Ètvrtek 21. prosince 1848

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Vierundsechzigste (XII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster am 21. December 1848.

Tagesordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolls.

II. Berichte über Wahlacte.

III. Die erste Lesung der Grundrechte.

IV. Die zweite Lesung des Finanzberichtes über die Creditbewilligung.

Anfang um 9 3/4 Uhr.

Vorsitzender: Präsident S t r o b a c h.

Auf der Ministerbank: Stadion, Cordon. Bach, Krauß, Thinnfeld.

Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl der Deputaten ist anwesend, ich erkläre daher die Sitzung für eröffnet.  Ich ersuche den Herrn Schriftführer, das Protokoll über die letzte Sitzung zu verlesen. (Das gestrige Protokoll wird vorgelesen.) Am Schlusse der gestrigen Sitzung wurde dem Vorstande der Auftrag zu Theil, das Scrutinium über die Wahl der Ordner Vorzunehmen. Bei der Wahl der Ordner haben sich 253 Herren betheiliget. Hievon entfielen Stimmen: auf Herrn Abg. Ambrosch 163, Jelen 137, Podlewski 127, Scherzer 125, Prokopczye 123, Reichl Fickl 116, Schuster 114, Holzknecht 70, Oheral 47, Löhner 8, Kovarz 7. Die übrigen zu einer Stimme. Da die relative Stimmenmehrheit bei der Wahl der Ordner entscheidet, sind als gewählt anzusehen die. Herren: Ambrosch, Jelen, Podlewski. Scherzer. Über Aufforderung des früheren. Herrn Präsidenten wurde die Wahl eines Mitgliedes in den Entschädigungsausschuß aus dem niederösterreichischen Gouvernement vorgenommen, und es ist dießfalls der Herr Abg. Steininger gewählt worden. Ich ersuche jene Herren, welche ihre Quittungen dem Vorstandsbureau übergeben, und das Geld bisher noch nicht erhoben haben, sich wegen Erhebung der Quittungen dort anmelden zu wollen. Es liegen mehrere Urlaubsgesuche vor, in welchen um Urlaube gebeten wird, die die Frist von acht Tagen überschreiten, und welche zur Schlußfassung des hohen Hauses vorgebracht werden müssen. Ich ersuche den Herrn Schriftführer Ullepitsch, den Vortrag darüber halten zu wollen.

Abg. Ullepitsch. Der Mittheilung der Urlaubsgesuche schicke ich folgende Bemerkung voraus. Der gegenwärtige Stand der Deputirten beläuft sich auf 357. Es hat jedoch gestern der Abg. Sterzin, für den Wahlbezirk Stein in Illirien, aus Krankheitsrücksichten und ob häuslicher Verhältnisse sein Mandat mit dem Vorbehalte niedergelegt, noch in so lange in der hohen Kammer verweilen zu wollen, bis der an seine Stelle neu zu wählende Abgeordnete eingelangt sein wird. Übrigens sind der mal von den Herren Deputirten vier ohne Urlaub abwesend, drei sind als krank gemeldet, und acht beurlaubt. Der Stand der in Kremsier anwesenden Deputirten beläuft sich demnach. auf 342. Die neuerlich vorliegenden Urlaubsgesuche aber sind folgende: Das des Herrn Andreas Dzuvakowski auf 14 Tage vom 2. Jänner k. J. angefangen; weiteres das des Herrn Joseph Purtscher auf 12 Tage. vom 22. d. M. an, und die der Herren Abg. Rauscher, Franz Redl und Georg Bauer, alle auf 12 Tage vom 22. d. M. angefangen.

Präs. Wenn Niemand die Trennung der Abstimmungsfrage wünscht, so werde ich über alle Urlaubsgesuche zugleich abstimmen lassen.  Die jenigen Herren, welche für die Bewilligung der vorgelesenen Urlaubsgesuche sind, wollen dieß durch Aufstehen kundgeben. (Majorität.) Die Urlaube sind bewilligt.  Es liegen mehrere Anträge vor, welche theils zur Kenntnißnahme des hohen Hauses zu bringen sind, theils dürfte auch bereits eine Abstimmung über dieselben nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung eintreten; es liegt nämlich ein Antrag des Finanz Ausschusses vor, der bereits am gestrigen Tage den Herren im Drucke mitgetheilt würde, er lautet: "Die Prüfung des Voranschlages macht es dem Finanzausschuss wünschenswerth, daß sämmtliche Mitglieder desselben den Sitzungen regelmäßig beiwohnen, der Ausschuß trägt daher darauf an, die Kammer möge beschließen, daß jene Mitglieder, die zugleich in dem Finanz und Constitution Ausschusse gewählt sind, zu optiren haben, welchem von beiden sie in der Folge angehören wollen." Es handelt sich, meine Herren, darum, ob dieser Antrag in die Vorberathung oder in die Vollberathung genommen werden soll. Darüber ist ohne Debatte abzustimmen. Ich werde den Antrag von hier aus dahin stellen, daß diejenigen Herren, welche dafür sind, daß der eben vorgelesene Antrag in die Vollberathung komme, es durch Aufstehen kund geben wollen. (Geschieht.) Es ist die Majorität. Wird beschlossen daß ein Antrag in die Vollberathung komme, so soll die Vollberathung erst nach Verlauf von drei Tagen nach Vertheilung des gedruckten Antrages stattfinden; es dürfte hier nur in so ferne eine Ausnahme stattfinden, als dieser Antrag einen rein formellen Gegenstand betrifft, und sonach gleich in der Vollberathung jetzt erledigt werden könnte. Wünscht irgend Jemand in dieser Beziehung das Wort zu ergreifen?

Abg. Hein. Ich sehe weder die Dringlichkeit des Gegenstandes ein, noch sehe ich ein, warum in dieser Formfrage eine Ausnahme von der Regel gemacht werden soll. Ich trage darauf an, daß man bei der Regel bleibe, denn es wird sich noch viel darüber sprechen lassen.

Abg. Brestel. Ich glaube, dem Herrn Präsidenten vollkommen Recht geben zu müssen, daß über den Gegenstand jetzt gleich abgestimmt werden kann. Es ist das kein eigentlicher Antrag, und bezieht sich nur auf die Geschäftsbehandlung im Haufe selbst, er kann daher gleich abgestimmt werden, eine längere Diskussion wird es bei diesem Gegenstande gewiß nicht geben.

Abg. Klaudi. Ich muß den Antrag des Präsidenten umsomehr unterstützen, als die Glieder des Finanzausschusses am besten wissen werden, daß es wünschenswerth ist, daß die Herren, welche zugleich im Constitutionsausschusse sind, nicht auch der Mühe unterzogen sein können, an den Beratungen des Finanzausschusses Antheil zu nehmen.

Der Finanz Ausschuß insbesondere hat es jetzt mit einem sehr wichtigen Gegenstande zu thun, mit der Prüfung des Staatsvoranschlages. Die Prüfung des Staatsvoranschlages hat er in drei Sectionen getheilt, und diese drei Sectionen nehmen die Zeit der Glieder des Finanzausschusses so sehr in Anspruch, daß es kaum möglich sein wird, neben den Verpflichtungen des Finanzausschusses auch jene eines vielleicht noch wichtigeren Ausschusses, des ConstitutionsAusschusses zu erfüllen. Es ist aber für den Finanzausschuß eben gewiß nicht angenehm, wenn er, wie es gegenwärtig der Fall ist, die Kräfte von fünf Mitgliedern in der Regel entbehren muß, weil dieselben im Constitutionsausschuß anwesend sein müssen, und dort beschäftigt sind. Der Constitutionsausschuß und der Finanzausschuß sind beide permanent, und haben nothwendig permanent zu sein. Es ist daher jedenfalls eine Collision da, die in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen werden konnte.

Abg. Mayer. Ich muß diesen Gründen wider sprechen, und berufe mich auf den § 43 der Geschäftsordnung, welcher lautet:,, Jeder, in einen Ausschuß Gewählte ist schuldig, den Auftrag anzunehmen, und regelmäßig den Sitzungen anzuwohnen. Der Vorsitzer hat nach nicht entschuldigter Abwesenheit eines Mitgliedes von drei auseinander folgenden Sitzungen, eine neue Wahl zu veranlassen. Wer bereits Mitglied von zwei Ausschüssen ist, kann sich entschuldigen; ebenso kann die Abtheilung wegen anderer dringender Gründe die Wahl auf Ansuchen zurücknehmen, und eine neue Wahl veranstalten." Das alleinige Recht steht dem Finanz Ausschusse zu, wenn dergleichen Mitglieder ohne Entschuldigung in drei auseinander folgenden Sitzungen abwesend sind, daß der Vorsitzer des Finanzausschusses jene Verfügung treffe, welche im §. 43 der Geschäftsordnung aufgeführt ist. Eine Collision der Pflichten ist nicht denkbar, darum nicht denkbar, weil die Sitzungen der Ausschüsse, wie der Beschluß des hohen Hauses es festgestellt hat, nicht zusammen fallen. Ich muß vor allen die Competenz des Finanzausschusses, derartige Anträge zu stellen, daß die Glieder des Hauses, welche Mitglieder im Ausschusse sind, optiren müssen, ganz in Abrede stellen; es ist ein nach der Geschäftsordnung erworbenes Recht, in beiden Ausschüssen zu sitzen.

