Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Siebenundfünfzigste (V.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremstier am 4. Dezember 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolls vom 30. November 1848.
II. Berichte über Wahlacte.
III. Fortsetzung der dritten Lesung der Geschäftsordnung.
IV. Berichte des Petitionsausschusses.
Anfang um 3/4 10 Uhr. Vorsitzender: 1. Vizepräsident Mayer. Ministerbank: Leer.
Vicepräs. Die Sitzung ist eröffnet. Gestatten Sie, meine Herren, daß ich diese Veranlassung benütze, Ihnen für das Vertrauen zu danken, welches mich in Abwesenheit des Herrn Präsidenten hier auf diesen Ehrensitz beruft. (Beifall.) Ich ersuche den Herrn Secretär, das Protokoll vom 30. November zu verlesen.
Schriftführer Streit. Vor allen muß ich bemerken, daß der Verfasser des Protokolle der Schriftführer Wiser sei.
(Nach Lesung des Protokolles)
V i c e p r ä s. Wer über den Inhalt des Protokolles oder dessen Fassung Erinnerungen zu machen gedenkt, wolle das Wort ergreifen. (Es meldet sich Niemand.) Ich erkläre daher das Protokoll als richtig und als angenommen.
Schriftführer Streit. Es ist in der vorigen Sitzung ein Schreiben an das Ministerium beschlossen worden, um Auskünfte zu erhalten über die von den Abgeordneten in den Provinzen bezogenen Vorschüsse; mittlerweile hat sich aber in dem Vorstands Bureau vorgefunden, daß diese Auskünfte bereis daselbst erliegen. Namentlich wurde auch die Requisition an das Ministerium gestellt oder beantragt, um zu erheben, ob der Abg. Skrzinsky in der Provinz einen Vorschuß von 160 fl. bekommen hat; in der nächstfolgenden Rechnung aber liegt ein Zeugniß des betreffenden Cassebeamten vor, daß er den angewiesenen Vorschuß nicht erhoben hat. Ich bin der Meinung, daß man durchaus Umgang nehmen soll von dem Schreiben an das Ministerium, nachdem, wie gesagt, sich diese Angelegenheit so behoben hat.
V i c e p r ä s. Wer damit einverstanden ist wolle es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Angenommen.) Ich fordere den Herrn Secretär auf, die Urlaubsgesuche zur Kenntniß des hohen Hauses zu bringen.
Schriftführer Streit. Vorläufig mache ich die Mittheilung, daß der Stand der Abgeordneten, welche bereits gewählt sind, sich beiläufig auf 362 belauft. In Kremsier dürften anwesend sein 309, demnach sind noch nicht hier angekommen beiläufig 53. Beurlaubt sind 9, welche von Obigen 53 abzuziehen sind, daher dermalen abwesend 44. Der Abg. Cavalcabo hat ein Schreiben an den Vorstand gerichtet, daß er in Wien erkrankt sei, und bittet noch einige Tage zu gedulden, er wird erscheinen. Der Abg Halpern kömmt abermals mit einem Gesuch vom 26. November um einen sechswöchentlichen Urlaub ein (Mißbilligung), indem er anführt, daß er auf der Reise von Stanislau in Lemberg erkrankt sei, er bringt auch ein ärztliches Zeugniß bei, und schließt mit Folgendem: "Dieses unvermeidliche Hinderniß muß ich zu meinem schmerzlichen Bedauern der hohen Reichstags Versammlung mit dem ergebensten Ersuchen anzeigen, womit mir zu meiner Erholung ein Urlaub von 6 Wochen gestattet werden möchte. Sollten der Willfahrung dieses Ansuchens wichtige Gründe der Notwendigkeit etwa im Wege stehen, so werde ich nicht anstehen, mein dießfälliges Mandat in die Hände meiner Wähler zurückzulegen. Allenfalls wage ich zu bitten, vom hohen Rathschlusse über das vorliegende Gesuche mich zu meiner Richtschnur nach Stanislau verständigen zu wollen." Die hohe Kammer wird sich ohnedem erinnern, daß am 27. November beschlossen worden ist, es sei der Abg. Halpern aufzufordern, daß er binnen 8 Tagen zurückzukehren habe, oder sein Mandat zurücklegen soll. Ich beantrage also, ihn auf diese hohe Erledigung zu verweisen.
Vicepräs. Wünscht Jemand darüber zu sprechen?
Wienkowski. Ich muß hier bemerken, daß der Abg. Halpern nur bei 2 oder 3 Sitzungen anwesend war, (Ja!) seit der Zeit sich fortwährend mit Krankheit entschuldigt; und weiter muß ich noch bemerken, daß seine Committenten sehr unzufrieden mit ihm sind, und Proteste eingereicht haben, und zwar vorzüglich aus dem Grunde, weil der Wahlbezirk Stanislau hier ganz unvertreten ist. Wenn er immer krank ist, so ist er co ipso zur Vertretung nicht geeignet, und also nicht im Stande, diesen Wahlbezirk zu vertreten. Ich glaube, aus diesem Grunde hätte er sein Mandat schon längst niederlegen sollen, damit seine Committenten sich nach einem anderen Vertreter umsehen.
Schriftführer Streit. Dessen ungeachtet glaube ich, daß es bei dem einmal gesagten Beschlusse zu verbleiben hätte, nämlich bei dem Termine von 8 Tagen, welcher dem Abg. Halpern festgesetzt werden soll.
Löhner. Ich trage darauf an, indem in diesem Schreiben der Abg. Halpern selbst die Alternative stellt, ihm den Urlaub entweder zu bewilligen oder zu verweigern, und mit Rücksicht auf die eben vorgebrachten Gründe, den Urlaub zu verweigern, damit der Abg. Halpern in die Lage gesetzt werde, einen Titel abzulegen, der ihm eben nichts mehr war, als ein Titel. (Bravo.)
Placek. Auch ich bin der Ansicht, daß eine so langwierige Krankheit für ein Hinderniß der Erfüllung des Mandats angesehen werde, und daher der Abg. aus der Kammer auszuscheiden sei.
Vicepräs. Ich muß denn doch einen der Herren ersuchen, einen bestimmten Antrag einzubringen, weil das Ansuchen dahin geht: "Sollten der Willfahrung dieses Ansuchens, nämlich der Urlaubsbewilligung, Gründe der Notwendigkeit im Wege stehen, so werde ich nicht anstehen, mein Mandat in die Hände meiner Wähler zurückzulegen." Wird nun beabsichtigt, daß an die Zurückweisung des Urlaubsgesuches die Sanction der Niederlegung des Mandates geknüpft werde, so wird es doch nothwendig sein, einen bestimmten dießfälligen Antrag zu stellen, um ihn zur Abstimmung bringen zu lassen. Es liegen zwei Anträge vor: Der Antrag des Herrn Abg. Löhner geht dahin, die hohe Kammer möge beschließen, der angesuchte Urlaub sei zu verweigern, und der Herr Abg. hievon zu verständigen; der zweite Antrag ist der des Herrn Abg. und Schriftführers Streit, der dahin lautet: Es sei der am 27. November gefaßte Beschluß zu bestätigen. Dieser lautet dahin: Den Abg. Halpern in Erledigung seines oft wiederholten Urlaubsgesuches aufzufordern, binnen 8 Tagen vom Tage des Erhaltes der Erledigung den Reichstagssitzungen beizuwohnen, widrigen für die Stadt Stanislau eine neue Wahl ausgeschrieben werden würde. Ich glaube, daß dieser letzte Antrag, es bei diesem Beschlüsse zu belassen, ein dringenderer ist, indem er schon eine Sanction enthält. Er steht als Kammerbeschluß fest, und ich werde ihn zunächst zur Abstimmung bringen, dahin lautend: Soll der Abg. Halpern über sein neuerliches Urlaubsgesuch bloß auf den bereits gefaßten und ihm kund gemachten Reichstagsbeschluß vom 27. November verwiesen werden? Diejenigen Herren, welche damit einverstanden sind, daß er auf diesen bereits sanctioniren Beschluß verwiesen werde, wollen ausstehen (Majorität.) Es fällt somit der Antrag des Herrn Abg. Löhner.
Schriftf. Streit. Ein weiteres Urlaubsgesuch ist das des Abg. Georg Bauer, um einen 12tägigen Urlaub wegen dringender Familienangelegenheiten und Krankheitsumständen; dann das Gesuch des Abg. Anton Kral, um einen 8tägigen Urlaub wegen dringender Angelegenheiten, welche ihn zu seiner Familie nach Wien rufen; dann das Gesuch des Abg. Joseph Fischer, um einen 14tägigen Urlaub, weil sein Wohnort und sein Besitzthum der Kampfplatz der Österreichischen und ungarischen Armee werden wird.
Vicepräs. Wünscht Jemand über eines dieser drei Urlaubsgesuche das Wort zu ergreifen? (Niemand.) Wenn die hohe Kammer diese Urlaubsgesuche zu genehmigen gesonnen ist, bitte ich aufzustehen. (Majorität.) Die Urlaube sind bewilligt.
Schriftf. Streit. Die Abg. Turco und Defranceschi zeigen an, daß sie sich auf der Herreise nach Kremsier befinden, daß sie aber erkrankt sind; der Abg. Turco bittet um einen Urlaub bis 12. Dec., und Defranceschi versichert, daß er demnächst hier eintreffen werde; endlich hat der Herr Vicepräsident dem Abg. Teltschik einen 3tägigen Urlaub bewilligt.
Vicepräs. Mehrere Ausschüsse sind nicht vollzählig, es sind aus den Abtheilungen neue Wahlen vorzunehmen. Ich ersuche den Herrn Secretär, alle dießfälligen Mängel zur Kenntniß des hohen Hauses zu bringen.
Schriftf. Streit. Vor allen erlaube ich mir die Bemerkung, daß in Folge der Aufforderung in der letzten Sitzung in den Entschädigungsausschuß gewählt wurde: für Galizien Dolansky statt Zajaczkowsky, für Küstenland Vlach statt Doliak, für Illirien ist es noch nicht angezeigt, wen es statt Dollschein gewählt (Eine Stimme Dr. Janesch) In den Petitionsausschuß wurden gewählt aus der ersten Abtheilung: Adolph Dotzauer statt des Abg Gschnitzer; das Gouvernement Küstenland den Abg Vidullich statt des Abg. Doliak. Neue Wahlen sind folgende vorzunehmen: In den Ausschuß über den Antrag des Abg. Strasser bezüglich des Militärconscriptionsgesetzes hat die erste Abtheilung zu wählen für den Minister Thinnfeld einen Abg., die zweite Abtheilung für den Minister Stadion, und die siebente Abtheilung für den auf längere Zeit beurlaubten Abg. Kautschitsch einen Stellvertreter Also die erste, zweite und siebente Abtheilung.
Vicepräs. Ich erlaube mir, die Vorstände der betreffenden Abtheilungen zu ersuchen, diese Wahlen gleich morgen vornehmen zu lassen.
Schriftf. Streit. In den Ausschuß über den Gesetzentwurf zur Hintanhaltung gewaltsamer Störung des Reichstages und zum Schutze seiner Mitglieder hat zu wählen: die vierte Abtheilung statt des Abg. Doliak, und die siebente Abtheilung statt des Abg. Pillersdorff; für den Ausschuß der Finanzen hat zu wählen: die erste Abtheilung für den Abg. Zamojsky, die vierte Abtheilung für Schlegel, die siebente für Pillersdorff, das Gouvernement Küstenland für Catinelli, das Gouvernement Steiermark für Thinnfeld; ferner in den Ausschuß zur Prüfung der Reichstagsrechnungen dürfte es angemessen sein, daß die dritte Abtheilung statt des Ordners Jelen ein anderes Glied wählt. In den Volks und staatswirtschaftlichen Ausschuß hat zu wählen: Das Gouvernement Galizien statt des Abg. Potocki, und das Gouvernement Illirien statt des Abg. Schlegel.
Strasser. Bezüglich der Ergänzungswahlen für die Conscriptions oder Rekrutierungsausschüsse glaube ich hier bemerken zu müssen, daß dieselben nicht mehr weiter vorzunehmen nöthig sind, denn der Ausschuß hat schon vor mehreren Wochen seine Aufgabe beendet, es liegt auch bereits der diesßfällige ausgearbeitete Gesetzesentwurf lithographirt vor. Es wäre daher nur zu wünschen, daß derselbe einmal auf die Tagesordnung gefetzt würde. Ich wüßte nicht, was der Ausschuß noch weiter zu berathen hätte, wir waren alle darüber einig, wie wir noch vollzählig waren.
Neumann. Dieselbe Bemerkung erlaube ich mir in Beziehung auf den Ausschuß, welcher das Gesetz über die Unverletzlichkeit dieses hohen Hauses und der einzelnen Mitglieder entworfen hat, und welcher Entwurf bereits längst im Drucke vorliegt.
Vicepräs. Ich halte es für nothwendig, darauf hinzuweisen, daß selbst von Ausschüssen bearbeitete Gegenstände in Folge der Debatte auf der Tribune manchmal doch Veranlassung gaben, einzelne Bestimmungen an die Ausschüsse zur nochmaligen Berathung zurückzuweisen. Meines Erachtens dürften daher die Ausschüsse so lange in ihrer Wirksamkeit bleiben, bis das Gesetz definitiv von der Kammer angenommen ist. Ich ersuche aber den Abg. Strasser, seinen Antrag vielleicht bestimmt dahin zu formuliren, es sei der Ausschuß für das Recrutirungsgesetz als erloschen anzusehen, damit ich ihn zur Abstimmung des hohen Hauses bringen kann.
Strasser. Mit Rücksicht auf die vom Herrn Präsidenten gegebene Erklärung finde ich nichts weiter zu bemerken, und bin damit einverstanden, da dieses möglich ist, und ziehe meinen dießfälligen Antrag zurück.
Vicepräs. Ich ersuche für jene Wahlen, die nach Gouvernements vorgenommen werden, daß die Herren sich in den ihnen bereits bekannten Localen beiläufig heute Nachmittag um 4 Uhr versammeln und die vorgenommenen Wahlen im Vorstandsbureau bekannt geben wollen zur Evidenzhaltung. Auf dem Tische des Hanses befinden sich seit längerer Zeit mehrere Acten, insonderheit: 1. Acten betreffend, die an den Ban Jellachich zur Bezahlung der k. k. Truppen erfolgten Gelder. 2. Acten über die Resignation des Grafen Stadion als Gouverneur von Galizien. 3. Acten wegen, dem Militär angeschuldeter Excesse in Gallien. 4. Acten über die Reorganisirung des Justiz Wesens in Italien. 5. Acten über die Abreise Seiner Majestät im Monate Mai von Wien. 6. Alle Beschlüsse der Provinziallandtage. 7. Über Militärrecrutirung. 8. lieber die sogenannten Deportirten der italienischen Provinzen in Szegedin. Diese Acten sind über einzelne Anträge auf den Tisch des Hauses niedergelegt, und seit der Zeit der Niederlage nicht benützt worden. Ich frage, nachdem diese Acten in die Registratur der Behörden gehören, und von ihnen kein Gebrauch gemacht wird, ob sie wieder zurückgestellt werden dürfen?
Löhner. Da man die letzteren Monate nicht im Falle war, davon Gebrauch zu machen, so würde ich beantragen. daß diese Acten noch 8 Tage auf dem Tische des Hauses liegen bleiben mögen; es ist mir nicht einmal aus den stenographischen Protokollen bekannt, daß die Niederlegung dieser Acten auf den Tisch des Hauses dem hohen Hause angezeigt worden ist, es ist möglich, daß es geschah, aber ich erinnere mich nicht daran; ich würde also bitten, dieselben noch 8 Tage liegen zu lassen.
Scherzer. Ich würde beantragen, sie 14 Tage liegen zu lassen.
Vicepräs. Da dieß ein rein formaler Antrag ist, glaube ich die schriftliche Fassung übergehen zu dürfen, und ihn dahin zu fassen, ob das hohe Haus gestatte, daß nach 14 Tagen diese auf den Tisch des Hauses niedergelegten Acten, wenn sie nicht mittlerweile benützt werden sollten, an die betreffenden Behörden zurückgestellt werden.
Diejenigen Herren, welche diese Ermächtigung dem Vorstande ertheilen wollen, mögen es durch Aufstehen kund geben (Majorität) Der Herr Minister der Finanzen wünscht das Wort.
Finanzminister Krauß Ich habe die Ehre, heute den Staatsvoranschlag vorzulegen, der schon vor mehreren Wochen beendigt war, aber durch die eingetretenen Zeitereignisse nicht vollständig über reicht werden konnte Es befinden sich in den Händen der verehrten Glieder des hohen Hauses einige Hefte, ich habe aber die Einleitung getroffen, daß das Ganze neugebunden, und jedem der Herren Abgeordneten zugestellt werde Das Ganze zerfallt in drei Theile Der erste Theil ist der Staatsvoranschlag an sich, und der zweite ist der Jahres abschluß vom Jahre 1847, der dritte der Vortrag des Ministeriums über die Anträge und Verfugungen, welche für die Zukunft einzutreten hatten. Ich bin so frei, vor Allem den Staatsvoranschlag mit einigen Bemerkungen zu beleuchten Cs zerfallt der Staatsvoranschlag in zwei Theile, wie es die Natur der Dinge mit sich bringt, nämlich in die Einnahmen und Ausgaben Das Erfordernis der Auslagen ist wieder in einige Hauptabtheilungen, als: Staatsschuld, Hofstaat, Ministerrath, Ministerium des Innern und sofort nach den einzelnen Ministerien zergliedert, endlich die Controllsbehorden, und darnach ist der ganze Ergebnißaufsatz verfast Bei der Verfassung diesem Anschlages haben sich mannigfaltige Schwierigkeiten ergeben. Sie sind nämlich formelle oder äußere, und innere Schwierigkeiten. Die äußeren Schwierigkeiten bestehen darin, daß in früherer Zeit allerdings auch jährlich sehr regelmäßige Voranschlage verfaßt wurden, sie waren aber nicht bestimmt, um einer Reichsversammlung zur Prüfung unterlegt zu werden, sie bezogen sich auch auf eine ganz andere Einrichtung der Behörden als jene ist, die in Folge der constitutionellen Umgestaltung des Reiches nothig geworden ist Es ergab sich also das Bedürfniß, die Staatsausgaben nach den Ministerien zu sondern, dieses ist um so notwendiger, als nach den Grundbegriffen einer constitutionellen Einrichtung jeder Minister für seinen Zweig verantwortlich ist, es muß also auch jedes Ministerium mit den erforderlichen Mitteln versehen werden, um dem Zwecke entsprechen zu können, der ihm vorgesetzt ist.
Man hatte früher vieles bei der Hofkammer oder Finanz Verwaltung vereinigt, und die andern Hofstellen mußten sich an die Finanz Hofstelle wenden, um die Anweisung der Ausgaben zu erwirken. Für die Zukunft wird jedes Ministerium mit einer eigenen Dotation versehen werden, wo dann jedes Ministerium über die Verwendung der Gelder wird Rechenschaft ablegen mussen Eine andere große Schwierigkeit entstand daraus, daß in dem Staatsvoranschlage Ausgaben vorkommen, welche nicht bloß für die Länder bestritten werden, die in dem hohen Reichstage vertreten sind, sondern auch für andere Länder, die Bestandteile der großen Monarchie sind. Diese Schwierigkeit trat besonders beim Ministerium des Krieges hervor. Cs ist nämlich die Armee für die Monarchie eine ungeteilte, dagegen die Provinzen einzeln zu dem Aufwand derselben beizutragen verpflichtet sind. Nun theilt sich die Monarchie nach ihrer setzeigen Gestaltung in drei Theile, nämlich: die Länder, welche hier repräsentirt sind, dann die Länder der ungarischen Krone und das lombardischvenetianische Königreich. Es war also nothwendig, diese Zergliederung nach den 3 großen Länderkomplexen vorzunehmen; eine andere Einrichtung, welche wesentlich ist, beruht auf der Unterscheidung zwischen dem laufenden oder ordentlichen, und dem außerordentlichen Erforderniß. Diese Unterscheidung ist vorzüglich dazu nöthig, um klar zu sehen, ob die Mittel, welche zur Bedeckung des Erfordernisses vorbanden sind, bloß wegen außerordentlicher Umstände nicht zureichend sind, oder ob ein dauernder Abgang stattfinde. Unter das ordentliche oder laufende Erforderniß wurden nicht aufgenommen:
1 Alle diejenigen Zahlungen, die eine Capitalszurückerstattung in sich schließen
2. Neue Baulichkeiten, nachdem dieß eine Capitalsanlage ist, und dadurch, daß man ein Capital auf eine nutzbringende Art anwendet, das Capital nicht verloren geht. Endlich
3. solche Auslagen, welche aus vorübergehenden Ursachen nur in diesem Jahre zu bestreiten sind.
Unter dem außerordentlichen Erforderniß nehmen den größten Theil die Militärauslagen ein, es ist nämlich der Stand der Armee jetzt ein viel bedeutenderer und größerer, als er es in dem gewöhnlichen Friedensstande zu sein braucht. Dasjenige, was nun diesem Grosseren Erfordernisse entspricht, mußte in das außerordentliche Erforderniß gewiesen werden. Dabei ergab sich nun noch eine andere Schwierigkeit in dieser Abtheilung des Voranschlages, nämlich die Länder der ungarischen Krone haben bisher nicht einen so großen Militärstand gehalten, als nach der Bevölkerung auf sie entfallen wurde. Dieses tritt nun bei dem Umstande, wo ein außerordentliches Erforderniß eintritt, noch greller hervor, es wird also ein Theil des Militärerfordernisses für den Augenblick mussen bestritten werden, welcher Theil, wenn eine gleichmäßige Theilung zwischen den verschiedenen Ländern eintreten könnte, auf andere Länder als auf diese, die in der hohen Versammlung vertreten sind, zu fallen hätte. Faßt man nun diese einzelnen Ausgabezweige zusammen, so ergibt sich ein Gesamterfordernis im Ordentlichen von 112, 915, 101, und im Außerordentlichen von 50, 920, 297 fl. Die Bedeckung zerfällt in 5 Abtheilungen: in die directen und indirecten Steuern, in die Einnahmen vom Staatseigenthum, Berg und Münzwesen, wann Überschüsse des Tilgungsfonds und andere verschiedene Einnahmen. Ich muß bemerken, daß sowohl bei dem Erforderniß, als bei der Bedeckung das Verhältniß vom Jahre 1847 zu Gründe gelegt worden ist, und daß alle diese Anschläge sich auf denjenigen Zustand beziehen, welcher gegenwärtig ist, nicht aber schon diejenigen Anträge in sich schließen können, welche erst dem hohen Haufe werden vorgelegt werden Diese ordentlichen Einnahmen betragen 101, 269, 403fl. Werden sie abgezogen vom Gesamt Erfordernis so ergibt sich ein Abgang von 10, 915, 101 fl. im Ordentlichen, und 50, 920, 297 fl. im Außerordentlichen. Mit dieser Bedeckung ist noch nicht alles vollkommen erschöpft, was diesen Ländern zu Gebote stehen muß, um die Ausgaben zu bestreiten. Ich habe nämlich schon die Ehre gehabt zu berühren, daß unter den Auslagen solche begriffen sind, welche nicht bloß für diese Länder, sondern auch für andere Länder gelten, als da sind: die Staatsschuld, dann der Hofstaat, das Ministerium des Äußern und vorzüglich das Militär. Wir sind rücksichtlich des lombardischvenetianischen Königreiches in der günstigen Lage gewesen, daß dieses Königreich namhafte Abfuhren geleistet hat. Nicht so war das Verhältniß zu den ungarischen Ländern. Nachdem im März und April dieses Jahres die Umänderung in der Staatsform in Ungarn erfolgt ist, so hat sich Ungarn verpachtet, 3 Millionen Gulden zur Bestreitung der Hofauslagen, des Ministeriums des Äußern, und dann jener Militärauslagen zu leisten, welche nicht unter den Auslagen für die ungarischen Truppenkörper begriffen sind. Diese 3 Millionen sind nichts weniger als zureichend; gleichwohl wurde darauf keine Abfuhr geleistet. Hier in diesem Voranschlage muß darauf Bedacht genommen werden. daß die Länder, welche hier und an diesem Reichstage repräsentier sind, Forderungen an die übrigen Theile der Monarchie zu stellen haben; aber die Vorsicht erheischt, daß in der Bedeckung der Ausgaben die Beträge nur mit dem mäßigsten Ausmaße angesetzt werden, nämlich mit demjenigen, was rücksichtlich des lombardische venetianischen Königreichs und Siebenbürgens den früher stattgefundenen Abfuhren entspricht, und rücksichtlich Ungarns mit dem Betrage von 3 Millionen. Daraus ergab sich bei der Bedeckung ein weiterer Betrag von 12, 500. 000 fl, und im laufenden Erfordernisse ein Überschuss von 1, 585. 000 fl. Wird derselbe vom außerordentlichen Erfordernisse abgezogen, so ergibt sich ein Abgang von 49, 335, 398 fl. Allerdings ein namhafter Betrag; wenn man ihn aber näher zergliedert, so zeigt es sich, daß der Zustand kein so beunruhigender ist, als es nach der absoluten Größe der Ziffer erscheinen kann. Es zerfällt nämlich dieser Betrag in drei Theile. Ein Theil umfaßt eine Capitalszurückzahlung (2, 380. 248 fl.); der zweite Theil von 12, 442. 932 fl. besteht aus den Erfordernissen zum Baue neuer Eisenbahnen und anderer Straßen, dann neuen Baulichkeiten; der Rest von 34, 512. 218 fl. ist für den außerordentlichen Kriegsaufwand; wenn es daher gelingt, den Frieden wieder herzustellen, so wird sich auch leicht das Gleichgewicht wieder ergeben; ich hoffe ferner, in der Folge dem hohen Haufe Nachweisungen vorlegen zu können, aus welchen sich die Überzeugung ergeben wird, daß, wenn die übrigen Länder, welche mit Österreich zu einer großen Monarchie verbünden sind, nur einigermaßen in ebenmäßigem Verhältnisse mit diesen Ländern zu den allgemeinen Staatserfordernissen beitragen, daß dann die Herstellung des Gleichgewichtes zwischen Ausgaben und Einnahmen sehr leicht erfolgen dürfte. Gegenwärtig aber tritt die Schwierigkeit ein, daß zu einem Kriege, welcher im Süden der Monarchie noch nicht beendet ward, im Herzen der Monarchie ein zweiter Krieg gekommen ist, ein Krieg, von welchem der Bestand und die Kraft der Monarchie wesentlich abhängt, ein Krieg, von welchem abhängt, ob die Völker, welche unter der Krone Österreichs vereinigt sind, auch Alle die gleiche Freiheit genießen werden, oder nicht. Ich glaube, dieser Krieg ist ein notwendiger, und deswegen ist es auch unumgänglich nothwendig, daß die Regierung in den Stand gesetzt würde, diesen Krieg nach Kräften zu führen; es ist erforderlich, vorzudenken, um diesen ausgewiesenen Abgang zu bedecken. Weil aber dieser Abgang ein vorübergehender ist, so könnte man bloß dieses Abganges allein wegen es noch nicht rechtfertigen, wenn bedeutende Abgaben auferlegt werden sollen. Es treten aber zu diesem Abgange noch andere Erfordernisse hinzu, welche höchst wichtig sind, und die auch eine Vorsehung erheischen. Diese entstehen aus den Beschlüssen des hohen Hauses selbst, nämlich: 1. Die gänzliche Umgestaltung der ersten Instanzen, sowohl des Gerichtswesens, als auch der politischen Behörden. Diese Umgestaltung wird, man darf es sich nicht verhehlen, namhafte Beträge in Anspruch nehmen. 2. Sind in Folge des hohen Beschlusses die Urbarial und Zehentschuldigkeiten aufgehoben worden. Der Staatsschatz ist auf jeden Fall zur Vermittlung der Entschädigung berufen, und aus sehr wichtigen Gründen darf er sich einer Theilnahme an dieser großen wichtigen Maßregel nicht entziehen. (Bravo!) Auch dafür muß gesorgt werden. Ich hoffe in Kürze in der Lage zu sein, dem hohen Haufe über die Art, in welcher der Staatsschatz sich bereits jetzt bei dieser großen Maßregel zu betheilen hätte, Anträge vorzulegen. Gegenwärtig nun kommt es darauf an, die Mittel aufzusuchen, durch welche dem bestehenden Bedarfe entsprochen werden könnte. Vor allem ist es nothwendig, die Bedingungen scharf ins Auge zu fassen, ohne deren Erfüllung Ordnung im Staatshaushalte nicht entstehen kann. Ich muß hier noch der wesentlichen Schwierigkeiten erwähnen, welche überhaupt gegenwärtig bestehen, einen genauen Voranschlag zu verfassen. Sie liegen in der ganz eigenthümlichen Lage, in welcher sich die Monarchie und ein großer Theil von Europa eben jetzt befindet.
Dieser Zustand ist der Zustand des Überganges von einem zum ändern. Das Alte besteht nicht mehr, oder muß umgeformt werden. Das Neue ist noch nicht geschaffen. Dieß macht nun, daß es ungemein schwierig ist, für den Lauf dieses Verwaltungsjahres einen bestimmten Voranschlag zu machen. Es wirkt auf alle Berechnungen zurück, denn es wird von dem Werke, das Ihrer weisen Berathung unterliegt, sehr wesentlich abhängen, welche Auslagen dem Staate als solchen, oder welche der Gemeinde, welche größeren Ländergebieten zu überweisen seien.
Auch sind die Ereignisse in einem solchen fortwährenden Wechsel begriffen, daß, wie die Erfahrung der letzten Monate gelehrt hat, man nur sehr schwer einen Anschlag für die nächste Zukunft machen kann. Nun bezieht sich dieß auch auf die Ergiebigkeit der Mittel zur Bedeckung; indessen leuchtet so viel ein, daß, um Ordnung im Staatshaushalte zu erzielen, vor allem die Herstellung und Sicherung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Staate nothwendig ist. Dieß ist die erste Grundbedingung. Die zweite Bedingung, ohne welcher eine Ordnung nicht gedacht werden kann, ist, daß der Friede wieder hergestellt werde, und zwar nicht allein der äußere, sondern auch der innere, und noch mehr dieser als jener.
Ferner gibt es noch eine andere Bedingung, welche nach meiner Meinung unter allen Umständen oben an steht und diese ist die Bedingung der Gerechtigkeit. Ich glaube, daß es kein Finanzsystem für die Dauer geben kann, das nicht auf dieser Grundlage beruht. (Bravo!) Es ist, glaube ich, die beste Finanzklugheit, nur solche Maßregeln zu ergreifen, welche gerecht sind. Aus diesem Grunde habe ich es für meine Pflicht gehalten, ehe noch der Staatsvoranschlag vollständig vorgelegt, um so weniger aber berathen werden konnte, dem hohen Hause die Aufhebung einer Abgabe anzutragen, welche keinen geringen Ertrag abwarf, welche aber ungerecht ist. Das hohe Haus hat die Aufhebung beschlossen, und die Judensteuern erscheinen nicht mehr unter den Quellen der Bedeckung. Wenn diese Bedingungen erfüllt werden, so wird es möglich sein, und ich kann die Überzeugung wiederholt ausdrücken, es wird nicht sehr großen Schwierigkeiten unterliegen, den Staatshaushalt in Österreich in volle Ordnung zu bringen. Ich will nur auf Eines noch aufmerksam machen, das ist die Größe der Staatsschuld. Es sind darüber Meinungen im Publikum, welche diese Last des Staates, die allerdings bedeutend ist, sehr überschätzen. Wenn man sie aber vergleicht mit ähnlichen Lasten anderer Staaten, so zeigt sich, daß in dieser Beziehung Österreich sich in einem viel günstigeren Zustande befindet. Ich darf hier anführen, daß das Zinsenerforderniß für die Staatsschuld von Österreich fordert 47, 593, 240 fl., in Frankreich 110, 900, 000 fl., in Großbritannien 280 Millionen. Im Durchschnitt entfällt auf jeden Kopf der Bevölkerung in Österreich 1 fl. 17 kr., in Frankreich 3 fl. 8 kr. (und da muß ich noch bemerken, daß der Anschlag von Frankreich nicht der jetzige ist, sondern der vom vorigen Jahre), in Großbritannien 10 fl. 19 kr. Um nun Mittel und Wege zu finden, durch welche der bestandene Abgang bedeckt, und man in die Lage gesetzt werden kann, den großen Umgestaltungen entgegenzugehen, die vorgenommen werden müssen, habe ich mich bemüht, solche Quellen aufzufinden, durch welche eine Bedrückung besonders der unteren, mindervermögenden Volksclassen durchaus nicht erfolge. Es hatten sich auch, wie ich hoffe, mehrere solche Ertragsquellen gefunden. Vor Allem muß ich aufmerksam machen auf einen Gegenstand, der eine höhere Besteuerung, oder überhaupt eine Besteuerung verträgt, nämlich der Zucker aus inländischen Stoffen. Bisher war dieses Erzeugniß von jeder Besteuerung frei geblieben, denn es wollte die Regierung die Entwickelung dieses Industriezweiges so wenig als möglich hemmen. Gegenwärtig drängt sich jedoch die Frage auf, ob dieses Erzeugniß einer Besteuerung unterworfen werden könnte, es werden darüber Anträge vorgelegt werden, und es scheint, nachdem der Staatsschatz in anderen Beziehungen durch die Ausbreitung der Zuckererzeugung im Innern benachteiligt wird, weil in dem Maße, als die innere Erzeugung zunimmt, die Einfuhr vom Auslande abnehmen muß, nun ein Bedürfniß zu sein, in dieser Beziehung Vorkehrungen zu treffen. Eine zweite Quelle, die ich nicht einmal eine Finanzielle nennen würde, weil sie aus ganz anderen Gründen eine notwendige Maßregel ist, jedoch in der Folge einen erhöhten Ertrag abwirft das ist die zeitgemäße Umgestaltung des Zollsystems. Es bestehen nämlich in Österreich noch sehr viele Einfuhrverbote. Die Einfuhrverbote haben den Nachtheil, daß sie nicht jenen Schutz gewähren, den man sich davon gewöhnlich verspricht, oder wenigstens nicht in dem Maße wirksam sind, als Viele glauben, daß aber von der ändern Seite die Finanzen nicht jenen Ertrag erhalten, welcher sonst aus dem Zollgefällte erlangt werden könnte. Es ist also damit eine Erschwerung des Verkehrs verbunden, zu gleicher Zeit aber entbehrt auch die Gesammtheit derjenigen Geldmittel, welche auf diesem Wege erlangt werden könnten; deßwegen ist das Ministerium zu dem Beschlüsse gelangt, dem hohen Hause vorzuschlagen, daß allmälig die Einfuhrverbote aufgehoben werden. Dafür spricht auch ein wichtiger politischer Grund. So lange, als wir solche Einfuhrverbote in großer Zahl noch bestehen lassen, ist ein inniger Anschluß an irgend ein anderes Land, also auch an Deutschland, nicht ausführbar. (Beifall.) Es ist also vor Allem nöthig, dieses Hinderniß hinwegzuräumen. Ich muß aber hier zur Beruhigung der Industriellen bemerken, daß es die Absicht des Ministeriums durchaus nicht ist, in dieser so wichtigen und schwierigen Umgestaltung vorschnell und ohne Berücksichtigung aller