Úterý 9. dubna 1861

Oberstlandmarschall: Ein 2. Bericht des Wahlprüfungskomités bezüglich der wahl für den Bezirk Benatek und Nimburk wird der Hofrath Taschek vortragen. (Hofrath Taschek liest:)

Hoher Landtag!

Bei der am 18. März vorgenommenen Landtagswahl für die Landgemeinden Nimburk und Benatek erhielten von den sämmtlich erschienenen 86 Wählern: Johann Drboslav 7, Dr. Josef Wurzel 10, Vinzenz Wawra 67 und Fried. Schwarz 2 Stimmen.

Herr Vinzenz W a w r a wurde von der Wahlkommission für gewählt erklärt.

Laut Eröffnung des k. k. Kriegsgerichtes in Prag am 26. Oktober 1853, Z. 8972 in orig., war mittelst kriegsrechtlichen und von Sr. Exc. Dem Herrn Armee-Korps-Kommandanten Eduard Grafen Clam-Gallas im Rechtswege bestätigten Urtheils vom 10. Okt. 1853 der Rechtskandidat Vinzenz W a w r a wegen Mitschuld am Hochverrathe zu fünfjährigem schweren Kerker verurtheilt, die Strafe jedoch im Wege der Gnade auf Ein Jahr gemildert.

Derselbe wurde zur Erstehung seiner Strafe nach Munkatz abgefühft, jedoch in Folge der allgemeinen aus Anlaß der Vermählung Sr. Majestät gewährten Amnestie am 25. April 1854 aus der Strafe entlassen. Ein Ausweis hierüber liegt nicht vor.

Laut Erlasses des Ministeriums des Kultus vom 25. August 1859, Z. 11063 in orig., und des Justiz-Ministeriums vom 3. September 1859, 14000 in cop. Vid., wurde das ad imperatore herabgelangte Majestätsgesuch des Herrn Vinzenz W a w r a um Nachsicht der Folgen seiner kriegsrechtlichen Beurtheilung, und um Zulassung um Erlangung der juridischen Doktorswürde oder zur Notariatsprüfung dem Bittsteller mit dem Bedeuten rückgestellt, daß beide Ministerien das Gesuch a. d. Orts zu bevorworten nicht gefunden haben.

Se. Excellenz der Herr Statthalter hat am 23. März, Z. 724, die Landtagswahl des Hrn. Vinzenz W a w r a auf Grund des § 18 a) der L. W. D. annullirt, uind die neuerliche Wahl auf den 2. April angeordnet, weil derselbe wegen Mitschuld an Hochverrathe kriegsrechtlich abgeurtheilt, und durch die Amnesie nicht vollständig rehabilirt wurde. Der vom Hrn. Vinzenz W a w r a gegen diese Verfügung an das Staats-Ministerium ergriffene Returs wurde unterm 29. März zurückgewiesen.

Bei der neuen am 2. April vorgenommenen Wahl erschienen 85 Wähler, von welchen Johann Drboslav 13, Med. Dr. Josef Podlipsky 70 und Fried. Schwarz 2 Stimmen erhielten.

Hr. Med. Dr. Podlipsky wurde für gewählt erklärt.

Es handelt sich daher um die Beantwortung der drei Fragen:

I. Ist Herr Vinzenz Wawra am 18. März rechtsgiltig gewählt worden?

II. War Se. Excellenz der Herr Statthalter berechtigt, diese Wahl zu annuliren?

III. Ist die am 2. April erfo lgte Wahl des Herrn M. Dr. P o d l i p s k y rechtsgiltig?

I.

Zur Rechtsgiltigkeit einer Wahl ist die Wählbarkeit des Gewählten unerläßlich.

Nach § 18 a) der L. W. O. sind von der Wählbarkeit jene Personen ausgeschlossen, die eines Verbrechens schuldig erkannt worden sind.

Mitschuld am Hochverrathe ist in den Strafgesetze § 58-61 für ein Verbrechen erklärt.

Daß das Urtheil von einem Kriegsgerichte ergangen, kann an der Sachenlage nichts ändern, weil der § 18 a) der L. W. O. die Ausschließung der Wählbarkeit schon mit jeder wegen eines Verbrechnes erfolgten Schuldigerklärung verbindet, ohne einen Unterschied zwischen den Gerichten, welche das Urtheil gefällt haben, oder dem Landtage das Recht einzuräumen, in eine Beurtheilung der Gesetzlichkeit des Urtheils, so lange solches aufrecht besteht, einzugeben. Das etwaige Bedenken, ob die Rechtsfolgen jenes Urtheils nicht etwa durch die Amnestie, in Folge welcher dem Herrn Vinzenz W a w r a der Rest der verhängten Strafe erlassen worden, aufgehoben wurden, wird theils durch den § 226 St. O., nach welchem Strafnachsicht nur eben die Wirkung wie die ausgestandene Strafe hat, theils dadurch behoben, daß Herr Vinzenz W á w r a einen Ausweis darüber, daß jene Amnesstie ihm gegenüber auch einer Nachsicht der zivilrechtlichen und politischen Folgen der Beurtheilung enthalten habe, nicht vorgelegt hat.

Jeder Zweifel aber verschwindet, wenn erwogen wird, daß Herr Vinzenz Wawra durch sein Majestätsgesuch um Nachsicht dieser Rechtsfolgen selbst anerkannt hat, daß mit jener Amnestie diese Nachsicht nicht verbunden gewesen sei.

Der gefertigte Ausschuß muß sich daher in Beantwortung der ersten Frage dahin aussprechen, daß die am 18. März erfoglte Landtagswahl des Herrn Vinzenz W á w r a rechtsungiltig sei.

II.

Die zweite Frage anlangend, so bestimmt der §. 31 L. O. wie auch der §. 53 der L. O., daß dem Landtage die Entscheidung über die Zulassung der Gewählten zustehe. Daraus folgt nothwendig, daß der landtag einzig und allein derjenige ist, welcher die Annulirung einer getroffenen Landtagswahl aussprechen könne.

Die Verfügung Sr. Excellenz des Herrn Statthalters, mittelst welcher die Wahl des Herrn Vinzenz W á w r a für ungiltig erklärt wurde, sowie die Entscheidung des Staatsministeriums, mittelst welcher der Rekurs des Herrn Vinzenz W á w r a gegen die Verfügung zurückgewiesen worden, stellen sich daher als eine Präjudizirung des dem Landtage allein zustehenden Rechtes der Wahlannullirung zu, und sicd rechtsunwirksam. Dem steht der §. 52 L. W. O. nicht entgegen, da hierin dem Herrn Statthalter blos das Recht eingeräumt, beziehungsweise die Verpflichtung auferlegt wird, jenem gewählten Abgeordneten, gegen welchen einer der im §. 18 L. W. O. normiten Ausschließungsgründe vorliegt, das Wahlzertifikat zu verweigern.

III.

Die dritte Frage anlangend, so setzt eine giltige Wahl im Sinne des §. 19 der L. W. O. eine rechtsgiltige Wahlausschreibung voraus. Die untern 23. März verfügte Ausschreibung einer neuerlichen Landtagswahl für die Landgemeinden Nimburg und Benatek ist dem Obbemerkten zufolge ungiltig, mithin auch die auf Grund derselben am 2. April vorgenommene Landtagswahl des Herrn M. Dr. P o d l i p s k y und der Strenge des Gesetzes rechtsungiltig.

Wird jedoch erwogen, daß nach der, in der gestrigen Sitzung von seiten des Herrn Vertreters der Regierung abgegebenen Erklärung, die provisorische Geschäftsordnung hiertorts, somit unter Intervenzion Sr. Excellenz des Herrn Statthalters verfaßt wurde, daß in dem 5. § derselben das Recht des Landtags zur Annullirung einer getroffenen Wahl und zur Requirirung der Vornahme einer neuerlichen, ohne alle Beschränkung anerkannt wird; so liegt es offen am tage, daß Se. Excellenz der Herr Statthalter, welcher den Antrag des verehrlichen Mitgliedes für Semil und Eisenbrod, auf Vorlage der Wahlakten zur allgemeinen Einsicht, so entgegenkommend unterstützt hat, durch die am 23. März ausgesprochene Annullirung der Wahl des Herrn Vinzenz W á w r a sicherlich keinen Eingriff in das ausschließliche Recht des Landtags, über die Rechtsgiltigkeit seiner Wahlen zu entscheiden, beabsichtigt habe, sondern es bei der aufliegenden Ungiltigkeit jener Wahl, dem Landbezirke Nimburg-Benatek blos möglich machen wollte, durch seinen Abgeordneten gleich bei dem Beginne des Landtages an der Ausübung der demselben anvertrauten hochwichtigen Geschäfte Theil zu nehmen.

In dieser und der weiteren Erwägung, daß bei der am 2. April vorgenommenen neuerlichen Wahl die sonstigen gesetzlichen Vorschriften beobachtet wurden, daß Herr M. Dr. P o d l i p s k y mit einer überwiegenden Majorität gewählt wurde, und daß nicht der mindetse Anhaltspunkt zu der Annahme - eine neuerliche Wahl würde zu einem andern Resultate führen - vorliegt, so erlaubt sich ihr der gefertigte Ausschluß folgenden Antrag zu stellen:

I. Die am 18. März stattgehabte Wahl des herrn Vinzenz W á w r a zum Abgeordnetetn für die Landgemeinden Nimburg und Benatek sei rechtsungiltig.

(Mit sechs Stimmen gegen drei.)

II. Uiber die von Sr. Excellenz dem Herrn Statthalter am 23. März verfügte Behebung dieser Wahl wurde in Folge seiner in gegenwärtiger Sitzung anzuhoffenden Eröffnung, daß hierdurch keine Präjudizirung ausschließenden Rechtes des Landtages über die Rechtsgiltigkeit der Landtagswahlen zu entschieden; sondern nur eine mehrere Beschleunigung des Wahlgeschäftes selbst beabsichtigt worden sei, hinauszugehen.

(Mit acht Simmen - der Herr Vorsitzende Dr. Wenzel Ritter von Eisenstein war der abgesonderten Meinung, daß dem Herrn Statthalter allerdings das Recht zustehe, im Falle des §. 18 der W. O. die Wahl zu kassiren und eine neue auszuschreiben.)

III. Rechtswirksamekit der am 2. April erfolgten Wahl des Herrn Med. Dr. P o d l i p s k y für die Landgemeinden Nimburg und Benatek anzuerkennen und denselben sofort zum landtage zuzulassen.

(Mit neun Stimmen.)

Dieser Antrag des herrn Abgeordneten Herrn k. k. Hofraths T a s ch e k wurde mit Beitritt der Heren k. k. Professor Dr. Edler von H a f n e r, Dr. F i s ch e r, Dr. G s ch i e r

und Dr. K l i e r, des Vorsitzenden Herrn J. U. Dr. Ritter von E i  s e n st e i n zum Beschluße erhoben; somit mit 6 gegen 3 Stimmen beschlossen: es sei die Wahl des Herrn Vinzenz W á w r a für die Bezirke Nimburg - Benatek zum Abgeprdneten für den böhmischen Landtag für rechtsungiltig tzu erklären.

Die Abgeordneten Dr. C u p r, Dr. T o m i c e k und Dr. K l a u d i waren der abgesonderten Meinung, es sei in Erwägung,- daß nach dem vorliegenden Urtheile die Beurtheilung durch ein Kriegsgericht wegen Handlungen erfolgt ist, die zu einer Zeit begangen wurden, zu welcher die kaiserl. Verfassung vom 4. Mörz 1849 in Kraft bestand, somit für solche Verbrechen, wie das im Urtheil genannt, nur Geschwornengerichte zuständig waren, in Erwägung, daß Se. Majestät der Kaiser, unser allergnädigste König, den Herrn Vinzenz W á w r a allergnädigst gänzlich zu begnadigen geruhten, - Amnestie aber v e r g e b e n, - v e r g e s s e n heißt, die Gnade Sr. Majetsät des Kaisers aber durch Entscheidungen der k. k. Behörden nicht verkümmetr werden kann; - in Erwägung, daß über diese Daten keine solchen Auskünfte vorliegen, um auf den verfassungsmäßigen Boden gestellt, beurtheilen zu können, ob die Gnade Sr. K. k. Majetsät eine v o l l st ä n d i g e, somit gänzliches Vergeben und Vergessen war oder nicht, und sich vielleicht blos auf einen Strafnachlaß beschränkte; - ob übrigens die Beurtheilung mit Rücksicht auf die Verfassung vom 4. März 1849 in Betracht zu ziehen sei - zu beschließen, daß die zur Beurtheilung dieser Thatsachen nöthigen Auskünfte eingeholt, insbesondere der Wortlaut der Amnestie-Dekretes und die Untersuchungsakten des Vinzenz W á w r a, sowie das Proklam des Belagerungszustandes herbeigeschafft und dann in merito der weitere Antrag gestellt werde.

Herr Dr. Klier erklärte, er sie schon heute der Ansicht, die Wahl des Herrn Vinzenz Wáwra für ungiltig zu erklären; trage jedoch an, die vorbeantragten Auskünfte , über die Zeit der Verhaftung des Vinzenz Wawra, die Kundmachung des Belagerungszustandes u. zu dem Behufe herbei zu schaffen, um hieraus Motive zur Beantragung einer vollständigen Rehabilitirung des Vinzenz Wawra zu finden.

Nachdem sofort durch Stimmenmehrheit der vorangesetzte, vom Dr. Klaudi gestellte, und dem Herrn Dr. Cupr und Dr. Tomicek getheilte Antrag beiseitigt erklärt worden war, stellt Dr. Klaudi den vom Dr. Cupr und Dr. Tomicek getheilten weiteren Antrag:

In Erwägung, daß Se. K. k. Apostol. Majetsät der Kaiser, unser allergnägiste König in dem k. k. Diplome vom 20. Oktober 1860 die gesetzgebende Gewalt im Vereine mit dem Langtags- beziehungsweise Reichsrathe ausüben zu wollen, zu erklären geruhten - nach allgemeinen jur. Grundsätzen, die Auslegung der gesetze daher auch nur Sr. Majetsät dem Kaiser, unserem allergnädigsten König im Vereine mit dem Reichsrathe, beziehungsweise Landtage, daher weder dem hohen Ministerium, noch der k. k. Statthalterei oder Sr. Excellenz dem herrn Sattthalter, noch dem Landtage allein zusteht,-

In Erwägung, daß Se. K. k. Majestät der kaiser, unser allergnädigste König von dem schönsten Rechte des Monarchen, dem Rechte der Gnade rücksichtlich des Vinzenz Wawra anläßlich hoch seiner Vermählung mit Ihrer Majetsät unserer Kaiserin aus höchst eigenem Antriebe, allein dem Triebe seines edlen Herzens folgend, Gebrauch gemacht hat - dieser glorreiche Akt eines hochherzigen Monarchen durch Entscheidung der k. k. Behörden und selbst des hohen k. k. Staatsministeriums ohne die Entscheidung Sr. K. k. apostolischen Majestät eingeholt zu haben nicht verkümmetr werden kann, -

In Erwägung, daß Se. K. k. apost. Majestät der Kaiser, unser allergnädigste König in nicht vereinzelten Fällen als König von Ungarn, als König von galizien und Lodomerien nicht minder, wie als König der Lombardie, Venedig, thatsächlich bewiesen und der Welt gezeigt hat, daß Ihre Majetsät den glorreichen Akt seiner dem Kaiserhaufe angestammten Hochherzigkeit und Gnade stets ganz und unverkümmert versteheund verstanden habe, -

In Erwägung, daß nach diesen von Sr. K. k. apost. Majestät unserem allergnädigsten König seinen Völkern gegebenen thatsächlichen Erklärungen des §. 18 der L. W. auch der Landtag des Königreichs Böhmen die Anschauung nicht unterdrücken kann, daß die Anordnung des §. 18 der L. W. auch Personen, welche der Gande Sr. k. k. apost. Majetsät theilhaftig, amnestirt wurden, gewiß nicht vielleicht selbst auf solche Beurtheilte sich nicht beziehe, die nur wegen politischer Vergehen verurtheilt, dem Strafgerichte sich nicht entzogen haben,-

wolle der hohe Landtag beschließen, sich unmittelbar an Se. k. k. Majestät den Kaiser, unsern allergnädigsten König, unterthänigst zu wenden, und unter Vorlegung der Gründevon der Gnade Sr. k. k. Majestät die Auslegung bezüglich der Anwendung dieser bezüglichen Bestimmungen ehrfurchtsvoll zu erbitten; bis zur Herablangung dieser a. h. authentischen Erläuterung mit dem Beschluße bezüglich der Giltigkeit oder Ungiltigkeit mit dieser Wahl zu fiftiren.

Die mitgetheilten Akten werden beigeschlossen.

P r a g, am 9. April 1861.

Eisenstein m. p.,

Kommissions-Obmann.

Dr. Taschek m. p.

J. U. Dr. Fischer m. p.

Dr. Klier m. p.

Dr. Gschier m. p.

Dr. K. Tomicek m. p.

Dr. Franz Cupr m. p.

Dr. Klaudi m. p.


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