Úterý 19. prosince 1848
Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Zweiundsechzigste (X.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster am 19. Dezember 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolls vom 18. Dezember 1848.
II. Berichte über Wahlacte.
III. Berichte des Petitionsausschusses.
IV. Dritte Lesung der Geschäftsordnung.
V. Bericht des Ausschusses zur Begutachtung des Gesetzvorschlages, betreffend die Sicherheit des Reichstages und seiner Glieder.
Anfang um 3/4 10 Uhr.
Vorsitzender: Präsident Smolka. Ministerbank: Leer.
Präs. Nach vorgenommener Zählung ist die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter anwesend, ich erkläre daher die Sitzung für eröffnet, und ersuche den Herrn Schriftführer Ullepitsch, das Protokoll der letzten Sitzung vorzulesen.
Schriftf. Ullepitsch. (Verliest das Protokoll der Sitzung vom 18. Dezember.)
Präs. Ist in Bezug auf die Fassung dieses Protokolles etwas zu bemerken? Nachdem gegen die Fassung des Protokolles nichts eingewendet wird, so erkläre ich es als richtig aufgenommen, und es wird die Drucklegung desselben veranlaßt werden. In Betreff der Anträge, welche noch in früherer Zeit gestellt wurden, haben sich wieder einige Herren im Vorstandsbureaus dahin geeint, daß weitere 15 Anträge zurückgezogen wurden. Drei Anträge wurden mit Einverständniß der Antragsteller an die betreffenden Ausschüsse oder Commissionen verwiesen. Diese Anträge werden vorgelesen werden.
Schriftf. Streit (liest.) Antrag des Abg. Ullepitsch. Die hohe Reichsversammlung wolle bewirken, daß in Rücksicht eines dringenden Bedürfnisses des Volkes, und sohin zur Förderung seiner materiellen Wohlfahrt, die Salzpreise tunlichst ermäßiget werden, und zu diesem Ende von Seite des Finanzministeriums bei Verfassung des Staatshaushalts Voranschlages für das Jahr 1849 die geeignete Rücksicht genommen werde. " Dieser Antrag wird dem Finanz Ausschüsse zur Berücksichtigung zugewiesen.
" Antrag des Abg. Goj. Die hohe Reichsversammlung wolle beschließen, daß die Rückstellung der Rustikalgründe in der sämmtlichen Provinz Galizien, an die Unterthanen vermöge dem Josephinischen Vermessungsdoperate, nicht aber nach der im Jahre 1820 bewirkten Catastral Vermessung. und zwar im politischen Wege, nicht aber durch Zivilprozesse geschehe, indem viele Gründe, die im Josephinischen Vermessungsdoperate als Rustikale bezeichnet sind, in der Catastralvermessung von Jahre 1820 als Dominicale erscheinen; auch soll die Grundherrschaft alle, dem Unterkhane mit Zwang eingetauschten Gründe, abtreten, und sich jene, die dieselbe früher im Besitze hatte, übernehmen, damit nicht der Grundherr allein gute, und der Unterthan schlechte Gründe besitze. " Dieser Antrag wird der, über Antrag des Abg. Szaszkiewicz eingesetzten Commission zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes behufs der schiedsrichterlichen Beilegung von Besitzstreitigkeiten, zugewiesen.
"Antrag des Abg Praschak. Der gefertigte Reichstagsabgeordnete stellt den Antrag, die hohe Reichsversammlung wolle beschließen: Von der mit Ministerialerlass vom 29. Mai 1848 angeordneten Einsendung der bei den Gerichten erliegenden Depositengelder an die Depositennasse des Staatsschuldentilgungsfondes habe es abzukommen. " Dieser Antrag wird dem Finanz Ausschusse zugewiesen.
Präs. Es sind noch andere Anträge eingebracht worden, und zwar: Ein Antrag vom Vorstande des Finanzausschusses. Er wird hier der Kammer vorgelesen werden.
Schrift. Streit (liest) "Die Prüfung des Staatsvoranschlages macht es wünschenswerth, daß sämmtliche Mitglieder des Finanz Ausschusses den Sitzungen beiwohnen. Der Ausschuß tragt daher an. Die hohe Kammer möge beschließen, daß jene Mitglieder, die zugleich in den Finanzausschuss und in den Constitutionsausschuß gewählt sind, zu optieren haben, welchem von beiden sie in der Folge angehören wollen. "
Präs. Nachdem dieser Antrag von Seite des Vorstandsbureaus an keine Commission und an keinen Ausschuß verwiesen werden kann, so fallt derselbe in die Kategorie derjenigen Anträge, die in der Sitzung zu verkünden sind, und worüber dem Antragsteller eine kurze Begründung gestattet ist. Will der Herr Vorstand des Finanz Ausschusses die Begründung vornehmen?
Abg. Hagenauer. Wir haben, wie angedeutet wurde, die Prüfung des Budget vor uns. Es ist dieß eine lange, große Genauigkeit erfordernde Arbeit, es find dazu die Kräfte sämtlicher Mitglieder notwendig, wir haben uns in drei Unterabteilungen geteilt, um schneller zum Zwecke zu kommen, haben aber mit Bedauern gesehen, daß viele Mitglieder verhindert worden sind, an den Arbeiten Theil zu nehmen, weil sie im Constitutions Ausschusse beschäftigt sind, wir bedürfen deren Mitwirkung. Ich begreife recht wohl, daß der Antrag des Finanzcomité gewissermaßen mit der Geschäftsordnung collidirt, nachdem es jedem Mitgliede frei steht, in zwei Ausschüssen sich zu betheiligen. Wir können also nur den Wunsch hier äußern, daß diese Herren in einem oder dem anderen Ausschusse freiwillig zurücktreten mögen, wenn es ihnen nicht möglich sein sollte, bei dein fetzigen Gange der Geschäfte den Verhandlungen beider beizuwohnen
Präs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht) Er ist hinreichend unterstützt. Ich werde somit die Drucklegung dieses Antrages und Verkeilung an die Mitglieder des hohen Hauses einleiten Es hat der Vorstand des Petitions- Ausschusses angezeigt, daß nachdem der Petitions- — Ausschuß jetzt ermächtigt ist, Gesuche ad acta zu legen, sie an Ausschüsse abzutreten, oder auch an Ministerien zu überweisen, für heute nichts vorzutragen sei Andererseits hat auch der Vorsitzende des ConstitutionsAusschusses angezeigt, daß die Grundrechte bereits berathen, und im Ausschusse votiert seien, daß aber der Ausschuß eben noch eine Zusammentretung heute nothig habe, um die endliche Redigierung und genaue Zusammenstellung der Majoritäts- und Minoritäts- vota zu Stande zu bringen Es hat demnach der Constitutions Ausschuß den Wunsch ausgesprochen daß die heutige Vormittags Sitzung nicht zu lange datiere, damit der Constitutions Ausschuß diese dringende Arbeit heute vollenden konnte Als nächster Gegenstand sind auf der Tagesordnung die Berichte über Wahlacte. Sind welche Wahlacte geprüft? (Es meldet sich Niemand) Der Ausschuß für beanstandete Wahlen?
Abg. Klaudi (als Berichterstatter des Ausschusses zur Prüfung beanstandeter Wahlen, besteigt die Tribüne.) Dem Ausschüsse für beanstandete Wahlen sind von den Gemeinden Stonisty, Cheremosch und Zadowa aus der Bukowina Proteste über reicht worden, in welchen die dort unterschriebenen Gemeindeglieder sich darüber beschweren, daß aus ihrer Gemeinde kein Wahlmann an der Wahl des Deputirten zum Reichstage Theil genommen hat. Diese Beschwerden sind eigentlich von Niemanden gefertigt, denn die Fertigung aller dieser Namen st von einer und derselben Hand, und zwar von derselben Hand, welche die Beschwerde selbst abgefaßt und geschrieben hat Bei allen diesen Namen sind bloß Kreuzzeichen beigesetzt, ohne daß nur ein Namenschreiber mitunterfertigt wäre Es erscheinen daher alle drei Proteste schon ihrer äußern Form nach als anonym, und daher nach den Vorschriften unserer Geschäftsordnung zu einer meritorischen Erledigung nicht geeignet, aus den Protesten selbst aber gebt weiter hervor, daß die Nichtteilnahme der Wahlmänner jener Gemeinden bei der Wahl des Deputaten zum österreichischen constituirenden Reichstage durch das Verschulden der Gemeinde selbst unterblieben sei, und es geht das auch aus den vom Ministerium des Innern dem Ausschusse übermachten Erhebungen hervor Die Gemeinde gliedert wurden ordnungsmäßig zur Vornahme der Wahl der Wahlmänner aufgefordert, sie sind erschienen, die Wahl wurde vorgenommen, und als sie aufgefordert wurden, die Protokolle zu fertigen, haben sie dieses unter dem Vorwände verweigert, daß sie dieser Aufforderung des Dominiums nicht Genüge Listen können, weil sie mit dein Dominium wegen Robot, Grundstucken und anderen Urbarial Gerechtigkeiten in Streitigkeiten verwickelt seien Der die Wahl leitende Kreis Kommissar hat die heute zwar eines Besseren zu belehren gesucht, sie haben aber nichts desto weniger die Unterschriften dieser .Protokolle verweigert, und sind aus dem Grunde auch nicht zur Wähl des Deputaten erschienen.
Der Ausschuß für beanstandete Wahlen tragt hauptsachlich aus dem formalen Grunde, daß die Eingaben als anonym anzusehen seien, daher nach der Geschäftsordnung eine meritorische Erledigung nicht zulassen, darauf an, diese Eingaben lediglich ad acta zu legen.
Präs. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand zu sprechen? (Es meldet sich Niemand.) Diejenigen Herren, die dem Antrage des Ausschusses auf Hinterlegung der gedachten Gesuche zu den Acten beistimmen, wollen aufstehen (Majorität.) Der Antrag ist angenommen.
Ich habe der hohen Kammer schon angezeigt, daß der Vorstand des Petitions- Ausschusses angemeldet hat, er habe heute keinen Vortrag zu erstatten Auf der Tagesordnung steht weiter die Beendigung der dritten Lesung der Geschäftsordnung .Da der Hert Berichterstatter noch nicht anwesend ist, stelle ich mittlerweile die Aufforderung an jene Herren, welche noch nicht im Vorstandsbureau er schienen waren, um sich bezüglich ihrer Antrage zu vereinigen, beulte Nachmittag um 5 Uhr daselbst zusammen zu kommen. Es sind dieß die Herren Trzedieski, Zimmer, Mathis, Leberl und Plenkovich Es wurde mir ein Antrag vorgelegt, noch einen Paragraph zur Geschäftsordnung aufzunehmen, und zwar vom Herrn.
Abg Brauner, dieser Paragraph soll dahin lauten,, Selbstständige Antrage auf Abänderung der Geschäftsordnung konnen nur dann zur Berathung kommen, wenn sie schriftlich und wenigstens von 50 Mitgliedern unterzeichnet, dem Präsidenten übergeben werden, und das Haus die Zulassung des Antrages zur Debatte ausspricht "Wollen der Herr Antragsteller den Antrag begründen? Abg Brauner Ich glaube wohl, nicht viel Worte verlieren zu mussen über die Bekundung der Notwendigkeit eines solchen Paragraphes in unserer Geschäftsordnung Die Geschäftsordnung meine Herren, normiert keine Rechte nach den Principien der Vernunft, sondern bloß die parlamentharische Thätigkeit des Hauses Wir sind in Oster reich das erstemal in einem Reichstage versammelt. wir haben noch nicht Erfahrungen uns, nach denen wir im Stande waren eine Geschäftsordnung festzusetzen, ohne eine solche Vorsicht zu gebrauchen Wir find nebstdem mit Rucksicht aus unsere schon gemachten Erfahrungen noch auf einem ganz neuen Boden in die Zukunft, nämlich bezüglich der Be rathung der Gliederung eines Staates, welcher aus so mannigfaltigen Bestandtheilen besteht In dieser Beziehung haben wir gär keine Erfahrung hinter uns, denn es ist dieß das einzige Beispiel in der Geschichte Nun konnten wir nur jene Erfahrung bei der dritten Lesung der Geschäftsordnung benützen, die wir seit der Eröffnung des Reichstages im parlamentarischen Leben gemacht haben Jedes Parlament hat bisher eine solche Vorsichtsmaßregel ge troffen, daß, wenn die Normen, die es sich für seine Thätigkeit vorgeschrieben hat, sich mit der Zeit als mangelhaft oder als nicht ganz zusagend herausstellen, eine Abänderung dennoch möglich ist, deßhalb be antrage ich auch diese Abänderung und zwar unter Vorsichten, daß man nicht gleich eine solche Abänderung zur Sprache bringe Ich habe weiter nichts zu sagen.
Abg Paul. Ich achte die Gründe, welche der Herr Vorredner für seinen Antrag vorgebracht hat, jedoch weiß ich nicht, warum eine solche Unterstützung von 50 Mitgliedern nothwendig ist, während die Geschäftsordnung bei jedem anderen selbständigen Antrage nur von 20 Mitgliedern spricht.
Abg B r a u n e r. Aus dem Gründe der besonderen Vorsicht für die Abänderung einer bereits 3mal gelesenen Geschäftsordnung.
Abg .Borrosch. Ich wollte ganz genau den selben Antrag stellen, und zwar auch mit der Unterstützung von 50 Mitgliedern, weil ich es für sehr nothwendig erachte, daß man endlich einmal mit dieser Geschäftsordnung wie sehr ich auch die klimatischen Einflusse, die sie hier erlitten, bedauere (all gemeine Heiterkeit) zu einem Abschlüsse gelange Ich wurde daher auch weiter beantragen, daß wir sie definitiv annehmen, ohne erst wieder ein paar Stunden mit unnutzem Durchlesen zu verlieren, das nur zu Bemängelungen herausfordert Ganz gewiß wird die Erfahrung herausstellen, daß wir Manches wieder davon werden andern mussen, so B den gestern von mir gestellten Antrag über die Möglichkeit, das Haus in ein General Comite übergehen zu lassen (Heiterkeit), denn zweierlei Systeme, die sich nicht diametral entgegenstehen, erlauben recht wohl, daß man das Gute von beiden benutze Wir kommen durch die Berathung in 9 Abtheilungen gar sehr um den Vortheil einer allseitigen Belehrung, indem Wichtiges, wenn es ein Redner improvisatorisch, sei es nun in der Majorität oder Minorität, in seiner Abtheilung geltend gemacht hat, hier nicht zur Kenntnisnahme von acht Neunteln der Mitglieder des Hauses kommt, des Zeitverlustes, der auf diese Weise entsteht, gar nicht zu erwähnen Indessen gehe ich gern von diesem und andern Amendements ab, und wünsche, daß dieser so lange sich hinschleppende Gegenstand endlich einmal erledigt werde Besteht ein Reichstag, wie ich nicht zweifle, in Österreich fort, so werden sich wohl auch parlamentarische Gebräuche herausstellen, nicht minder wie dieß im praktischen England der Fall ist, wo eigentlich gar keine derartige Geschäftsordnung, sondern ein Usancen Codex mit desto mehr Ordnung im Geschäfte für alle parlamentarischen Vorgänge besteht, ich unterstütze daher unbedingt den Antrag des Hrn Abg Brauner.
Präs. Wünscht noch Jemand über diesen Gegenstand das Wort zu ergreifen? Wenn Niemand mehr zu sprechen wünscht, so werde ich die Debatte als geschlossen ansehen Will vielleicht der Herr Berichterstatter in dieser Angelegenheit das Wort ergreifen?
Abg Mayer. Die Commission ist als solche mit der Aufnahme des Zusatzantrages und zwar unter einer eigenen Capitel Überschrift, nämlich. "XVI Abänderungen der Geschäftsordnung " voll kommen einverstanden, indem sie anerkennt, daß kein Werk ein vollendetes ist, und auch die Geschäftsordnung im Lande der Zeiten nach den verschiedenen Vorfallendheiten manche Abänderungen erleiden kann.
Präs. Der Antrag des Hrn Abg Brauner lautet: "Capitel XVI. Abänderungen der Geschäftsordnung Selbständige Antrage auf Abänderung der Geschäftsordnung können nur dann zur Berathung kommen, wenn sie schriftlich und von wenig stens 50 Mitgliedern unterzeichnet, dem Präsidenten übergeben werden, und das Haus die Zulassung des Antrages zur Debatte ausspricht. " Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht.) Er ist hinreichend unterstützt. Diejenigen Herren, welche für die Aufnahme dieses Paragraphes als Capitel. XVI. in die Geschäftsordnung sind, wollen aufstehen. (Majorität.) Der Paragraph ist angenommen.
Abg. Mayer. Der Commission war ein Paragraph zur neuerlichen Fassung übergeben, nämlich bezüglich der Nichteinmischung der Person des Monarchen in die Debatte. Die Commission hat in der Mehrheit folgende Fassung des Paragraphes beschlossen: "Die Person des Monarchen als solche darf in der Debatte nicht berührt werden. " Eine zweite Fassung wäre folgende: "Die Person des Monarchen als solche darf weder direct noch indirect, weder namentlich noch anspielungsleise in die Debatte gemischt werden. " Die dritte Fassung, von einem Mitgliede des hohen Hauses, lautet: "Die Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit des jedesmaligen Staatsoberhauptes ist in der Debatte strengstens zu beobachten, ihm nie eine Regierungsmaßregel zur Schuld zu legen, noch dasselbe sonst zum Gegenstande der Debatte zu machen. "
Präs. Ich werde den Antrag der Commission als Hauptantrag, die andern zwei als Verbesserungsantrage behandeln. Der erste Verbesserungsantrag lautet: (er liest die zweite Fassung.) Der zweite Verbesserungsantrag des Abg. Wildner lautet: (er liest die dritte Fassung.)
Abg. Wildner. Ich bitte, ich ziehe den letzten Satz: "ihm daher nie eine Regierungsmaßregel zur Schuld zu legen, noch sonst dasselbe zum Gegenstande der Debatte zu machen" zurück.
Abg. Borrosch. Ich würde nur in dieser letzten Fassung, mit der ich sonst vollkommen einverstanden bin, eine kleine stilistische Abänderung beantragen, nämlich die Vorfalben: "nicht" und "un" gerade umzukehren, und zu sagen: "Die Unverletzlichkeit und Nicht verantwortlichst" denn Sie wissen, daß in der deutschen Sprache letzteres. Wort eine Doppelsinnigkeit hat, und z. B. in frü herer Zeit manches nicht verantwortliche Ministerium oft sehr unverantwortlich handelte. (Heiterkeit.) Ich würde daher die Abänderung in "Nichtverantwortlichkeit" beantragen.
Präs. Wünscht noch jemand zu sprechen? Wenn Niemand das Wort ergreift, so werde ich den Herrn Berichterstatter auffordern, darauf zu erwidern. (Abg. Mayer verzichtet auf das Wort.) Ich werde sonach die Unterstützungsfrage stellen, bezüglich des einen und des anderen Verbesserungantrages. Der Eine lautet: "Die Person des Monarchen als solche darf weder direct noch indirect, weder namentlich noch anspielungsleise in die Debatte gemischt werden. " Wird dieser Antrag unterstützt? (Wird gar nicht unterstützt.) Der zweite Verbesserungsantrag lautet: "Die Unverletzlichkeit und Nichtverantwortlichkeit (wie Abg. Borrosch wünscht) des jedesmaligen Staatsoberhauptes ic. ic. " Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht.) Er ist hinreichend unterstützt. Der Antrag der Commission lautet dagegen: "Die Person des Monarchen als solche darf in der Debatte nie berührt werden. " Ich werde vor allem den Verbesserungsantrag zur Abstimmung bringen, sodann den Antrag der Commission. Der Verbesserungsantrag des Abg. Wildner lautet: "Die Unverletzlichkeit und Nichtverantwortlichkeit des jedesmaligen Staatsoberhauptes ist in der Debatte strengstens zu beobachten. " Diejenigen Herren, welche für die Annahme dieses Verbesserungsantrages sind, wollen aufstehen. (Majorität.) Der Antrag ist angenommen. Dieser Antrag wird als §. 77 neuer Fassung erscheinen, und kommt zu stehen nach. §. 65 alter Fassung. Es ist nun die Geschäftsordnung als Ganzes zur Abstimmung zu bringen; wenn das hohe Haus wünscht, so werde ich sie ganz vorlesen lassen. (Ruf: Nein! Nein!)
Abg. Trojan. Sie ist ja schon dreimal gelesen.
Präs. Diejenigen Herren also, die für die Annahme der Geschäftsordnung als Ganzes, wie sie bei der dritten Lesung amendirt wurde, sind, wollen aufstehen. (Majorität.) Sie ist angenommen. (Heiterkeit.) Es wurde mir die Niederlegung eines Mandates überreicht, nämlich vom Abg. Facchinetti, welcher aus Gesundheitsrücksichten, indem er das hiesige Clima nicht vertragen kann, mit dem Ausdrucke des Bedauerns aus der hohen Versammlung scheiden zu müssen erklärt, und bittet, eine neue Wahl ausschreiben zu lassen. Es wird vom Vorstande das Ministerium des Innern angegangen werden, damit dieß geschehe. Der Abg. Facchinetti war Mitglied des Entschädigungsausschusses, als vom Gouvernement Küstenland gewählt. Ich ersuche die Herren Abgeordneten dieses Gouvernements, zusammenzutreten, allenfalls Nachmittag um 4 Uhr hier in diesem Saale, um die Wahl vorzunehmen. Als nächster Gegenstand erscheint der Bericht des Ausschusses über die Begutachtung des Gesetz vor schlagt, betreffend die Sicherheit des Reichstages und seiner Mitglieder. Nachdem der Constitutionsausschuß aber angesucht hat, ihm einige Zeit heute Vormittag zu gönnen, um seine Arbeit zu beenden, so würde ich auf den Schluß der Sitzung antragen.
Abg. Gredler. Ich bitte es wenigstens erst einmal zu lesen, es ist ja die erste Lesung.
Präs. Ja, die erste Lesung könnte wohl vorgenommen werden. Der Abg. Schuselka wünscht zu sprechen.
Abg. Schuselka. Ich habe gestern den Antrag gestellt, daß dieses Gesetz nicht anticipiren werden möge, es muß jedenfalls ein Bestandteil der Constitution werden, weil es so herkömmlich ist, obwohl ich meiner persönlichen Überzeugung nach ein solches Gesetz, welches die Deputirten für das, was sie im Reichstage sprechen und beantragen, unverantwortlich darstellt, nicht wünsche. Allein es ist der Gebrauch in allen Constitutionen, diese Unverantwortlichkeit über die Reichstagsabgeordneten auszusprechen. Wir sind nahe daran, die Constitution zu berathen, wir sind eben beschädiget, die Grundrechte zu berathen und zu beschließen, und es widerstrebt meinem Gefühle und gewiß dem Gefühle vieler verehrten Mitglieder des Hauses, daß wir noch früher, bevor wir die Rechte des Volkes feststellen, zu unserem Schütze ein Gesetz erlassen wollen. (Beifall) Es handelt sich bei dieser Sache darum: werden wir die Constitution, wie wir hoffen, zu Stande bringen, so wird auch dieser Paragraph darin seine Stelle finden; bringen wir die Constitution nicht zu Stande, durch irgend einen unvorhergesehenen Unglücksfall, so wird ein solches herausgerissenes Gesetz auch wirkungslos bleiben. Ich mache Sie, meine Herren, aufmerksam, was es ich will nicht sagen, dem Publikum gegenüber, denn die öffentliche Meinung muß in dieser Beziehung nicht Richter sein aber in unserem eigenen Bewußtsein und in der Geschichte dieses Reichstages für einen Eindruck machen würde, wenn es von uns hieße, wir haben bei der eisten Eröffnung des Reichstages wochenlang die Geschäftsordnung berathen, bei Wiedereröffnung desselben nach längerer Prorogation abermals wochenlang die Geschäftsordnung berathen, dann zunächst haben wir, um uns unverantwortlich hinzustellen, ein Gesetz über unsere Unverletzlichkeit beschlossen, und sind dann auf Ferien gegangen. Dieser Eindruck würde ein unauslöschlich ungünstiger sein (Bravo), und ich wiederhole daher den Antrag, daß wir dieses Gesetz der Constitutionsurkunde vorbehalten sollen. (Beifall.)
Präs. Es handelt sich heute bloß um die erste Lesung, und ich kann über den Gegenstand selbst heute keine Debatte zulassen. Indem aber das hohe Haus sich über die, für die zweite Lesung festzusetzende Frist aussprechen wird, kann immerhin dem Wunsche des Herrn Abgeordneten für Perchtoldsdorf entsprochen werden, wenn die Frist für die zweite Lesung auf eine geraume Zeit hinausgeschoben wird. Ich glaube, die erste Lesung müssen wir auf jeden Fall vornehmen, denn der Gegenstand ist auf der Tagesordnung, und nach den neuen Bestimmungen der Geschäftsordnung kann ein Gegenstand so lange nicht von der Tagesordnung gebracht werden, bis er nicht erlediget ist.
Abg. Strobach. Ich glaube, es ist der Gegenstand der ersten Lesung überhaupt, sich zu besprechen, ob der Entwurf weiter in die Debatte gezogen werden soll oder nicht, und dahin geht der Antrag des Herrn Abgeordneten für Perchtoldsdorf, den ich unterstütze. Es ist auch ganz unpraktisch, einzelne Stücke aus der Constitutionsurkunde herauszureißen, und dann durch die nachfolgenden Bestimmungen wieder in Widerspruch zu gerathen.
Ich glaube, daß dieser Antrag zur Unterstützung gebracht werden sollte, denn es wird eben über das Princip, ob dieses Gesetz jetzt zur Sprache kommen soll oder nicht, debattirt werden. Wird der Antrag des Herrn Abg. Schuselka angenommen, so entfällt jede weitere Lesung.
Präs. Ich glaube, die erste Lesung dieses Berichtes ist einmal auf die Tagesordnung gestellt, ich muß mich also nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung halten, und kann den Gegenstand nicht früher von der Tagesordnung streichen, bis der Gegenstand erledigt ist; heute wird die erste Lesung vorgenommen, und dann können sich die Herren darüber aussprechen, ob überhaupt und wann die zweite Lesung vorgenommen werden soll; es kann bei dieser Gelegenheit den Wünschen der Herren Redner in der Wesenheit der Sache vollkommen entsprochen werden, mit Aufrechthaltung der Bestimmungen der Geschäftsordnung.
Abg. Mayer. Ich stelle den Antrag auf Vertagung der ersten Lesung auf 6 Monate, und bitte, darüber abstimmen zu lassen.
Präs. Ich ersuche, den Antrag schriftlich zu stellen.
Abg. Borrosch. Ich beantrage, es auch von der ersten Lesung aus den eben dargelegten Gründen abkommen zu lassen, aber nicht den Ausdruck: "auf 6 Monate" in seiner englischen Anwendung für ein verworfenes Gesetz gebrauchen zu wollen, sondern seiner Zeit es als einen Bestandteil der Constitutionsurkunde zu behandeln.
Abg. Rieger. Ich glaube, halten wir uns an das Sprichwort: " fiat justitia pereat mundus", das heißt, lassen wir der Geschäftsordnung ihr Recht widerfahren. Nehmen wir die erste Lesung vor, sie wird nur 5 Minuten dauern, denn der ganze Antrag hat nicht mehr als 50 Zeilen, und beschließen wir dann, keine zweite Lesung haben zu wollen. In der Geschäftsordnung heißt es: "Die erste Lesung hat nur zum Zweck, damit man über das Princip, ob eine zweite Lesung vorgenommen werden soll, sich ausspreche. " Wir erklären nach der ersten Lesung, daß eine zweite Lesung nicht stattzufinden habe.
Abg. Paul. Ich spreche mich dafür aus, daß die erste Lesung heute gar nicht stattfinden soll, denn es muß dieser Gesetzentwurf als besonderer Gesetzentwurf betrachtet werden. Es heißt in der Geschäftsordnung im §. 83 alter Fassung, daß bei einem Gesetzentwurfe der Reichstag eine kürzere Frist zwischen der zweiten und dritten Lesung, als 8 Tage festsetzen kann, aber keine längere. Ich wäre daher dafür, daß die erste Lesung für heute unterbleiben möchte. (Ruf: Schluß der Debatte.)
Präs. Es wird der Antrag gestellt auf den Schluß der Debatte. Wird dieser Antrag unter stützt? Er ist hinreichend unterstützt Diejenigen Herren, welche für den Schluß der Debatte sind, wollen aufstehen (Geschieht.) Es ist die Majorität, der Schluß der Debatte ist angenommen. Bezüglich der ersten Lesung des in Frage stehenden Gesetzes hat der Herr Abg Mayer den Antrag gestellt, die erste Lesung dieses Gesetzes über die Unverletzlichkeit der Deputierten auf 6 Monate zu vertagen. Wird dieser Antrag unterstützt? (Nicht unterstützt.)
Abg. Schuselka. Ich bitte, meinen Antrag zur Unterstützung zu bringen, welcher lautet, das Gesetz der Constitutionsurkunde vorzubehalten
Präs. Ich bitte, mir diesen Antrag schriftlich vorzulegen. Der Abg. Rieger hat sich für die Aufrechthaltung der Vorschrift der Geschäftsordnung, demnach für die erste Lesung ausgesprochen, und dieß ist nach dem von mir früher Auseinandergesetzten auch meine Ansicht über diese Sache. Dagegen hat der Abg. Schuselka den Antrag gestellt, das Gesetz über die Unverletzbarkeit u s. w der Constitutions Urkunde vorzubehalten. Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht.) Er ist zureichend unterstützt; ich werde ihn daher zur Abstimmung bringen, nachdem ich sehe, daß das hohe Haus in diesem Falle durchaus von der Bestimmung der Geschäftsordnung abzugehen Willens ist Diejenigen Herren, welche für diesen Antrag sind, wollen aufstehen (Majorität) Der Antrag ist angenommen Dieser Gegenstand wird daher von der Tagesordnung für immer gestrichen. Ich werde mir erlauben, den Schluß der Sitzung zu beantragen, und die nahste für den morgigen Tag Früh um 10 Uhr zu bestimmen, denn für 9 Uhr Früh hat der Vorstand des Petitionsausschusses die Mitglieder diesem Ausschusses ersucht, zusammen zu treten, weil einige dringende Gegenstande vorzutragen sind. Ich ersuche daher die Mitglieder des Petitions- Ausschusses, morgen 9 Uhr Früh zu einer Ausschusssitzung zusammen zu kommen Als Tagesordnung für den morgigen Tag würde ich vorschlagen: I Verlesung des heutigen Protokolles 2. Berichte über die Wahlacte. 3. Die Wahl des Reichstagsvorstandes und der Ordner. Vielleicht 4. die Berichte des Petitionsausschusses. Die Mitglieder, die zu der Commission gewählt sind, welche die Reichstagsrechnungen zu prüfen hat, werden ersucht, heute Nachmittag um 4 Uhr im Commissionszimmer Nr. 9 zusammen zu treten. Ich erkläre die Sitzung für geschlossen.
Schluß der Sitzung: 11 Uhr Vormittag.