Neunte Sitzung.
Eröffnung des Reichstages,
den 22. Juli 1848.
(Ueber diese Sitzung wurde kein stenographier Bericht, sondern nur das nachfolgende Protokoll aufgenommen).
Protokoll der Sitzung am 22. Juli 1848 zur Eröffnung des constituirenden Reichstages.
Der Präsident Franz Schmitt eröffnete die Sitzung um 10 Uhr Vormittags.
Derselbe theilte der Versammlung. das Ministerialschreiben vom 21. Juli d. J. mit, gemäß dessen der heutige Tag zur feierlichen Reichstags-Eröffnung von Sr. k. k. Hoheit dem Herrn Erzherzoge Johann, als Stellvertreter Sr. k. k. Majestät bestimmt wurde.
Der Präsident ließ, durch den Schriftführer das Programm der Eröffnungsfeierlichkeiten vorlesen, und stellte dann mit Bezug auf dasselbe im Namen des Gesamtvorstandes den Antrag, daß die Empfangs-Deputation aus zwanzig Abgeordneten zu bestehen hätte, welche durch das Los zu bestimmen wären.
Die Versammlung nahm diesen Antrag durch Zuruf an, worauf mittelst des Loses folgende Abgeordnete für die Empfangs-Deputation bestimmt wurden:
Abg. Franz Plicker,
Abg. Joseph Krainz,
Abg. Matthäus Kautschisch,
Abg. Johann Kaim,
Abg. Adolph Dotzauer,
Abg. Ferd. Hechenfelder,
Abg. Joseph Mynareczyk,
Abg. Felix Scherl,
Abg. Franz Hein,
Abg. Heinrich Fürnkränz,
Abg. Carl Clementi,
Abg. Johann Ohéral,
Abg. Karl Hubicki,
Abg. A. Kutschera,
Abg. Stanisl. Koszowsky,
Abg. Johann Mucha,
Abg. Johann Platz,
Abg. Georg Timesch,
Abg. Joseph Müller, und
Abg. Franz Smolka.
Nach diesem Acte wurde die Sitzung bis 12 Uhr ausgefetzt.
Der Reichstags Präsident Schmitt an der Spitze der genannten Abgeordneten mit den Ordnern Ambrosch, Gobbi, Podlewsky und Scherzer empfing den Herrn Erzherzog Johann an den Stufen des Einganges in den Vorfall und trat Hochdemselben auf dem Wege nach dem Sitzungssaale vor.
Vor dem Throne stehend eröffneten Se. k. k. Hoheit den Reichstag mit nachstehender Rede:
"Meine Herren Abgeordneten!
Von Sr. Majestät, unserem allergnädigsten constitutionellen Kaiser beauftragt, den constituirenden Reichstag zu eröffnen, erfülle ich hiemit diese erfreuliche Pflicht und begrüße aus voller Seele Sie, meine Herren, die Sie berufen find, das große Werk der Wiedergeburt des Vaterlandes zu vollbringen.
Die Befestigung der erworbenen Freiheit für uns und unsere Zukunft erheischt Ihr offenes, unabhängiges Zusammenwirken in der Feststellung der Verfassung.
Alle Nationalitäten der österreichischen Monarchie stehen dem Herzen Sr. Majestät gleich nahe. In der freien Verbrüderung derselben, in der vollen Gleichberechtigung Aller, so wie in dem innigen Verbande mit Deutschland finden alle Interessen eine feste Grundlage.
Mit Schmerz erfüllt es das Herz Sr. Majestät, daß nicht sogleich die Fülle aller Segnungen eintreten konnte, welche freie Institutionen im weisen Gebrauche den Völkern zu sichern pflegen. Se. Majestät theilen im regen Mitgefühle die Bedrängnisse Ihrer Völker.
In Beziehung auf Ungarn und seine Nebenländer läßt sich von dem Rechtlichkeitsgefühle ihrer edelmütigen Bevölkerung eine befriedigende Ausgleichung der noch schwebenden Fragen erwarten.
Der Krieg in Italien ist nicht gegen die Freiheitsbestrebungen der italienischen Völker gerichtet, er hat den ernsten Zweck: unter vollständiger Anerkennung der Nationalität die Ehre der österreichischen Waffen gegenüber den italienischen Mächten zu behaupten und die wichtigsten Interessen des Staates zu wahren.
Nachdem die wohlwollenden Absichten, das unselige Zerwürfnis friedlich beizulegen, ohne Erfolg blieben, so wird es die Aufgabe unserer tapferen Armee seyn , einen ehrenvollen Frieden zu erkämpfen.
Die freundschaftlichen Verbindungen Österreichs mit allen ändern Mächten sind nicht verändert worden.
Das durch längere Zeit unterbrochene freundliche Verhältniß zu dem Königreiche Spanien ist wieder hergestellt.
Durch die Folgen früherer Finanzoperationen und durch das Zusammentreffen außerordentlicher Ereignisse sind die finanziellen Verhältnisse des Staates in einen Zustand versetzt worden, welcher außerordentliche Maßregeln erheischt, und schon in nächster Zukunft das Ministerium veranlassen wird, die erforderlichen Entwürfe samt allen Nachweisungen vorzulegen.
In der Berufung der Volksvertreter zur eigenen Berathung der allgemeinen Interessen ruht die sicherste Gewähr der geistigen und materiellen Entwickelung Oesterreichs.
Se. Majestät läßt Ihnen, meine Herren, und der ganzen Nation seinen kaiserlichen Gruß und die Versicherung seines herzlichen Wohlwollens entbieten.
"Der constituirende Reichstag ist eröffnet."
Der Reichstags-Präsident Franz Schmitt erwiderte auf diese mit Jubel aufgenommene Rede Folgendes:
"Im Namen der constituirenden Reichsversammlung erstatte ich Euerer kais. Hoheit als dem Stellvertreter Sr. Majestät unseres constitutionellen Kaisers den geziemenden Dank für die feierliche Eröffnung des ersten österreichischen Reichstages.
Das österreichische Volk tagt, es tagt zum erstenmale mit freier, gleichgesinnter Zustimmung unseres verehrten, althergestammten Kaiserhauses.
Im Namen des Volkes spreche ich Sr. Majestät, dem geliebtesten Kaiser Ferdinand, dem Gütigen, den glühendsten Dank für die dem Volke gewordene Gewährung aus, daß es selbst Schöpfer einer freien, volkstümlichen Verfassung sei.
Die aus dem unabweislichen Gebote der Zeit hervorgegangene neue Gestaltung hat heute aus der Hand Euerer Kais. Hoheit die volle Weihe der Gesetzlichkeit erhalten.
Wohl sind wir nach den Worten Euerer Kais. Hoheit berufen, das große Werk der Wiedergeburt des Vaterlandes zu vollbringen. Die feierliche Handlung des heutigen Tages ist die Vermählung des constitutionellen erlauchten Thrones mit dem freien und dadurch edlen ganzen Volke. Der Allmächtige segne den Bund und die daraus entsprießende Frucht!
Aus diesem Bunde geloben wir feste Treue und aufrichtige Anhänglichkeit dem constitutionellen Throne.
So schmerzlich wir es empfinden, Sr. Majestät unserem geliebten Kaiser bei dieser hochwichtigen Handlung zu vermissen, so sehr erkennen wir es als eine günstige Vorbedeutung, daß die Stellvertretung Sr. Majestät in der Person jenes allgeliebten Prinzen stattfindet, der uns weit voran eilend, zuerst den Gedanken der Freiheit zur That werden ließ, der ein freier, volksthümlicher Prinz war, als unsere Hoffnungen volksthümlicher Freiheit noch im Keime schlummerten. — Ihm gebe ich im Namen der Vertreter des Volkes das feierliche Versprechen, die uns obliegende Pflicht nach unseren besten Kräften und im Geiste der durch die gütige Gewährung Sr. Majestät uns vom Volke gewordenen Sendung gewissenhaft zu erfüllen.
Brüderlichkeit soll die Kraft seyn, welche bei besonnenem weisen Wirken alle Schwierigkeiten der großen Aufgabe überwinden, und jene Segnungen erreichen lassen wird, die Euer kais. Hoheit zur belebenden Hoffnung des Vaterlandes als die Frucht freier Institutionen bei weisem Gebrauche der Völker darstellten.
Heil Sr. Majestät, dem Gütigen, dem constitutionellen Kaiser! Heil! der nun constitutionellen Dynastie und ihrer Dauer zum nachhaltigen Wohle des neuen Bundes! Heil! dem volksthümlichen, edlen deutschen Prinzen Erzherzog Johann! Heil! dem, was seinem Herzen am theuersten und Zeuge dieses feierlichen Actes ist! Heil! dem freien, einigen österreichischen Volke! Heil und Ehre den österreichischen Waffen und unseren tapfern Brüdern, die sie führen!"
Diese Rede des Präsidenten wurde vielfach durch Zurufe unterbrochen.
Se. kais. Hoheit verließen hierauf begleitet von der früher angeführten Deputation des Reichstages den Saal.
Nach seiner Rückkehr hat der Präsident die Sitzung gegen 1 Uhr Mittags geschlossen, und die nächste auf im 24. Juli 1848. Vormittags 10 Uhr bestimmt.
Wien am 22. Juli 1848.
Schmitt,
Präsident.
Ignaz Streit,
Schriftführer.
Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei.