Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Dreiundachtzigste (XXXI.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster am 1. Februar. 1849.
Tagesordnung.
I. Verlesung des Protokolles vom 31. Jänner.
II. Berichte über beanstandete Wahlen.
III. Verhandlung über den dringlichen Antrag des Abg. Schuselka.
IV. Berichte des Petitionsausschusses.
Vorsitzender: Präsident S m o l k a.
Minister: Thinnseld.
Anfang der Sitzung 10 1/2 Uhr.
Präs. Da die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter anwesend ist, so erkläre ich die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftführer Ullepitsch wird das Protokoll der gestrigen Sitzung vorlesen.
Schriftf. Ullepitsch (verliest das Protokoll vom 31. Jänner.)
Präs. Ist bezüglich der Fassung des Protokolles etwas einzuwenden? Da keine Einwendung erfolgt, so sehe ich es als richtig ausgenommen an.
Der Herr Vorstand des Entschädigungsausschusses wünscht auf die Interpellation zu antworten, welche gestern an ihn gerichtet wurde.
Abg. Pretis. Der ehrenwerthe Abg. Rulitz hat an mich als Vorstand des Entschädigungsausschusses folgende Interpellation gestellt:
Erstens. Ob die Commission den ihr zur Aufgabe gewordenen Entwurf bereits ausgearbeitet hat? und Zweitens. Bis zu welchem Zeitpunkt sie denselben der hohen Kammer vorlegen werde?
Der Beantwortung derselben muß ich einige Bemerkungen vorausschicken. Der Entschädigungs- Ausschuß wurde in der zweiten Hälfte des Monats September gewählt, und konnte sich erst gegen Ende September constituiren. Es ist aber sowohl dem hohen Hause als auch dem ehrenwerthen Abg. Rulitz, obschon er damals noch kein Mitglied desselben war, bekannt, daß die Monate October und November für alle parlamentarischen Geschäfte verloren waren. In der Wirklichkeit besteht demnach der Entschädigungs- Ausschuß seit zwei und nicht seit fünf Monaten.
Schon bei den ersten Zusammenkünsten zeigte sich das absolute Bedürfniß eines engeren Ausschusses, denn der Gesammtausschuß besteht aus 50 Mitgliedern. Dieser engere Ausschuß wurde aus einem Abgeordneten einer jeden Provinz, somit aus 10 Mitgliedern gebildet, und beauftragt, sich womöglich über die allgemeinen leitenden Grundprinzipien zu einigen, und die Entwürfe dem großen Ausschüsse zur weiteren Berathung vorzulegen. Das Patent vom 7. September erklärt, daß einige Lasten ohne alle Entschädigung, einige andere dagegen gegen billige Entschädigung ausgehoben seien. Dasselbe Verhältnis tritt auch bei den später aufzuhebenden Servituten ein, und es ist wohl an und für sich einleuchtend, daß zur definitiven Feststellung, zu welcher Kategorie die einzelnen Lasten der verschienen Provinzen gehören, die bestimmte, möglichst vollkommene Kenntniß aller dieser Lasten erforderlich ist, und diese Kenntniß mußte sich Ihr Entschädigungsausschuss vorläufig aus den Provinzen verschaffen, nachdem ihm keine Vorarbeiten zu Gebotne standen. Um die Sache möglichst zu beschleunigen, hat der Ausschuß im Ministerialwege veranlaßt, daß in allen Provinzen, Polen und Steiermark ausgenommen, wo sie nicht für nöthig erachtet wurden, eigene Commissionen gebildet würden, welche das Materiale zu sammeln, und dem Ausschusse einzusenden hätten. Diese Commissionen bestehen nun in den verschiedenen Provinzen thätig, mit Ausnahme von Vorarlberg und Kärnthen, wo mehrerer Hindernisse wegen dieselben sich noch nicht haben bilden können; es ist jedoch schon die Veranlassung getroffen worden, daß sie auch dort ins Leben gerufen werden. Es wurde zugleich verfügt, daß mit Umgehung des schleppenden büreaukratischen Geschäftsganges die Commissionen unmittelbar mit dem Ministerium des Innern korrespondieren, welches überhaupt alle Vorkehrungen des Ausschusses bereitwillig und kräftig unterstützt hat.
Dem Ausschusse sind schon mehrere Operrate der Provinzialkommissionen zugekommen, und aus dem Königreiche Böhmen sind sie gestern eingelangt. Größtenteils waren die Operrate jedoch so unvollständig, daß sie zur Umarbeitung oder Ergänzung zurückgeschickt werden mußten. Mittlerweile waren jedoch die Ausschußmitglieder, oder eigentlich die Referenten der einzelnen Provinzen nicht untätig, mehrere derselben haben schon dermalen auf Grundlage der ständischen Vorarbeiten Entwürfe verfaßt, die nun zur Berathung im engern und sohin im größeren Ausschuß bereit liegen; ob aber bei der großen Verschiedenheit der Verhältnisse und Bedürfnisse der einzelnen Landestheile es möglich sein wird, allgemeine gleichförmige Grundsätze für alle Provinzen zu Stande zu bringen, muß die weitere Berathung zeigen. Der Entschädigungs- Ausschuß verkennt es nicht, daß es sehr dringlich sei, sowohl im Interesse der Berechtigten als auch der Verpachteten, das wechselseitige Verhältniß sobald wie möglich zu normieren. Es wird aber auch das hohe Haus nicht verkennen, daß es eben so wichtig ist, ein gründliches, alle möglichen Verhältnisse umfassendes und klares Gesetz zu liefern, welches alle spätern Streitigkeiten und Zweifel beseitige, und daß, in so lange das erforderliche Material nicht vorliegt, es unmöglich sein werde, einen solchen Entwurf dem hohen Hause vorzulegen. Ich muß demnach im Namen des Ausschusses erklären, daß ein Gesetzentwurf bisher noch nicht zu Stande gekommen sei, muß ebenfalls erklären, daß es dem Ausschusse nicht möglich sei, den periodischen Termin zu bestimmen, binnen welchem dieser Entwurf vorgelegt werden könne. Ich muß jedoch die Versicherung beisetzen, daß der Ausschuß von der Wichtigkeit und Dringlichkeit seiner Aufgabe durchdrungen, alle seine Kräfte aufbieten werde, um dieselbe bald möglichst und zur allseitigen Zufriedenheit zu lösen.
Präs. Es hat sich als unpässlich gemeldet der Herr Abg. Anton Beck. Ich habe Urlaube bewilligt, dem Herrn Abg. Kratochwill auf 8 Tage von heute an gerechnet, dem Herrn Abg. Wittek auf 8 Tage von morgen an gerechnet Der Herr Abg. Hagenauer für den zweiten Wahlbezirk Triest hat sein Mandat zurückgelegt. (Bewegung.) Nachdem in der Eingabe auch eine Ansprache an die Mitglieder des hohen Hauses gerichtet ist, so wird das Haus erlauben, daß dieselbe vorgelesen werde. (Ja.)
Schriftf. Ullepitsch (liest folgende Eingabe.)
Hohe Reichsversammlung!
Am 16. und am 25. dieses hatte ich die Ehre, dem Herrn Präsidenten von hier zu berichten, daß zuerst der Einsturz der Donaubrücke und später eine Erkrankung mich hinderten, meine Reise nach Kremsier fortzusetzen. Meine Gesundheit hat während der 7monatlichen Dauer des Reichstages wesentlich gelitten, und ich fühle, daß ich gegenwärtig leider nicht in der Lage bin, mich an dessen Arbeiten mit jener Thätigkeit und Ausdauer zu betheiligen, deren ich mich bisher beflissen habe.
Diese Erkenntnis und der Wunsch, daß mein Wahlbezirk (Triest, II. Bezirk) bei den bevorstehen den so wichtigen Verhandlungen nicht unvertreten bleibe, machen es mir zur Pflicht, auf meinen Sitz im hoben Reichstage zu verzichten, und mein Mandat in die Hände meiner Wähler zurückzulegen; möge es, wenn nicht meinen Leistungen, doch meinen Bestrebungen gelungen sein, das in mich gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen.
Ich kann aus der hohen Reichsversammlung nicht scheiden, ohne gegen sämmtliche Mitglieder derselben meinen tiefgefühlten und unauslöschlichen Dank auszusprechen für so viele mir zu Theil gewordene Beweise wohlwollender Nachsicht und ehrenvoller Auszeichnung.
Ich knüpfe daran die Versicherung meiner Hochachtung und Ergebenheit
Fr. Hagenauer, Abg. von Triest.
Wien, den 30. Jänner 1849.
Präs. Es wird an das Ministerium des Innern das Ersuchschreiben wegen Ausschreibung einer neuen Wahl gedichtet werden. Der Herr Abg. Hein hat die gestern angemeldete Gegenerklärung Angebracht; wollen Herr Secretär dieselbe vorlesen.
Schriftf. Ullepitsch (liest).
Gegenerklärung
auf den Protest des Abg. Hawelka vom 31. Jän. 1849.
Der Abg. Hawelka hat sich erlaubt, in seinem gegen den Herrn Präsidenten wegen verweigerten Ordnungsrufes gerichteten Proteste vom 31. Jänner 1849 mich zu beschuldigen, daß ich durch meine Äußerung:,, daß ich glaube, das Citrat eines deutschen Dichters werde mir von einer gewissen Seite des Hauses nicht übel genommen werden, " den czechischen Mitgliedern der hohen Reichsversammlung eine nationale Missstimmung oder Feindschaft gegen die Deutschen angeschuldet, und eine die Brüderlichkeit der Nationen verletzende Gesinnung angedichtet habe.
Ich kann der unparteiischen Beurtheilung des hohen Hauses getrost den Ausspruch über die Tragweite meiner obigen Rede überlassen, die ruhig urteilende Majorität wird gewiß das vorschnelle Urtheil des Abg. Hawelka als gänzlich unbegründet erkennen; aber ich bin es meiner Ehre schuldig, hiermit gegenüber der Öffentlichkeit die Verdächtigungen, welche der Abg Hawelka meiner Rede zu unterschieben sich erlaubt, ein für alle Mal entschieden zurückzuweisen Der Umstand, daß eben von einer gewissen Seite des Hauses von einzelnen Rednern der Nationalversammlung zu Frankfurt mit einer für die deutsche Nationalität verletzenden Wegwerfung wiederholt erwähnt, ja sogar sich gegen diese Seite immer entschuldigt wurde, so oft dieser deutschen Nationalversammlung gedacht wurde, mußte jeden deutschen Österreicher, somit auch mich verletzen, und meine obigen, von Hawelka so missdeuteten Worte hatten nur den Zweck, dieser Seite des Hauses das Angeeignete solchen Auftretens gegenüber der Deutschen und gegenüber des Grundsatzes der Gleichberechtigung der Nationalitäten fühlbar zu machen, und ich freue mich, daß meine Worte den beabsichtigten Erfolg gehabt zu haben scheinen, daher ich mich auch der Hoffnung hingebe, daß die von mir gerügten Provokationen gegen das deutsche Element, so weit es im österreichischen Reichstage vertreten ist, nicht mehr vorkommen werden.
Daß ich die Grenzen parlamentarischer Seite nicht überschritt, und in keine ausgesprochene Persönlichkeit ausartete, hat der Herr Präsident in der Sitzung vom 31. Jänner I849 treffend aneinandergesetzt, es war also auch ganz in der Ordnung, daß ich nicht zur Ordnung gerufen wurde, um so mehr, als ich großmütig es verschmähte, den Herrn Abg. Hawelka zur Ordnung rufen zu lassen, als er mit sehr geringer Urbanität den Ruf zur Ordnung gegen mich erhob. Die Worte "schlesisch deutscher Witz", die er bei dieser Gelegenheit vielleicht in der Absicht gegen mich gebrauchte, rüge ich deßhalb nicht, weil ich es für eine Ehre betrachte, die Provinz, der ich angehöre, eine deutsche genannt zu hören, und weil ich einen deutschen Witz nicht geringer achte, als den Witz irgend einer andern Nation. Dr. Hei n,
Reichstagsabgeordneter aus Schlesien Kremsier, den I. Februar I849.
P r ä s. Diese Gegenerklärung wird in das heutige Protokoll aufgenommen werden. Es sind Interpellationen angemeldet; der Herr Abg. Dylewski hat eine Interpellation an das Gesamtministerium eingebracht. Wollen der Herr Abgeordnete dieselbe vorlesen.
Abg. Dylewski. Meine Herren, glauben Sie an den Inhalt des Sprichwortes: "Heute mir, morgen dir, " so dürften Sie diese Interpellation nicht ohne Interesse für Sie finden, und mir das Ausführliche derselben gütigst nachsehen. (Liest.)
Interpellation an das hohe Gesamtministerium.
Die Wiener Zeitung vom 21. Jänner 1849 enthält einen, die Unterrichtssprache in den östlichen Kreisen Galiziens normierenden Ministerialerlass, dessen hauptsächlichsten Inhalt folgende Bestimmungen bilden:
Der Grundsatz der Gleichberechtigung der Nationalitäten, dessen Durchführung im Geiste der Humanität und der Freiheit das Ministerium sich zur obersten Pflicht gemacht, findet in keinem Zweige der öffentlichen Verwaltung eine höhere Bedeutung, als in jenem des öffentlichen Unterrichts.
Die Sprache, das Organ des Unterrichts, ist das geistige Stammvermögen. der Träger der Eigentümlichkeit der Völker in allen Phasen ihrer Entwicklung, der Unterricht ist die Quelle der Bildung, die Bildung die Quelle der Wohlfahrt der Völker.
Das Unterricht. Ministerium, durchdrungen von der Wichtigkeit der ihm in dieser Beziehung gewordenen Aufgabe, ist nach Kräften bemüht, dieselbe den großen, ans der Vermischung verschiedenartiger Nationalitäten in den meisten Provinzen im österreichischen Kaiserstaate hervorgehenden Schwierigkeiten gegenüber stufenweise zur Befriedigung Aller (?!) zu lösen.
Ein besonderes Augenmerk nimmt in dieser Beziehding Galizien in Anspruch, wo die in den zwölf östlichen Kreisen vorherrschende ruthenische Bevölkerung mit vollem Rechte die Berücksichtigung (?) ihrer Sprache bei dem öffentlichen Unterrichte verlangt. Da unter dem früheren Regierungssystem der ruthenischen Nationalität und Sprache diese ihr gebührende Geltung nicht zu Theil geworden war, so ist es begreiflich, daß die ruthenische Sprache sich dermal noch nicht in jenem Zustande der Ausbildung befindet, der sie zum Vortrage in allen wissenschaftlichen Fächern eignet, daß es ferner theils an den fähigen Lehrkräften, theils an der entsprechenden Vorbildung der Schüler und an den erforderlichen Lehrbüchern fehlt, um eine gleichmäßige Betheiligung der ruthenischen Sprache in dem öffentlichen Unterrichte in den ruthenischen Theilen Galiziens, wie selbe die polnische und deutsche Sprache unter gleichen Verhältnissen bereits genießen, sogleich im vollen Maße eintreten zu lassen.
Um diesen erwünschten Zeitpunkt möglichst bald (?) herbeizuführen, und in der Zwischenzeit mit Beachtung des Umstandes, daß das Nationalgefühl der Ruthenen sich weniger gegen die deutsche als gegen die polnische Sprache sträubt, Alles t h u n l i c h e (?) zur Befriedigung der Ruthenen in Betreff des Unterrichtswesens in Ausführung zu bringen, ohne die polnische Sprache als jene eines großen Theiles der Bevölkerung selbst in den östlichen Landestheilen ungebührlich hintanzusetzen, sondern nur in jene Stellung zu bringen, welche in jenem Lande die Minderzahl der Bewohner nach dem Grundsatzender Gleichberechtigung in Anspruch nehmen kann, hat das Unterrichtsministerium in neuester Zeit folgende Anordnungen erlassen:
1. "An den Gymnasien des flachen Landes in den ruthenischen Kreisen Galiziens ist der Unterricht vor der Hand und in so lange, bis derselbe in ruthenischer Sprache durch taugliche Professoren, und für Schüler, die mit der erforderlichen sprachlichen Vorbildung ausgerüstet sind, ertheilt werden kann, in deutscher Sprache zu ertheilen. Wo jetzt schon der Unterricht in ruthenischer Sprache ertheilt werden kann, hat dieß sogleich zu geschehen, und es ist vor Allem bei dem Religionsunterrichte dahin zu wirken. Doch darf dies einstweilen noch nicht ausschließend geschehen, sondern es muß in solchen Fällen der in der ruthenischen Sprache erteilte Unterricht, da noch ein großer Theil der Schüler ihn aufzufassen nicht im Stande sein wird, neben dem Vortrage in der deutschen und zugleich mit diesem geschehen. "
2. "Bei allen Gymnasien der ruthenischen Landestheile ist die ruthenische Sprache als obligater Lehrgegenstand unter Bewilligung einer angemessenen Remuneration für die Unterrichtserteilung einzuführen, die polnische Sprache aber als die Sprache der Minderzahl der Bevölkerung als ein freier Gegenstand vorzutragen. "
3. "Nach denselben Grundsätzen (1 und 2) ist auch an den beiden Gymnasien in Lemberg vorzugehen, daher es von der Einrichtung des Dominikanergymnasiums als eines ausschließend polnischen sein Abkommen zu erhalten hat. "
4. "Hinsichtlich der Universitätsstudien gilt derselbe Grundsatz, daß in so lange nicht taugliche Lehrer und gehörig vorbereitete Schüler für den Unterricht in der Landessprache vorhanden, und bei bestehenden derselben nicht mächtigen Professoren an ihrem Platze sind, der Vortrag in der deutschen Sprache zu geschehen habe. "
In diesem Erlasse behauptet das Ministerium selbst, daß ein großer Theil der Bevölkerung in den östlichen Kreisen Galiziens sich der polnischen Sprache bedient, daß sich die ruthenische Sprache dermal noch nicht in jenem Zustande der Ausbildung befindet, der sie zum Vortrage in allen wissenschaftlichen Fächern eignete, daß es in dieser Sprache an den fähigen Lehrkräften, Änderentsprechenden Vorbildung der Schüler, und an den erforderlichen Lehrbüchern fehlt, und daß gegenwärtig ein großer Theil der Schüler den ruthenischen Unterricht aufzufassen n i c h t im Stande ist.
Ferner bekennt sich darin das Ministerium zu dem schon so oft angerufenen Grundsatze der Gleichberechtigung der Nationalitäten, und leitet aus diesen Gründsatze, und den eben vorgetragenen Thaiumständen die seltsame Folgerung ab: daß die polnische als so beträchtlich anerkannte Minderheit der Bevölkerung in den östlichen Kreisen Galiziens von dem Rechte, den öffentlichen Unterricht in ihrer eigenen Sprache zu genießen, gänzlich ausgeschlossen wird. Aus der vom Abg. Krainski unterm 8. Jänner l. J. vorgetragenen Interpellation haben wir erfahren, daß in denselben Gegenden die ältlichen Erlasse bloß in deutscher und ruthenischer Sprache (mit kyrillischer Schrift) unter Ausschließung der polnischen kundgemacht werden. So wird denn also die polnische Schrift und Sprache, die Sprache der absoluten Mehrzahl der Bevölkerung Galiziens, die Sprache einer so beachtenswert thun Minderzahl der östlichen Kreise dieses Landes aus Schule und Amt gänzlich ausgeschlossen, ja sogar in Lemberg, wo fast ausschließlich polnisch gesprochen wird, das vom vorigen Ministerium eröffnete polnische Gymnasium gesperrt, und neben dem anderen nicht ruthenischen, sondern deutschen ebenfalls in ein deutsches umgewandelt.
Fern ist der polnischen Bevölkerung die Absicht, der ruthenischen Sprache die vom Ministerium ältlich anerkannte gegenwärtige Armuth in Bezug auf ihre Ausbildung und Tauglichkeit zur Ertheilung des Unterrichtes zum Vorwurf zu machen. Die polnische Bevölkerung hat stets redlich nach Freiheit gerungen, und weiß das heiligste Recht zu würdigen, welches Jedermann, daher auch ihren ruthenischen Stammgenossen zusteht, in dem Gebrauche der Schrift und Sprache sich bloß nach eigenem Willen zu richten. Lediglich im Interesse der Civilisation und als bloße Thatsache muß ich bemerken, daß gegen die ausschließliche Ertheilung des Unterrichts in der ruthenischen Sprache der vom Ministerium eingestandene Mangel an Lehrbüchern, Lehrkräften und an Schülern, die einen solchen Unterricht auszufassen fähig wären, streitet, während die polnische Sprache in dieser Hinsicht, wie dieß das Ministerium in seinem Erlasse eingesteht, auf gleicher Stufe mit der deutschen steht, und die ganze studierende Jugend in Galizien polnisch spricht.
Als Vorwand einer solchen Verletzung der polnischen Nationalität wird auch angeführt, daß das Nationalgefühl der Ruthenen sich weniger gegen die deutsche, als gegen die polnische Sprache sträubt. Wir achten die deutsche Sprache, aber wenn den Ruthenen die Liebe zu ihrer Sprache als Recht und Tugend zuerkannt wird, so wird Niemand gegen uns einen Stein aufheben, daß wir unsere polnische Sprache jeder anderen vorziehen. Im Interesse und zur Ehre der athenischen Bevölkerung muß ich jedoch erklären, daß diese Angabe des Ministeriums jeder Begründung ermangelt. Wenn sie aber auch wahr wäre, so frage ich, ob der polnischen Bevölkerung der öffentliche Gebrauch ihrer Sprache, dieses kostbarsten Unterpfandes ihrer Nationalität, bloß deshalb entrissen werden dürfte, weil der ruthenische Theil der Bevölkerung seine Sprache aufgeben will? Wie kommt es, daß, so lange Polen bestand, kein Sprachenstreit in derselben je vorgekommen? Wie kommt es, daß ein solcher Streit durch die ganze Zeit feit der Einverleibung Galiziens in den österreichischen Staat, während welcher Ruthenen und Polen die Gleichberechtigung der Knechtung genossen, nie laut geworden? Haben die östlichen Kreise Galiziens nicht einen Theil Polens gebildet? Hat die Kaiserin Maria Theresia in ihrem Manifeste die Wahrung der polnischen Nationalität nicht auch für die Bevölkerung in diesen östlichen Kreisen zugesichert? Bezieht sich der 1. Artikel der Wiener Congreßacte, welcher den der österreichischen Regierung unterworfenen Polen nationale Institutionen zusichert, nicht auch auf die östlichen Kreise Galiziens? Glaubt das Ministerium die Grundsätze der constitutionellen Regierung bloß dazu benützen ZA dürfen, um unter dem Verwende des Volkswillens frühere, durch Verträge verbürgte Rechte einzelner Völker zu zertreten, welche sonst der absolute Monarch hätte achten müssen? Was hat endlich der Grundsatz der Gleichberechtigung der Nationalitäten zu bedeuten? Diesen Grundsatz hält man uns seit einigen Monate beständig vor, hat man uns als das Ziel unseres gemeinsamen Strebens, als den Lohn der uns zugemütheten großen Opfer und Anstrengungen dargestellt; denn große Anstrengungen und große Opfer erwarten uns noch. Nachdem nun in einem Lande Blut geflossen, um einzelne relative Minoritäten vor dem aufgedrungenen öffentlichen Gebrauch der Sprache einer relativen Mehrheit zu befreien; nimmt nun das Ministerium, wahrscheinlich um die Elastizität des Grundsatzes der Gleichberechtigung zu beweisen, in Galizien nicht das ganze Land, sondern einen weder factisch noch historisch, sondern bloß willkürlich abgesonderten, ja gar nicht abgrenzbaren Theil dieses Landes in Betracht, erkünstelt so eine örtliche Minorität der polnischen Bevölkerung, und beraubt sie ihrer Sprache im Amt und in der Schule im Namen der Gleichberechtigung der Nationalitäten. Die Consequenz eines solchen Verfahrens bringt es natürlich mit sich, daß das Ministerium zur endlichen Durchführung dieses Grundsatzes die Nationalitäten auch noch nach kleineren Bezirken, ja vielleicht nach einzelnen Ortschaften und zuletzt vielleicht bloß nach dem Gesamtgebiete der ganzen Monarchie in Majoritäten und Minoritäten trennen, durch Verkürzung der Rechte der Minoritäten im Namen der Gleichberechtigung alle Nationalitäten gegen einander aufbringen, oder wohl gar wieder im Namen der Gleichberechtigung alle Nationalitäten nach alter Weise gleichmäßig ihrer Rechte berauben wird, wie es eben in Galizien die polnische und ruthenische Bevölkerung des Ostens durch Einführung der ihnen beiden gleich fremden deutschen Sprache in Schule und Amt erfahren haben.
Um nun sämtliche Völker Oestereichs über den Werth der ihnen versprochenen Gleichberechtigung dieses Lohnes, ihrer unvermeidlichen Opfer und Mühen zu beruhigen, finde ich mich im Interesse der Völker und des Ministeriums bewogen, demselben außer den obigen allgemeinen noch folgende besondere Fragen zur Beantwortung vorzulegen:
a) Woher weiß das Ministerium, daß die ruthenische Bevölkerung in Galizien sich mehr gegen die polnische, als gegen die deutsche Sprache sträubt?
b) Sollte es gegen alles Erwarten solche Abtrünnige geben, so frage ich, ob die von der Krone schon ehedem garantierten Rechte der polnischen Bevölkerung in Galizien, und ob überhaupt auch Ähnliche Rechte der im österreichischen Gebiete wohnenden Völker von der Regierung für giftig erachtet werden?
c) Glaubt das Ministerium dabei beharren zu müssen, daß an den Gymnasien und den übrigen Lehranstalten in Lemberg und in dem übrigen Osten Galiziens, wo die ganze studierende Jugend polnisch spricht, der Unterricht in deutscher Sprache mit gänzlicher Ausschließung der polnischen ertheilt werde?
d) Was versteht das Ministerium unter der Gleichberechtigung der Nationalitäten?
e) Hat die Minorität einer mit andern vermischt wohnenden Nationalität gar keine Rechte in dieser Beziehung, und was nützt ihr die Gleichberechtigring? Endlich f) Ist es nicht eine nothwendige Folge der Gleichberechtigung der Nationalitäten, daß in Gegenden oder Ländern mit gemischter Bevölkerung Ämter die an sie gelangenden Eingaben in derjenigen landesüblichen Sprache beantworten, in welcher dieselben geschehen, und die studierende Jugend in derjenigen landesüblichen Sprache unterrichtet werde, welche ihre Muttersprache ist, sobald die Zahl dieser Jugend in einem Orte hinreicht, eine Schulklasse zu bilden; und warum soll Galizien sich einer solchen Durchführung der Gleichberechtigung nicht freuen, wo die so nahe Verwandtschaft der polnischen und ruthenischen Sprache den Beamten und Lehrern die Kenntniß dieser beiden Sprachen so erleichtert? (Anhaltender Beifall.)
Präs Es wird diese Interpellation dem Gesamtministerium zugemittelt werden Eine weitere Interpellation hat der Herr Abg. Geyer vorgelegt.
Abg. Geyer. Ich überlasse die Lesung dem Herrn Secretär.
Schriftf. Gleispach (Liest).
Interpellation an das Ministerium des Innern.
Bei meiner letzten Anwesenheit im Laufe dieses Monats in meinem Wahlbezirke fand ich mich auf ausdrückliches Verlangen der Wähler und Wahlmänner zu einer Berathung mit ihnen veranlaßt, um sie über die wichtigsten Verhandlungen am Reichstage aufzuklären, und mich über ihre Wünsche zu belehren, zu welchem Behufe ich den Ort und die Zeit unserer Zusammenkunft bestimmte.
Ich sah in dieser Versammlung nur die Ausübung eines constitutionellen Rechtes, welche doch dem Abgeordneten in seinem Wahlbezirke in jedem Falle zustehen muß.
Wie sehr mußte ich mich aber wundern, von den Wahlmännern zu vernehmen, daß sie der Bezirksrichter Pinter in Gurkfeld aufforderte, zu einer Besprechung mit mir als etwas Gesetzwidrigen nicht zu gehen, und ihnen zugleich bedeutete, daß er denjenigen am strengsten bestrafen werde, der nur mich unter sein Dach aufnehmen sollte.
Über den Grund der an das Landvolk erlassenen Weisungen befragt, berief sich der Bezirksrichter an die, an ihn vom Kreisamte und Gubernium erlassenen Befehle, mit der Bemerkung, daß er mich. wenn ich in dem bestimmten Orte erscheine, arretieren lassen werde.
Ohne über dieses Verfahren, welches den gerechtesten Unwillen der Bevölkerung gegen den Bezirksrichter hervorgerufen, das gerechte Urtheil auszusprechen, frage ich den Herrn Master.
Ob eine strenge und unpartkeusche Untersuchung über diese Vorfalle angeordnet, und der die Volksrechte Beamte zur Verantwortung und Strafe gezogen wird?
Kremsier, am 31. Jänner 1849.
Gg Th. Geyer,
Reichstagsdeputierter für den Wahlbezirk
Neudegg in Krain
(Beifall)
Präs. Es wird diese Interpellation dem Ministerium des Innern überreicht werden Vor dem Übergange zur Tagesordnung habe ich dem hohen Hause noch anzuzeigen einen Antrag, den der Herr Abg. Kasuszack eingebracht hat Derselbe lautet (Liest)
"Obschon von der hohen Reichsversammlung beschlossen wurde, bei der Wahl in die Ausschußcommission zur Ausarbeitung eines Gemeindegesetzes die Nationalität zu berücksichtigen, so ist dennoch von den Ruthenen in diese Ausschuß Commission kein Mitglied gewählt worden
Ich stelle daher den Antrag: Eine hohe Reichsversammlung wolle beschließen, daß eine neue Wahl angeordnet, und den Ruthenen das Recht gewahrt werde, auch ein Mitglied aus ihrer Mitte in diese Ausschußcommission zur Ausarbeitung eines Gemeindegesetzes wählen zu dürfen "
Wünscht der Herr Abgeordnete diesen Antrag kurz zu begründen?
Abg. Kapuszack. Es ist der hohen Kammer wohl bekannt, daß in der Provinz Galizien zwei Nationalitäten sind, nämlich: Ruthenen und Polen, und daß beide Nationalitäten ihre Vertreter hier in diesem hohen Hause haben; und doch sind Manche, welche behaupten, es sind keine Ruthenen in Galizien, oder sie sind Eine Nation mit den Polen. Ich sage aber, die Herren Polen täuschen sich. Ich bin versichert, daß mir das hohe Haus die Wahrheit zugestehen wird, daß es nicht Eine Nationalität ist, und sich sehr leicht eine von der ändern unterscheidet in Sprache, Schrift, Sitte und Religion. In der Sprache, da Ruthenen und Polen sich gar nicht verstehen können. (Ruf: Nicht wahr, nicht wahr!) In der Schrift, indem wir Ruthenen unsere eigene Literatur, und ganz besondere Buchstaben und Zeichen haben In der Religion das brauche ich nicht viel zu begründen, da bei uns die heilige Messe in der Muttersprache gelesen wird, in der polnischen Kirche aber in der lateinischen Sprache; daher haben wir eben das Recht zu sagen, es sind keine Polen in dem Osten Galiziens, indem nicht die polnische, sondern die ruthenische Sprache gesprochen wird.
Sie sind aber auch in den Sitten unterschieden, und der Beweis liegt in dem, daß die Polen über die andere Nationalität herrschen wollen. (Heiterkeit.) Die Ruthenen wollen dieß mit Geduld ertragen; aber leider ist der lange Schlaf, der über unserer Nationalität geherrscht hat, verschwunden. Die Kroaten haben ihre Nationalität mit dem Schwerte in der Faust erobert, wir Ruthenen wollen unsere heilige Ruhe mit dem Blute unserer Mitbruder nicht beflecken, wir überlassen es der Einsicht des hohen Reichstages, und ich stelle an die hohe Versammlung die Bitte, diesen meinen Antrag unterstützen zu wollen.
Präs. Den Antrag des Abg. Kapuszack habe ich bereits vorgelesen Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht) Er ist hinreichend unterstützt; er wird dem Drucke übergeben, dann geschäftsordnungsmäßig behandelt werden.
Abg. Popiel Ich bitte ums Wort
Präs. In welcher Beziehung?
Abg. Popiel. In Bezug auf den Antrag des Herrn Abg. Kapuszack
Präs. Da kann ich das Wort nicht ertheilen, indem bei Gelegenheit der Motivirung eines Antrages keine Debatte gestattet ist
Abg. Sierakowski. Ich habe eine Interpellation an den Präsidenten des hohen Reichstages zu stellen Seit der Eröffnung des Reichstages in Kremsier vermisse ich die Anwesenheit zweier Abgeordneten, nämlich des Abg. Lucian Kobylica und des Abg. Titus Dzieduszycki In so weit mir bekannt ist, haben diese beiden Abgeordneten weder die Bewilligung eines Urlaubes bei dem hohen Hause nachgesucht, noch auch sonst ihre Abwesenheit vorschriftsmäßig diesem hohen Hause gemeldet. Ich stelle demnach an den Vorstand des Reichstages folgende Frage: Ob dem Reichstags — Bureau nichts Näheres wegen der Abwesenheit dieser zwei Abgeordneten bekannt ist, ferner, falls dieselbe nicht gerechtfertigt wäre, was das Vorstands — Bureau für Verfügungen getroffen habe, um zwei so ansehnliche Wahlbezirke eines Landes nicht länger unvertreten zu lassen.
Präs. Es ist bezüglich dieser zwei Herren Abgeordneten vom Vorstande aus, mit Bezug auf die