, und wenn dieß aus Bequemlichkeits- oder Nützlichkeitsgründen beabsichtigt wird, so können diese in der schweren Nothlage, in welcher sich sämmtliche Gewerbe befinden, nur erst dann realisirt werden, wenn für die allernöthigsten Bedürfnisse vorgesorgt ist, und ein schwungvoller Verkehr die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigten gestattet.

In Erwägung dieser hier angedeuteten Gründe und bauend auf die Billigkeit unserer Sache, gewärtigen wir von dem hohen Hause die eingehende Prüfung dieses Gegenstandes, und die Würdigung unserer durchaus gerechtfertigten Protestation und stellen in Ehrfurcht die Bitte:

Der hohe Landtag geruhe dem für weitere 7 Jahre gestellten Ansuchen der Gemeinde Korolinenthal zur EinHebung einer Umlage von 1 st. 5 kr. ö. W. für jede 4 Eimer Bier und 1 fl. 75 kr. und 52 kr. ö. W. für Eimer Spiritus und-Branntwein die Genehmigung zu versagen.

Prag, 26. Jäner 1863.

Dr. Hanisch: Nachdem auf diese Welse das. h. Haus in Kenntniß des Referats gekommen ist, was auch mir wesentliche Dienste leisten wird, so erlaube ich mir vor allen anderen die Form des


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vorgeschlagenen Gesetzes zu besprechen. Ich zweifle nicht, daß der Hr. Referent die Güte haben wird, dem h. Landtage den Wortlaut des Gesetzes derart vorzulegen, daß in parlamentarischer Weise darüber berathen und abgestimmt werden kann. Es ist nämlich unzulässig, daß der Beschluß dahin gefaßt wird:

"Der Vorstadtgemeinde Karolinenthal wird gestattet, die seit mehr als 20 Jahren unbeanstandet -ingehobenen Gebühren bei Realitäts-Ankäufen, bei Baufühlungen, bei Bürgerrechts- um Gemeindeverbandsaufnahmen nach dem vorangeführten, von der Gemeindevertretung beschlossenen Modus zu Handen des Gemeindefondes und der Local-Anstalten fortan weiter zu erheben." Der voran geführte Modus muß nämlich nicht nur erst eingeführt, sondern hier im Conterte wörtlich eingeschaltet werden, und nur darnach kann man die Abstimmung einleiten. Ich werde keinen besondern Antrag stellen, weil ich dieses als selbstverständlich betrachten muß, indem wir nicht über etwas "vorangefürtes" abstimmen können, (Bravo) das nicht einmal angeführt wurde.

Was den 2. Punkt des vorgeschlagenen Ge-setzes betrifft, nämlich "die Bewilligung zur Einhe-bung des weiter oben bezeichneten Gemeindezuschlages," so bat Herr Baron Wucherer schon das Nöthige diesfalls zur Correktur angeführt, und es erübrigt mir zur noch auch bezüglich dieses Punktes mich gegen das "weiter oben bezeichnete" zu erklären. Bezüglich des 3. Punktes habe ich nichts einzuwenden und werde überhaupt nicht gegen diesen Punkt sprechen, weil dieser von der Bedeckung des Defizits im Gemeindehaushalte des Verwaltungsjahres 1863 bezüglich einer 15% Umlage auf directe Steuern handelt.

Ich gelange nun zu der materiellen Be-urtheilung dieses Gesetzes-Vorschlages, u. z. zunächst in seinem I. Punke, welcher von den Gebühren bei Realitäten ankaufen, bei Bauführungen, bei Bürgerrechtsverleihungen und Gemeindeverbandsaufnahmen handelt, und da finde ich vor allem Andern, daß es nicht ganz richtig sein dürfte, daß die angeführten Gebühren seit mehr als 20 Jahren unbeanständet erhoben werden. In dem gedruckten Berichte selbst wird davon Erwähnung gemacht, daß Rekurse eingebracht wurden (oder wenigstens ein Rekurs) und daß in Felge dieses Retnrses die ganze Sache in den legislativen Weg geleitet wurde. Ich habe aber hier die Kundmachung des Bürgermeisters von Karolinemhal vom 4. Mai l862;die Erwähnung dieses Rekurses kommt auch darin vor.

Also unbeanständet sind die Gebühren nicht eingehoben worden. Auch bezweifle ich es, ob ein solcher Wortlaut in ein Gesetz paßt.

Abgesehen davon, wäre vor Allem wohl zu erörtern, ob der landtag berechtigt resp. verpflichtet ist, in die Beurtheilung der Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit dieser Auftagsgebühren einzugehen.

Man ist hie und da auf den Ausspruch gestoßen die Autonomie der Gemeinde verweh-re das. Gs liege dem Landtage nur ob, das von der Gemeinde Beschlossene zu genehmigen. —

Ich muß dem widerstreiten. Es liegt in der Natur der Sache das Recht und die Pflicht des Landtages zur Prüfung des Gemeinde-Antrages, und ist im Gemeindegesetze auch ganz klar und deutlich ausgesprochen, und wenn die Autonomie der Gemeinde eine entgegengesetzte Forderung enthielte, so müßte erst von der Genehmigung des Gemeindeantrages durch ein Landesgesetz Umgang genommen werden können.

Wenn wir also im Wege der Gesetzgebung diese Gebühren bewilligen sollen, so müssen wir auch die Gründe dazu erwägen, die Bewilligung verweigern können. Das versteht sich von selbst!

Ich würde mich daher vor allem andern dagegen erklären, daß die Gebühr für die Bürgerrechtsverleihungen und für die Aufnahme in den Gemeindeverband von uns behandelt werde. Gerade weil die Gemeinde autonom ist, muß man ihr vor allem ihre volle Autonomie dort wahren, wo sie uneingeschränkt besteht.— Es hängt allein von der Gemeinde ab, wen sie als Bürger, wen sie in den Gemeindeverband aufnehmen will; sie kann also auch die Bedingungen dieser Aufnahme festsetzen, Bürger- und Aufnahmstaren u. s. w. statuiren — sie kann sie so hoch stellen als sie will, sie ist autonom, — und der Landtag hat in dieser Richtung der Gemeinde nichts zu bewilligen und nichts zu verweigern. — Man könnte einwenden, es könnte ein Mißbrauch geschehen; doch vor diesem ist der Staat durch die Gesetze geschützt.

Das Gesetz setzt nämlich fest. daß man auch Bürger ohne Verleihung des Bürgerrechtes, daß man auch Angehöriger ohne Aufnahme in den Gemeindeverband werden kann. Tritt ein solcher Fall ein, so hat die Gemeinde weder zu bewilligen noch zu verweigern, daher auch keine Bürgerrechts-taren, keine Aufnahmstaren zu erheben. Es ist also kein Mißbrauch möglich l Aus diesen Gründen sind die Gebühren für die Bürgerrechtsverleihung und für die Gemeindeverbands-Aufnahme vollkommen aus dem vorgeschlagenen Gesetzentwürfe auszuscheiden.

Ich komme nun zu den Gebühren bei Be-sitzveränderungen und Baubewilli-gungen und werde mir erlauben, abgesehen davon, was ich bereits bezüglich der "unbeanständeten" EinHebung gesagt, habe, nur anzuführen, daß es hier steht "fortan weiter zu erheben," also ohne Begränzung. Es ist also vorgeschlagen, die Gemeinde habe die Gebühren fortan weiter zu erheben.

In der Kundmachung des Karolinenthaler Bürgermeisters vom 1. Mai 1862 werden die Wahlberechtigten zur Stimmabgabe bezüglich der Abnahme dieser Gebühren eingeladen, und es heißt daselbst ausdrücklich: "diese letzteren Beträge" —

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das sind nämlich die von den Realltätenankäufen — "sollen nur in so lange geleistet werden, als es die Nothwendigkeit und die Vortheileder Gemeinde erheischen." Wie kommen wir nun dazu, diese Gebühren auf immerwährende Zeiten zu bewilligen, nachdem der Beschluß der Gemeinde dahin geht, diese Beiträge nur so lange zu leisten, als es die Nothwendigkeit und Vortheile der Gemeinde erheischen sollten? Ich bin bereit diese Proklamation, welche ich gebruckt vor mir habe, auf den Tisch des Hauses zu legen.

Zwischen der Abstimmung der Gemeinde und dem vorgelegten Gesetzenwurfe, besteht daher bezüglich der Dauer der EinHebung ein Widerspruch wir können über den Beschluß der Gemeinde hin-aus nicht bewilligen, das "fortan weiter" muß daher unbedingt gestrichen weiden.

Zunächst handelt es sich sodann um die Be-stimmung und die Verwendung dieser Gebühren; was haben diese Gebühren bei Realitätenkäufen für eine Bestimmung? und da finde ich, daß in der Proclamation vom 12. Dezember 1861 es hieß sie seien für die Bildung eines Stamm-vermögens, eines Fonbsvermögens bestimmt. In der Proclamation des Karolinenthaler Bürgermeisters nämlich vom 1. Mai 1862 dagegen heißt es, sie seien zum Ankaufe der am Ringplatze gelegenen Grundstücke und zur Deckung der außerordentlichen Ge-meindebedürfnisse bestimmt. Meine Herren, es wurden nämlich die Karolinenthaler Wähler zweimal zur Abstimmung vorgeladen, das erste Mal erfolgte diese Abstimmung nicht, ich weiß nicht, ober besser ich will nicht wissen aus welchen Gründen — ich halte mich nur eben an die mir gedruckt vorliegenden Kundmachungen; das zweite Mal erfolgte sie, und in dieser zweiten Proclamation wurde wieder ein anderer Grund angegeben, als in der ersten, und wenn ich nicht irre, in dem gedruckten Berichte ist ein dritter verschiedener Grund. Es scheint mir daher, daß man nicht recht weiß, worauf man diese Gebühren zuerst verwenden soll, weil man der Bedürfnisse zu viele hat, und ich bin daher nicht in der Lage meine Stimme dafür abzugeben, well ich eben die Bestimmung der Gebühren nicht kenne.

Die vierte Frage wäre, ob es zulässig ist, daß man bei Baubewilligungen Gebühren erhebt, und da gelange ich zu dem Punkte der Berechtigung der Gemeinde zur Erhebung von Gebühren. Diese Berechtigung ist in dem §. 78 des Gemeinde - Gesetzes streng normirt; es sind darnach die nöthigen Ausgaben durch die Einnahmen der Gemeinde zu decken, und wenn diese nicht ausreichen, hat der Ausschuß entweder durch Eröffnung neuer Ertragsquellen, oder durch Umlegung auf die Gemeinde für die Deckung des Abgangs zu sorgen. Also entweder durch Eröffnung neuer Ertragsquellen, oder durch Umlagen. Ich kann nun die hier in Frage stehende Gebühr bei Baubewilligungen weder unter das Einkommen der Ge-meinde, noch kann i,b sie unter die Rubrik neuer Ertragsquellen, noch unter die Umlagen subsummi-ren, denn unterUmlagen versteht man Zuschlage, die der §. 79 bestimmt, u. z. Zuschlüge auf directe und undirecte Stehern. Also sind dieß Gebühren, die weder einen Zuschlag auf di-recte noch indirekte Steuern repräsentiren, noch unter die Rubrick der Eröffnung neuer Ertragsquellen fallen.

Man kann nämlich wohl die Errichtung einer Fabrik, die Errichtung von Anstalten, welche einen Ertrag liefern, — aber man kann nie eine Besteuerung unter Eröffnung neuer Ertragsquellen verstehen, und meine Herren, eine Steuer ist es, wenn man bei Baubewilligungen Gebühren abnimmt. Nun aber steht der Gemeinde das Recht nicht zu, eine Steuer auszuschreiben, und meine Herren, auch dem Landtage steht dieses Recht nicht zu; das ist Sache des Reichsrathes! Die Gemeinde, wie der Landtag haben bloß das Recht, Zuschläge auf directe und indirekte Steuern zu beschließen l Ich bin daher der Ansicht, daß auch die Gebühren bei Baubewilligungen unbedingt gestrichen werben müssen, und daß sie nach der Natur der Sache, weil sie nur Steuern und kein Zuschlag weder zu einer directen, noch indirecten Steuer sind, daß sie deshalb nicht bewilligt werden können.

Ich kenne keine Verjährung resp. Ersitzung des Bezuges solcher Gebühren, und es war wenigstens der Landtag noch nie in der Lage, darüber zu beschließen, und eben deswegen wurde die Angelegenheit in den legislativen Weg geleitet. Es bleibt mir also, was die Zulässigkeit dieser Gebühren betrifft, nichts weiter zu sagen, weil man bei Baubewilligungen von Seite des Staates keine Gebühren abnimmt, daher auch keine Zuschläge bewilligt werden können. Man könnte mir entgegnen, daß ich diese Einwendung der Unzulässigkeit beider Erörterung der Gebühren in Besihveränderungs-Fällen nicht gemacht — allerdings, weil ich sie nicht machen konnte, da in Besitzveränderungsfällen vom Staate allerdings Gebühren abgenommen werden, daher auch Zuschläge auf dieselben von der Gemeinde beschlossen, und vom Landtage bewilligt werden können,

Eine fünfte Frage ist die der Abstimmung (Rufe: Schluß;Oberstlandmarschall läutet),

Ich bedauere, ich habe es im Vorhinein gesagt, aber, wenn der Gegenstand heute noch abgethan werben muß, so muß ich auch meiner Überzeugung freien Lauf lassen, ich muß diese Erwägung dem hohen Landtage unterbreiten dürfen; ich werbe keinen Antrag stellen, und werde mir vorbehalten für meine Person gegen den Antrag zu stimmen.

Der fünfte Punkt also ist der der Abstimmung der Wahlberechtigten der Ge,


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meinde, und da ist es allerdings sonderbar, baß in der Gemeinde der erste und zweite Wahlkörper — wenn auch in geringer Anzahl erschienen sich der Abstimmung enthalten hat.

Die 37 nämlich, die sich der Stimmabgabe enthalten haben, sind die aus dem ersten und zweiten Wahlkörper erschienenen.

Ich glaube, meine Herren, das dürfte einer Untersuchung werth sein, nach den Gründen, welche gerade den ersten und zweiten Wahlkörper be-stimmten, sich der Stimmabgabe zu enthalten. Die Vorlage gibt darüber keinen Ausschluß, und das genügt, der Vorlage die Zustimmung nicht zu geben.

Das wäre bezüglich der Gebühren bei Besitz Veränderungen, bei Baubewilligungen und bei Bür-gerrechtsverleihungen und bei Aufnahme in den Gemeindeverband.

Ich gelange nun zu den Zuschlägen zur Verzehrungssteuer, und muß gestehen, daß es mir sonderbar vorkommt, daß gerade die Gemeinde Karolinenthal einen solchen Zuschlag wünscht; sie ist eine Vorstadt von Prag, die Vorstadt einer geschlossenen Stadt, und wir wissen, daß Vorstädte, die sich anlehnen an die geschlossene Stadt, gewöhn-lich deshalb prosperiren, weil sie außerhalb der geschlossenen Stadt sind. Ich brauche diesfalls nur auf die Umgebung Wien's außerhalb der Linien hinzuweisen, um den Satz, den ich aufgestellt habe, bewiesen zu haben; nun auf einmal sollen in Ka-rollnenthal ähnliche Verhältnisse gesetzlich unter Intervention der Landesvertretung eingefühlt werden, wie in der geschlossenen Stadt.

Ich glaube, baß das dem Aufblühen von Karolinenthal nicht zuträglich sein kann, die Erfahrung lehrt es.

Sodann ist Karolinenthal geradezu mit anderen Gemeinden vermischt. Meine Herren, die Weinberggemeinde ist eine reiche Gemeinde und stößt an Karolinenthal an, das Wirthshaus zum Weinberg ist unzweifelhaft ein Concurrent, der gar nicht besteuert werden kann, und nie besteuert werben wird, weil die Gemeinde Weinberg keiner Umlage bedarf, und in der Straße, welche zwischen den Gemeinden Karolinenthal und Weinberg dahin läuft, werden zweifelsohne auf der der Weinberg-gemeinde zugehörigen Seile noch mehrere Wirthshäuser entstehen, welche von der Karollnenlhaler Abgabe nie getroffen werden können. Dasselbe ist mit dem Gasthause zur Stadt "Straßburg" — der Gemeinde Lieben zugehörig, dasselbe mit der ärarischen Kaserne im Inwalidenhause der Fall. Ich habe daher keinen Zweifel, daß eine Uiberwälzung dieser Gebühren auf das verzehrende Publicum auf.den Gebrauch selbst unmöglich ist.

Meine Herren, man sagt zwar, das dürfte überall der Fall sein, wo wir Bierkreuzerabnahme bewilligt haben, das Bier, die Getränke werden nicht theuerer! gut, wenn das die allgemeine Concurrenz zu Stande bringt; wenn das aber die unbesteuerte Concurrenz anderer Orte zu Stande bringt, bringen muß, so schreibe man lieber die Steuer direct aus, man besteuere gewisse Classen von Leuten, statt eine Gebrauchsteuer, welche zweifellos nicht von denjenigen getragen wird, welcher die Gegenstände verbrauchen! tritt also hier das Moment des Unrechtes ein, und deshalb bin ich dagegen!

Was soll nun die Bestimmung dieses Zu-schlages sein? Der Schulbauheißt es.

Ich gestehe nun daß ein eigenes Schulhaus für Karolinenthal sehr erwünscht wäre, und ich wünsche, Karolinenthal recht bald in der Lage zu sehen, ein Schulhaus zu besitzen. (Unruhe). Allein ich glaube, das ist nicht die rechte Art, sich Geld zu verschaffen. Man wird vielleicht zur Erhöhung der Zuschläge auf die directen Steuern, zu einer größeren Umlage auf die directen Steuern, wie sie ja seit Jahren bestand, schreiten, man wirb vielleicht auf den Zinskreuzer und Zinsgroschen kommen, welcher sich als ergiebige Einkommenquelle überall bewährt hat, und sich auch in Karolinenthal bewähren wird, da Wohnungen der niederen Kathe-gorie selbstverständlich von dieser Abgabe freibleiben.

Auf diese Art wirb es mit der Zeit wohl ge-lingen, einen Schulfond zusammenzubringen; inzwischen werden gemiethete Localitäten, wie anders wo aushelfen! Nun aber gelange ich zu dem Punkte, welcher die EinHebung dieses Zuschlages betrifft, und für die Behandlung dieses Punctes liefert mir der gedruckte Bericht den Anhaltspunct, der das wörtlich sagt: "Die Modalität des Zuschlages könne sicher und ohne alle Schwierigkeiten eingebracht werden." (soll wohl heißen: "Der Zu-schlag" und nicht: "Die Modalität des Zuschlages.") Also der Bericht sagt ausdrücklich, bezüglich der EinHebung des Zuschlages auf Bier, Wein u. s. w. bestehen keine Schwierigkeiten.

Nun, meine Herren, da bedauere ich, dem wiedersprechen zu muffen; in Karolinenthal bestehe nungeheuere Schwierigkeiten; ich bin ein Freund der Autonomie der Gemeinde, allein ich. halte es ebenso für meine Pflicht, dort der Autonomie entgegenzutreten, wo sie im Begriffe ist, Tyrannie zu werden. Meine Herren, ich habe hier die Kundmachung des Karolinenthaler Bürger, meisteramtes vom 30. Oktober 1862 in der Hand, womit die Einhebungsart, also der Modes bekannt gegeben wurde, unter welchem die EinHebung zu geschehen, und da heißt es nun: "daß Jedermann,, der Wein, Bier, Brantwein, Spiritus oder andere geistige Flüßigkeiten nach Karolinenthal einfühlt, trägt oder transportirt, zunächst ver-pflichtet ist, die Menge hievon und den Abnehmer anzugeben, den entfallenden Gemeindezuschlag bei der Gemeinde zu berichtigen, und die Anmeldungsbollete zu erheben, ohne welcher die Abladung unter den ausgemessenen Strafen nicht erfolgen darf." Meine Herren, Sie sehen, es ist nicht-nur auf den Verbrauch, sondern auch auf den Handel, auf den Verkehr die Gebühr bezogen wor-


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den, und es sind auch die Strafen festgesetzt, d. h. die Gemeinde übt eine Strafgewalt, eine Strafgewalt nach welchen Gesehen? ist mir unbekannt, sie maßt sich die Strafgewalt an! — ferner:

"Ein jeder, der Bier, Wein, Spiritus oder eine - andere geistige Flüßigkeit nach Karolinenthal einführen will, hat sich mit einer Deklaration oder mit einem Frachtbriefe zu versehen, auf welchem die Zahl und Nummern der einzelnen Gefäße nebst genauer Angabe des Maß-inhaltes sowie der Ort, woher das Getränke kommt und an wen es geliefert wird, nebst dem Namen des Lieferanten ersichtlich sein muß." — Meine Herren, wer kann da ermessen, wohin, wie weit das noch geht? Das ist eine Beschränkung des Verkehres, wieste nicht ärger gedacht werben könnte, und doch kommt es noch ärger!

"Bei der Einfuhr der "Getränke in Flaschen," heißt es weiter, "hat die Deklaration oder der Frachtbrief die Zahl derselben und Quantität nach Maßen zu enthalten."

"Jede unrichtige Angabe in dem Frachtbriefe , wird als eine beabsichtigte Umgehung angesehen und hiernach behandelt."

Und das ist noch nicht genug, meine Herren! Ich begebe mich der Kritik dieser Worte und fahre fort.

"Die Abnehmer von Getränken und geistigen Flüßigkeiten machen sich strafbar, wenn sie eine derartige Flußigkeit abladen lassen, ohne daß die Anmeldungsbollete vor der Abladung sich in ihren Händen befindet."

Das ist eine vollkommene Veration, meine Herren! ferner: "Erzeuger von geiftigen oder versüßten Getränken und von Branntwein müssen, wenn sie einen Verkauf en detail im Orte betreiben, den Gemeindezuschlag von jedem eingeführten Spiritus oder spirituosen Getränke gleich bei der Einfuhr entrichten, ohne bei der Persendung ihrer Erzeugnisse nach Außen auf eine Vergütung Anspruch machen zu können."

Meine Herren! wenn noch ein Zweifel über das Drakonische dieser Verfügungen übrig sein könnte, müßte der folgende Passus entscheiden. Es heißt nämlich in der Kundmachung, die ich eben citirt habe:

Trausito-Niederlagen für Spiwitus und. geistige Getränke sowie für Wein und Bier werden in, Karolinenthal keine gestattet."

Nun meine Herren ! Was Sie bisher nicht mußten, erfahren Sie damit: in Karoltnenthal wird keine Transitoniederlage geduldet! damit ich bedauere es sagen zu müssen, derorgirt das Karolinenthaler Bürgermeister-amt der Gewerbe-Ordnung und dem Handelsgesetze! Man wird- allerdings sagen, ja, das ist Sache der Executive, das geht uns hier nicht an, wir haben keine Rücksicht darauf zu nehmen, man hat sich darauf zu beschränken, das Gesetz zu geben, die Executive ist Sache der Behörde! u. s. w. Allein meine Herren, wer das Veratorische solcher Anordnungen kennt, wird wissen, wie mühsam der Weg der Beschwerde ist, und wie sie immer zu spät kommt! Es heißt aber in dem bezogenen Passus weiter: "Solche Flüßigkeiten weiden bei ihrer Einfuhr als für Karolinenthal bestimmt behandelt, weßhalb auch der Gemeindezuschlag hievon bei der Einfuhr entrichtet und die An meldungsbollete behoben werden muß."

Also nicht der Verbrauch ist es, der besteuert wird, sondern es ist die Erzeugung, es ist der Handel, es ist der Verkehr in Karolinenthal besteuert, und es ist dieser Steuer eine Ausdehnung gegeben worden, die schreckbar ist! Ich gelange nun erst zu der Zeitbestimmung (Unruhe).

Meine Herren, was für eine Last dem Ver-kehr dadurch aufgebürdet wird, das bitte ich Sie zu ermessen aus Folgendem: "Will ein Bier ober eine sonstige geistige Flüssigkeit in den Morgen-oder späten Abendstunden eingeführt werden, so muß die Meldung hievon und Entrichtung des entfallenden Gemeinbezuschlages in den vorangegangeneu Amtsstunden beim Gemeindeamte geschehen."

Es kommt z. B, wie mir der Fall bekannt ist, ein Bauer aus Niederösterreich, bringt Wein irgend einem Privaten. Er kommt in später Abendstunde oder nach 6 Uhr, denn diese Stunde wird a!S Beginn der Nacht angeführt, fährt in das Haus, um den Wein abzuladen. Da ist der Bierund Getränkeaufseher aber schon bei der Hand und wenn er den Wein abzuladen versucht, wird die Ladung consiscirt! und doch konnte der Bauer aus Niederösterreich keine Ahnung davon haben, ja es kann überhaupt Niemand fassen, daß ein delar-tiger Unfug in Karolinenthal besteht!