Der Constitutionsausschuß hat seine Sitzungen jederzeit Vormittag, der Finanzausschuß Nachmittag. Wenn Kollisionsfälle eingetreten sind, so war es lediglich, weil gegen den Beschluß des Hauses Sitzungen beider Ausschüsse auf die nämliche Stunde angeordnet worden sind. Ich muß daher in Abrede stellen, daß gegenwärtig beide Ausschüsse dermaßen in Permanenz seien. Der Constitutionsausschuß, welcher in Permanenz war, hat die Grundrechte bereits vollendet, und sie liegen heute dem hohen Hause vor. Es ist daher der Grund, warum die Option einzelner Glieder verlangt werden könnte, nicht mehr vorhanden; eine Pflichtverletzung der Mitglieder müßte speciell nachgewiesen sein, es liegt aber ein solcher Nachweis auch nicht vor. Ich muß ferner widersprechen, daß diese beiden Ausschüsse nicht in der Lage feien, in der Regel ihrer Pflicht zu entsprechen; sie haben ihrer Pflicht entsprochen. Ich trage daher an, nachdem dieser Antrag nicht auf der Tagesordnung ist, zur Tagesordnung überzugehen.

Präs. Der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung muß vor allen anderen zur Abstimmung gebracht werden. Die Folge des Antrages wird die sein, daß nach drei Tagen der Gegenstand auf die Tagesordnung zu kommen hat.  Diejenigen Herren, welche den Antrag des Herrn Abg. Mayer unterstützen, zur Tagesordnung überzugehen, wollen es durch Aufstehen kundgeben. Der Antrag ist angenommen.

Schriftf. Streit. Gestern sind folgende Anträge beim Vorstand übergeben worden: der Antrag des Herrn Abg. Sever, er lautet: "Der Unterfertigte legt der hohen Reichsversammlung zum Beschlusse vor:

1. Die Abschaffung der Verzehrungssteuer und Einführung einer progressiven Vermögenssteuer.

2. Abschaffung des Verzehrungssteuerzuschlages der Stadt Laibach, und Wiedereinführung des vormaligen einträglichen sogenannten Gefälles zur Deckung der städtischen Auslagen.

3. Abschaffung der Finanzwache im Innern, und Beschränkung derselben auf die Grenzen, wodurch von 3 bis 4 Millionen Gülden erspart werden könnten."

Präs. Der Vorstand hat diesen Antrag der Finanzcommission überwiesen.

Schriftf. Streit. Zweiter Antrag des Abg. Sever. "Unterfertigter legt der Reichsversammlung nachstehend zum Beschlusse vor:

1. Freie und unbeschränkte Berechtigung der bäuerlichen Hubenbesitzer, unter ihren Söhnen diejenigen zu ihren Besitznachfolgern zu bestimmen, welche sie nach ihrer eigenen Überzeugung zur guten Feld und Hauswirtschaft am meisten geeignet finden.

2. Befreiung von allen Militärdiensten der zu Hubenbesitzern bestimmten Bauernsöhne und der Ehegenossen der Hubenbesthitzerinnen, weil nur auf diese Art der Feldbau als die wichtigste Stütze der allgemeinen Wohlfahrt gedeihen kann, indem die Erfahrung lehrt, daß der gute Landwirt nur beim Pfluge erzogen werden muß, und daß jene Individuen, welche die Feldarbeit auf einige Zeit unterbrechen, und zugleich verschiedene Bedürfnisse kennen lernen, in der Folge die Feldwirtschaft gewöhnlich nur mit schlechtem Erfolge betreiben, bald in Schulden gerathen, und zu Grunde gehen.

Präs. Dieser Antrag besteht aus zwei Theilen, der erste Theil betrifft eigentlich die Erbfolge in den Bauerngütern, und der zweite Antrag die Aushebung zum Militär und die Militärbefreiung. In letzterer Beziehung dürfte dieser Antrag die Commission für das Recrutirungsgesetz überwiesen werden. In ersterer Beziehung ist der Antragsteller berechtiget, eine kurze Motivirung vorzubringen, worauf die Unterstützungsfrage gestellt werden wird. Ich fordere den Herrn Antragsteller auf, von seinem Rechte Gebrauch zu machen.

Abg. Sever. Ich verzichte auf das Recht.

Präs. Der Herr Antragsteller verzichtet auf das Recht der Motivirung, ich stelle daher die Frage, ob der Antrag unterstützt wird? (Pause.) Er hat keine Unterstützung gefunden, daher fällt er.

Schriftf. Streit. Der dritte Antrag ist jener des Abg. Joseph Halm. Er lautet:

"Antrag des Abg. Joseph Halm. 

Es ist in Steiermark öfters der Fall vorgekommen, daß einigen Personen, welche, ohne einen Priester zu sich zu rufen, ohne Beichte gestorben sind, nicht nur vom Ortspfarrer, sondern auch vom Fürstbischofe die feierliche Beerdigung, nämlich die priesterliche Begleitung und Einsegnung verweigert worden ist, welches nicht nur den Verwandten des Verstorbenen viele Unkosten und Verdrießlichkeiten, sondern in der ganzen Umgegend eine große Aufregung verursacht hat. Weiteres müssen jene Brautpersonen, welchen ein gesetzliches Ehehinderniß im Wege steht, die Dispens vom heiligen Vater erwirken, welches mit vielen Kosten und Zeitaufwand verbunden ist.

Auch  müssen in meiner Gegend jene Brautleute, welche die Nachsicht vom zweiten oder dritten   Aufgebot (Verkündigung) von der politischen Behörde erhalten haben, noch überdieß die Dispens vom Fürstbischofe beibringen.

Endlich würde auch einigen Personen ohne gegründete Ursache die Trauung von Seite des Ortspfarrers verweigert.

Um diesen Übelständen zu begegnen, stelle ich den Antrag, die hohe Reichsversammlung wolle beschießen:

a) Daß keiner Leiche, wo die Todteenbeschau ordnungsmäßig vorgenommen, und die Bewilligung zur Beerdigung beigebracht wird, die feierliche Beerdigung mittelst Begleitung und Einsegnung von der Pfarrgeistlichkeit verweigert werden dürfe.

b) Daß nur die Civilbehörden zur Ertheilung der Nachsicht von Ehehindernissen und vom Aufgebot berechtiget sind.

c) Daß denen Brautpersonen, welche sich über die förmliche Abschließung des Ehevertrages von der hiezu bestimmten Civilbehörde bei der Geistlichkeit legal ausweisen, die kirchliche Trauung nicht verweigert werden könne, endlich

d) Daß das Ehehinderniß der Schwägerschaft, welches bisher mit großen Kosten und Zeitaufwand nur in Rom gelöst werden konnte, entweder gänzlich aufgehoben, oder wenigstens die betreffenden Konsistorien zur Dispensation autorisirt werden."

Präs. Wünscht der Herr Antragsteller seinen Antrag zu motiviren?

Abg. Halm. Die Gründe sind ohnehin im Antrage enthalten, ich verzichte daher weiteres auf die Begründung, und bitte nur, die Unterstützungsfrage zu stellen, und seinerzeit den Antrag zur Abstimmung zu bringen.

Präs. Wird der Antrag unterstützt? (Geschieht.) Es ist der Antrag unterstützt, wird daher dem Drucke übergeben werden.

Den zweiten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bilden die Berichte über Wahlacte. Hat irgend ein Berichterstatter einen Antrag zu erstatten?  Es hat Niemand zu referiren.  Ich bitte nun den Herrn Schriftf. Ullepitsch, in Betreff des Abg. Halpern den Vortrag zu halten.

Schriftf. Ullepitsch. In der Sitzung vom 27. November l. J. wurde über das Urlaubsverlängerungsgesuch des Abg. Halpern aus Stanislau in Galizien, depräs. 27. November l. J. auf die Dauer von 4 Wochen, oder im schlimmsten Falle doch auf die Dauer von 10 Tagen, über Antrag des Abg. Mahalsky beschlossen, dem Bittsteller zu bedeuten, daß er nunmehr und zwar mit Vermeidung der Ausschreibung einer neuen Wahl, binnen 8 Tagen vom Erhalte dieses Bescheides rückzukehren habe. In Folge dieses Beschlusses ist nun von Seite des Reichstagsvorstandes unterm 27. November l. J. folgende Erledigung an den Herrn Abg. Halpern erlassen worden: "In Folge des heute gefaßten Reichstagsbeschlusses werden Euer Wohlgeboren in Erledigung Ihres bereits öfters wiederholten Urlaubsgesuches vom 1. November l. J. aufgefordert, nunmehr binnen 8 Tagen zuverlässig hier einzutreffen, und den Reichstagssitzungen beizuwohnen, widrigen für Stanislau eine neue Wahl ausgeschrieben würde. "Über dieses Schreiben ist jedoch von Seite des Herrn Abg. Halpern unterm 1. December l. J. ein neues Urlaubsverlängerungsgesuch eingelangt. welches in der Sitzung vom 4. December l. J. bereits vorgetragen wurde, und in Folge dessen die hohe Reichsversammlung beschloß, dieses Gesuch lediglich durch Hinweisung auf den unterm 27. November l. J. gefaßten Reichstagsbeschluß zu erledigen. Der Herr Abg. Halpern ist demnach zum zweitenmal am 4. December l. J. durch ein Schreiben folgenden Inhaltes von dem neuerlichen hohen Kammerbeschlusse verständiget worden:  "Über Ihr Ansuchen vom 26. November erhalten am 1. December l. J., um Ertheilung eines weiteren Urlaubes von 6 Wochen, hat die hohe Reichsversammlung in der Sitzung vom heutigen Tage Sie auf den Beschluß vom 27. November l. J. Zahl 2876 zu verweisen befunden. " Diese Expedition ist mittelst Postaufgabsrecepisse an den Herrn Abg. Halpern aufgegeben worden. Ungeachtet aber neuerlich ein bedeutender Zeitraum verstrich, ist der besagte Herr Abgeordnete noch immer nicht zurückgekehrt, daher die hohe Kammer ersucht wird, das Vorstandsbureau zu ermächtigen, den Abgeordneten Halpern als ausgetreten zu betrachten, und durch das Ministerium des Innern die Ausschreibung einer neuen Wahl für Stanislau in Galizien einleiten zu dürfen.

Ein Abg. Ist das Recepisse bereits zurückgelangt?

Schriftf. Ullepitsch. Die Aufgabsrecepisse liegen bezüglich beider Schreiben vor.

Präs. Wünscht noch Jemand das Wort zu ergreifen? Diejenigen Herren, welche für den ebengestellten Antrag sich aussprechen, wollen es durch Aufstehen kund geben. (Majorität.) Der Antrag ist angenommen.

Den dritten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet die erste Lesung der Grundrechte; die Grundrechte sind an die Herren ausgetheilt worden, wünscht Jemand das Wort zu ergreifen?

Abg. Hein (besteigt die Tribüne.)

Ein Abg. Ich hätte zu fragen wegen der Übersetzung der Grundrechte in die italienische Sprache.

Abg. Hein. Wurde bereits verfügt vom Constitutionsausschusse. (Liest den Entwurf der Grundrechte.

Präs. Über diese erste Lesung der Grundrechte ist eine Debatte nur in der Richtung zu eröffnen, ob eine zweite Lesung stattzufinden hat. Wünscht Jemand das Wort?  Da Niemand das Wort wünscht, so werde ich den Antrag zur Abstimmung bringen: "Sollen die vorgelesenen Grundrechte zur zweiten Lesung gelangen?" Diejenigen Herren, welche dafür sind; wollen dieses durch Aufstehen kund geben. (Geschieht.) Es ist die überwiegende Majorität.

Was den Zeitpunkt anbelangt, wann diese zweite Lesung einzutreten habe, so wird dieß bei der Bestimmung der Tagesordnung zur Sprache können.

Abg. Schuselka. Ich ergreife das Wort, im eine kurze Interpellation an den Constitutionsausschuß zu stellen. Indem ich gewiß in Übereinstimmung mit der ganzen Kammer dem Constitutionsausschusse im allgemeinen von Herzen Dank ausspreche, erlaube ich mir den Antrag: Ob der Präsident des genannten Ausschusses nicht zu unserer Beruhigung und auch zur Beruhigung der harrenden Völker im Stande wäre, öffentlich bekannt zu geben, wie weit die Arbeiten des ConstitutionsAusschusses auch im anderen Theile der Constitutionsurkunde forte schritten sind?

Abg. Feifalik. Hierüber kann ich nachstehende Antworten geben. Der Constitutionsausschuß besteht aus 30 Gliedern, und hat einen kleineren Ausschuß von 5 Gliedern gewählt, um für den zweiten Theil der Constitutionsurkunde einen Entwurf auszuarbeiten. Die Mitglieder dieses kleineren Ausschusses sind unausgesetzt beschäftigt gewesen, um die Entwürfe zu Stande zu bringen, sind jedoch in letzterer Zeit durch die permanenten Sitzungen wegen der zweiten Berathung der Grundrechte unterbrochen worden. Es liegen bereits mehrere Entwürfe in dem kleineren Ausschusse vor, und es werden nunmehr die Berathungen in dem Ausschusse über diese Entwürfe stattfinden, und sobald als möglich dem großen Ausschusse ein Entwurf, oder falls man sich nicht zu Einem einigen sollte, mehrere Entwürfe zur Berathung vorgelegt werden.

Abg. Schuselka. Ich erlaube mir, in dieser Beziehung den Antrag zu stellen, daß der hohe Reichstag, wenn nicht den Auftrag, so doch den Wunsch aussprechen möchte, daß die Vollendung der Constitutionsurkunde im Constitutionsausschusse so beschleunigt werden möge, daß jedenfalls am 15. März des kommenden Jahres die Constitution beschworen werden könnte. (Beifall.)

P r ä s. Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht.) Der Wunsch ist ausgesprochen.  Den vierten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet die zweite Lesung des Berichtes des Finanzausschusses über den verlangten neuerlichen Credit von 80 Millionen Gulden. Ich fordere den Herrn Berichterstatter auf, zur zweiten Lesung zu schreiten.

Abg. S z á b e l. (Besteigt die Tribune.) Meine Herren! Nachdem der Bericht Ihnen sowohl durch die erste Lesung, als durch die Drucklegung hin länglich bekannt ist, so beschränke ich mich vor allem bloß auf den Bewilligungsvorschlag selbst.

(Liest) "In Erwägung der von dem verantwortlichen Gesamtministerium einheilten, in dem Berichte des Finanzausschusses enthaltenen Antwort, in Erwägung der angeführten Grunde, in Erwartung, daß vom Ministerien gemäß der gegebenen Zusicherung, die verlangten, in diesem Berichte angeführten Gesetzvorschläge in kürzester Frist vorgelegt werden, und unter dem Vorbehalte, daß die Nationalbank bei einer, wie immer gearteten Finanz Operation nicht über die Summe von 20 Millionen benützt werde, stellt der Finanz Ausschuß folgenden Antrag:

Die hohe Reichsversammlung beschließt: 

Erstens. Das Ministerium wird ermächtigt, im Laufe des Verwaltungsjahres 1849 durch Benützung des Staatscredites unter den für die Finanzen günstigsten Bedingungen Geldmittel bis zur Höhe von 50 Millionen Gulden aufzubringen.

Zweitens. Das Ministerium wird ermächtigt, zur Deckung dieser 50 Millionen verzinsliche Staatsscheine mit oder ohne Zwangscours auszugeben, und eine Staatsanleihe, jedoch beide ohne Hypothek aufzunehmen.

Drittens. Wird eine Staatsanleihe aufgenommen, so hat solches im Wege der öffentlichen Ausbietung an den Bestbiethenden, oder der für Jedermann bei Erfüllung der vorgezeichneten Bedingungen offenstehenden Subskription zu erfolgen.

Viertens. Die einfließenden Beträge sind zur Bestreitung des, durch die laufenden Einnahmen nicht bedeckten unausschieblichen Staatsaufwandes zu verwenden.

Fünftens. Über die Art der Vollführung dieser Ermächtigung, und die Ergebnisse der dazu ergriffenen Maßregeln sind vom Ministerium dem Reichstage die erschöpfenden Nachweisungen in kürzester Frist nach der Vollführung vorzulegen.

Präs. Es haben sich bereits mehrere Redner einschreiben lassen. Drei Herren Redner für den Antrag des Finanzministers sind: Abg. Smreker, Skoda und Jonak. Dann haben sich mehrere Herren Redner einschreiben lassen vor der Annahme des. §. 68 der Geschäftsordnung, vor der ersten Lesung des Antrages, und zwar dafür die Herren: Skoda, Brauner, Sierakowski, Bielecki, Schuselka, Latzel; dagegen: Borkowski, Durbasiewicz, Bilinski, Wienkowski,  Langie; und endlich fand am heutigen Tage ein Einschreiben statt, und zwar dafür: Die Abg. Skoda, Wiser mit einem Antrage, Latzel, Neumann, Selinger, Jonak, Haimerl mit einem Antrage, Wildner mit einem Antrage, Lasser, Mayer Caj., Trummer, Ullepitsch, Demel, Herzig und Klebelsberg. Dagegen: Borkowski, Sierakowski, Durbasiewicz, Bilinski, Langie mit einem Antrage, Pitteri, Neuwall gegen §§. 1 und 2, und Polaczek. Alle diese Einschreibungen fanden vor der Sitzung statt, daher glaube ich, haben alle diese Herren das Recht, zu sprechen, so lange der Schluß der Debatte nicht ausgesprochen ist. Ich würde nur bitten, daß die Ordnung dahin eingehalten werden wolle, daß die Herren sich zuerst über das Prinzip aussprechen möchten, dagegen die Neben über die einzelnen weiteren Bestimmungen des Berichtes der Debatte über diese Bestimmungen vorbehalten; es wird vielleicht die Debatte früher zum Ziele führen. Ich ersuche daher den Herrn  (unterbrochen.)

Abg. S m o l k a. Herr Präsident, ich möchte bitten, diese Namen zu dictiren.

P r ä s. Für den Antrag des Herrn Finanzministers bei der ersten Einschreibung: Herr Smreker, Skoda

Jonak. Am 18. December ließen sich eintragen: dafür die Herren Skoda, Brauner, Sierakowski, Bielecki, Schuselka, Latzel; dagegen die Herren: Borkowski, Durbasiewicz, Bilinski, Wienkowski, Langie. Am heutigen Tage ließ sich einschreiben, dafür: Skoda. 

Meine Herren, ich theile hier die Einschreibung mit, wie sie vorliegt. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Einschreibung nur nach Maßgabe der Annahme der einzelnen Bedingungen über die Geschäftsordnung Statt fand, daß daher jene Herren, welche ihr Recht wahren wollen, wenn sie hier drei Mal vorkommen, wahrscheinlich nur ein Mal sprechen werden. Ich theile es historisch mit, wie es vorliegt.

Es haben sich also angemeldet, dafür: Herr Skoda, Wiser, Latzel, Neumann, Selinger, Jonak, Haimerl, Wildner, Lasser, Mayer Caj., Trummer, Ullepitsch, Demel, Herzig, Klebelsberg. Dagegen: Borkowski, Sierakowski. 

Ich muß bemerken, es scheint hier ein Widerspruch zu sein. Die erste Einschreibung dürfte für den Antrag des Finanzministers erfolgt sein, jetzt dürfte sie vielleicht gegen den Antrag der Commission gerichtet sein; ich möchte kein Präjudiz ausüben, aber so fasse ich es auf. 

Abg. Streit. Aufklärend bemerke ich, daß es der Wunsch des Herrn Abgeordneten war, letzthin für den Antrag zu sprechen und eingeschrieben zu werden, und heute gegen den Antrag. (Gelächter.)

Präs. (fährt fort.) Dagegen: Durbasiewicz, Bilinski, Langie, Pitteri, Neuwall (gegen §. 1 und 2), Polaczek.  Ich habe die Reihe der eingeschriebenen Redner mitgetheilt, sie trifft zunächst den Herrn Abg. Smreker; bevor ich aber jener Herren, die dagegen eingeschrieben sind, erwähne, muß ich eine Mittheilung machen. Es liegt hier eine schriftliche Mittheilung über die Cession des Wortes

des Herrn Abg. Smreker vor. Sie lautet: (Liest.) Nachdem ich durch Krankheit verhindert bin, als erster eingeschriebener Redner in der Finanzfrage das Wort zu nehmen, trete ich dieses mein Recht mit Vergnügen an den nachfolgenden Redner, den Herrn Abg. Wiser ab.

Ich erlaube mir nur, den Anstand rege zu machen, daß die Abtretung nur dann eintritt, wenn ihn das Wort trifft, wenn er aufgerufen wird; er ist nicht hier, daher glaube ich, dürfte die Cession nicht erfolgen. (O ja, ja.) Meine Herren! Wünschen Sie, daß die Cession des Wortes an Herrn Abg. Wiser erfolge? (Ruf: Ja! ja!) Diejenigen Herren, welche dafür sind, wollen es durch Aufstehen kundgeben. (Majorität.) Ich ersuche daher den ersten eingeschriebenen Redner, der dagegen spricht, die Tribüne betreten zu wollen. Es ist der Abg. Borkowski.

Abg. Borkowski (von der Tribüne.) Als der Herr Finanzminister nach einer langen Reihe von schönsten Hoffnungen und Aussichten in die weite Zukunft endlich dazu gekommen ist, was eigentlich der Hauptzweck seiner Rede war, daß nämlich, ehe wir das irdische Paradies erreichen, eine Anleihe von 80 Millionen nothwendig ist, so hat der Abg. Ziemialkowski einen Antrag gestellt, welcher der Würde einer National  Versammlung vollkommen entspricht. Dieser Antrag würde natürlich verworfen (Heiterkeit), und nun beginnt von Neuem das alte uns wohl bekannte Lied: 

Abg. Neumann. Ich bitte, den Redner zur Ordnung zu verweisen.

Abg. Borkowski (fährt fort): Das alte uns wohl bekannte Lied: Noth kennt kein Gebot, man will der Regierung keine Verlegenheiten verschaffen, die Staatsmaschine könne in Stockung gerathen u. s. w. ins Unendliche. Ich gestehe, daß diese Argumente gemütlich sind, aber alle solchen Rücksichten üben einen moralischen Zwang, folglich beirren sie gewisser Maßen die freie Überzeugung. Ich fürchte, meine Herren, daß es nicht zuletzt heiße, daß die Constitution der Regierung Verlegenheiten verschaffe; dann würden wir ja genöthigt sein, die Konstitution oder ihre wichtigsten Punkte, z. B. die Preßfreiheit, aus Patriotismus zu verwerfen. Seit der Zeit, als wir zusammen gekommen sind, machen wir Schulden auf Schulden. Wahrlich! es wäre besser, auseinander zu gehen, als unsere Hände zu dieser unheilsvollen Wirtschaft zu biethen. Was hat denn der Absolutismus anderes gemacht? worin unterscheidet er sich in dieser Hinsicht von der Volksrepräsentation? und sollen wir immer das zu thun genöthigt sein, was der Absolutismus thut? So räumen wir ihm lieber das freie Spiel ein, er thut es wenigstens geschwinder, lassen wir uns zum Deckmantel nicht gebrauchen.

Ob wir die Anleihe der in Frage stehenden 80 Millionen bewilligen oder nicht, so wird doch die Staatsmaschine nicht in Stocken gerathen, die Regierung wird nicht verlegen werden, denn sie wird die 80 Millionen auch ohne unsere Bewilligung ausleihen. Die Lage der Regierung bleibt dann dieselbe, wir aber werden wenigstens nicht die Mitschuldigen sein an einer That, welche nur Unglück bringen kann über die Völker, die wir vertreten. Man wende mir nicht ein, daß es unklug wäre, auf diese Weise das Ministerium zu einem unconstitutionellen Schritte zu verleiten; ich behaupte im Gegentheile, daß eine solche Beweisführung unklug sein würde; soll denn der hohe Reichstag, weil er unverantwortlich ist, die Schuld auf sich nehmen, welche sonst auf einer verantwortlichen Behörde lasten würde? Die Verantwortlichkeit ist bis jetzt vielleicht nur ein Trugschein, aber auf solche Weise würden wir sie ja illusorisch machen. Heute sind wir statt eines constituirenden ein schuldenmachender Reichstag, morgen werden wir, statt die Constitution zu machen, die Constitution verkrüppeln, und alles dieses wird constitutionell heißen, weil es von einem constitutionellen Organe, von der sogenannten Volksvertretung


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP