Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Siebenundneunzigste (XLV.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier am 3. März 1849.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprolokolles vom 2. März 1849.
II. Berichte über Wahlacte.
III. Bericht des Finanz-Ausschusses über die Depositen.
IV. Bericht des Ausschusses für Schulen und Unterricht — und
V. Berichte des Petitions-Ausschusses.
Vorsitzender: Präs. Smolka.
Auf der Ministerbank: (etwas später) Stadion, Krauß, Bach.
Anfang um 9 3/4 Uhr Vormittags.
Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist versammelt. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. — Der Herr Schriftf. Zwickle wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen. (Geschieht.) Ist bezüglich der Fassung des vorgelesenen Protokolles etwas zu erinnern? — Da nichts eingewendet wird, so erkläre ich das Protokoll als richtig aufgenommen.
Der Herr Vorstand der achten Abtheilung ersucht die Mitglieder dieser Abtheilung, sich Montag um 10 Uhr Früh zu versammeln. — Der Herr Vorstand des Finanz-Ausschusses ersucht die Mitglieder dieses Ausschusses morgen um 10 Uhr Früh sich zu versammeln.
Zu Folge eines Beschlusses des Constitutions-Ausschusses liegen einige daselbst eingelaufene Stücke auf dem Tische dieses Ausschusses zur Einsicht für die Herren Abgeordneten vor. Dieß find nachfolgende Stücke: Zur Reichstagszahl 4791, Promemoria der deutsch-tirolischen Deputirten gegen eine Trennung Tirols. Promemoria der wälsch-tirolischen Deputirten um Trennung von Deutsch-Tirol. Endlich, Promemoria der Deputirten Vorarlbergs um Aufrechthaltung der provinziellen Selbstständigkeit Vorarlbergs.
Der Abg. Szaszkiewicz hat eine Interpellation an den Vorstand der Commission angemeldet, welche zusammengesetzt wurde zur Vorlage eines Gesetzes bezüglich der Zusammensetzung von Schiedsgerichten wegen Grundstreitigkeiten.
Abg. Szaszkiewicz. Am 18. October v. J. wurde über meinen Antrag wegen Zusammensetzung von schiedsrichterlichen Commissionen zur Schlichtung von unzähligen zwischen den ehemaligen Grundherrschaften und den ehemaligen Unterthanen schwebenden Grundentziehungs-Processen eine Commission niedergesetzt, die noch im October nach achttägigem Intervalle aus einigen Gouvernements ergänzt wurde. Dem Vernehmen nach soll sich dieser Ausschuß constituirt haben; was aber das Ergebniß seiner Arbeiten sei, ist der hohen Kammer noch nicht bekannt gegeben worden. Die Sache zieht sich so nahe schon in den sechsten Monat. Von meinem Vaterlande kommen an mich mehrere und dringende Anfragen, ob und wann dieser Antrag zur Wirklichkeit gediehen sein wird. Ich muß gestehen, daß in meinem Vaterlande auf Verwirklichung dieses Gegenstandes mit weit größerer Ungeduld gewartet wird, als auf die anderen Arbeiten dieses Hauses, und dieser Umstand nöthiget mich, an den Vorstand dieses Ausschusses folgende Anfragen zu stellen:
1. Ob und was der Ausschuß in Betreff dieses Antrages gethan hat?
2. Was die Ursache sei, daß über diesen Antrag an dieses hohe Haus noch kein Bericht erstattet wurde?
3. Was der Ausschuß gethan oder beschlossen hat, um dergleichen Berichterstattung verzögernde Hindernisse zu beheben?
4. In welcher Zeit der Ausschuß in der Lage zu sein hofft, seinen endlichen Bericht zur Schlußfassung vorlegen zu können?
Präs. Wünscht der Herr Vorstand des Ausschusses diese Interpellation zu beantworten?
Abg. Plicker (Vorstand des Ausschusses): In der nächsten Sitzung wird über diese Puncte genügende Auskunft ertheilt werden.
Präs. Den nächsten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bilden Berichte über Wahlacte. Hat der Herr Berichterstatter der 1. Abtheilung etwas vorzutragen?
Abg. Rulitz. Reichstags-Zahl 4402. Das Ministerium des Innern überreicht mit Note vom 2. de praes. 7. Februar 1849. Zahl 805, den Wahlact der den Bezirk Stein, Laibacher Kreises, in Illirien betreffenden Wahl des Abg. Michael Lauric. Die erste Abtheilung trägt daher vermöge ihres einstimmig gefaßten Beschlusses darauf an: Der hohe Reichstag wolle die Wahl des Michael Lauric als Reichstags-Abgeordneten für den Wahlbezirk Stein im Laibacher Kreise Illiriens als giltig erklären.
