Nedìle 22. øíjna 1848

Abendsitzung am 22. October 1848.

Vorsitzender: Präs. Smolka.

Anfang um 5 Uhr Abends.

Präs. Es ist die zur Eröffnung und zur Schlußfassung erforderliche Anzahl Abgeordneter anwesend. Meine Herren, Ihr permanenter Ausschuß wird Ihnen Bericht erstatten über den Gegenstand, den ich zu Ende der heutigen Sitzung der hohen Kammer angekundiget habe. Es ist dieß, meine Herren, ein Gegenstand von höchster Wichtigkeit, und ohne daß ich mir anmaßen würde, in irgend einer Art auf die dießfällige Schlußfassung des hohen Hauses Einfluß nehmen zu wollen, so will ich mir doch erlauben, Sie meine Herren, im Interesse der höchsten Wichtigkeit dieses Gegenstandes zu erinnern und aufzufordern, dem vorzunehmenden Gegenstande alle jene Aufmerksamkeit, jene ruhige und gewissenhafte Würdigung zuzuwenden, welche nothwendig ist, um über eine solche Sache zu entscheiden, und nothwendig ist, um dieselbe einer befriedigenden Lösung zuzuführen. Ich fordere den Herrn Berichterstatter des permanenten Ausschusses auf, zur Berichterstattung zu schreiten.

Abg. Schuselka. Der Gemeinderath der Statt Wien hat sich unmittelbar nach unserer heutigen Vormittagssitzung an den permanenten Ausschuß gewendet, und ihm folgende Mittheilung gemacht:

Erstens, eine schriftliche Zustellung des Fürsten Windisch-Grätz an den Gemeinderath der Stadt Wien, datirt vom Hauptquartier Stammersdorf, vom 22. October 1848. (Liest):

"An den Gemeinderath der Stadt Wien.

"Hauptquartier Stammersdorf, am 22. October 1848.

"Kraft der mir von Seiner Majestät dem Kaiser verliehenen Vollmacht übermittle ich dem Gemeinderathe der Stadt Wien 1000 Exemplare sowohl von dem Manifeste Seiner Majestät, als von der von mir selbst erlassenen Proclamation mit dem Auftrage, dieselben alsogleich zu veröffentlichen.

"Ich mache den Gemeinderath für alle aus der Nichtverlautbarung dieser Proclamation entspringenden Folgen auf das strengste verantwortlich, indem ich die energischesten Maßregeln ergreifen werde, um im entgegengesetzten Falle das von mir Angeordnete in Vollzug zu sehen."

Fürst Windisch-Grätz m. p.

(Zischen.)

Es lag bei folgende Proclamation an die Bewohner Wiens:

"An die Bewohner Wiens!

"Von Seiner Majestät dem Kaiser beauftragt, und mit allen Vollmachten ausgerüstet, um dem in Wien dermalen herrschenden gesetzlosen Zustande ohne Zeitverlust ein Ziel zu sehen, rechne ich auf den aufrichtigen und kräftigen Beistand aller wohlgesinnten Einwohner.

"Bewohner Wiens! Euere Stadt ist besteckt worden durch Gräuelthaten, welche die Brust eines jeden Ehrenmannes mit Entsetzen erfüllen. Sie ist noch in diesem Augenblicke in der Gewalt einer kleinen, aber verwegenen, vor keiner Schandthat zurückschaudernden Faction. Euer Leben, Euer Eigenthum ist preisgegeben der Willkür einer handvoll Verbrecher. Ermannt Euch, folgt dem Rufe der Pflicht und der Vernunft! Ihr werdet in mir den Willen und die Kraft finden. Euch aus ihrer Gewalt zu befreien und Ruhe und Ordnung wieder herzustellen.

"Um diesen Zweck zu erreichen, werden hiemit die Stadt, die Vorstädte und ihre Umgebung in Belagerungszustand erklärt, sämmtliche Civilbehörden unter die Militär Autorität gestellt, und gegen die Uebertreter meiner Perfügungen das Standrecht verkündigt.

"Alle Wohlgesinnten mögen sich beruhigen. Die Sicherheit der Personen und des Eigenthums zu schirmen, wird meine vorzügliche Sorge sein. Dagegen aber werden die Widerspenstigen der ganzen Strenge der Militärgesetze verfallen.

"Lundenburg den 20. October 1848.

"Fürst zu Windisch-Grätz, Feldmarschall."

(Zischen.)

Der Gemeinderath der Stadt Wien hat sich, nachdem er diese schriftliche Zustellung des Fürsten Windisch-Grätz erhalten hatte, unmittelbar an den permanenten Ausschuß des Reichstages und durch diesen an den Reichstag selbst gewendet, er hat uns zugleich angekündet, daß er denselben Gegenstand heute in reifliche Berathung nehmen wird, von uns aber verlangt, als von der Autorität, die gegenwärtig, ohne daß sie es gewünscht oder gewollt hätte, als oberste, als einzige angesehen werden muß, in derselben Beziehung einen Beschluß zu erlangen Ihr permanenter Ausschuß hat diesen verhängnißvollen Gegenstand in reifliche Erwägung gezogen und ist mit Berücksichtigung auf den thatsächlichen Zustand, in welchem sich Wien seit dem 6. October befindet, in Berücksichtigung aller Schritte, welche der permanente Ausschuß und der Reichstag selbst zur friedlichen Beilegung der Verhältnisse gethan haben, in Berücksichtigung ferner der wiederholten Versicherungen, welche vom commandirenden General ausgegangen sind, in Berücksichtigung endlich des am 19. October von Seiner Majestät erlassenen Manifestes zu einem Beschlusse gediehen. — Er hat sich auch in dieser wichtigen, verhängnißvollen, in dieser ernstesten Angelegenheit unter allen, die wir bisher berathen haben, möglichst bemüht, auf seinem gesetzlichen Standpuncte zu bleiben. Dieser gesetzliche Standpunct war ihm angewiesen zuerst und zu oberst durch die allgemeinen Grundsätze constitutioneller Freiheit. Zu bedauern ist es allerdings, daß Oesterreich, obwohl schon seit dem März zur Freiheit erhoben, dennoch die urkundliche, die grundgesetzliche Gewährleistung dieser Freiheit in einer Constitution nicht besitzt; zu bedauern ist dieses, weil eben dadurch veranlaßt sind jene beklagenswerthen Stürme und Erschütterungen unseres Staatswesens, welche die kurze Zeit unserer Freiheitsbestrebungen ausfüllen. Allein über Geschehenes zu klagen, ziemt sich nicht, wenn der unmittelbare Moment der Gegenwart thatkräftige Besonnenheit verlangt. Wir mußten uns also in dieser Beziehung, weil uns eine förmlich ausgearbeitete Constitution mangelt, an die allgemeinen constitutionellen Grundsätze halten, und diese constitutionellen Grundsätze, wie sie in der ganzen civilisirten Welt gelten und von allen civilisirten Völkern und deren Behörden geachtet werden, sprechen aus, daß ein Zustand, wie der Belagerungszustand, die Verkündigung des Standrechtes, das heißt, die Suspendirung aller gewöhnlichen gesetzlichen Autoritäten und Behörden, nicht durch Willkür, nicht durch einseitige Verfügung über ein Land, über eine Stadt, oder über ein Volt verhängt werden könne (Beifall), daß eine Suspendirung aller regelmäßigen gesetzmäßigen Gewalten nur im regelmäßigen, gesetzlichen Wege geschehen könne. — Dieser ist der erste gesetzliche Standpunct, auf den wir uns gestellt haben. Den zweiten gesetzlichen Anhaltspunct, wenn auch nicht im eigentlichen streng gesetzlichen Sinne, fanden wir in der ausgesprochenen Erklärung Seiner Majestät des Kaisers, contrasignirt von einem verantwortlichen Minister in dem Manifeste vom 19. October. Darin spricht Se. Majestät zwar über die geschichtlichen Vorgänge seit dem 6. October sein Bedauern aus, erklärt zwar darin, daß er sich gezwungen sehe, militärische Maßregeln anzuordnen, erklärt aber und bekräftiget mit seinem kaiserlichen Worte, daß alle Freiheiten, alle die Rechte, die gewährt worden sind, ungeschmälert bleiben sollen; erklärt ferner, daß es sein unveränderlicher und unerschütterlicher Wille sei, daß dieser Reichstag sein Wirken ungestört und in freier Berathung vollbringe. — Wenn wir nun diese beiden Erklärungen des Kaisers, die unterzeichnet sind von einem verantwortlichen Minister, näher betrachten, so sehen wir erstlich in Betreff der von Sr. Majestät nöthig erachteten militärischen Maßregel, daß Folgendes erwogen und zur gewissenhaften Erwägung öffentlich hervorgehoben werden muß. — An und für sich, nach dem allgemeinen Rechtsgefühl und den constitutionellen Grundsätzen können militärische Maßregeln nur dann ergriffen werden, wenn alle anderen friedlichen bereits erschöpft sind. Diesen Grundsatz habe ich bereits Vormittags bei meinem Berichte, obwohl ich von dieser Maßregel noch gar nichts wußte, hervorgehoben. Wenn aber selbst alle friedlichen Maßregeln erschöpft sind, so ist es eine Forderung sowohl des Rechtes als der Billigkeit und die Forderung der Humanität und der Menschlichkeit, daß man nicht mit dem extremsten, furchtbarsten, letzten Gewaltschritte anfange, und den Belagerungszustand und das Standrecht über eine Bevölkerung verhängt; dieß ist aber das Letzte, was verhängt werden kann, wenn alle friedlichen Mittel nicht ausreichen. Nun ist aber Niemanden in dieser Stadt bekannt, daß alle friedlichen Mittel erschöpft worden sind. — Bis zu diesem Grade, der jetzt mit einem Male, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, hervorbricht, ist es nun gekommen, es ist das Schrecklichste, das man verhängen kann, nämlich der Belagerungszustand und das Standrecht ausgesprochen worden!

Betrachten wir den zweiten Punct des kaiserlichen Manifestes, betreffend die freie und ungestörte Berathung der Constitution durch diesen Reichstag, so liegt klar am Tage, daß eine constituirende Versammlung in einer Stadt, über welcher das Schwert hängt, welche unter dem Standrechte steht, welche belagert ist, daß in einer solchen Stadt eine constituirende Versammlung nicht frei und ungestört berathen kann. Ein solcher Zustand ist vielleicht nur dann gesetzlich möglich und vereinbar mit der gesetzlichen Wirksamkeit einer constituirenden Versammlung, wenn diese Versammlung selbst zu ihrem eigenen Schutze, vielleicht zur Wahrung ihrer freien und ungestörten Berathung auf eine solche Ausnahmsmaßregel anträgt, sie verlangt, beschließt, wie wir sehen, daß in Frankreich die constituirende Nationalversammlung den Belagerungszustand berathen und beschlossen hat. Daß aber gegen alle allgemeinen constitutionellen Grundsätze, gegen den ausdrücklich erklärten Willen Sr. Majestät des Kaisers, gegen alle Rücksicht der Billigkeit und Humanität, in lediglich militärischem Wege über eine Stadt, welche, weil sie einen constituirenden Reichstag in sich faßt, eine gefriedete Stadt sein soll, die Maßregel des Belagerungszustandes und des Standrechtes ausgesprochen wird, das widerspricht so ganz und gar allen geschichtlichen Erfahrungen, allen Grundsätzen civilisirter Staatsverwaltungen und Staatsverfassungen, daß wir erklären müssen, eine freie und ungestörte Berathung von innen und außen ist in einem solchen Zustande nicht möglich.

Wir haben nun, nachdem wir diesen Grundsatz reiflich erwogen, zunächst den Gedanken gefaßt, daß in den zwei Manifesten, die da circuliren, möglicherweise — ich bitte, das Wort, das ich ausspreche, genau zu erwägen — ich sage möglicherweise, ein Widerspruch in der Beziehung vorgekommen sei, daß das eine Manifest auf ungesetzlichem Wege promulgirt wird und wesentlich und vorzüglich unter den Soldaten promulgirt worden, daß sie, und daß der commandirende General von dem letzten Manifeste des Kaisers, welches am 19. erlassen wurde, vielleicht keine Kenntniß erlangt haben. Wir haben deßhalb mit dem Minister der Finanzen, der hier anwesend ist, eine Berathung gepflogen, und er hat von seinem Standpuncte aus die Maßregel ergriffen, an den Fürsten Windisch-Grätz die Proclamation vom 19. durch einen Courier ergehen zu lassen, und zu gleicher Zeit den Versöhnungs- und Vermittlungsantrag der beiden Abgeordneten des Frankfurter Parlaments. Wir haben auf diese Maßregel keinen directen und bestimmenden Einfluß geübt, haben immer getreu bleibend unserem Bestreben, Alles Mögliche zu versuchen, um Unheil und Verwüstung abzuhalten, gerne beigestimmt, in soferne, als wir diese Maßregel vielleicht zum Zwecke führend anerkannten. Wir haben aber in dieser verhängnißvollen Zeit damit unsere Aufgabe keineswegs vollendet erachtet. Wir haben eingesehen, daß wir, die wir von der hohen Kammer mit dem schwierigen Berufe beauftragt sind, im Namen dieser hohen Kammer zur Abwendung von namenlosem Unheil von der Stadt Wien und dem ganzen Reiche thun müssen, was die Pflicht eines Ehrenmannes ist, was die Pflicht eines Volksvertreters ist, was die Pflicht ist, um sich wenigstens, wenn auch das Schlimmste eintritt, sagen zu können: Wir haben gethan, was wir nach unserem Gewissen vor Gott, der Welt und dem Volke thun mußten. (Beifall.) Wir vereinigten uns, um der hohen Kammer einen Antrag zu stellen, einen Antrag zur Beschlußfassung, und betreff des eben vorgetragenen Gegenstandes, einen Antrag, welcher den gesetzlichen Boden nicht verläßt, welcher vielmehr bemüht ist, fest auf dem gesetzlichen Boden zu wurzeln, und dem Ungesetzlichen mit aller Kraft entgegenzutreten. Der Antrag lautet:

"In Betracht, daß die Herstellung der Ruhe und Ordnung, wo sie wirklich gefährdet sein sollte, nur den ordentlichen constitutionellen Behörden zukömmt und nur auf ihre Requisition das Militär einschreiten darf;

in Betracht, daß nach dem wiederholten Ausspruche des Reichstages und des Gemeinderathes die bestehende Aufregung in Wien nur durch die drohenden Truppenmassen unterhalten wird;

in Betracht endlich, daß das kaiserliche Wort vom 19. d. M. die ungeschmälerte Aufrechthaltung aller errungenen Freiheiten, sowie ganz besonders die freie Berathung des Reichstages neuerdings gewährleistet,

erklärt der Reichstag die vom Feldmarschall Fürsten Windischgrätz angedrohten Maßregeln des Belagerungszustandes und des Standrechtes für ungesetzlich. (Großer anhaltender Beifall.)

Präs. Ich ersuche die Gallerien, sich jedes Beifalles zu enthalten und überhaupt die Verhandlungen in keinerlei Weise zu stören. — Wollen der Herr Berichterstatter fortfahren.

Abg. Schuselka (liest:) "Von diesem Beschlusse ist sowohl der Minister Wessenberg, als der Feldmarschall Fürst Windisch-Grätz sogleich durch Eilboten in Kenntniß zu sehen." (Beifall.)

Ich bitte im Namen des Ausschusses die hohe Versammlung, diesen Antrag derjenigen ernsten und gewissenhaften Würdigung zu unterziehen, welche der verhängnißvolle Moment, in welchem wir uns befinden, und durch und mit uns die Völker, welche wir vertreten, erheischt.

Präs. Ich werde mir erlauben, diesen Antrag nochmals zu lesen, und sodann die Debatte darüber eröffnen. Wünscht Jemand hierüber das Wort zu ergreifen?

Abg. Löhner. Ich habe sehr wenig zu sagen, wäre auch nicht im Stande, eine längere Rede zu halten; nur Eines möchte ich zu diesem Antrage hinzu gesetzt haben und bitte die hohe Versammlung, mich nicht zu mißverstehen. Ich habe nichts dagegen einwenden können, was heute der Herr Abgeordnete für Berchtholdsdorf in Bezug auf die Mission der Abgeordneten des Reichsverwesers und des Frankfurter Reichstages erwähnt hat, ich wäre auch der Meinung gewesen, daß die Vertreter des Reichstages sich hätten nach Wien begeben sollen; allein eine Zeit, wie die unserige, verlangt rasche Handlungen und weniger die Frage, was geschehen hätte können, als was noch geschehen kann. Ich glaube, daß sowohl jeder Einzelne von uns, als der ganze Reichstag sich alles dessen, was man gewöhnlich Stolz nennt, in soweit entschlagen soll, als er einer höheren Pflicht gegenüber steht, und ich glaube, daß dieser Reichstag, obwohl er auch von Völkern beschickt ist, für welche der Frankfurter Reichstag nur eine befreundete Macht sein kann, obwohl ich diesen Standpunct des Frankfurter Reichstages vollkommen anerkenne, so bin ich auch der Meinung, daß, in soferne es sich um solchen deutschen Boden handelt, um den Boden von Wien, der unbestritten zum deutschen Reichstage seine Vertreter geschickt hat, die noch draußen tagen, bin ich der Meinung, daß der Reichstag nichts unterlassen soll, was beitragen kann, seinen Maßregeln und Protesten Kraft zu geben, — deßwegen nicht, weil so gut der Reichstag jeder der Nationalitäten, die hier vertreten sind, seine vollkommene Pflicht schuldet, er es auch gewiß dem deutschen Thelte von Oesterreich nicht wird entziehen wollen. Ich glaube, daß die hohe Reichsversammlung sich nichts vergibt und nur ihrer heiligen Pflicht gemäß handeln wird, wenn sie diesen Protest zugleich officiell an die in Olmütz anwesenden Reichs-Commissäre zu Handen übergibt. Ich trage also darauf an, indem ich sonst vollkommen einverstanden bin, daß diese Erklärung auch den beiden Bevollmächtigten der deutschen Centralgewalt übergeben werde.

Abg. Nadler. Ich bin einverstanden mit dem Vorredner, wünsche auch noch daß nebstbei die beiden Frankfurter Abgesandten nach Oesterreich eingeladen werden mögen, sich persönlich hier in Wien zu überzeugen, daß Ruhe und Ordnung und keineswegs Gesetzlosigkeit hier herrsche. Auch wünsche ich in dem Antrag des permanenten Ausschusses ausdrücklich aufgenommen zu haben, worin die Maßregeln des Fürsten Windisch-Grätz bestehen, nämlich in Belagerungzustand und Standrecht. Ich bin übrigens mit dem Antrage der Commission einverstanden.

Präs. Der Herr Berichterstatter bemerkt mir soeben, daß dieß angeführt war, ich habe es aber übersehen und nicht gelesen.

Wenn Niemand mehr das Wort nimmt, so ersuche ich den Berichterstatter, falls er etwas auf das Vorgebrachte zu erwiedern hätte, das letzte Wort zu ergreifen.

Abg. Schuselka. Eigentlich kann ich nichts dagegen einwenden, obwohl ich mich heute Morgen verpflichtet gesehen habe, das Verfahren der beiden Reichscommissäre einer Rüge zu unterziehen. Es ist die beantragte Zusendung an sie, oder auch die Einladung, hieher kommen zu wollen, eine Maßregel, die, wenn ich popular sprechen soll, nicht schadet, wenn sie auch nichts nützt, und in sofern habe ich nichts dagegen. Nur muß ich bemerken, daß der permanente Ausschuß nicht gänzlich auf diese Maßregel vergessen hat, und laß seines Erachtens dasjenige, was vielleicht unmittelbar eine praktische Wirkung haben kann, bereits geschehen ist. Es ist nämlich im Einverständnisse mit dem permanenten Ausschuße vom Ministerium, vom Minister Krauß an den Feldmarschall Fürsten Windisch-Grätz die Aufforderung, die Zuschrift der beiden Frankfurter Deputirten mitgetheilt worden, und das scheint mir ist das zunächst Praktische, das bekömmt zunächst der, der uns mit Belagerungszustand und Standrecht bereits überzogen hat. Will er sowohl seiner Individualität nach, als auch nach Maßgabe seiner Vollmachten, die er hat, und die wir nicht ganz kennen, will er und fühlt er sich verpflichtet zu wollen, daß dem Friedenswerke der beiden Deputirten Zeit gegönnt werde, so wird er es seinerseits veranlassen. Aber, daß wir in einem Augenblicke, wo faktisch über Wien der Belagerungszustand, das Standrecht ausgesprochen ist, erst nach Olmütz in dieser Beziehung schicken, um die Herren einzuladen, scheint mir nicht praktisch, und ich glaube, daß in dem Beschlusse, den wir gefaßt haben, und fassen mußten, eine solche Maßregel, die nebenbei vielleicht ganz anwendbar sein könnte, nicht aufzunehmen sei. Ich glaube, daß das eine Maßregel wäre, die vom Präsidium aus geschehen könnte. Ich würde aber nicht dafür sein, daß wir unserem Beschlusse, welcher bestimmt und entschlossen von uns aus lauten soll und muß, gewisse Anhängsel zufügen sollen, von einer Verfügung, die eigentlich, wenn man sie dem bereits auszsprochenen Belagerungszustand und Standrechte entgegenhält, etwas kleinlich aussehen möchte. Ich trage daher darauf an, daß die Kammer dahin entscheide, daß das Präsidium dieß im Präsidialwege vollführe. Da übrigens die Reichstagscommissäre von Frankfurt sich auch nicht an den Reichstag selbst, sondern nur an das Präsidium mit einer persönlichen Zuschrift gewendet haben, daß schriftlich ihnen vom Präsidium aus die Nachricht mitgetheilt werde, daß sie meinetwegen auch gebeten werden, hieherzukommen, um ihren vermittelnden Einfluß geltend zu machen. Ich müßte mich aber entschieden dagegen erklären, und ich glaube, auch im Namen aller Ausschußmitglieder, daß unser abgeschlossene Beschluß durch diese Anhängsel gewissermassen geschwächt werde.

Abg. Borrosch. Ich glaube, daß wir es überhaupt gar nicht thun dürfen, ohne nicht der Würde der hohen Kammer aufs allerempfindlichste zu nahe zu treten. Wenn wir auf das Compromiß dieser beiden Deputaten hin davon wollen abhängig machen, wie die hiesigen Zustände aufzufassen und wie wir unsere Beschlüsse zu motiviren haben, so ist doch nur zweierlei denkbar. Entweder sie sind der gegentheiligen oder sie sind unserer Auffassung. In dem ersten Falle hätte sich also die Reichskammer untergeordnet dem Urtheile dieser Deputirten, in dem letzteren Falle kann es durchaus, glaube ich, für die Kraft unserer Beschlüsse Nichts beitragen, das ist, in so ferne man sie hier gleichsam als Augenzeugen und als Beurtheiler betrachtet. Als Abgeordnete der Reichsgewalt in Frankfurt a. M. mögen sie alles Mögliche thun, was irgend zur Versöhnung und zur Friedigung beitragen kann, und in dieser Beziehung natürlich wird hier der Antrag, welchen der Herr Abgeordnete dort stellt, durchaus in keinem Zusammenhange stehen, ich bin also ganz entschieden dagegen in dieser Weise.

Präs. Ich werde mir erlauben, nachdem ich die Debatte für geschlossen halte, den Gegenstand zur Abstimmung zu bringen und bemerke vor Allem, daß nach vorgenommener Zählung 197 Mitglieder anwesend, demnach wir beschlußfähig sind. — Zu dem Antrage des permanenten Ausschusses liegt ein Zusatzantrag des Abgeordneten Löhner vor. Ich werde mir erlauben, den Antrag des permanenten Ausschusses vor Allem zur Abstimmung zu bringen, und dann den Zusatzantrag des Abg. Löhner. Der Antrag des permanenten Ausschusses lautet (wie bereits früher vorgetragen). Wird der Antrag unterstützt? (Unterstützt.)

Diejenigen Herren, die für die Annahme dieses Antrages sich aussprechen wollen, ersuche ich aufzustehen. (Eminente Majorität — anhaltender Beifall.)

(Ruf: Einstimmig!)

Ich werde aufgefordert, zu erklären, daß der Beschluß einstimmig gefaßt wurde; ich konnte es nicht thun, weil ich einige Herren, zwei oder drei, habe sitzen gesehen. Es liegt ein fernerer Zusatzantrag des Abg. Löhner vor, welcher lautet: —

Abg. Löhner. Ich vereinige mich mit dem Berichterstatter und ziehe meinen Antrag zurück. (Bravo.)

Präs. Ich frage die hohe Kammer nur noch, ob durch das Präsidium allenfalls die Reichscommissäre in Kenntniß gesetzt werden könnten. (Ruf: Ja, ja!) Wenn die hohe Kammer damit einverstanden ist, wolle sie es durch aufstehen kund geben. (Angenommen.)

Es ist noch nicht ausgesprochen worden die Art, in welcher der Herr Minister Wessenberg und Fürst Windisch-Grätz in Kenntniß gesetzt werden sollen. (Mehrere Stimmen: Durch einen Eilboten von Seite des Reichstages.) Es wird das Vorstandsbureau die Ausfertigung sogleich machen lassen.

Abg. Umlauft. Ich stelle den Antrag, daß dieser so hochwichtige Beschluß der Kammer augenblicklich der Bevölkerung Wiens und der Provinzen durch den Druck bekannt gegeben werde. (Ja, ja!)

Abg. Goldmark. Es war meine Absicht, denselben Antrag zu stellen.

Präs. Wird der Antrag auf Bekanntmachung dieses Beschlusses unterstützt? (Geschieht.) Diejenigen Herren, welche damit einverstanden sind, belieben aufzustehen. (Geschieht.)

Der Antrag ist angenommen.

Ich erlaube mir nur noch der hohen Kammer eine Eingabe vorzulesen, welche mir so eben zugekommen ist. Sie ist vom Abg. Joseph Leeb und lautet:

"Hohe Reichsversammlung!

"Wie einerseits der ausgebreitete, jede Abwesenheit auf längere Zeit ausschließende Wirkungskreis des gehorsamst Gefertigten als Sadtdechant und Diözesan-Schulen-Oberaufseher, so leget ihm andererseits sein vorgerücktes Alter und die fortschreitende Zerrüttung seines Gesundheitszustandes die unabweisliche Pflicht auf, sein Mandat — in einem Augenblicke, wo es ihm physisch und moralisch unmöglich wird, seiner hochwichtigen Mission mit der gewissenhaften Treue, die sie heischt, ohne Verletzung seiner anderweitigen Amtsobliegenheiten nachzukommen — in die Hände seiner Committenten zurückzulegen.

"Indem er dieß Einer hohen Reichsversammlung zur Kenntniß bringet, erlaubt er sich zugleich, die eben so ehrfurchtsvolle als dringende Bitte zu stellen, Hochdieselbe geruhe das Ministerium des Innern zur Ausschreibung einer neuen Wahl für die königliche Stadt Budweis in Böhmen aufzufordern.

"Budweis am 19. October 1848.

Dr. Joseph Leeb m. p.,

Domcustos, Diözesan - Schulen-Oberaufseher und Stadtdechant in Budweis."

Es wird die Veranstaltung getroffen werden, damit sogleich eine neue Wahl ausgeschrieben werde.

Ich werde mir nun erlauben die Sitzung bis auf morgen, allenfalls 10 Uhr früh, zu unterbrechen, und bemerke nur, daß die Tagesordnung bereits heute Vormittag festgesetzt wurde.

Ich werde sie noch einmal vorlesen:

I. Bericht des permanenten Ausschusses.

II. Ablesung des Sitzungs-Protokolles.

III. Bericht über Wahlacte.

IV. Berathung des Gesetzes wegen Unverletzlichkeit der Reichtags-Abgeordneten.

V. Berichte des Petitions-Ausschusses.

Ich erkläre die Sitzung für unterbrochen.

(Um halb 6 Uhr.)


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