Ich komme nun zu den Strasbestimmung-gen. "Auf die Unterlassung .der Anmeldung wird, wenn ein Bier oder sonstige geistige Flüssigkeit im Abladen beim Tage betreten wirb, der Einsender und unter Haftung mit dem eingeführten Getränke der Zuführer das Erstemal mit dem vierten Theile, das Zweitemal mit der Hälfte, und das Drittemal mit dem Ganzen des Werthes der eingeführten gebührenpflichtigen Flüssigkeit bestraft."

"Würde aber die Abladung einer geistigen Flüssigkeit ohne Anmeldungsbollete bei der Nacht, d. i. von 6 Uhr Abents bis 8 Uhr Morgens be-treten, so unterliegt die ganze eingeführte Menge der Gonastation."

(Allgemeine Unruhe.)

.Bürgermeister, Pstroß einfallend: Bitte zur Sache.

Dr. Hanisch: Ich bitte, ich bin bei der Sache, denn denn Bericht enthält die Bemerkung baß die Einhebung ohne alle Schwierigkeiten vor sich gehe.

Oberstlandmarschall: Ich möchte nur aufmerksam machen, daß der Landtag auf diese Ve-


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stimmung, wie die Steuern eingehoben werden sollen, um das Publikum nicht zu sekiren, welche Maßnahmen getroffen werden sollen, damit sie nicht zur Handelssteuer, sondern zur Consumtions-steuer werde, daß also der Landtag darauf leinen Einfluß nehmen und dem nicht abhelfen kann.

Abgeordneter Dr. Hanisch: Ich werde nicht weiter gehen, da diese Kundmachung gedruckt ist, und allgemein, auch den Behörden bekannt sein soll, und ich werde nur noch anführen, daß nicht nur die Waare, sondern auch der Frächter angehalten und bis zur Sicherstellung der Strafe in Verwahrung gehalten wird, und nunmehr den Schluß zrück machen. Wenn der Gemeindevorsteher solche Maßregeln, meiner Ansicht nach, vollkommen unberechtigt und in Ueberschreitung seiner Amtsgewalt erläßt, wenn die Gemeindevertretung solche Maßregeln bestehen läßt, und wenn die Gemeinde schließlich diese Maßregeln auch nicht angreift, und wenn endlich von Seiten der Behörde auch nicht eingeschritten werde, so weiß ich nicht, ob mir nicht mit Recht der Zweifel auftaucht, daß wir nicht gut thun, eine Umlage zu bewilligen, die mit Hintansetzung des Gesetzes und in so unvernünstiger Weise eingehoben wird. Der Staat hat selbst ein rationelleres System eingeschla-gen (Heiterkeit, große Unruhe).

Ich bitte sehr, der Staat hat das System der Abfindung eingeschlagen; warum thut das die Gemeinde nicht ebenfalls? (Unruhe, Heiterkeit.)

Ich bitte sehr, ich habe das Wort (Rufe: Nein, Unruhe, Heiterkeit) und ich glaube mit Recht sagen zu können, der Staat hat ein rationelleres System, das System der Abfindung eingeschlagen; und deßhalb komme ich dahin zurück, woher ich ausgegangen bin, daß ich zwar für die Autonomie der Gemeinde bin aber nicht für die Tyrannei in der Gemeinde. Ich erlaube mir zu bemerken, daß Smi-chow auch eine Vorstadt Prags ist, und daß daselbst eine solche Umlage abgelehnt worden ist.

(Rufe: hört, hört! links.)

Wenn ich endlich die Summe von 430.000 betrachte, welche mit all den Umlagen gedeckt werden soll, so muß ich gestehen, ich würbe wünschen, Karolinenthal hätte sich mit einem Voranschlage, der mäßig und erreichbar wäre, begnügt und nicht solche unmögliche Dinge verlangt. Ich sehe daher nicht ein, worauf diese 430.000 st. verwendet werden sollen. Ich überlasse die Beurtheilung der Vernunstlosigkeit und Unvernünftigkeit dieser Ver-wendung Ihrem Urtheile, und erkläre nur, baß ich gegen den Antrag des Landesausschußes stimmen werde (Bravo).

Oberstlandmarschall: Meine Herren! es sind nun vorgemerkt H. Bürgermeister Pstroß und Hofrath Taschek. Ich bitte der Schluß der De. batte ,st bereits, also bitte sich über einen Generalredner zu einigen.

Hofrath Taschek: Ich habe nur die Absicht ras Amendement zu stellen, daß die Dauer zu beschränken ist, (Bravo) daß statt 7 Jahren nur auf ein weiteres Jahr, nämlich auf das Jahr 1863 und 1864 und der neuen, Gemeindevertretung, nachdem der Beschluß von der Minorität gefaßt worden ist, also möglicherweise bestritten worden ist, wie die neue Gemeindevertretung in Folge der neuen Ge-meindewahlordnung anders zusammengesetzt sein wirb als die jetzige, für das freie Recht darüber zu bewahren, nach ihrem Verfügen zu disponiren und sich nicht in vorhinein zu binden.

Oberstlandmarschall: Dieses Amen-bement lautet also zu allen 3 Punkten.

Taschek: Nur zum ersten Punkte.

Oberstlandmarschall: Also nur zum Punkte 2. Bitte Hr. Bürgermeister Pftroß.

Pftroß: Erlauben Sie mir meine Herren, daß ich Ihre Geduld nur auf kurze Zeit in Anspruch nehme, würde ich dieß nicht thun, ich glaube, es müßte mich der Vorwurf treffen, der jeden trifft) wenn seines Nachbarn Haus zu brennen anfängt und er nicht versucht, dasselbe zu löschen. Nachdem der Vertreter von Karolinenthal nicht anwesend ist, so betrachte ich es als nächster Nachbar für meine Pflicht für den Antrag der Stadtgemeinde Karolinen-thal einzustehen. Ich werde dieß so kurz als nur möglich zu thun mir erlauben. Meine Herren! Nach meiner Ueberzeugung ist für uns die Hauptfrage diejenige, wozu die Stadtgemeinde Karolinenthal das Geld braucht.

Nun wenn Sie den dießfälligen Ausweis nachsehen, so werben Sie finden, es sind nur ein paar aber es sind sehr ausgiebige Posten. So die Kosten auf die Pflasterung des Ringplatzes und sämmtliche Gaffen, Ankauf eines Privat-Grunbstückes zur Arrondirung des Ringplatzes, zum Baue eines Schulge-bäudes, zur Anlegung einer Wasserleitung, und zur Canalisirung. Meine Herren! was das erste betrifft, so glaube ich, wer Karolinenthal nur halbwegs kennt, der wirb die Nothwendigkeit anerken-nen, daß Gassen und Platz gepflastert werde, und ich bin der Ueberzeugung, selbst einer der Herren, der jetzt gegen den Antrag für Karolinenthal gesprochen hat, würde unbedingt für die Pflasterung einstehen, wenn er verurtheilt würde, Tag täglich nach Karolinenthal hinauszugehen. Was die Nothwendigkeit anbelangt, ein Privatgrundstück am Ring platz zu kaufen, um den Platz um die Kirche zu re-guliren, meine Herren, ich glaube, es wird keiner unter Ihnen sein, der nicht auch hiefür freudig das Wort ergreifen würde; sehen Sie, die Karolinen-thaler Kirche ist ein Prachtbau, aus lauter freiwilligen Beiträgen gesammelt, der so zu sagen der dortigen Gemeinde von Fremden zum Geschenke- . gemacht worden ist, warum sollte da die Gemeinde nicht das Opfer bringen 10000 zur Regelung des Platzes herzugeben?

Was den Bau eines Schulgebäubes betrifft meine Herren, da glaube ich, brauche ich gar sein Wort zu verlieren. Die Nothwendigkeit einer Wasserleitung und die Canalisirung der Stadt sind zwei


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Einrichtungen, die aus Sanitäts-, aus Wohlthätig-keitsrücksichten eine Rothwendigkeil find, hierüber glaube ich läßt sich gar nichts sagen, nur beziehen sich diese gesammten Auslagen auf 43850 fl. die ordentlichen Einnahmen von Karolinenthal belaufen sich pro Jahr auf 19434, die ordentlichen Ausgaben auf 26116. So sind im laufenden Ver-waltungsjahre für ordentliche Ausgaben ein De-fizit 6682 fl. Meine Herren, die Deckung dieses Defizits zu bestreiten, glaube ich kann es ebenfalls niemad geben, die Nothwendigkeit der vorcilirten künstig zu machenden Auslagen zu negiren. Ich glaube es erübrigt die Frage, auf welche Art und Weise sollen diese Gelbmittel geschaffen werden?

Meine Herren! Alle die nur irgend das Wort Autonomie der Gemeinde über die Lippen lassen, müssen, glaube ich, vollkommen einverstanden sein, daß vor allem andern die betreffende Gemeinde die Mittel und Wege selbst angibt, auf welche Art diese Differenz zu beschaffen ist. Denn sie allein ist diejenige, die in der Lage ist es zu bestimmen, wie diese Mittel zu verschaffen find ohne allzugroße Bedrückung der Gemeinde-Mitglieder. Meine Herren, wenn ich recht unterrichtet bin so hat Karolinen-thal, und ich glaube es ist richtig, eine Bevölkerung von 13.000 Seelen und darunter sollen nur 800 Steuerpflichtige sein.

Ich frage, welchen Aufschlag auf directe Steuern, worunter doch die Gemeinde-, Erwerb- und Einkommensteuer sind, müßte da stattfinden, um diesen Ertrag zu erzielen, den Karolinenthal benöthigt. Ich glaube, hier kann keine Rede vom Aufschlag auf directs Steuern sein. Da schlägt die Gemeinde Karolinenthal vor allem andern vor die Einhebunq einer seit mehr als 20 Jahren unbeanständet ein-gehobenen Steuer bei Realitäten - Ankäufen, Bau-führungen, Ertheilung des Bürgerrechtes und Ge-meindeaufnahmsertheilungen.

Nach dem vorangeführten von der Gemeindevertretung beschlossenen Modus fortan . . . . Nun ich muß gestehen, was die EinHebung einer Gebühr bei Realitäten und Ankäufen anbelangt, so kann man allerdings sagen, das sei etwas abnormales. Allein meine Herren, das Factum ist sichergestellt und es besteht und hat eine Reihe von Jahren bestanden und es besteht noch heute und wenn man es nicht zufällig aufgegriffen und eine Vorstellung gemacht Hütte. Ich sehe aber in unserem Gemeindegesetz kein Hinderniß, daß ein dießfälliger Antrag zur EinHebung einer solchen Gebühr von einer Gemeinde nicht gestellt werden könnte in einem Ausmaß, wie er hier bemessen ist, mit 5 fl. von 1000. Sage Niemand, daß dadurch der Ankauf von Realitäten bedeutend erschwert werde.

Ebenso verhält es sich mit der Gebühr für Vanführungen. Meine Herren, es ist dieß keine Tare für die Ertheilung des Consenses. die wie richtig bemerkt worden ist, seither nicht eingehoben Wird. Es ist das Etwas, was man einer Gemeinde gestattet hat, zur Deckung einer Umlage und zwar die Motivierung liegt hier schon im Be-richte. Karolinenthal will die Gassen pflastern, will kanalisiren. Meine Herren! die Stadt, die ich hier zu vertreten die Ehre habe, die Hauptstadt Prag, hebt eine Tare ab bei allen Bauten unter dem Namen der Canaleinmündungsgebühr und zwar 35 kr. von 1 Q.-Kl. der Baufläche des zu verbauenden Raumes, also je höher oder je weiter und breiter, desto höher die Gebühr. Meine Herren! Auch diese Gebühr bleibt unbeanstandet und wird unbeanstandet bleiben, weil die Stadt verpflichtet ist, Canäle einzuleiten und sie zu erhalten.

Ich muß noch bemerken, daß das auch jetzt noch der Fall ist, bei Bauten und daß sie auch eingeführt wird bei Bauten, wo in den Gassen noch keine Gebühren eingeführt sind. Ich halte den Antrag auch in dieser Beziehung für gerechtfertigt. Was nun einen weiteren Punkt anbelangt, nämlich die EinHebung der Bürgerrechtsverleihungs- und Gemeindeverdandaufnahms - Taren, meine Herren, da glaube ich, dürfte wirklich die Hinweisung des Herrn Dr. Hanisch richtig sein, daß hiezu die Gemeinde Karolinenthal eigentlich nicht der Bewilligung durch ein Landesgesetz bedarf, das, wenn ich nicht irre, ist im Gemeindegesetz vom Jahre 1849 nicht festgesetzt. Bei uns in Prag, in unserem Statut besteht die Gebühr, nach dem neuen Ge-setzesentwurfe, der Ihnen ohne! in vorliegt, ist das auch dem künstigen Belieben der Gemeinde überlassen; allein ich sehe kein Hinderniß, wenn sie es gethan hat, und sie wünscht die gesetzliche Sanction, warum wir auch in dieser Beziehung nicht auf ihren Antrag eingehen sollen. Was nun endlich die Bemerkung anbelangt, dieser Beitrag sei fortan weiter zu erheben, meine Hernn, ich muß offen gestehen, in dem Worte "fortan" finde ich noch nicht die Begründung, daß Karolinenthal für ewige Zeiten berechtigt wäre, diesen Gemeindezuschlag einzu-heben, es hängt das von verschiedenen Umständen ab, wenn der Zweck, zu welchem der Zuschlag eingeführt ist, erreicht ist. Meine Herren, machen Sie sich kein Hehl daraus, der Gemeinderath wird schon selbst die Aufhebung dieser Anordnung veranlassen. (Bravo.) Nun will ich mir erlauben, den Punkt 2 etwas näher zu erörtern, nämlich die Bewilligung zur Erhebung eines weiteren Zuschlages auf geistige Getränke.

Auf Seite 7 werden die Herren finden, daß der Zuschlag zu den geistigen Getränken in dem Ausmaße, wie er proponirt ist, schon seit 1854 von den gebrannten geistigen Getränken, nämlich von Branntwein und Spiritus eingehoben wird und daß deßhalb die Erweiterung dieser Maßregel faktisch bloß auf das Bier abzielt. Ich glaube durch das weiter oben Bezeichnete wollte gesagt sein, daß dieß unter den Modalitäten, wie die EinHebung die-ses Zuschlages stattfindet, auch noch weiter stattfinden kann.

Allein, meine Herren, Sie können vollkommen beruhigt sein; ich muß gestehen, ich dachte nicht, baß


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ich mich zum Anwalt dieser Sache auswerfen werde; denn sonst wäre ich in der Lage, das betreffende Gesetz zu citiren, allein ich weiß, es besteht eine gesetzliche Anordndung, daß alle diese Zuschläge nur das Consumo im Orte selbst treffen, nie aber die Handelswaaren, das ist, meine Herren, Sache der Regierung, darüber zu wachen und darum habe ich mich veranlaßt gesehen, den Hrn.. Dr. Hanisch bei Ausführung dieser bereits genehmigten Summe der Umlage zur Sache zu rufen, weil, wie gesagt, das nicht vor unser Forum gehört. Ich glaube also, daß wir in dieser Beziehung mit vollkommener Beruhigung den Antrag, wie er vorliegt, annehmen können, weil im Gegentheile die Worte "des weiter oben bezeichneten Gemeindezuschlages" in Verfolgung, wie er weiter hier ist, die Garantie zu bieten scheinen, daß man nicht weiter gehen wird, als es nothwendig ist.

Gegen den Antrag des Herrn Dr. Taschek, man möge die Dauer statt auf 7 Jahre nur auf 3 Jahre festsetzen ....

(Rufe: Nein!. Auf ein Jahr!)

Pstroß: Ach, dann bitte ich um Verzeihung; gegen den Antrag müßte ich allerdings auftreten; wenn es ein Jahr lauten sollte. Meine Herren! Wenn die Gemeinde nur eines dieser hier citir-te größeren Objekte in Angriff nehmen will, muß sie doch im Vorhinein die Sicherheit haben, daß sie die Bedingungen für dieses Objekt in den nächsten Jahren erreichen wird.

Ich halte das also auch für eine Nothwendigkeit, der Gemeinde doch wenigstens auf den Zeitraum von 3 Jahren diese Bewilligung zu geben und ich würde mir für den Fall, wenn von Seite des hohen Landtags die Dauer von 7 Jahren nicht bewilligt wurde — erlauben zu beantragen, die Dauer auf 3 Jahre zu fixiren. —

Ich glaube, meine Herren, so weit als thunlich den Gegenstand ersthöpft zu haben und habe nichts weiter zu bemerken. —

Oberstlandmarschall: Die Debatte ist geschlossen, der Herr Berichterstatter hat das Wort.

Dr. Rieger: Ich bedauere, daß das hohe Haus mit dieser verhältnißmäßig zu den übrigen Aufgaben, die ihm obliegen, gewiß sehr unbedeutenden Angelegenheit so lange in Anspruch genommen ist, aber Sie werden mir verzeihen, wenn ich als Berichterstatter gegen die hier vorgebrachten Einwendungen, wenn auch möglichst kurz antworte. Es ist von Seiten des Herrn Abgeordneten Baron Wucherer bereits und auch von dem Herrn Dr. Hanisch hervorgehoben worden, daß die bei der Versammlung erschienen die Minorität der Gemeinde waren, aber meine Herren! Wir haben in ähnlichen Fragen, die bereits zur Abstimmung gebracht worden sind, dieselben Erscheinungen gehabt, die Gemeindemitglieder sagen eben, daß es eine traurige Nothwendigkeit ist, solche Umlagen zu bewilligen und wollen ihre Zeit nicht erst unnütz hinbringen und hingehen in die Versammlung, wenn sie am Ende dem zustimmen müßten und das müßten sie gewiß; absentes concentiunt in dergleichen Sachen, sie fügen sich und geben sich nicht die Mühe Einwendungen zu erheben. — Cs erscheinen bei solchen Ernennungen gewöhnlich diejenigen, die wesentlich interessirt sind, das sind die Bierwirthe, die Schänker und die Branntweinverschleißer und die stimmen natürlich und agitiren vielmehr als sie stimmen, weil sie es in ihrem Interesse finden, solche Umlagen nicht zu gestatten. — Was die Getränke betrifft, die hier gemeint sind, so hat bereits der Hr. Bürgermeister Pstroß darauf hingewiesen, daß nach dem Gesetze eine solche Umlage nur auf die in dem Orte zum Verschleiß und zur Verzehrung gelangenden Getränke bezogen werden kann, so daß in der Beziehung den Gemeinden schon regelmäßig vorgeschrieben ist, daß sie diese Bewilligung nicht auf ungebührliche Weise ausbreiten konnten. Was den Umstand betrifft, daß die Taren für die Bürgerrechtertheilung keiner Bewilligung des Landtages bedürfen, so mag das richtig sein, indeß, es ist auch das richtig, daß die Taren in dieser Beziehung von verschiedenen Gemeindegliedern in verschiedenem Ausmaße erhoben werben, daß darüber bis heute keine fixe Bestimmung, leine fixe Norm besteht. — ES ist ein früherer Erlaß vorhanden, daß eine solche Regelung in Aussicht steht, aber eine solche Normirung dieser Taren ist bis jetzt nicht geschehen und es ist also begreiflich, daß, nachdem eine fixe gesetzliche Norm nicht besteht, häufig Einwendungen von Seite der Betheiligten erhoben werben, der eine oder der andere will nicht so viel zahlen, als man verlangt, es ist für jeden jedenfalls von Vortheil, wenn eine solche Tare einer legislativen Sanction sich erfreut, da hören alle solche Einwendungen auf.

Ueberdieß wird das neue Gemeindegesetz bezüglich dessen Vorsorge treffen und wenn sie getroffen ist, wird auch diese Bestimmung, wenn sie abweichend sein sollte, behoben werden. Nun es hat schon der Herr Abgeordnete Hanisch darauf hingewiesen, es sei die Umlage auf die Häuser und auf Häuserbauten eine Steuer, und als solche können sie nur der Bewilligung des Reichsrathes zustehen.

Meine Herren! Ich muß mich wirklich wundern, daß eine solche Einwendung hier in diesem Hause gebracht worden ist, wir wissen alle, daß auch wir Steuer bewilligen und Steuer ausschreiben können und nachdem der Landtag das Recht der Ueberwachung des Gemeindewesens hat, so hat er auch das Recht Gemeindesteuer zu bewilligen.

Es kann dieses keinen Zweifeln unterliegen, umsoweniger als das Ministerium selbst die Sache dem Landtage zur verfassungsmäßigen Austragung zugewiesen hat und es könnte scheinen, daß der Landtag sich selbst weit mehr beschränken möchte, als es die Absicht des Ministeriums ist. Es ist hier wiederholt gesprochen worden von der Unmöglichkeit, diese Auflagen auf andere zu überwälzen, nämlich auf diejenigen, welche eigentlich getroffen werden

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sollen, und man glaubt also, baß Bierwirthe und Getränkeverschleißer dadurch getroffen werden.

Meine Herren, wenn dieses richtig ist, bann hätten sie consequent alle dergleichen Vorlagen zurückweisen müssen; es sind deren bereits in diesem hohen Hause einige 12 bewilligt worden für alle möglichen Städte und es ist diese Einwendung nie zur Geltung gebracht worden. Man hat gesagt, daß es unbillig sei, diese Auflage jenen aufzuwälzen, die zur Gemeinde nicht gehören, also von den Ge-meindeschulen u. s. w. keine Vortheile beziehen.

Aber ich erinnere mich sehr wohl, daß ein verehrter Abgeordnete Herr Dr. Klier, als dieselbe Frage im Interesse der Gemeinde Tetschen vorkam, gerade darauf hinwies, daß es für die Gemeinde erwünscht ist, eine solche Umlage zu haben, weil sie nicht so sehr die Einheimischen als die Fremden trifft und auch die Fremden füglich getroffen werden; wenn er in die Stadt geht, zieht er in der Stadt offenbar Vortheil, geht er dem Erwerbe nach.

Am wenigsten ist das in der Regel der Fall. Wer zum Vergnügen hingeht, und sich durch Auflage gekränkt findet, soll ans der Gemeinde hinaus-gehen, und sein Vergnügen anderswo suchen, aber die, welche im Geschäftsleben hinkommen z. B-, wenn jemand mit einer Fuhre Getreide auf den Markt hinkommt, bezieht er von der Gemeinde wesentlichen Vortheil, daß er einen geeigneten Marktplatz findet, daß er seine Waare gut verkauft, daß er gepflasterte Straßen findet, daß er mit seinem Wagen nicht im Koche ersticken muß. Also warum könnte nicht die Gemeinde zu dieser Gemeindeumlage beitragen?

Was die Unzukömmlichkeiten, die vielleicht vor-gekommen sind, betrifft, will ich sie dahin gestellt sein lassen. Der Bürgermeister Pstroß hat darauf hingewiesen und wenn die Gemeinde in dieser Beziehung sich irgend welche Unzukömmlichkeiten erlaubt hat, so war es die Sache derer, die dadurch getroffen wurden, darüber Beschwerde zu erheben bei den competenten Behörden, und ich bin überzeugt, daß die Statthalterei den Schuh der Betrefsenden gewiß in die Hand genommen hätte.

Nun meine Herren, was die Auflagen betrifft, find dieselben durchaus leine neuen, es sind dieselben sogar von sehr altem Datum. Es ist mir hier ein Actenstück gütig mitgetheilt worden aus dem Jahre 44 datirt, eine Proklamation des damaligen Jurisdictionsamtes des rit etlichen Kreuzherrnordens in Karolinenthal. Hier heißt es:

In Folge herabgelangter hoher Verordnung vom 12. April 1841, wurde das Karolinenthaler Jurisdictionsamt durch k. k. kreisämtlichen Erlaß vom 3. Mai 1844 in betreff des Verhältnisses des Gemeindewesens in Karolinenthal mit Bezug auf den Erlaß in der Ortseigenschaft und nachträglich zur hohen Gubernialverordnung vom 24. Oktober bedeutet: 1. Wird die, die Vergangenheit betreffende De-ckung der Gemeindebedürfnisse, wie sie zum Theil auf außerordentlichem Wege in der letzten Zelt durch die Kreuzherrenjurisdiction und das k. k. Kleisamt eingeleitet wurde, aus den angefühlten Gründen vom Landesgubernium geschützt und aufrecht gehalten. Das war meine Herren! schon im Jahre 1844 der Fall. Dann heißt es hier weiter im §. 1, Punkt b "daß die Gebühr bei Eintritt in den Ge-meindeverband an die Gemeindecasse nach den Ver-mögensverhältnissen eigentlich schon im Jahre 1827 eingeführt worden, obgleich sie damals auf jede Schutz-, Nahrungs- und Gewerbsverleihung ausgedehnt wurde; sie wird jetzt auf den Eintritt in den Gemeindeverband beschränkt, also früher wurde sie sogar aus jede Schutz-, Nahrungs- und Gewerbeverleihung ausgedehnt. Eben so spricht der § 6 desselben von der Nothwendigkeit und Billigkeit der Einführung eines Verzehrungssteuerzuschlags. Sie sehen, meine Herren! daß alle diese Sachen von sehr altem Datum sind, und namentlich der Bier-kreuzer wird bereits seit 1853 erhoben. Es hat von mehr als einem Jahre die Gemeinde Karolinenthal das Ansuchen gestellt, daß dieser Bierkreuzer auf 8 Jahre bewilligt werbe. Der Landesausschuß, welcher die wichtigen Gründe der Gemeinde erkannte, eine solche Umlage einzuführen, sich aber nicht für competent hielt, darüber eine Verfügung zu treffen, hat die Sache im gehörigen Wege zur Entscheidung der allerh. Regierung vorgelegt, und diese hat mit einem provisorischen Gesetze der Gemeinde die Erhebung dieser Umlage auf Ein Jahr bewilligt, es bleiben also dem hohen Landtag nur noch die übrigen 7 Jahre zu bewilligen, in Betreff welcher allein der Landtag competent ist, nachdem heute die Nothwendigkeit eines provisorischen Gesetzes nicht mehr vorliegt. Nun meine Herren, es ist weiter daraufhingewiesen worden, baß die Gemeinde sich dadurch in einem besonderen Zustande befindet, daß mehrere Bierhäuser, die anderen Gemeinden angehören, sehr nahe an das Weichbild der Karolinenthaler Gemeinde gerückt sind; ganz nahe oder in unmittelbarer Nähe an der Gemeinde befindet sich nur ein ganz kleines und höchst unbedeutendes Wirthshaus, eine Kneipe, die sogenannte "zum Weinberge:" die kann hier nicht in Rechnung gebracht werden, und meine Herren wenn das auch der Fall wäre, so haben wir dieselbe Erscheinung in sehr vielen Gemeinden, baß sich unmittelbar vor den Thoren und in sehr be-deutender Nähe Wirthshäuser befinden, die einer andern Gemeinde angehören, und deshalb ist der Gemeinde doch nicht die Umlage versagt worden.

Nun ich glaube meine Herren, es ist kein Grund vorhanden, sie auch Karolinenthal zu versagen.

Die Bierwirthe von Karolinenthal beklagen sich, daß sie in dieser Beziehung gedrückt weiden, aber es geht aus der Vergleichung der bezüglichen Abgaben schlagend hervor, daß das nicht der Fall ist. Meine Herren, die Präger Bierwirthe, die zunächst in Concurrenz treten könnten mit den Karolinenlhalern, und auf welche auch hingewiesen wird, daß nämlich viele Karolinenthaler nach Prag ge-


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hen, um Bier da zu trinken, sind viel schlechter daran, als die Karolinenthaler.

Wenn die Karolinenthaler ein Bier aus Prag herausführen, und es wird viel Bier nach Karoli-nenthal hinausgeführt, so bekommen sie für jedes Faß 2 fl. 80 kr. zurückgezahlt an der Thormauth; um so viel beträgt die Belastung eines Fasses Bier in Prag mehr als in Karolinenthal, und da sie nur an die Gemeinde selbst 1 fl. 15 kr. zahlen, so gewinnen sie bei jedem Faß Bier 1 fl. 80 30/40 kr.

Ich glaube. das ist doch schlagend, daß sie in dieser Beziehung nicht zurückgesetzt sind, wenn sie außer den gewöhnlichen Verdienst auch noch einen anderen von 1 fl. 80 kr. haben. Also es ist offenbar gar kein Grund vorhanden, in dieser Beziehung Besorgnisse zu äußern. Uibrlgens, meine Herren, wenn Sie glauben, baß diese Wirthe so schlecht bestellt sind, ober daß vielleicht das Gewerde rui-nirt werden wird in Karolinenthal, so können sie sich in dieser Beziehung vollkommen beruhigen. ES besteht dieser Bierkreuzer seit langen Jahren, und es hat die Zahl der Bierverschleißer und leider Gott auch der Branntweinverschleißer nicht abgenommen, sondern vielmehr sehr bedauernswürdiger Weise zugenommen. Cs sind nämlich im Jahre 1853 22 Bierverschleißer gewesen, und es sind jetzt im Jahre 1863 34 Branntweinschänten, im Jahre 1853 waren nur 10 und es gibt ihrer jetzt 34. Es hat Weinschäuker nur 7 gegeben und heute sind ihrer 21, und baß diese Herren gerade nicht so elend und abgemagert sind, das werden diejenigen, bei denen sie sich verwendet haben, selbst bemerkt haben. (Heiterkeit.) Ich will nur noch eines bemerken, meine Heiren, daß die Sache eine sehr ernste Seite hat, da hat schon der Herr Bürgermeister darauf hingewiesen; was die Steuer betrifft, die man von Jedem, der in den Gemeindeverband eintritt, einhebt, der also in dieser Weise mittelbar oder unmittelbar an den Vortheilen der Stadt participi-ren will, daß man fordern kann, daß er diesen Vortheil gewissermaßen von der Gemeinde abkauft, daß er sich in das Gesammteigenthun der Gemeinde einlauft. Ein solches Verhältniß besteht z. B. in Prag, in mehrer Beziehung nämlich besteht eine Kanalsteuer. So oft nämlich ein Neubau volkommt, und ein Kanal von diesem einmündet in den Hauptkanal der Stadt, muß er für jede Einmündung eine Steuer zahlen, die entsprechend ist dem kubischen Inhalte des Hauses, welches er gebaut hat, also es wird hier ein ähnliches Verhältniß wie bei der Stadtgemeinde Karolinenthal beansprucht, aber das reicht nicht. Es gilt vor Allem, der Stadtgemeinde die Möglichkeit zu bieten, für ihre zahlreichen Kinder, die da sind und die um so zahlreicher sind, je ärmer dort die Bevölkerung ist, entsprechende Schulen zu errichten, und wenn sie ihr dieses Mittel versagen, welches das einzige ist, dies Bedürfniß ,u decken, da wird die Gemeinde nicht in der Lage sein, ihre Pflicht zu erfüllen. Sie sehen also, meine Herren, daß die Geminde alle Versuche machte, ihrer Pflicht zu entsprechen, daß sie die 800 Steuer-zahlenden der ganzen Gemeinde, denn die ganze Gemeinde betlägt nicht mehr als 800 Steuerzah-lende, daß diese sich eine 5 percentige Auflage gefal-len lasse,,, daß sie selbst dem beistimmen, daß sie bei jeder Ausdehnung ihrer Häuser diese weitere Abgabe an die Stadtgemeinde zahlen wollen, also es bleibt nichts übrig, als ihr auch diesen Bierkreuzer zu bewilligen, und ich bemerke, baß in Karolinenthal 2000 Schulkinder sich befinden, und daß von diesen nur 1200, ich sage nur 1200 sind, die die Schule besuchen, baß also 800 Kinder in Karolinenthal unmittelbar vor den Thoren der Hauptstadt ohne Unterricht aufwachsen, und ich überlasse es Ihrem billigen Urtheile, ob es besser ist, daß diese Kinder eine angemessene Erziehung bekommen, oder ob es schlechter ist, wenn ein paar Leute um einen Kreuzer die halbe Bier theuerer zahlen, und es wird das nicht einmal. Denn wie Sie den Beschluß immer fassen werden, die Wirthe werden das Bier nicht um einen halhen Kreuzer billiger geben (Heiterkeit), Sie würden nur den Wirthen ein Geschenk machen. (Bravo.)

Dr. Hanisch: Ich bitte, um eine Berichtigung.

Oberstlandmarschall: Nur zu einer persönlichen Bemerkung, denn die Debatte ist schon geschlossen. (Rufe: Schluß.)

Dr. Hanisch: Ich wollte nur bemerken, (Rufe: Schluß) ob und unter welchen Bedingungen diese Gebühren abgenommen werden können, sie im Wege der Landesgesetzgebung zu entscheiden, heißt es in dem Ministerialerlasse...

Oberstlandmarschall: Die Debatte ist ja schon geschlossen.

Dr. Hanisch: Der Herr Berichterstatter hat auch Thatsachen unrichtig angegeben.

Oberstlandmarschall: Zum ersten Absatz ist kein Amendement gestellt, ich werde daher den ersten Absatz zur Abstimmung bringen, so wie ihn der Landesausschuß vorgeschlagen hat. Erst zum zweiten Absah ist ein Amendement gestellt.

Sekretär Schmidt lieft: Der hohe Landtag wolle beschließen: Der Stadtgemeinde Karolinenthal wird,

1) gestattet, die seit mehr als 20 Jahren unbeanständet eingehobenen Gebühren bei Realitätmankäufen, bei Ballführungen, bei Bürgerrechts- und Gemeinde - Verbands - Aufnahmen nach dem vor-angeführten, von der Gemeinde-Vertretung beschlossenen Modus zu Handen des Gemeindefondes und der Localanstalten fortan weiter zu erheben.

Slavný snìm raèiž uzavøíti: Pøedmìstské obci Karlínské:

1) povoluje se, aby i dále vybírala pro fond obecní a ústavy místní, jakož se více než 20 rokù bez pøekážky stávalo, poplatky pøi

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kupováni nemovitosti, pøi stavbách, pøi udìlování práva mìšanského, a pøijímání do pøíslušnosti k obci zpùsobem, jenž výše podotèen a na nìmž se obecní zastupitelstvo usneslo.

Dr. Rieger: Ich bitte um Wort. Es ist bemerkt worden, daß es zweckmäßig wäre, hier diese Abgabe selbst wie es früher in dem Berichte auseinander gesetzt wurde in das Gesetz selbst aufzunehmen, ich bin damit einverstanden und trage darauf an" daß dieser erste Passus so laute: Der hohe Landtag wolle unter Vorbehalt der allerhöchsten Sanction beschließen, der Gemeinde Karolinen-thal werde gestattet bei Realitäten-Einkäufen von jedem Tausend Gulden des Kaufschillings ; wie Seite 7 lautet, es ist der ganze Wortlaut wie er auf Seite 7 enthalten ist.

Landtagssekretär Schmidt lieft dieß mit der Berichtigung böhmisch:

Slavný snìm raèiž s výhradou nejvyššího schválení uzavøíti: Pøedmìstské obci Karlínské povoluje se, aby pøi koupí nemovitosti, u-vnitø obce z každého 1000 zl. tržní sumy 5 zl. tolikéž z trhové sumy a t. d. jak na stránce 7 dále zní.

Oberstlandmarschall: Ich bitte jene Herren, welche für diesen Antrag des Ausschußes stimmen, die Hand aufzuheben. (Geschieht, ist angenommen.) Nun kommt das zweite Alinea. Zu dem sind 2 Amendements- vorgelegt und zwar das erste von Wucherer.

Dr. Rieger liest: Daß die Bewilligung zur Einhebung eines Gemeinde-Zuschlages von den zur Nerzehrung gelangenden geistigen Getränken zu ertheilen, und in der 7ten Zeile dieses Absatzes wäre vor das Wort ,Dauer" "weiter" einzuschalten. Ich halte dieß nicht für nöthig, obschon es nichts verschlägt, wenn es aufgenommen wird.

Was aber diese Amendements selbst betrifft, so habe ich nichts dagegen einzuwenden und glaube es müßte richtig heißen, die Bewilligung eines Gemeindezuschlages von den in der Gemeinde zur Ver-zehrung gelangenden geistigen Getränken u. s. w. (Ja, Ja).

Oberstlandmarschall: Ich bitte nun noch dieses mit dem Zusah böhmisch vorzulesen.

Landtagssecretär Schmidt liest:

Povoluje se, aby se vybírali obecní rážky z tech líhovin, ktere se tam v obci spotøebuji.

Was nun den Schlußsatz auf 7 Jahre betrifft, das kann ich noch nicht zur Abstimmung bringen. ES handelt sich also hier vorläufig um den Vordersatz, nämlich um die Bewilligung eines Gemeindezuschlags von den in der Gemeinde zur Verzehrung kommenden und so fort.

Ich bitte nun jene Herren, welche für diesen Vordersatz sind, die Hand aufzuheben. Wird angenommen. Nun handelt es sich um die Dauer der Bewilligung und da ist des Amendements des Dr. Taschek, welcher sich das weitere Amendement des Herrn Bürgermeisters Pstroß angeeignet hat, nämlich auf 3 Jahre.

Dr. Rieger: Meine Herren! Als Berichterstatter habe ich vergessen mich über diesen Antrag auszusprechen. Ich muß mich entschieden dagegen erklären, wenn man den Gemeinden die Gelegenheit geben will eine Schule zu bauen, so muß man ihr diese Bewilligung auf mehre Jahre ertheilen, denn sonst kommt sie in 3 Jahren wieder, und wir haben wieder dieselbe Debatte, sie können auch übrigens in der Zeit von 3 Jahren keine Contracte schließen überhaupt nichts größeres ausführen.

Pstroß: Ich Müßte Ercellenz bitten, meinen Antrag habe ich nur präcis für den Fall gestellt, wenn der Antrag auf 7 Jahre nicht durchgeht und da würde ich 3 Jahre vorschlagen.

Oberstlandmarschall: Ich muß aber erst über das geringere und über den abweichenden Antrag zuerst abstimmen lassen. Ich werde daher zuerst das Amendement des Herrn Hofrath Taschek zur Abstimmung bringen.

Pstroß: Herr Hofrath Taschek hat aber nur ein Jahr beantragt und hat mir jetzt erklärt, baß er sich mit meinem Antrag einverstanden erklären möchte. Es scheint die Ansicht des Herrn Hofrath gewesen zu sein, in meinen Antrag einzugehen. Der hat aber dorthin gelautet, daß er erst nach Verwerfung der 7 Jahre ...

Dr. Taschek: Ich werbe im Entschuldigung bitten, ich habe verstanden auf 3 Jahre.

Oberstlandmarschall: Nein, bitte es handelt sich darum, daß der Herr Bürgermeister seinen Antrag eventuell gestellt hat, wenn der Lan-desansschußantrag verworfen werde. —

Dr. Taschek: Ich stelle ihn also direkt auf 3 Jahre.

Oberstlandmarschall: Dann muß ich ihn zur Abstimmung bringen.

Dr. Klaudy: Ich meine, daß der Antrag der Commission zur Abstimmung gebracht werde, weil bann diejenigen Herren, welche auf 7 Jahre stimmen werben, gewiß auch auf 3 Jahre eingehen werben (Unruhe.) Sollte aber der Antrag auf 7 Jahre verworfen werden, dann kann man sich noch immer entscheiden auf die Bewilligung von 3 Jahren.

Oberstlandmarschall: Nach der Geschäftsordnung ist jeder abändernde Antrag zuerst zur Abstimmung zu bringen und ich werbe daher den Antrag des Dr. Taschek zuerst zur Abstimmung bringen. —

Landtags-Secretär Schmied liest:

Statt den Worten "auf 7 Jahre mit Beginn des Verwaltungsjahres 1863" wären die Worte zu sehen "auf weitere 3 Jahre" Misto slov "na 7 let t. j. správniho roku 1863 zaèínajíc mají se vøaditi slova, ,na další 3 léta."


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Oberstlandmarschall: Wird der Antrag unterstützt? Er ist unterstützt. Also ich bitte diejenigen Herren, welche für dieses Amendement sind, die Hände aufzuheben. Er ist angenommen. Jetzt ist noch der 3. Antrag, zu dem kein Amendement gestellt ist und der noch zur Abstimmung kommen muß. Secretär Schmied liest: Behufs der Deckung des Deficits im Gemeindehaushalte des Verwaltungsjahres 1863 eine 15pEt. Um-lage auf die directen Steuern im zuletzt bezeichneten Verwaltungsjahre bewilligt wird.

Povoluje na uhrazení schodku v obecni správì za správní rok 1863 pøirážka 150/° ku pøímým daním v tomtéž správním roku.

Oberstlandmarschall: Ich bitte dieje-nigen Herren, welche für den Antrag des Landes-ausschußes sind, die Hände aufzuheben. Große Majorität.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Sitzen.)

Oberstlandmarschall: (läutet.) Ich bitte meine Herren, die Einladung des Comites für das Budget wird zurückgenommen (Bravo) nachdem die Sitzung so lange gedauert hat. Die nächste Sitzung ist morgen um 9 Uhr. Tagesordnung Fortsetzung der heutigen Tagesordnung. Schluß der Sitzung um 5 Uhr 30 Minuten.

Rudolf Fürstl.

Verificator.

Dr. Julius Hanisch,

Verificator.

V. Seidl,

Verificator.

Druk der f.f. Hofbuchdruckerei von Gottlieb Haafe Sohne.


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