Präs. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? (Niemand.)
Diejenigen Herren, welche dem Antrage der 1. Abtheilung beistimmen, die Wahl des Herrn Abg. Michael Lauric für unbeanständet zu erklären — wollen aufstehen. (Majorität.) Die Wahl ist als unbeanständet anerkannt.
Abg. Rulitz. Nr. 4607 betrifft den Wahlact des Franz Teltschik für den Wahlbezirk Neutitschein, Prerauer Kreises, in Mähren. — Es mußten drei Scrutinien vorgenommen werden. Beim ersten Scrutinium betheiligten sich 109 Wahlmänner, und es erhielt von diesen Franz Teltschik 37, der Minister-Präsident Schwarzenberg 29 Stimmen. Beim zweiten Scrutinium, an welchem sich 109 Wahlmänner betheiligten, erhielt Franz Teltschik 41, Minister-Präsident Schwarzenberg 28 Stimmen. Beim dritten Scrutinium, an welchem sich 92 Wahlmänner betheiligten, erhielt Franz Teltschik 69, und Minister-Präsident Schwarzenberg 23 Stimmen. Da von 92 Stimmen die absolute Mehrzahl 47 bildet, erscheint Franz Teltschik als mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt. — Die Wahl- und Stimmzettel, Empfangsscheine über die Vorladungen der Wahlmänner, Gegenlisten, so wie die Wahlacten und sogar Wahlcertificate der Wahlmänner lagen bei. — Die erste Abtheilung trägt vermöge einstimmig gefaßten Beschlusses an: der hohe Reichstag wolle die Wahl des Franz Teltschik für den Wahlbezirk Neutitschein, im Prerauer Kreise Mährens, als giltig erklären.
Wünscht Jemand über diesen Gegenstand das Wort zu ergreifen? — Diejenigen Herren, welche für den Antrag der 1. Abtheilung sind, diese Wahl des Abg. Teltschik für unbeanständet zu erklären, wollen aufstehen. Die Wahl des Abg. Teltschik ist für unbeanständet erklärt. — Der Herr Berichterstatter der 2. Abtheilung.
Abg. Kreil. Nach dem Austritte des Abg. Doblhoff für den 2. Wahlbezirk der inneren Stadt Wien wurde für diesen Wahlbezirk die Wahl eines neuen Abgeordneten auf den 7. Februar 1849 ausgeschrieben und ordentlich abgehalten. An dieser Wahl nahmen 97 Wahlmänner Theil, und es erhielt gleich bei der ersten Abstimmung Carl Friedrich Frhr. Kübeck 57 Stimmen, und somit die absolute Majorität. Von den übrigen Stimmen siel die Mehrzahl, nämlich 25, auf den Herrn Eugen Mühlfeld. Die Wahlprotokolle, Gegenlisten und Stimmzettel sind in Ordnung. Die 1. Abtheilung ist daher einstimmig der Meinung, daß der hohe Reichstag die Wahl des Abg. Carl Friedrich Freiherrn Kübeck für den 2 Wahlbezirk der inneren Stadt Wien als unbeanständet erklären wolle.
Präs. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen?— Diejenigen Herren, welche dem Antrage der 2. Abtheilung: daß die Wahl des Herrn Abg. Carl Kübeck als unbeanständet erklärt werde, beistimmen, wollen aufstehen. — (Majorität.) Die Wahl ist demnach als unbeanständet erklärt.
(Bei der 3. bis 8. Abtheilung sind keine Wahlacten vorhanden).
Abg. Hubicki (Berichterstatter der 9. Abtheilung:) Bericht der 9. Abtheilung über den Wahlact des Abg. Franz Haunsteiner für den Wahlbezirk Zwettl in Niederösterreich, an die Stelle des Abg. Franz Redl, der sein Mandat zurückgelegt hat. Die Wahl wurde am 15. Jänner l. J. vorgenommen. Im ganzen Wahlbezirke wurden 100 Wahlmänner erwählt, von diesen erschienen 77, somit drei Viertel der Gesammtzahl. — Gleich beim ersten Scrutinium erhielt der Herr Abg. Franz Haunsteiner 40 Stimmen, und hiemit die absolute Stimmenmehrheit. Das Wahlprotokoll sammt den Gegenlisten und Wahlzetteln sind ordnungsmäßig beigelegt und gefertigt. Die 9. Abtheilung trägt daher der hohen Kammer einhellig an: diese Wahl als giltig zu erklären.
Präs. Wünscht Jemand über den vorgetragenen Gegenstand das Wort zu ergreifen? — Diejenigen Herren, die dem Antrage der 9. Abtheilung beistimmen, und die Wahl des Herrn Abg. Franz Haunsteiner als unbeanständet ansehen, wollen aufstehen. (Majorität.) Die Wahl ist als unbeanständet erklärt.
Der Herr Berichterstatter zur Prüfung der Unbeanständeten Wahlen (liegen keine Acten vor).
Als nächster Gegenstand der Tagesordnung erscheint der Bericht des Finanzausschusses über die Depositen. Der Herr Berichterstatter hat den Bericht der hohen Kammer bereits vorgetragen. Es haben sich als Redner einzeichnen lassen: gegen den Antrag, die Abg. Bilinski. Trzecieski, Praschak, Schuselka, und als vom Platze aus sprechend: Dylewski. — Für den Antrag, der Herr Abg. Kreil, und als vom Platze aus sprechend: die Abg. Thiemann, Joseph Neumann, und Gleispach.
Es ist bereits ein Verbesserungsantrag vorgelegt worden, und zwar vom Abg. Praschak; dieser lautet:
"Die Reichsversammlung fordert das Ministerium auf, zu veranlassen, die durch den Ministerialerlaß vom 29. Mai 1848 verfügte Einsendung der Depositengelder an die Depositen-Casse des Staatsschulden-Tilgungsfondes habe nur jenes Falles einzutreten, wenn die betheiligte Partei in diese Einsendung ausdrücklich willige."
Als erster gegen den Antrag der Commission eingeschriebener Redner hat der Abg. Bilinski das Wort.
Abg. Bilinski. Dem Erlasse des Finanzministeriums vom 29. Mai v. J., welcher die in Verhandlung stehende Beschwerde des Stryer Kreises hervorrief, liegt nach dem Wortlaute desselben eine zweifache Bestimmung zu Grunde: einerseits die todt erliegenden Depositengelder fruchtbringend anzulegen, und dem allgemeinen Verkehre zuzuführen, andererseits die gesteigerten Staatserfordernisse im außerordentlichen Wege zu decken. Ich werde diese zwei Hauptmomente zu beleuchten suchen und an Ihnen, meine Herren, wird es sein, das Ersprießliche desselben zu beurtheilen und darnach Ihre Entscheidung zu richten.
Ich will durchaus nicht die wohlthätige Absicht der Regierung, die sie durch die erwähnte Maßregel für das Wohl der Privaten an den Tag zu legen suchte, bezweifeln; auch werde ich nicht die sich aufdringende Frage, warum denn jetzt diese besondere Fürsorge Statt fand, da doch schon ehedem der Uebelstand der Nichtanlegung der Depositengelder bestand, berücksichtigen, und ich halte sie damit beantwortet: es sei lieber später als niemals das Nöthige, das Ersprießliche zu thun. Auch werde ich nicht die Verdächtigung aussprechen, daß es stärkerer Motive bedurfte, nämlich der außerordentlichen Bedeckung der gesteigerten Staatserfordernisse, um auf die so lange verwahrlosten Interessen des Privaten besondere Aufmerksamkeit zu richten. Doch kann ich nicht umhin, zu bemerken, daß diese Maßregel in der Richtung nur ein scheinbarer Verwand war, weil es schon ehedem eine positive Bestimmung gab, die die fruchtbringende Anlegung der Depositengelder normirte; es ist nur ihrer Beachtung entgangen; es hat nur gefehlt eine Einschärfung von Seite des Justizministeriums, die die betreffenden Depositenämter an die Beachtung der in Kraft bestehenden Vorschriften angehalten hätte, wo alsdann eine Anlegung in der Art Statt gefunden hätte, die für die Parteien vortheilhafter wäre als die nun beabsichtigte. Eine Anlegung der Depositengelder in Staatspapieren hat schon Tausende und abermal Tausende der Waisen- und Witwengelder gekostet. Wird die frisch gemachte Erfahrung Sie, meine Herren, nicht bewegen, eine ähnliche Anlegung, die sich nur in neues Gewend der erwähnten Maßregel gehüllt hat, verwerflich zu finden? Dem alten Staate galt es nur, die Staatspapiere gut anzubringen und ihre Course zu erhalten; Sie, meine Herren, haben noch andere Rücksichten zu beachten, es möge da Ihr Gewissen entscheiden.
Man sage mir nicht, daß nach den Bestimmungen des erwähnten Erlasses nur jene Depositengelder dem Tilgungsfonde zugeführt werden, die keine anderweitige Anlegung gefunden haben. Wenn aber diese anderweitige Anlegung vernachlässiget wird, so mußte es nothwendig todtliegende Capitalien geben, und selbst jetzt, wo die kurz anberaumte Zeitfrist von vier Wochen jede anderweitige Anlegung unmöglich macht. — Es wird ferner behauptet, es stehe kein Hinderniß im Wege, selbst späterhin diese vortheilhaftere Anlegung zu bewerkstelligen. Wenn man aber erwägt, daß durch das Hin- und Hersenden für den Staat und für die Parteien außer den vielen Unzukömmlichkeiten noch in der Zeitrechnung für die Zinsen ein Verlust entsteht, so wird man darauf kein besonderes Gewicht legen und nicht als eine besondere Wohlthat hinstellen wollen.
Ueberhaupt hat es mit den Depositen ein anderes Bewandniß. Es wird hier nicht so sehr der Gewinn an Zinsen, als die vermeinte Sicherstellung des Capilales selbst, in erster Linie, bezweckt. Alles Uebrige ist nur accessorisch, und hierin liegt auch der Grund, daß man die Depositen nach anderen Maßregeln behandelt. — Die erwähnte Wohlthat dieser Maßregel, die nur die Zinsen ins Auge faßt, hat demnach den Zweck verfehlt, und wenn dieselbe der öffentlichen Meinung zuwider aufgedrungen wird, so hört sie auf eine Wohlthat zu sein, und wird ein Zwang, der in der Aengstlichkeit, die angelegten Gelder selbst zu verlieren, zu einer moralischen Qual wird, die berücksichtigt werden muß, um somehr, als der nebenbei ausgesprochene Beweggrund der außerordentlichen Bedeckung der gesteigerten Staatserfordernisse unheimlich auf die Gemüther wirken muß.
Glauben Sie wirklich, meine Herren, daß diese Maßregel eine Wohlthat, daß sie den Interessenten erwünscht sei? Nun gut, lassen Sie es auf einen Versuch ankommen, es möge die Verfügung getroffen werden, daß nur diejenigen Depositengelder dem Tilgungsfonde zugeführt werden sollen, wo es die Parteien selbst verlangen, — dann würde die außerordentliche Bedeckung der gesteigerten Staatserfordernisse karg ausfallen müssen. Sie werden darauf nicht eingehen wollen, Sie bekennen also dadurch mittelbar selbst, daß Sie die Sicherstellung der beim Staate hinterlegten Depositengelder für zweifelhaft halten. Dann frage ich Sie, meine Herren, ob Sie einen Augenblick in Ihrer Entscheidung zaudern werden, ob Sie ein Sacrilegium an den Witwen- und Waisengeldern werden begehen lassen? Ich gehe weiter und behaupte, daß, wenn diese Maßregel nicht gleich aufgehoben wird, die beim Staate hinterlegten Depositengelder um die Hälfte ihres Werthes herabsinken. Oder glauben Sie, daß die ungarischen Banknoten diese unsere Aussicht in die nächste Zukunft ein sicheres Unterpfand für die Zahlungsfähigkeit des Staates sei, oder daß die neu errichtete Firma zu Hermannstadt, Rußland und Comp. eine bessere Bürgschaft für die hinterlegten Depositengelder sei?
Es ist, meine Herren, dabei aber noch eine Rücksicht zu beachten, nämlich die, daß dadurch den Provinzen die Geldmittel entzogen werden, wodurch die Leichtigkeit, sich Geld zu verschaffen, erschwert wird, was auf die Industrie, auf die Landescultur nachtheilig wirken und den Zinsfuß im Lande beträchtlich erhöhen muß. Dieß war meiner Ansicht nach die nächste Ursache, warum Niederösterreich nicht in der Maßregel mit einbegriffen war. Es sollte der Stadt Wien die Möglichkeit, sich Geld zu verschaffen, nicht abgeschnitten werden. Aber in derselben Lage befinden sich auch die Provinzen, auch für sie wäre diese Ausnahme wünschenswerth, auch für sie wäre sie in der Gerechtigkeit begründet. Die Provinzen fühlen die Gleichberechtigung so tief, daß sie sich durch die ihnen ausnahmsweise zugewandte sogenannte Wohlthat gekränkt fühlen müßten, wenn nicht gleichzeitig alle Provinzen derselben theilhaftig werden sollten. Ist aber diese Maßregel nicht eine Wohlthat, sondern nur eine Bevortheilung, dann müßten sie an der Gleichberechtigung irre werden. Sie sehen also, meine Herren, daß der erste Beweggrund nicht stichhältig ist, daß er von jenem der außerordentlichen Bedeckung, der gesteigerten Staatserfordernisse getrennt werden muß, und daß diese Maßregel als rein finanzieller Natur angesehen werden muß.
Der Stand der gerichtlichen, bereits abgeführten Depositengelder bis zum 13. Jänner ist uns in der Summe von 1,694.000 fl. ausgewiesen. Ich frage Sie, meine Herren, ob dieses für den österreichischen Staat als eine nachhaltige finanzielle Maßregel gelten kann, für einen Staat, der im Laufe eines halben Jahres eine Creditsbewilligung von hundert Millionen ansprechen durfte. Ich frage Sie, ob das Bestehen auf dieser Maßregel für den Staatscredit förderlich sei, ob nicht von dieser "außerordentlich" genannten Bedeckung der gesteigerten Staatserfordnisse ein Abkommen stattfinden soll. Denn, wenn die öffentliche Meinung sich dagegen ausgesprochen hat, und selbst für den Fall, daß die öffentliche Meinung nicht gegründet wäre, wenn wir in Ziffern nachrechnen, finden wir, daß bei einer Summe von 1,694.000 fl., für welche jährlich drei Percent gezahlt werden müssen, wenn bei einem anderweitigen Anlehen noch zwei Percent entrichtet werden sollen, sich ein Staatsaufwand von drei und dreißig Tausend ergibt, und wenn hievon die damit verbundenen Kosten in Abschlag gebracht werden, so ist dieß eine Summe, die selbst gegen die aus Vorurtheil ausgesprochene öffentliche Meinung nicht aufwiegt.
Man wird mir aber einwenden, daß wenn erst die öffentliche Meinung an dieser Maßregel Geschmack gewinnt, wenn sie sich der ungegründeten Vorurtheile, der Aengstlicheit für die Solidität des Staates entschlagen haben wird, daß sich diese Summen aus den Depositengeldern beträchtlich steigern werden. Ich gebe es zu; aber dann treten wir in eine andere Phase, es wäre dieß eine Creditsbewilligung auf unbestimmte Summen, eine Creditsbewilligung, ohne früher den Bedarf, den Zweck der Verwendung zu kennen, ein freies Spiel, sich in den meisten Fällen der Mitwirkung der gesetzgebenden Versammlung im Geldaufbringen zu entschlagen. Sie können, Sie dürfen, meine Herren, sich dieses großen Rechtes nicht leicht begeben, Sie können es nicht gegenüber was immer für einem Ministerium; ob sie es thun dürfen gegenüber diesem Ministerium, das haben Sie schon lange entschieden.
Es ist aber dabei noch ein Umstand zu berücksichtigen; es wird nämlich behauptet, es wäre zu wünschen, daß alle Depositengelder bei dem Staate fruchtbringend anzulegen wären. Ich getraue mich nicht darüber leichtweg abzusprechen, es dürfte dieses einen wichtigen Gegenstand der gründlichen Erörterung für die nachfolgende Gesetzgebung ausmachen; doch kann ich nicht umhin, schon jetzt auf zwei Puncte, meine Herren, Ihre Aufmerksamkeit zu lenken. Ist es denn räthlich, bei einer Föderativgestaltung eines Staates, die Sie, meine Herren, möglicherweise bezwecken, rein provinzielle Fonde mit jenen des Gesammtstaates zu verschmelzen, oder sie getrennt, geschieden zu erhalten, und der provinziellen Betriebsamkeit zuzuführen? Wenn dem Staate auch die Verwendung der Privatfonde anheimfällt, wenn er ausschließlich über sie verfügt, so wird in seiner Hand die individuelle Betriebsamkeit, der sich frei bewegende Geschäftsgang erdrückt und wir sind nahe an jener Gestaltung, die die Theorie der communistischen Einrichtung verwerflich macht.
Meine Herren, als der in Verhandlung stehende Gegenstand vor die hohe Kammer gebracht wurde, so schien mir in materieller Hinsicht nur eine Meinung ausgeprägt, nämlich die der Nichtbewilligung der erwähnten Maßregel; es wurde nur gegen die Form angekämpft, eine Umsicht, die ich nicht anders als nur anerkennen kann; und wenn es immer möglich ist, eine nicht entsprechende Maßregel des Ministeriums durch das Ministerium selbst aufheben zu machen, so ist dieses, wenn vielleicht nicht der beste, doch der kürzere Weg. Ich kann mir aber auch nicht verbergen, daß sogenannte Ordonnanzen, die die gesetzgebende Gewalt für nicht zweckmäßig erachtet, durch Kammerbeschlüsse, die durch Gesetzvorschläge zu behandeln wären, außer Kraft zu setzen, ein legaler, ein constitutioneller Vorgang sei. Ich kann mir also nicht erklären die geänderte Anschauung, wie sie in dem Antrage des Finanzausschusses ausgesprochen liegt; ich kann auch nicht die Entgegnung hinnehmen, daß es nicht zweckmäßig wäre, wegen so geringfügiger Veranlassung dem Ministerium entgegen zu treten. — Ich halte diesen Gegenstand in seiner Consequenz nicht für so geringfügig, und ich kann nicht zugeben, daß das Ministerium nicht eben so gut wie wir sich durch Gründe leiten läßt, daß es verlangen könnte, ihm zu lieb die Ueberzeugung opfern zu sehen. Wenn aber der Gegenstand wirklich so geringfügig ist, wie man es vorgibt, so ist das ein neuer Grund, die Entscheidung so auszusprechen, wie es die Sache selbst mit sich bringt, weil da die Rücksicht der Staatsverwaltung Hindernisse in den Weg zu legen, von selbst entfällt. — In der Annahme des vom Finanzausschusse vorgebrachten Antrages würde mittelbar die Anerkennung der erwähnten Maßregeln liegen, die ich aber durch das Gesagte widerlegt zu haben glaube.
Sollte sich Ihre Ansicht mit der meinigen vereinigen, so empfehle ich Ihnen den Antrag der Minorität, der dahin lautet:
"Die hohe Kammer beschließt, das Ministerium anzugehen:
1. Den Erlaß vom 29. Mai 1848 hinsichtlich der ferneren Einsendung der Depositengelder außer Kraft zu setzen.
2. Bei der durch die Interessenten verlangten Rückzahlung der schon abgeführten Gelder die Bestimmung des erwähnten Erlasses zu handhaben.
3. Den hierüber vom Ministerium gefaßten Entschluß baldmöglichst der hohen Kammer bekannt zu geben, die dann das Geeignete zu verfügen sich vorbehält."
Wobei ich noch die kurze Bemerkung mache, daß durch die bevorstehende Rückzahlung die Finanzverwaltung in keine Verlegenheit kommen dürfte, da nach den Bestimmungen des erwähnten Erlasses die Rückzahlung nur theilweise geschehen würde. (Bravo.)
Präs. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kreil.
Abg. Kreil. Meine Herren! Als der Gegenstand, der heute zur Berathung vorliegt, am 12. Jänner zum ersten Mal zur Sprache kam, wurde die ministerielle Maßregel auch von dem Standpuncte aus bekämpft, daß dadurch das Interesse, das Vermögen der Waisen gefährdet sei. Diese Besorgniß kann ich nicht theilen, denn der Ministerial-Erlaß vom 29. Mai 1848 bezieht sich nicht auf Waisengelder, und kann sich auf dieselben nicht beziehen, weil zwischen Waisen- und Depositengeldern, sowohl nach dem Gesetze als nach der Natur der Sache ein sehr bedeutender Unterschied ist. Schon die Jurisdictionsnorm vom Jahre 1785 verordnet eine abgesonderte Verwahrung der Waisen-, der Depositengelder, und sie mußte diese Absonderung verordnen, weil die Gerichte bei beiden Gattungen der anvertrauten Gelder ganz verschiedene Functionen haben. Depositengelder werden bei Gerichten hinterlegt, damit sie dort sicher aufbewahrt werden, bis sie Denjenigen, welche sich als Eigenthümer legitimirt, erfolgt werden. Dahin gehören Gelder aus Verlassenschaftsabhandlungen, welche so lange bel Gerichte liegen bleiben, bis die Verlassenschaftsabhandlung beendiget ist, die Erben und ihre Erbtheile ausgemittelt sind; dahin gehören Gelder aus Concursmassen, welche so lange bei Gerichte hinterlegt bleiben, bis die Concursverhandlung beendiget, bis durch ein rechtskräftiges Urtheil festgesetzt ist, welche Gläubiger, und mit welchen Beträgen sie befriediget werden, und was sie aus der Concursmasse erhalten sollen; dahin gehören z. B. Cautionen, welche so lange bei den Gerichten liegen bleiben, bis die Verbindlichkeit erfüllt ist, für welche die Caution eingelegt wurde. Daß solche Gelder manchmal längere Zeit bei den Gerichten liegen bleiben, wird keinem Geschäftsmanne entgehen; denn wenn z. B. bei einer Verlassenschaft ein Streit zwischen den Erben entsteht, wenn in einem Concurs-Processe die Classification angefochten wird, so muß darüber förmlich der Rechtsstreit durchgeführt werden, und die Gerichte dürfen die Depositengelder nicht früher ausfolgen, bis über die Processe rechtskräftige Entscheidungen erflossen sind.
Bei den Depositengeldern hat also das Gericht keine andere Verbindlichkeit, als sie sicher aufzubewahren, bis sie erfolgt werden können. Weder im bürgerlichen Gesetzbuche noch in der Gerichtsordnung, noch in der Concursordnung, noch in irgend einem anderen Gesetze ist dem Gerichte die Verpflichtung auferlegt, die Depositen fruchtbringend anzulegen.— Eine ganz andere Function haben hingegen die Gerichte bei den Waisengeldern. Waisengelder werden den Gerichten nicht bloß zur Aufbewahrung, sie werden auch zur Verwaltung übergeben; denn Minderjährige können ihr Vermögen nicht selbst verwalten, es muß durch Vormünder oder Vormundschaftsbehörden verwaltet werden. Das bürgerliche Gesetzbuch bezeichnet als eine der ersten Obliegenheiten, welche den Vormündern und Vormundschaftsgerichten auferlegt wird, das Bestreben, die baren Gelder der Minderjährigen fruchtbringend zu machen, sie müssen angelegt werden in der Regel zu 5 Procent, und nur, wo diese Beobachtung der gesetzlichen Sicherheit nicht möglich ist, dürfen sie zu 4 Procent angelegt werden; aber eine Verordnung, wie sie in dem Berichte des Finanzausschusses bezeichnet ist, wonach alle Capitalien der Minderjährigen oder Curanden, in sofern eine baldige Anlegung bei Privaten nicht ermöglichet war, nach den bestehenden Gesetzen in Staatspapiere umgewandelt werden sollen — eine solche Verordnung gibt es in Oberösterreich wenigstens nicht. In Oberösterreich werden die Waisengelder in der Regel bei Privaten angelegt und nur der Ankauf von Staatspapieren bildet eine Ausnahme. Ich erlaube mir die Versicherung abzugeben, daß von den Waisengeldern in Oberösterreich nicht 10 Procent im Staatsfonde anliegen. Der Unterschied zwischen Waisen-Capitalien und Depositen-Capitalien besteht also darin, daß Depositen-Capitalien den Gerichten nur zur Aufbewahrung, Waisen-Capitalien aber zur Verwaltung übergeben werden; und während das Gericht seine Verpflichtung vollkommen erfüllt, wenn es die Depositengelder unberührt in der Casse liegen läßt, bis sie ausgefolgt werden können Dem, welcher sich als Eigentümer legitimirt, durfte das Gericht bei Waisengeldern sich der Verantwortung aussetzen, wenn es diese Gelder nicht fruchtbringend gemacht hat; es müßte den Minderjährigen für den Entgang der Interessen einen Ersatz leisten. Waisengelder können nie lange in den Waisencassen liegen bleiben.
Was von dem Vermögen der Minderjährigen gesagt worden ist, gilt auch von dem Vermögen der Curanden, d. h. solcher Personen, welche zwar ihr Alter, ihre Großjährigkeit erreicht haben, aber wegen anderer Umstände ihr Vermögen nicht verwalten können, z. B. Wahnsinnige, Blödsinnige, Abwesende, gerichtlich erklärte Verschwender. Das Gesetz stellt diese Personen den Minderjährigen gleich, und gibt ihnen das Recht der Minderjährigen. Ihr Vermögen muß ebenso wie das Vermögen der Minderjährigen von Curatoren und Curatelbehörden verwaltet werden.
Nach dieser Feststellung des Begriffes, was Waisengeld und was Depositengeld ist, bitte ich Sie, meine Herren, sich die Ueberzeugung zu verschaffen, daß in dem Erlasse vom 29. Mai 1848 von Einsendung der Waisengelder gar keine Rede ist, dieser Erlaß bezieht sich nur auf die Einsendung der Depositengelder. In Oberösterreich wurden auch gar keine Waisengelder eingesendet, weil es in dem Erlasse nicht angeordnet war, und weil die Waisengelder besser als zu 3 Procent angelegt werden müssen. Es ist auch nicht wohl möglich, die Eigenschaft der Waisen- und Depositengelder zu vermengen, weil die Merkmale, welche diese Eigenschaften constatiren, so wesentlich verschieden sind.
In der Sitzung vom 12. Jänner hat ein Herr Abgeordneter bemerkt, daß es in Galizien gar keine Waisencassen gäbe, weil in Galizlen nur Alles geschrieben sei, und nicht in der That bestehe; deßwegen konnten die Waisengelder nur in den ordentlichen Depositencassen sich befinden, und sie befinden sich noch daselbst. Ich will das gerne glauben, allein, wenn auch die abgesonderte Verwahrung der Waisengelder in Galizien nicht besteht, so besteht in Galizien ebenso wie in jeder anderen Provinz der natürliche Unterschied, was Waisengeld, was Depositengeld ist. Die cumulative Verwahrung der Waisen- und Depositengelder kommt wohl auch oft außer Galizien, in Oberösterreich vor. Es ist zwar angeordnet, daß die Waisen- und Depositengelder in einer eigenen eisernen Kassetruhe sollen aufbewahrt werden, insbesondere kleinere Patrimonialgerichte haben es jedoch nicht gethan, weil ihnen die Anschaffung verschiedener Cassen zu kostspielig gekommen, und die Waisengelder und Depositengelder in einer Casse hinterlegt. Diese Hinterlegung hinderte aber nicht die abgesonderte Evidenzhaltung beider Gelder, und zuverlässig sind auch in Galizien beide Gelder in gesonderter Evidenz gehalten worden. Wenn dieß nicht geschah, so wird wohl wenigstens das Gericht wissen, von wem ihm die Gelder anvertraut worden sind, und weiß es dieß, so wird es auch leicht die Eigenschaft: was ist Waisengeld, was ist Depositengeld — erheben.
Von dem Standpuncte der Waisenverwaltung glaube ich, wird sich also der ministerielle Erlaß vom 29. Mai 1848 nicht anfeinden lassen, weil sich dieser Erlaß nicht auf Waisengeld bezieht und weil er nicht darauf bezogen werden kann, wenn man über den Begriff: was ist Waisengeld, was ist Depositengeld — im Reinen ist.
Was die Einsendung der Depositengelder betrifft, drängt sich vor Allem die Frage auf: Ist für die Eigenthümer der Depositen, sie mögen nun schon bekannt oder noch erst auszumitteln sein, eine Gefahr vorhanden? Ist sie für die Eigenthümer vortheilhaft, oder ist sie für dieselben nachtheilig? Eine Gefahr kann ich durchaus nicht einsehen, denn meine Herren, das werden Sie doch zugeben, daß die Depositen in den Staatscassen sicherer aufbewahrt sind, als in den Cassen der oft sehr entlegenen Gerichtshäuser. Auch dafür ist gesorgt, daß die Depositen in derselben Münzgattung in der sie eingeschickt worden sind, wieder zurückgezahlt werden; denn wenn ein Depositum in den Staatsschulden-Tilgungsfond eingeschickt wird, muß auch ein Gegenschein in doppelter Ausfertigung mitgesendet werden, welcher genau die Münzsorten angibt, in welchen das Depositum bestanden hat. Ein Gegenschein kömmt mit der Bestätigung des Tilgungsfondes an das Gericht zurück, so daß das Gericht immer in der Lage ist, darauf zu dringen, daß sie die Geldsorten zurück erhalte, in welcher sie es eingesendet hat. Es ist durchaus nicht einzusehen, welche Gefahr oder welcher Nachtheil für die Eigenthümer der Depositengelder vurch die Einsendung in den Tilgungsfond erfolgen könnte. Sie haben aber den Vortheil, daß ihre Gelder fruchtbringend gemacht werden, einen Vortheil, der bei größeren Beträgen, die längere Zeit liegen bleiben, nicht von Unbedeutenheit ist. Wenn man Depositengelder überhaupt fruchtbringend machen will, so kann dieß nur auf eine solche Art geschehen, bei welcher eine schnelle Zurückzahlung möglich ist, darum alle Depositen bei Privaten nicht fruchtbringend angelegt werden, denn es müßte zum Mindestens eine vierteljährige Aufkündigungszeit zugegeben werden, und der Zeitpunct der Erfolglassung des Depositums läßt sich mit jener Gewißheit nicht voraussehen, um die Aufkündigung so einzurichten, daß der Zeitpunct der Zurückzahlung des Capitals, und der Zeitpunct der Erfolglassung des