Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Sechsunddreißigste Sitzung des constituirenden Reichstages am 7. September 1848.
Tagesordnung:
1. Ablesung des Sitzungsprotokolls vom 6 September 1848.
2. Redaction der Beschlüsse über den Antrag des
Abg. Kudlich.
3. Berathung über den Antrag des Abg. Praschak, über die Art der Zusammensetzung des Ausschusses, nach den Beschlüssen über den Antrag des Abg. Kudlich.
4. Berichte des Petitionsausschusses.
5. Berathung über den Selinger Straffer'schen Antrag.
6. Berathung über den Gesetzentwurf zur Hinahnhaltung gewaltsamer Störungen der Verhandlungen des Reichstags und zum Schütze seiner Glieder.
Hofloge: leer.
Vorsitzender: Präsident S t r o b a c h.
Auf der Ministerbank: Doblhoff, Latour, Bach, Krauß, Schwarzer, Hornbostl. Anfang um 10 1/2 Uhr.
Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl der Deputirten ist anwesend, ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Ich ersuche den Herrn Secretär Zwickle, das Protokoll über die letzte Sitzung zu lesen.
Zwickle (liest das Protokoll). Präs. Wünscht Jemand das Wort?
Hubicki. Der ganze Vorgang der Anklage gegen den Abg. Stadion ist im Protokolle nicht enthalten; ich mache die Bemerkung, daß derselbe samt dem an mich gerichteten Ordnungsrufe eingeschaltet werde.
Zwickle. Derlei Worte sind nie aufgenommen worden.
Hubicki. Es ist keine Persönlichkeit.
Zwickle. Die Geschäftsordnung sagt, daß die Anträge, welche zur Abstimmung kommen, in das Protokoll aufgenommen werden sollen. Indes wenn es der Herr Präsident bestimmt Violand. Ich ersuche ebenfalls, daß dieser ganze Vorgang ausführlich samt dem Ordnungsrufe aufgenommen werde, um so mehr, weil sich auf diesen Vorgang und den Ordnungsruf mein Protest stützt. Es muß darin vorkommen, weil gerade in dieser Beziehung mehrere Anträge in der Zukunft gestellt werden dürften.
Präs. Ich glaube, das Recht zu bestimmen, ob es in das Protokoll aufgenommen werden soll, steht nicht dem Präsidenten zu; zunächst sind die Herren Schriftführer dazu berufen, die Bestimmungen der Geschäftsordnung in Ausführung zu bringen, und in dieser Beziehung dürfte der § 17 der Geschäftsordnung maßgebend sein. (Liest den Paragraph.) Nun ob eine einfache Bemerkung des Herrn Hubicki, dann der von mir ergangene Ordnungsruf unter diese vier Gegenstände zu subsumiren sei, muß ich offenbar der hohen Kammer überlassen; wenn nicht ein eigener Antrag gestellt wurde, und dießfalls der Beschluß gefaßt wird, daß diese Bemerkung samt dem Ordnungsrufe ins Protokoll aufgenommen würde, dann glaube ich, kann es nicht aufgenommen werden. Es muß ein eigener Antrag vorliegen.
Hubicki. Das gehört zur gestrigen Abstimmung, und ich will Beweise liefern, daß eine Intrige durch den Herrn Stadion geführt wurde, hiermit habe ich das volle Recht, zu begehren, daß es in das Protokoll gesetzt werde.
Präs. Wenn es die hohe Kammer wünscht.
Stadion. Ich habe mir erlaubt, einen Antrag zu stellen, indem die Beschwerde, die gestern von dem Abg. für Olejow ausgesprochen wurde, der Art ist, daß ich glaube, daß es im Interesse des ganzen Hauses wäre, zu ergründen, ob denn wirklich unparlamentarische Mittel angewendet worden sind, wie der Herr Beschwerdeführer meint.
Ich habe den Antrag gestellt, und bitte, die Kammer möge eine Commission bestimmen, diesen Gegenstand zu untersuchen. Der Herr Beschwerdeführer hat gestern angegeben, daß ich mit einigen galizischen Abgeordneten des Bauernstandes gesprochen habe, in der Absicht, um sie dahin zu bewegen, nach meiner Ansicht und nicht nach Ansicht der Gegenpartei zu stimmen. Das habe ich gethan, und der Herr Beschwerdeführer hat es gehört, weil er neben jenen gestanden ist. Gerade deßhalb, weil ich den Herrn Abgeordneten von der Gegenseite bei den gallischen Abgeordneten stehen sah, war ich veranlaßt, mit ihnen zu sprechen, und mich ihnen zu nähern.
Ich glaube, daß ich dasselbe Recht habe, ebenso gut wie der Herr Beschwerdeführer, mit diesen Abgeordneten zu reden. Damals schon hat mir der Herr Beschwerdeführer gesagt, ich hätte Unrecht, mit diesen Deputierten zu sprechen; ich hatte nämlich nicht gewußt, daß er allein die Vormundschaft über diese Herren führt (Zischen links, Beifall im Centrum und rechts), und das Monopol anspricht, mit diesen Ab geordneten zu verkehren. Ich glaube, das Recht zu haben wie jeder andere meiner Collegen, meine Ansichten aufzusprechen, und zu versuchen, diejenigen, die der gegentheiligen Meinung sind, auf parlamentarische Weise zu meiner Ansicht zu bringen.
Es thut mir leid, aus diesem Anlasse auch als Kläger auftreten zu müssen. Ich muß die halbe Kammer anklagen, da sie sich während der 10 Minuten vor der Abstimmung, den Augen des Präsidenten entzogen hat, und im Vorfalle die Herren sich besprachen. Ich habe selbst gehört, wie die Herren beider Parteien mit einander geredet, und getrachtet haben, auch andere Deputirte der gegentheiligen Partei auf ihre Seite zu bringen. Es thut mir leid, noch eine weitere Anklage vorbringen zu müssen. Es ist mir selbst geschehen, daß ich von einem Collegen angeredet würde, um mich zu veranlassen, in der Abstimmung mit Ja zu stimmen. Ich will diesen Herrn nicht nennen, um ihn der Verlegenheit nicht auszusetzen, in die man mich fetzt. Er würde sich um so schwieriger vertheidigen können, als er mich so weit gebracht hat, daß ich bei der Abstimmung gegen meine Ansicht " Ja " gesagt habe, und das Votum erst nachträglich ändern mußte. Ich glaube, daß jeder von uns das Recht hat, diejenigen, die nicht mit uns stimmen, durch Gründe zu bewegen, sich uns anzuschließen, ihre Ansicht zu ändern und ich halte das, was ich gethan, für vollkommen parlamentarisch und in meinem Rechte gegründet, trotzdem meine ich, daß es nöthig ist, daß die Kammer eine Untersuchung bestimme, weil ich glaube, daß es der Ehre der Kammer zuwider wäre, von irgend einem Mitgliede ein unparlamentarisches Vorgehen zuzulassen, und wenn ich mir wirklich etwas habe zu Schulden kommen lassen, ich mich nicht der Rüge, die ich etwa verdienen könnte, entziehen soll und will.
Die Sache noch weiter zu begründen, halte ich nicht gerathen, weil ich fürchten müßte, neuerlich den Verdacht zu erregen, die Ansichten der Herren Deputirten influenzirren zu wollen, und mir dadurch eine neue Anklage wegen unparlamentarischen Vorgehens, gegenüber der ganzen Kammer von einer Seite derselben zuzuziehen. Ich glaube daher, daß die Untersuchung dieses Vergehens einer Commission zu überlassen sei.
Präs Ich erlaube mir zu bemerken, daß dieser Antrag vor der Hand nicht zur Abstimmung kommen kann, als bis das Protokoll richtig gestellt ist; dann werde ich mir erlauben, den auf den Tisch des Hauses niederzulegenden Antrag vorzulesen.
Aber vor der Hand schreiten wir zur Richtigstellung des Protokolles, da meines Erachtens dieser Gegenstand nicht in dieses, wohl aber in das stenographische Protokoll gehört, indem selbst der Ordnungsruf nicht einen Gegenstand des Protokolles bildet, weil bloß ausnahmsweise die Niederlegung einer Rüge nach. §. 70 der Geschäftsordnung einen Gegenstand des Protokolles bildet.
Abg. S i e r a k o w s k i. Kann ich ein Wort sprechen über diesen Gegenstand?
Präs. Nachdem das Protokoll richtig befunden sein wird, werde ich sagen, warum gleich darnach es nöthig sein wird, in diesem Gegenstande zu sprechen.
Abg. S i c r a k o w s k i. Während Abg. Stadion noch sprach, habe ich um's Wort gebeten.
Präs. Es dürfte dem Gegenstande förderlicher sein, den Gegenstand erst dann zu erledigen, nachdem das Protokoll richtig gestellt sein wird.
A b g. Ich bitte mir das Wort vorzubehalten, ehe noch über das Protokoll abgestimmt wird. (Wird unterbrochen von.)
Schriftf. Z w i c k l e. Ich habe den Gegenstand in's Protokoll genommen, daß man wisse, daß er zur Sprache gekommen ist, nämlich der:
"Gegen diese Abstimmung haben in Folge des vom Abg. Hubicki ergriffenen Wortes die Abg. Violand, Brestel und Goldmark einen Protest angemeldet. "
Die Folgerung, welche aus der Äußerung des Abg. Hubicki hervorgeht, erscheint eben als eine Sache, die in das Protokoll hineingehört; die ganze Rede aber, glaube ich, gehört nicht hinein, und ich wäre auch nicht im Stande, selbe so vormerken zu können, daß sie ganz in das Protokoll aufgenommen werde; übrigens wird es der Protest zeigen.
Präs. Der Abg. Hubicki stellt keinen Antrag H u b i c k i. Ich will mich dem Antrage des Abg. Stadion anschließen.
Präs. Der Abg. Sierakowski hat das Wort.
Sierakowski. Ich glaube, der Abg. Stadion war im Irthum begriffen, als er gesagt hat, daß der Abg. für Olejow ihn beschuldigt habe, den biedern Abg., namentlich den Abg. aus Galizien zu zureden, um daß sie seine Partei ergreifen sollen; es ist allerdings jedem Abg. erlaubt, und gilt als Freiheit des Hauses; ich war aber selbst Zeuge
Präs. Handelt es sich um eine Berichtigung des Protokolles, dann dürfte das Wort zulässig sein; handelt es sich dagegen um die Debatte über den Antrag des Abg. Stadion, dann bitte, ich so gefällig zu sein, einen Augenblick das Wort auszusetzen, indem ich den Antrag nach der Genehmigung des Protokolles zur Sprache bringen werde.
Sierakowski. Ich behalte mir also das Wort auf später vor.
G o l d m a r k. Ich muß gestehen, gerade aus der Fassung des Protokolles bleibt der Sinn nicht klar, was eigentlich der Abg. Hubicki gewollt hat; ich glaube, es ist nothwendig, das die Worte des Abg. Hubicki, der über Influenzirrung geklagt hat, in's Protokoll hineinzunehmen, damit man weiß, was er gemeint hat; es ist nicht nothwendig, den ganzen Vorgang hineinzunehmen, aber der eigentliche Sinn, die cardo rei muß nothwendig ausdrücklich im Protokolle angemerkt sein.
Präs. Wünscht noch Jemand das Wort?
H e i n. Ich glaube, es ist rein nach der Geschäftsordnung vorzugehen, und solche unbegründete Anklagen (links Zischen), die nicht zugleich mit einem Beweise verbunden sind, dürfen nicht in's Protokoll hineinkommen.
K u d l i c h. Ich glaube, es gibt keinen wichtigeren Gegenstand, als eben diesen, der in's Protokoll hineingehört; denn hier ist eine Anklage vorgekommen, die, wenn sie richtig befunden wird, einen Abg. sehr tief beschuldigt und trifft, wird sie aber als unrichtig befunden, auf den anderen Abg. eine eben solche Anklage schleudert. Das Protokoll ist immer so weitläufig, daß es fast eine ganze Erzählung unserer Verhandlungen gibt, es sind oft viel unwichtigere Sachen drinnen, so daß also eine Sache, ein Wort, eine Erzählung hineingehört, welche für die Ehre der ganzen Versammlung von der größten Wichtigkeit ist. Ich stimme also dafür, daß alles, was der Abg. Hubicki gesprochen hat, in's Protokoll hineingenommen wird, weil jedes seiner Worte ein Grund zur Anklage entweder gegen Stadion oder gegen Hubicki ist.
Präs Wird der Antrag des Abg. Kudlich unterstützt?
(Zahlreich unterstützt.)
H u b i c k i. Ich muß mich gegen die Rede des Abg. Hein verwahren. Woher hat der Herr Abg. Hein diese Überzeugung, daß ich eine unbegründete Sache angegeben habe? Es war noch keine Commission, wir schreiten erst dazu. Ich will die Sache noch weiter führen, ich will den Abg. Stadion in Anklagestand versetzen (links stürmischer Beifall), und will den Beweis führen, daß er hier eine Intrige gemacht hat. (Zischen und Beifall links und auf den Gallerien.)
Präs. Ich ersuche die Gallerien, sich jedes Beifalles und jeder Mißallensbezeugung zu enthalten.
H u b i c k i (fährt fort.) Wenn ich nicht im Stande bin, das, was ich hier gegen den Abg.
Stadion angegeben habe, zu beweisen, so kann ich in Anklagestand versetzt werden; ich scheue mich nicht, auf die Anklagebank mich niederzusetzen, und der Abg. Stadion möge sich auch nicht scheuen, auf derselben neben mir zu sitzen.
Präs. Ich furchte, daß wir uns vom eigentlichen Gegenstande entfernt haben, es handelt sich nur um Richtigstellung des Protokolles.
H u b i c k i. Ich habe nur dem Abg. Heinge antwortet.
Präs. Ich erwarte nur die Stilisirung des Vorganges, um dann diese Berichtigung in der Art Kudlich (fällt dem Präsidenten in die Rede.) Den Vorgang kann ich nicht stilisiren, ich kann bloß den Antrag stellen.
Präs. Ich bitte daher die Herren Secretäre, in soweit ihnen der Vorgang aus den Vormerkungen bekannt ist, zu entwerfen, und dann werde ich die Abstimmung vornehmen.
Schriftf. Zwickle. Ich muß dagegen bemerken, daß ich mich in Führung des Protokolle immer an die Geschäftsordnung, und zwar an den §. 17 gehalten habe, daher nur das zu Papier gebracht habe, was ich glaubte, daß es in das Protokoll gehöre, die Rede des Abg. Hubicki ist mir daher nur aus dem Gedächtnisse erinnerlich und nicht aus einer Abschreibung, und wenn ich gehalten bin, diese Rede aus dem Gedächtnisse in das Protokoll aufzunehmen, so muß ich bitten, daß, wenn mein Gedächtniß mich trügen sollte, es mir zu Gute gehalten werde; soll sie aber vollkommen aufgenommen werden, so erübrigt mir nichts anderes, als die stenographischen Berichte zu benützen. Ich habe bisher mir alles nothwendig scheinende zu Papier gebracht, und aus demselben es in das Protokoll überzutragen gesucht, so weit habe ich die Verpflichtung eines Schriftführers erkannt, und ich bin nicht im Stande, weiter denselben zu entsprechen, als bis daher. Es ist manches geredet, manches gesprochen worden, aber nie hat man gefordert, daß das alles ins Protokoll aufgenommen werde. Ich bitte also den Kammerbeschluß darob zu erwirken: aber dann muß ich auch erklären, daß ich nicht anders im Stande bin, die Rede des Abg. Hubicki (Hubicki und andere: "den Sinn^) in das Protokoll aufzunehmen, als ich gesagt habe.
Abg. Goldmark. Ich bitte um das Wort.
Präse Abg. Borrosch hat das Wort.
Abg. Borrosch. Der Herr Redner, welcher so eben um das Wort ersucht, hat früher erwähnt, daß man nicht wisse, um was es sich eigentlich hier bezüglich der Protokollsaufnahme handle. Ich will es als unparteiischer Zeuge hier ans dem Gedächtnisse wiedergeben. Gegen den Abg. Stadion wurde die Beschuldigung erhoben, daß er den Bauern weiß gemacht habe, es handle sich darum, sie um ihren Kaiser zu bringen. Indem die ganze Kammer von demselben Herrn Abgeordneten verantwortlich gemacht wurde, daß sie auf Parteien influenzirre, was ganz parlamentarisch und in der Ordnung ist, so vergaß er nur auf den kleinen Unterschied, daß, die Influenzirren deutsch verstehen, und daß sie der ganzen Verhandlung folgen, daß aber hier Personen, die weder von der Debatte, noch von dem Inhalte der Frage, über welche abgestimmt wird, auch nur ein Wort verstehen, zuvor dieser Inhalt getreu wieder gegeben werden muß, und ihnen nicht etwas ganz anderes unterschoben werden darf, wofern die Beschuldigung richtig ist, worüber ich mir vor der. Hand kein Urtheil anmaße; das war der Inhalt des zu Protokoll zu nehmenden.
Abg. G o l d m a r k. Meine Herren, ich will mich durchaus nicht in das meritorische der Sache einlassen, ich bin gegenwärtig nicht Richter, und will nicht untersuchen, wer Recht hat, so viel aber steht fest, daß man Niemanden einer Lüge zeihen darf, so lange keine Beweise vorliegen. Es ist heute ein Protest eingelegt worden, mit Zeugenschaf von mehreren Herren Mitgliedern dieses Hauses, ich glaube, so lange die Untersuchung nicht gepflogen worden ist, steht Niemanden das Recht zu, von einem unbegründeten Vorwurf zu sprechen. Dieses ist gegen alles parlamentarische Verfahren. Ich glaube meine Herren, bisher haben wir nicht den Vorgang beobachtet, über einzelne Verbesserungen des Protokolles Anträge stellen zu müssen, und die Abstimmung vorzunehmen; so oft einer der Herren Deputaten geglaubt hat, daß ein wesentlicher Punct seiner Rede, im Protokolle nicht aufgenommen worden war, so hat er es angemeldet, und die Verbesserung ist erfolgt. Es muß ja im Interesse beider Parteien liegen, daß die Wahrheit an den Tag komme, damit aber dieses geschehe, dürfen wir nicht die Öffentlichkeit scheuen, nirgends, auch nicht im Protokolle.
Ich glaube also, daß man die Anklage wegen Influenzirrung der freien Abstimmung durch Abg. Stadion, als den Sinn der gestern vom Abg. H u b i c k i ausgesprochenen Worte ins Protokoll aufnehmen könne.
In Bezug auf den Antrag zur Verbesserung des Protokolls aber glaube ich mich entschieden gegen jede Abstimmung verwahren zu müssen. Wir können nicht dem Rechte jedes Einzelnen nahe treten, jeder hat das Recht, einzelne Verbesserungen seiner Rede ins Protokoll anzugeben oder nicht?
Umlauft. Ich muß mich um so mehr entschieden den eben jetzt geäußerten Ansichten des Abg. Goldmark anschließen, als in das Protokoll der Protest des Abg. Violand gegen den Ordnungsruf, welcher dem Abg. Hubicki zu Theil wurde, angemeldet worden ist. Wenn dieser Protest in das Protokoll gehört, so gehört auch augenscheinlich auf Grundlage der Geschäftsordnung der Grund in das Protokoll, weßhalb dieser Protest eingelegt wurde, dieser Grund muß aus dem Protokolle ersichtlich sein. Es kann darüber keine Abstimmung stattfinden, ob der Grund in das Protokoll gehöre, wenn die Thatsache selbst in das Protokoll angenommen ist; die Thatsache ist der Protest, daher muß auch die Begründung des Protestes ohne alle Abstimmung im Protokolle erscheinen.
Schriftf. Hauschild. Der Abg. Goldmark hat bemerkt, daß es die Pflicht des Schriftführers sei, jede Verbesserung ohne weiterst in das Protokoll aufzunehmen, welche von einem betreffenden
Mitgliede der Kammer beliebt wird; ich muß dieß für unrichtig erklären; auf diese Weise könnte einem Mitgliede der Kammer, welches den Sinn seiner am vorhergehenden Tage gehaltenen Rede in seinem Gedächtnisse nicht bewahrt hat, einfallen, etwas anderes aufzunehmen als was er gesagt hat, und der Schriftführer würde schuldig sein, es auszunehmen, und die Versammlung hat nicht hinein zu reden. Es ist aber ein großer Unterschied zwischen einem Protest und einer solchen Begründung, welche zum Wesen desselben gehören. Ich finde es also für vollkommen richtig, daß die Schriftführer das Protokoll so aufgefaßt, wie es der Fall ist, und es wird nur von dein Beschlusse der Kammer abhängen, ob eine Änderung stattfinden soll, oder nicht.
Schrift. Wieser. Ich erlaube mir zu bemerken, daß die hohe Kammer bereits ein Protokoll genehmigt hat, in welchem über den Ordnungsruf, der gegen den Abg. Löhner ergangen ist, nur im Allgemeinen erwähnt wurde, daß von dem Präsidenten der Ordnungsruf verfügt wurde, ohne einen Namen zu nennen, und diejenigen nur angeführt würden, welche gegen diesen Ordnungsruf Protest erklärt haben, welcher Protest in das Protokoll aufgenommen worden ist; ich glaube, daß dieser Gegenstand um so weniger in das Protokoll kommen kann, als die Geschäftsordnung bestimmt, daß selbst dann, wenn ein Abgeordneter dem Ordnungsrufe nicht Folge leisten sollte, und sich eine Rüge zuzieht, diese Rüge nur dann in das Protokoll aufgenommen werden darf, wenn ein Beschluß des Hauses vorliegt.
Ich sehe nicht ein, warum jeder Ordnungsruf, der so zu sagen im Innern der Kammer vorgeht, durch das Protokoll für alle Ewigkeit aufbewahrt bleiben soll, und ich glaube, die Geschäftsordnung hat sehr wohl gethan, daß sie eine Rüge, die doch bedeutend stärker ist, als ein Ordnungsruf, nur dann, wenn es das Haus beschließt, aufzunehmen fordert. Wenn wir jeden Vorgang in das Protokoll aufnehmen sollten, dann glaube ich wird die Versammlung zugeben müssen, daß wir keine Grenzen für das Protokoll mehr haben, und uns lieber an den Tisch der Stenographen setzen möchten, um das Protokoll vom Anfang bis zu Ende wörtlich zu führen. Ich glaube, wir sind verpflichtet, wir sind es dem Haufe der Kürze wegen schuldig, daß die Protokolle so geführt werden sollen, wie es die Geschäftsordnung vorschreibt. Und darüber bestimmt der §. 17, daß nur das, was als Antrag zur Verhandlung gekommen ist, und die Frage des Antragstellers genau und wörtlich, und das Ergebniß der Abstimmung und der Beschluß enthalten sein soll. Das ist die Wesenheit der Sache. Alle übrige ist in den stenographischen officiellen Protokollen enthalten, welche der hohen Kammer ebenso zu Gebote stehen, wie Alles andere.
Borrosch. Ich habe auf dreierlei zu entgegnen:
Erstens, daß keineswegs in das Protokoll bloß kommen dürfe die überhaupt stattgefunden Influenzirrung, denn wie gesagt, das ist an und für sich nicht unparlamentarisch, sondern die angeschuldete trügerische Absicht, der Abstimmungsfrage einen anderen, und zwar unter den bestehenden Verhältnissen geradezu verräterischen Inhalt unterzuschieben Zweitens, hat ein sehr verdienstvoller Herr Schriftführer sich gewiß nur übereilt, wenn er glaubte, daß es keinem Mitgliede der Kammer zustehe, die Abänderungen sofort ohne irgend eine weitere moralische Rechenschaftslegung zu verlangen Und wenn er ferner glaubt, daß ein Mitglied der Kammer sich hier eine Doppelzüngigkeit zu Schulden kommen lasse, so ist das um so unmöglicher weil wir alle zur Verification dienen würden. Hier erlaube ich mir die Bemerkung, daß jedenfalls und zwar ohne daß der hohen Kammer ein Ablehnungsurtheil zusteht, dieses Protokoll den Anklagepunct enthalten muß, weil der Anklagesteller selber erklärt hat, sich seinerseits in Anklagestand zu versetzen, wofern er die Anschuldigung nicht erweisen kann. Aus diesem Verfahren werden sich dann drittens weitere vielleicht inhaltsschwere Folgen ergeben, und der Ausgangspunct muß demnach schon jetzt festgesetzt sein.
Es ist nicht ein vorübergehender, schnell abgethane Ordnungsruf, wie es in dem angezogenen Beispiele der Fall ist.
Präs. Mir ist vor der Hand nur ein einziger Antrag in dieser Angelegenheit vorgebracht worden, er hat auch seine Unterstützung gefunden, es ist der Antrag des Abg. Kudlich, und lautet:
"Jedes der Worte des Abg. Hubicki möge genau in's Protokoll aufgenommen werden. "
Goldmark. Darf ich noch vor der Abstimmung um das Wort bitten?
Hawliczek. Der Abg. Goldmark hat schon drei Mal gesprochen.
Präs. Wenn es die Fragestellung betrifft, so ist es ein anderer Gegenstand, und der genannte Abg. hat das Wort.
Goldmark. Ich glaube vor Allem, bevor die Fragestellung erfolgt, ist es nöthig, daß der Herr Präsident erklärt, er selbst appellire an die Kammer, und könne selbständig nicht das Protokoll ausbessern lassen. (Wird unterbrochen.)
Präs. Ich habe mich bereits ausgesprochen über den Einfluß, welchen ich als Präsident aus das Protokoll nehmen darf, und eben, wenn ich diesen An trag zur Abstimmung bringe, ist neuerdings meine Ansicht darin enthalten. Ich lese also noch ein Mal den Antrag des Abg. Kudlich vor: "Jedes der Worte des Abg. Hubicki möge genau in's
Protokoll aufgenommen werden. "
Diejenigen Herren, welche sich für diesen Antrag aussprechen, wollen aufstehen. (Majorität.)
Nunmehr, wenn jedes der Worte aufgenommen werden soll, dürfte die Effectirrung in keiner Art geschehen können, als daß die betreffende Stelle aus dem stenographischen Protokolle aufgenommen würde
Ich glaube, es wird nicht nöthig sein, dieß sogleich vorzunehmen, und die hohe Kammer wird dein Vorstandsbureau und den Herren Schriftführern wohl so viel Vertrauen schenken, daß dieß geschieht.
Abg. Hawliczek. Ich halte diese Sache für so wichtig, daß sie wohl in das Protokoll ausgenommen werden könnte, indem in einem späteren Zeitpuncte sie dem Gedächtnisse entfallen könnte; mir sind die Worte jetzt noch sehr gut im Gedächtnisse, und ich würde bitten, daß sie gleich jetzt ins Protokoll aufgenommen werden.
Abg. Kudlich. Ich glaube, es ist dieß nicht möglich, denn es würde wegen jedem einzelnen Worte eine Debatte entstehen.
Präs. Ich glaube, es wäre ausführbarer, wenn die stenographischen Aufzeichnungen zur Grundlage genommen würden, insbesondere da sie authentisch sind, wenn sie von der Redaction als richtig erkannt werden; ich glaube nicht erst eine Umfrage stellen zu müssen. Wünscht Jemand noch das Wort zu ergreifen über den Inhalt oder die Führung des Protokolls?
Falls die hohe Versammlung mit Rücksicht auf den eben gefaßten Beschluß die Genehmigung des Protokolls anzusprechen wünscht, wolle sie es durch Aufstehen kund geben. (Majorität.) Das Protokoll ist angenommen. Mit diesem Gegenstände steht in unmittelbarer Verbindung der Antrag des Abg. Stadion, ich glaube meine Herren, es ist die Sache (wird unterbrochen.)
Abg. Violand. Ich bitte, mein Protest steht in noch unmittelbarerer Verbindung mit dem Protokolle, und sollte also unmittelbar nach dem Protokoll vorgelesen werden.
Präs. Die Rangordnung ist nicht so genau festgestellt; es ist bisher so gehalten worden, wenn Sie es aber wünschen, werde ich ihn vorlesen lassen.
Ich Abg. Violand protestiere gegen die gestrige Abstimmung über den Antrag des Hrn. Deputirten Löhner und über den des Hrn. Deputirten Schmitt, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Weil der Herr Deputirte Czuperkowicz hiermit durch seine Unterschrift erklärt, daß der Deputirte Stadion vor der Abstimmung über den Löhne raschen Antrag die galizischen Bauern wie er selbst hörte aufforderte, ihre Stimme mit Nein'' abzugeben, indem diejenigen, welche mit ,, Ja" stimmen, keinen Kaiser und kein Ministerium, sondern eine Republik haben wollen, ferner, weil der Herr Deputirte Sierakowski durch seine Unterschrift erklärt, daß er selbst hörte, wie Stadion zu den galizischen Bauern sagte, daß, wenn sie mit,, Ja'' stimmen, sie den Kaiser vertreiben; ferner, weil die Herren Deputirten Hubicki und Martini gleichfalls durch ihre Unterschrift erklären, daß sie dasselbe von mehreren galizischen Abg. gehört hätten, und weil sie sich erbieten, dieß zu beweisen. Da ich nun die Erklärung dieser Herren unter diesen Umständen für wahr annehmen muß, so erscheint die ganze Abstimmung als eine ungültige, indem durch unwahre Vorspiegelungen des Deputirten Stadion gegen mehrere der deutschen Sprache nicht kundige, in politischen Fragen nicht bewanderte galizische Bauern die Majorität gegen Löhner's Antrag bewirkt wurde; wenigstens es zweifelhaft ist, ob nicht ohne diese Vorspiegelungen die Majorität des Hauses für Löhner's Antrag gewesen wäre.
2. Weil bevor nicht diese Angelegenheit über die Anzeige des Hrn. Deputirten Hubicki unter sucht, und für den Fall der Wahrheit derselben neuerdings über den Löhner'schen Antrag abgestimmt worden, der Präsident der Kammer nicht ermächtiget war, über den Schmitt'schen Antrag abstimmen zu lassen.
Ich protestire aber auch 3. wider das Benehmen des Präsidenten des Reichstages, da er über die Anzeige, daß bei der Abstimmung des Löhner'schen Antrages bedauerliche Umtriebe der ärgsten Art stattgefunden haben, nicht augenblicklich durch den Deputirten Hubicki seine Angabe wie er verlangte beweisen ließ; ja sogar sich erlaubte, denselben zur Ordnung zu weisen, und zur weiteren Abstimmung des Schmitt'schen Antrages schritt, wodurch er offenbar eine Beschämung des Schuldigen, sei es der Herr Graf Stadion oder der Deputirte Hubicki, die ein oder der andere verdiente, unmöglich machte, und die Gelegenheit zu ferneren Umtrieben bot; endlich weil, falls die Angabe Hubicki's wahr ist, durch die Abstimmung über den Schmitt'schen Antrag eine Ungerechtigkeit begangen wurde.
Bevor das Benehmen des Deputirten Stadion nicht klar vor Augen liegt, kann ich demnach die Abstimmung über den Löhner'schen und Schmitt'schen Antrag nicht für gültig erkennen.
Wien den 7. September 1848.
Hubicki, m. p. Ernst Violand, m. p.
Czuperkowicz, m. p. Wladislaus Sierakowski, m. p. Martini, m. p.
Ich schließe mich dem Proteste an:
Brestel, m. p.
Goldmark, m. p.
Füster,. m. p.
Präs. Ich habe den Ordnungsruf ergehen lassen, und zwar bedingt; ich ging von dem Grundsatze ans, daß ein jedes Mitglied der Kammer in so lange als ehrenhaft zu halten sei, in so lange der Gegenbeweis nicht hergestellt ist, in dieser Voraussetzung habe ich bedingt den Ordnungsruf ergehen lassen und bin bereit, ihn zurückzunehmen, sobald meine Voraussetzung sich als eine ungegründete herausstellt. Ich glaube, dazu dürfte jedenfalls das Resultat der beantragten Commission die beste Grundlage bilden. Das glaube ich als Gegenerklärung des Protestes abgeben zu müssen (Allgemeiner Beifall.)
Goldmark. Ich ziehe, soweit es den Herrn Präsidenten betrifft, meinen Protest zurück.
Hein. Ich melde meine Gegenerklärung gegen den Protest an. (Es melden sich hiezu noch einige Herren Abgeordnete.)
Präs. Ich bitte den Herrn Schriftführer die Namen vorzumerken.
Hubicki. Meine Erklärung, in soweit sie den Herrn Präsidenten betrifft, ziehe ich auch zurück.
Brestel. In diesem Puncte, was den Präsidenten betrifft, ziehe ich den Protest auch zurück.
Füster. Ich dergleichen.
Präs. Vor allem ersuche ich die Herren Secretäre, diejenigen Herren, welche die Intention haben, ihren Protest, in soweit er mich betrifft, zurückzuziehen, vorzumerken, dann übergehen wir zu denjenigen Herren, die die Gegenerklärung anmelden.
Violand. Rücksichtlich des Ordnungsrufes nehme ich meinen Protest zurück nach der erfolgten Erklärung des Herrn Präsidenten des Hauses, rücksichtlich der übrigen Puncte aber durchaus nicht und erkläre nochmals, daß ich die ganze Abstimmung für eine ungültige erkennen muß, indem, bevor über den Löhner'schen Antrag... (Centrum starkes Zischen.) Ein Abgeordneter zieht auch seinen Protest bezüglich des Präsidenten zurück.
Präs. Ich bitte nunmehr die Herren vorzumerken, welche sich zur Gegenerklärung anmelden.
Am Schlusse dürfte es deßhalb schwierig sein, weil sich dann eine Grenzlinie für die Anmeldung nicht stellen läßt.
Abg. Hein meldet sich.
Klaudi. Ich bitte ums Wort. Ich wünschte nur die Erklärung von den Herren, ob sie den Protest auch in der Richtung zurückgehen, das den Herrn Präsidenten durch das gestrige Verfahren Hand geboten habe, zu einer Ungerechtigkeit.
Präs. Ich bitte mein Herr, diese Erklärung dürfte vor der Hand ganz überflüssig sein.
(Es melden sich noch die Abgeordneten Gleispach, Richter, Kiemann und viele Abgeordnete zu gleicher Zeit), so daß der Ruf sich erhebt: "Nach der Sitzung".
Brestel. Die Herren könnten ihre Namen auf einen Bogen Papier schreiben und ihn dem Herrn