Pondìlí 15. dubna 1861

(Landtagssekretär Miltner liest die Namen zum Skrutinium.)

Garf Erwein Nostiz liest vor: Absolute Majorität ist keien herausgekommen.189 Stimmen, die abgegeben wurden, haben sich folgendermaßen vertheilt: Herr Ritter v. Limbeck 70 Stimmen, Herr Dr. Fric 73 Stimmen, Herr Prof. Dr. Hafner, Ritter v. Artha 45 Stimmen, Herr Dr. Hauschild 1 Stimme, zusammen 189 Stimmen; absolute Majorität ist 95 Stimmen; Herr Dr. Fric hat die meisten Stimmen, mit 73.

Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a: Meine Herren, wir werden auf jeden Fall die Wahl morgen fortsetzen müssen, respective beenden, und ich bitte die Herren, morgen um 12 Uhr zu kommen, da früher die Vorarbeiten nicht fertig werden können. An der Tagesordnung sind das Geschäftsprotokoll, die Bekanntmachung der Einläufe, natürlicherweise die Fortsetzung der Wahlen, die Reichsrathswahl und Falls Zeit erübrigen möchte, die Wahl derjenigen 9 Kommissionsmitglieder, die heute bestimmt worden sind.

Dr. Klaudi: Ich höre, daß au der Tagesordnung die Wahl zum Reichsrathe steht. Die Wahlen zum Reichsrathe sind ein so wichtiger Akt, daß ich glaube, den Herrn Präsidentenstellvertreter bitten zu dürfen, uns in dieser Angelegenheit mindestens die Frist bis übermorgen geben zu wollen. Es sind in dieser Sache so wichtige Bedenken, daß wir heute, nachdem es 7 Uhr geworden ist, ehe die Sitzung geschlossen wurde, unmöglich damit ins Reine kommen können, ehe wir morgen in die Sitzung kommen. Es ist dieses ein Bedenken, von dem vielleicht viel, sehr viel abhängt; ich scheue mich gar nicht, es auszusprechen. In alten Zeiten, wenn man gegen Jemanden das Todesurtheil aussprach, so gab man ihm eine Bedenkzeit. (Oho!)

(Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a ruft zur Ordnung.)

Dr. Klaudi: Sie sehen, wir sind in einer solchen Minorität, daß es unmöglich ist (mehrere Stimmen: wer? Dr. Rieger: Wir Böhmen slavischer Zunge, damit es die Herren wissen.) Ich glaube, es wird an uns sein, die wir seit dem Beginne dieses Landtages bewiesen ahben, daß wir loyal sein wollen, daß wir loyal zu sein verstehen, daß wir loyal bleiben wollen, wir wollwn, so lange als möglich diesen Weg innehalten; allein, daß man uns nicht überstürme, daß wir nicht überstürzen einen Beschluß, dazu, meine Herren, gönnen sie uns die Uiberlegungsfrist.

Ich glaube, die Bitte ist umsomehr gerechtfertigt, als der herr Stellvertreter Seiner Excellenz des Herrn Oberstlandmarschalls die Sitzung auf 12 Uhr Mittags einberaumt hat, und die Wahl, die wir noch zu beendigen haben, jedenfalls noch eine Zeit in Anspruch nehmen wird. Ich glaube auch, daß bei der Vorlage, die uns gegeben wurde, bei der Anzahl der zu wählenden - 54 - bei der kurzen Zeit, die wir beisammen sind, es keinem von uns bei Ehre und und Gewissen möglich ist, genau ohne vorhergegangene Besprechung sein Urtheil über einen oder den andern Kandidaten abzugeben. Meine Herren, als es sich darum handelte, daß die Wahlmänner der Landbezirke uns in dieses Haus schicken, damals, meine Herren, hat man die Wahlmänner belehrt, man hat ihnen vorgehalten, welche Eigenschaften ein Abgeordneter haben muß, den sie hieher schicken sollen. Uns ist eine viel wichtigere Aufgabe geworden. Wir haben den beruf, wir haben die Pflicht angelobt, nach unserem Gewissen zu handeln. In dem momente, wo wir die Wahl vornehmen, geschieht ein Akt, der für Oesterreich entschiedend sein dürfte; es geschieht ein Akt, der für die Geschichte unseres Vaterlandes nicht minder entscheidend bleiben wird. Nicht wir, nicht unsere Kommittenten, die Nachwelt wird über uns richten. (Bravo!)

Einige Vertreter des Großgrundbesitzes fanden es in ihrer Pflicht, in ihrer Ehre, eine Verwahrung auf den Tisch des Hauses niederzulegen, welche sie anknüpfen an die Vergangenheit, an die staatsrechtliche Existenz unseres Vaterlandes. Meine Herren, in den Geschichten der Völker gibt es keine tabula rasa, und als man im Jahre 1848 der Revokution vorgeworfen hat, sie mache tabula rasa, da war man im Rechte, und der Fluch dieses Augeblicks, da man tabula rasa gemacht hat, er hat sich bewährt. Meine Herren, wir wollen keine tabula rasa, wir wollen anknüpfen, an die Geschichte, wir sind Söhne der Böhmen, die für ihren König zu bluten wissen. (Bravo.) Wir sind es, die treu an ihren König hängen, und wer es besser mit seinem Könige meint, der nenne sich uns. (Anhaltendes Bravo.) Meine Meine Herren. noch Eines. Der Augenblick ist zu enstcheidend, wir haben gar viel im Sturme genommen. Was heute vielleicht die öffentliche Stimme darüber sagt, es kann uns unser Gewissen beruhigen. Ob eine Förmlichkeit mehr, ob eine Förmlichkeit weniger, daran liegt Nichts; aber da, wo es sich darum handelt, Verterter hinzuschicken in den Rath der Krone, die berufen sind, nur das zu berathen, was nach dem Willen Seiner Majestät, unseres allergnädigsten Kaisers und Königs, was nach den uns vorgetragenene Worten, die allerhöchst Derselbe der Deputazion zu erwiedern geruhte, nur dazu dienen soll, die Macht und Einheit der Monarchie zu wahren, aber durchaus nicht die staatsrechtliche Existenz , die historische Vergangenheit der einzelnen Länder, Königreiche, und wie sie immer heißen mögen, zu vernichten. Dieser Moment ist es, diese Männer werden diesen Moment im Auge zu behalten haben, und wer von Ihnen, meine Herren, getraut sich wolh zu, bei seiner Ehre und seinem Gewissen, wie er es gelobt hat, in die Hände des Oberstlandmarschalls, wer getraut es sich wohl zu, bei seiner Ehre und nach seinem Gewissen zu wählen denjenigen, dem er für den Geeignetsten hält?

Jeder von Ihnen, meine Herren, ist berufen, 54 Namen zu nennen, nicht zwei, nicht drei seiner Bekannten, 54; - ich weiß nicht, meine Herren, ob Jeder von uns 54 Herren dem Namen nach kennt. (Bravo!)

Meine Herren, wenn man einen Akt unternimmt, der über die Geschichte unseres Vaterlandes entscheidet, dann, meine Herren, glaube ich, geht man mit einer eigenen Weihe ans Werk, man geht mit einer Weihe, wie sie Niemand gegeben wird, der sich nicht resolvitrt: Herr ich thue, was mir meine Ehre, was mir mein Gewissen befiehlt, vernichten mich die Umstände, Herr! Du hast über mich befohlen, gut habe ich es gemeint; wie es ausgefallen ist, habe ich nicht zu vertreten. (Bravo!)

Meine Herren, vernichten wir nicht die Weihe dieses Augenblickes. Seit 241 Jahren ist es das Erstemal, daß die Vertreter Böhmens berufen sind, ein Wort mitzureden im Rathe der Krone.

Wollen Sie leichtsinnig hingehen an die Wahl, wollen Sie, ohne die nöthige Vorbereitung zu treffen, ohne sich zu besprechen, ob die Dualität der einzelnen Herren, denen Sie das Vertrauen schenken wollen, genau zu überlegen, wollen Sie schon Morgen die Wahl vornehmen, damit einst die Nachwelt sage: "Kaum daß Sie sich erkannt, um so weniger denn gekannt, sind Sie hingetreten, und haben eine Wahl vorgenommen, die über das Wohl und Wehe nicht ihres Vaterlandes allein, über das Wort und Wehe virelleicht Österreichs, über das Wohl und Wehe von Millionen enstcheidet."; meine Herren, Sie werden die Treue an Ihrem Könige, an Ihrem Kaiser gerade dann beweisen, wenn Sie diesen Schritt mit der nöthigen Ruhe, mit der nöthigen Uiberlegung, mit der nöthigen Verständniß thun, und darum meine Herren, habe ich den Herrn Stellvertreter Se. Excellenz des Oberstlandmarschalls gebeten, diesen Gegenstand wenigstens 24 Stunden zu vertagen.

Ich glaube, die Sache ist so wichtig, daß sie diesen Aufschub rechtfertigt. Meine Herren, glauben Sie, heute sprach Se. Excellenz aus, daß wir noch so wenig für das Wohl unseres nächsten Vaterlandes gethan.

Meine Herren, es liegt ein Antrag hier am Tische dieses Hauses, auf den alle, sie mögen welcher Zunge immer sein, hingehen ewrden; es ist ein Antrag, der Inheh ezigen muß, daß wir Selbstverleugnung besitzen. Wir haben diesen Antrag aufgenommen aus dem Gemeindegesetze vom Jahre 1849; aber weil keine Bezirksgemeinde existirt, und weil diese deßhalb nicht existirt, weil Diejenigen, welche das Gemeindegesetz vom Jahre 1849 eingeführt haben, die Verhältnisse unseres Vaterlandes nicht gekannt haben, ich scheue mich nicht, es auszusprechen: so haben wir beantragt, daß ein Institut ins Leben gerufen werde, für welches der gesetzliche Anhaltspunkt gegeben ist, für welche seit dem Jahre 1849 ein Gesetz besteht, ohne daß es ausgeführt werde. (Bravo!)

Meine Herren! wir haben Sie gebeten, nicht wir allein, vielleicht alle Ihre Kommittenten haben mitgebeten, und deßhalb wäre es wohl auch gang an der Zeit, daß auch dieser Antrag zur Erwägung käme, da es nichts anderes braucht, als daß der Landatg beschließe, daß auf Grundlage des Gemeindegesetzes vom Jahre 1849 die Bezirksgemeinde, wie sie dort normirt ist, ins Leben zu rufen sei, und deßhalb bitte ich Sie zum zweitenmale, diesen Gegenstand um wenige Stunden, Stunden sind es doch nur, zu vertagen und uns Zeit zu gönnen, mit Uiberlegung, Weihe und Verständniß ans Werk zu gehen, an das Werk zu gehen, welches seit 241 Jahren das erste ist, welches die Vertreter des Königreiches Böhmen unternehmen, um mit dem Kaiserthume in engere Verbindung zu treten, und deßhalb, meine Herren, wenn Sie auch darüber gerufen haben, es ist ein Theil, den wir aufgeben müssen und den wir aufgeben wollen, ein Theil unserer staatsrechtlichen Existenz, der nicht von heute und nicht vom Jahre 1804, der weit älter sit; wir sehen es ein, daß wir diesen Theil aufgeben müssen, aber eben deßhalb, weil wir einen Theil unserer selbst aufgeben müssen, weil wir in einem Theile aufhören müssen zu existiren, deßhalb bitte ich Sie zum drittenmale, dort, wo wir einen Theil unserer Existenz aufgeben sollen, aufgeben werden, dort hat man es dreifach,zehnfach nothwendig, mit Uiberlegung vorzugehen, und deßhalb wiederhole ich meinen Antrag, auf wenigstens 24 Stunden ddie Sache aufzuschieben.

Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a: Wünscht Jemand das Wort?

Dr. Rieger: An den Antrag des Abgeordneten Herrn Dr. Klaudi mich anschließend, würde ich mir den Antrag erlauben, daß der Herr Präsidentenstellvertreter Anstalten treffe, daß verschjiedene Gruppen, wie sie hier in dem vorliegenden Verzeichnisse zusammengestellt sind, nämlich 25 Gruppen, aus welchen zu wählen ist, daß denen Gelegenheit gegeben werde, sich einzeln zu versammeln, hier oder in einer sonstiger Lokalität dieses Hauses und daß die Gruppen unter einenader sich berathen und jede Gruppe aus sich eine Art Vorwahl träfe, eine Art Candidatur, die zwar für den gesammten Landtag nicht verbindlich ist, aber für uns andere zur Instrukzion dient. Wir sind, zum Beispiel, nicht in der Lage, die Herren vom Großgrundbesitz zu wählen; ein Drittel der sämmtlichen Abgeordneten ist aus der Kurie der Grioßgrundbesitzer zu wählen, ich kenn aber auch aus den sämmtlichen Herren kaum fünf. Wie kann ich nun mit gutem Gewissen eine Wahl treffen, ivch muß ganz unbekannte Namen wählen . Wenn also die Herren vom Großgrundbesitze sich versammlen, wenn sie in ihrer Kurie unter sich eine Vorwahl treffen und den würdigsten aus sich selbst benennen; so werden wir darauf Rücksicht nehmen können. So aber müssen wir blindlings wählen. Meine Herren, unser Landtag ist nicht wie ein anderer, wie der in Salzburg und anderen kleineren Provinzen; da kommen 20 bis 30 Angerodnete zusammen, die sich von jeher kennen; wir aber hier sind aus einem großen Lande, mit einer Bevölkerung von 5 Millionen Menschen, wo haben wir die Zeit gehabt, uns kennen zu lernen? Ich kann nicht aus 240 so leicht eine Wahl treffen, wie aus 20. Ich glaube, der Vorschlag, den ich mache, ist ein sehr zweckmäßiger und der Herr Präsidentenstellvertreter möge für morgen oder übermorgen Anstalten treffen, daß die Kurien sich versammeln und die Kandidatur vornehmen und daß wir erst auf Grundlage derselben unsere Wahl vornehmen.

Graf Clam-Martinitz: Meine Herren, da die Zeit zu weit fortgeschritten ist, daß es unmöglich ist, in der heutigen Sitzung die vielen Fragen abthun, berathen und beschließen zu können, welche nach den wenigen Andeutungen, welche uns bereits gegeben sind, als Vorfrage erscheinen, bevor wir überhaupt zu diesem wichtigen Akte selbst schreiten, so ist bei der Erschöpfung, welche bei der langen heutigen Sitzung eingetreten ist, wohl nicht möglich, in eine ernstere Erwägung aller der Umstände einzugehen, welche hier auf unsere Entscheidung von Gewicht sind. Wir haben endlich mit beredten Worten schildern gehört den Ernst und die Wichtigkeit des Momentes und der Entscheidung und haben aus den Worten herausleuchten hören den ernsten Willen der Verständigung. Ich glaube, hier ist es an uns, diese Verständigung möglich zu machen und nicht die Wege dieser Verständigung abzuschneiden. Es handelt sich um 24 Stunden. Ich glaube, da ist nicht ein Vergleich zu ziehen mit der unendlichen Tragweite und Dauer, auf welche diese Entscheidung des Momentes wirken kann. Ich glaube, es ist gerade gegenüber ausgesprochen worden, es ist die Minorität, die darum bittet. Meine Herren! nicht die Stimmnemehrheit ist des Rechtes Probe. (Bravo!) Ich bitte zu bedenken, meine Herren, die Majorität muß eine solche Verständigung annhemne.

Es scheint mir dies als eine heilige Pflicht. Ich bitte den Hrn. Stellvertreter Se. Excellenz des Hrn. Oberstlandmarschalls, die Güte zu haben, zu erwägen, daß wir morgen vor der Vornahme der Wahl noch verschiedene Fragen der Form und der Art zu entscheiden haben, welche uns jedenfalls geraume Zeit beschäftigen dürfen. Nachdem wir gegenüber der Vorlage hinsichtlich der Wahl jedenfalls nach der Geschäftsordnung wieder eine Kommission zu bestimmen haben, welche nicht blos auf diese Vorlagen, sondern auch auf die Wahl der Ersatzmänner und die Aenderung der Verfassung sich bezieht, weil zur Wahl selbst nicht geschritten werden kann, oder wenigstens erst in so vorgeschrittener Stunde, daß wir in den Zustand gerathen, wie jetzt, so glaube ich, daß in Erwägung dieser Gründe, der Herr Stellvertreter des Oberstlandmarschalls die Gewogenheit haben wird, mit Rücksicht auf die so nahe liegenden, so bringenmden Momente, und mit Rücksicht auf die unendliche Bedeutung des Momentes, wo die Entschiedung von Jahren, von Jahrzehnten, ja einer unberechenbaren Zukunft liegt, in Berücksichtigung dieser Wichtigkeit die gebetene Vertagung von 24 Stunden zu gewähren.

Präsidentenstellvertreter Dr. W a n k a: Wohlan, meine Herren, ich werde diesen Gegenstand auf 24 Stunden vertagen, und die Geschäftsordnung wird nebst dem Geschäftsberichte, dem Einlaufe, der Fortsetzung der Wahl, dann der Prüfung eines Wohlaktes betreffend Sr. Excellenz Grafen Leo Thun, endlich die Wahl jener neuen Kommissionsmitglieder bilden, welche mit dem heutigen Beschluß bestimmt worden sind; dann die Prüfung der heute vorgelesenen Regierungsvorlagen und die Angelobung der bis jetzt noch nicht erschienenen Herren Mitglieder. Aber übermorgen, meine Herren, bleibt es jedenfalls bei der Reichsrathswahl. Morgen beginnt die Sitzung um 12 Uhr.

Ich erkläre nun die heutige Sitzung für geschlossen.

(Schluß der Sitzung um 7 1/2 Uhr.)

Erwein Graf Nostiz.

Korrektor.

Benedikt Method Kulda.

Korrektor.

Friedrich Tempský.

Korrektor.

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Aus der Statthalterei-Druckerei in Prag.


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