Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Dreiunddreißigste Sitzung des constituirenden Reichstages am 30. August 1848.
Tagesordnung:
1. Ablesung des Protokolls vom 29. August.
2. Abstimmen über den Antrag des Abg. Kudlich.
3. Berichterstattung des Petitionsausschusses.
4. Berathung über den Antrag des Abg. Selinger, nun Straffer.
Hofloge: leer.
Ministerbank: Weissenberg, Doblhoff, Bach, Latour, Krauß, Hornbostl, Schwarzerbvorsitzender: Präsident S t r o b a c h.
Anfang um 10 1/2 Uhr. Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl der Mitglieder ist anwesend; ich erkläre die Sitzung für eröffnet, und fordere den Herrn Schriftführer auf, das Protokoll der gestrigen Sitzung vorzulesen.
Schriftf. Z wickle verliest es.
Trojan. Ich habe nicht wohl vernommen, ob in dem Protokolle die privative Zusammenkunft gehörig angedeutet würde. Ist sie vom Antragsteller?
Schriftf. Zwickte. Der Antrag ist nicht zum Beschlusse erhoben worden. Ich habe daher bloß bemerkt, daß angekündigt wurde, es werde um 6 Uhr eine privative Zusammenkunft der verschiedenen Antragsteller stattfinden. Beantragt wurde sie vom Herrn J o n a k.
Präs. Wünscht Jemand das Wort? (Niemand. ) Diejenigen Herren, welche sich für die Annahme des Protokolls ansprechen, wollen es durch Aufstehen kund geben. (Das Protokoll wird angenommen. )
Ich ersuche nun das Ergebniß der Wahlen für die Redaktionscommission der stenographischen Protokolle mitzutheilen.
Schriftf. Streit:
In der 1. Abth. wurde gewählt d. Abg. Winariczky.
" " 2.,,,, ",, Wörz.
" " 3.,,,, ",, " Riegl.
,,,, 4.,,,, ",, " Umlauft.
In der 5. Abth. wurde gewählt d. Abg. Kral.
",, 6. ",,,, " Pitschner.
" " 7.,, " ",, Podlewski.
,, " 8. ",,,,,, Cejka.
" " 9. ",, ",, Jonak.
P r ä s. Die gewählten Herren haben abwechselnd, und zwar immer drei zusammen den Dienst zu versehen. Ich bitte, sich wechselseitig zu vereinigen, in welcher Art sie Ihre Verbindlichkeit erfüllen wollen, und ersuche auch, die Verträge, die mit dem Vorstande der Stenographen und dem Vorredakteur abgeschlossen würden, einzusehen, um in Vorhinein zu wissen, zu welcher Zeit überhaupt die in Currentschrift abgegebenen Protokolle abgegeben werden sollen. Die Verträge befinden sich beim Herrn Schriftführer Wieser.
Ich ersuche, das Verzeichniß der eingelangten Eingaben vorzulesen.
Schriftf. Streit liest die am 29. August eingelaufenen Eingaben vor.
P r ä s. Es liegen einige Urlaubsgesuche vor, der Herr Secretär Ullepitsch wird die Mittheilung machen.
Secr. Abg. Ullepitsch. Bevor ich die Mittheilung darüber mache, muß ich bemerken, daß 372 Abgeordnete sich angemeldet haben, und 21 auf Urlaub abwesend sind. Es liegt ein Urlaubsgesuch des Abg. S t r a d a l vor. (Er liest dasselbe. )
Präs. Wünscht Jemand das Wort? Diejenigen Herren, welche sich für die Bewilligung des Urlaubes aussprechen, wollen dieß durch Aufstehen kund geben. (Wird bewilliget. )
Secr. Abg. Ullepitsch. Es liegt ein weiteres Urlaubsgesuch des Abg. Höhchenfelder vor. (Wird bewilligt. ) Endlich liegt ein drittes Urlaubsgesuch des Abg. Riegl vor. (Wird bewilligt. )
Präs. Es sind einige Interpellationen angemeldet worden, und zwar eine Interpellation des Abg. Wienkowski an den Justizminister.
Abg. Wienkowski. Ich bitte vor allem die Versicherung entgegen zu nehmen, daß es mir selbst nicht angenehm ist, daß ich meine Thätigkeit in der Reichsversammlung mit einer Interpellation anfangen muß; aber ich interpelliere nicht bloß, um von einem mir zustehenden Rechte Gebrauch zu machen. Meine Interpellation betrifft eines der heiligsten Rechte des Landes, dein ich angehöre und zu dem ich erfülle damit einen mir dringend ans Herz gelegten Wunsch meiner Committenten.
Die Sache betrifft die Einführung der Landessprache bei Gerichten in Galizien. Schon durch die Traktate vom Jahre 1815 wurde uns in Galizien unsere Nationalität garantiert. Hierauf gestützt, hat im Jahre 1845 und auch schon früher der galizische Landtag darum gebeten, damit bei allen Gerichten Galiziens die polnische Sprache als Amtssprache eingeführt werde.
Als nach den glorreichen Märztagen das Prinzip der Konstitution für alle Provinzen Österreichs ausgesprochen wurde, glaubten die Bewohner Galiziens sich ermächtigt, auch diesen dringenden Wunsch in einer Adresse auszusprechen, und sie sprachen ihn aus in den Adressen vom 18. März, 6. April, dann in der vom 19. April und 11. Mai, worin sie übereinstimmend gebeten haben, um Einführung der Landessprachen bei Gerichten. Bevor dieß geschah, fanden schon am 22. und 23. mehrere Zusammenkünfte von Landeseingebornen in Lemberg statt, und man beschloss, einverständlich mit dem Advokatengremium, ein Gesuch an das galizische Appellationsgericht mit dem Begehren zu überreichen, daß in Anhoffung der Genehmigung Sr. Majestät die Gerichte Galiziens ermächtigt werden, schon im voraus Gesuche, Ulationen, Satzschriften und andere Eingaben in Landessprachen anzunehmen, und ihre Bescheide, Dekrete und Urtheile in derselben Sprache, in der die Eingaben abgefaßt sind, zu erlassen. Das galizische Appellationsgericht beeilte sich, diesem gerechten Wunsche zu entsprechen, es hat nämlich mit der Circularverordnung vom 25. April allen Magistraten, Kämmereien und Justizämtern den Auftrag ertheilt, damit sie sich der polnischen Sprache als Geschäftssprache bedienen, und es erteilte auch dem Landrechte in Lemberg, Tarnow und Stanislau den Auftrag, Gesuche und Eingaben in den Landessprachen anzunehmen, und auch Bescheide und Urtheile in denselben zu erlassen. Diese Verfügung des galizischen Appellations- Gerichtes wurde auch vom Ministerium genehm gehalten; denn in der Antwort, welche die Deputation aus Galizien und dem Krakauer Kreise auf ihre Adresse erhielt, heißt es wörtlich: "Die Einführung der polnischen Geschäftssprache bei den Stadtmagistraten, Kämmereien und Justizämtern ist bereits von dein galizischen Appellationsgerichte unterm 25. April d. J. verfügt worden. Auch kann es keinem Anstände unterliegen, daß von allen Behörden im Lande überhaupt den Parteien die ältlichen Erledigungen in jener Sprache hinausgegeben werden, in der die Eingaben gemacht worden sind; also auf polnische und ruthenische Eingaben in dieser, auf deutsche in deutscher Sprache. " Wiewohl dieser Ministerialerlass bei Weitem hinter unseren gerechten Ansprüchen und Erwartungen zurückblieb, so nahmen wir doch diesen Punkt gleichsam als eine Abschlagszahlung unserer gerechten Forderungen und als mittlereilige Verfügung in dieser Beziehung dankbar an. Auf Grund dessen hat man sowohl in Lemberg als auch anderwärts bei allen Gerichtsstellen Gesuche und Kollationen in polnischer Sprache überreicht, und dieselben auch meistens in dieser Sprache erledigt. Ich war auch so glücklich, beim Lemberger Landrechte ein Protokoll zu Gesicht zu bekommen, welches ganz in Ruthenischer Sprache aufgenommen war. Auch Urtheile, Bescheide und Dekrete überhaupt erhielten wir die Menge in polnischer Sprache. Um so mehr mußte es uns befremden, als auf einmal um die Mitte Juni eine Hofierordnung erschien (ich kann nicht angeben, ob von dem Justizministerium oder von der obersten Justizstelle diese Verordnung ausging, denn man hält bei uns noch immer an der Maxime der Geheimtuerei selbst bei Gerichten fest), welche nicht nur dem galizischen Appellationsgerichte, für dessen angeblich voreilige und eigenmächtige obbezogene Verfügung eine Ausstellung erteilte, sondern auch verfügte, daß es, in Ansehung der Amtssprache bei Gerichten, ganz beim Alten zu bleiben habe; daß nämlich im Innern der Gerichte nur in der deutschen Sprache ausschließlich manipuliert werden dürfe, und daß nur erst über Verlangen der Parteien denselben Übersetzungen von erflossenen Bescheiden, Dekreten und Urtheilen in ihrer Landessprache hinausgegeben werden können. Diese Verordnung wurde auch auf die neu organisierten Gerichte in Presssachen ausgedehnt, obwohl diese aus Geschwornen bestehen werden, welche der deutschen Sprache entweder gar nicht oder nur wenig mächtig sind, daher Vorträge an dieselben unabwendbar immer in den Landessprachen gehalten werden müssen. Ich brauche nicht erst zu beweisen, daß diese Hofierordnung alle Landeseingebornen verletzen mußte, und daß sie sonach ein großes Missvergnügen im Lande erzeugte. Abgesehen davon, daß diese Verordnung dem obzitierten Ministerialbeschlüsse vom 19. Mai delogiert, und denselben in seiner Anwendung beengt, so bringt er auch eine Rechtsunsicherheit hervor, welche doch vor allem beachtet und bewahrt werden sollte. Denn es wird dem Herrn Justizminister am besten bekannt sein, daß es für die Rechtssicherheit nicht gleichgültig ist, ob über Satzschriften und Eingaben, die in polnischer Sprache verfaßt sind, Referate und Sitzungsprotokolle, Urtheile, Motive, Dekrete u. dgl. in dieser oder einer anderen Sprache ausgenommen werden; denn öfter kommt es auf den Ausdruck an, der sich in der Übersetzung nicht so leicht wiedergeben läßt, öfter kommt es auf Stellung der Worte an, die in einer anderen Sprache nicht mehr denselben Sinn haben. Es hängt sonach sehr oft die Ersiegung oder der Verlust des Prozesses von dem Gebrauche der Sprache ab, in der die Eingaben abgefaßt sind. Dieses vorausgelassen, bin ich so frei, an den Herrn Justiz Minister folgende Anfragen zu stellen: 1. Ob diese Verordnung, welche den Erlaß des gesamten Ministerrates sogar zu contramendiren scheint, mit Vorwissen des Justizministeriums erlassen wurde, und die Genehmigung des Ministerrates erhielt? 2. Im Falle diese Verordnung die Genehmigung des gesamten Ministerrates erhielt, so möchte ich bitten, welche Motive derselben zu Grunde lagen, und was das Ministerium bewogen haben mochte, dein angebornen Rechte der galizischen Bevölkerung, ihre Rechtsangelegenheiten in der eigenen Sprache verhandelt zu sehen, dadurch in den Weg zu treten. Im Falle dagegen 3. diese Verordnung ohne Vorwissen des Justizministeriums und des gesamten Ministerrates erfloss, ob dasselbe geneigt sei, diese Verordnung außer Kraft zu setzen, und bis zur Zustandesbringung der Verfassungsurkunde für Galizien, worin voraussichtlich dieser Punct seine definitive Bestimmung erhalten wird, es bei der bisher bestandenen Übung des Gebrauches der polnischen und ruthenischen (kleinrussischen) Sprache bei allen Gerichten Galiziens, je nachdem die Eingaben abgefaßt sind, und zwar nicht bloß bei Verfassung der Eingaben, sondern auch bei Verfassung der Referate und der gerichtlichen Erlasse bewenden zu lassen.
Justizminister Bach. Die Verordnung aus dem Monate Juni, über welche hier interpellirt wird, datirt aus einer Zeit, in welcher ich noch nicht die Ehre hatte, Justizminister zu sein. Mir ist auch über diese Verordnung, welche dem früheren Beschlüsse des Ministerrates derogiren soll, nichts näheres bekannt. Ich werde sogleich in Folge dieser Interpellation die nöthige Erhebung pflegen, und mir über den Gegenstand der Frage von den Landesbehörden Bericht erstatten lassen, und das Geeignete ganz in dem Sinne verfügen, wie es im ersten Beschlüsse des Ministeriums lag. (Bravo )
Abg. Wienkowsky. Ich habe noch eine Interpellation angemeldet.
Präs. Ja sie ist angemeldet.
Abg. Wienkowsky. Sie ist an den Herrn Unterrichtsminister. In Galizien bestanden sehr viele Stiftungen zur Erziehung der Jünglinge. Diese Stiftungen wurden später zusammengezogen in eine, und es wurden daraus theils Stipendien gebildet, theils Stiftungsplätze im Theresianum für galizische Knaben errichtet. In der Folge wurden aber auch diese Stiftungen eingezogen, zusammengezogen und ein Conflict Stiftungsfond in Galizien daraus gebildet. Die hauptsächlichsten dieser Stiftungen waren die des ehemals. Lemberger Suffraganbischofes Glowinski, dann eine von Nicolaus Potocki, eigentlich für ein Conflict in Buczacz errichtet, endlich sind dazu mehrere meist Familienstiftungen hinzugekommen, unter denen ich die Zawadzkische, Zebrowskische, Los'sche neune. Aus diesem Convictstiftungsfonde wurde ein Conflict, eine Erziehungsanstalt für Knaben in Lemberg errichtet, und dem Jesuitenorden die Leitung derselben übertragen. Nach Aufhebung des Jesuiten Ordens, ich muß mich hier noch ausführlicher auslassen über die Hauptbestimmung dieser Stiftungen, in wiefern sie mir zugänglich waren, nämlich: ursprünglich sind diese Stiftungen alle ohne Ausnahme, ich weiß es ältlich, nur für adelige Knaben polnischer Nationalität errichtet worden. In den Stiftungsurkunden ist nämlich vorgesorgt, daß den Vorzug auf solche Stiftungsplätze vorzugsweise die Abkömmlinge der Stifter erlangen. Erst in Ermanglung dieser können auch Knaben aus andern adeligen Familien Galiziens, Eingeborne, auf die erledigten Stiftungsplätze in Antrag gebracht werden. In der neuern Zeit hat dieses Conflict oder diese Erziehungsanstalt eine etwas freisinnigere Richtung bekommen. Es ist nämlich die Vorsorge getroffen worden, daß auch zwei Söhne gewerbstreibender Bürger aus Leinberg in dieser Anstalt untergebracht werden dürfen, und zwar über Vorschlag des Magistrats. Aus dem Convictstiftungsfonde wurde für diese Erziehungsanstalt ein staatliches Gebäude aufgeführt, bei der lat. St. Nicolaus Kirche in Leinberg, und dasselbe mit einem Garten und mit allen Bequemlichkeiten versehen, die zu diesem Zwecke, der Erziehung der Jugend nothwendig sind. Hier muß ich noch bemerken, daß den Fond dieser Stiftungen hauptsächlich das Gut Winiki, dann der Kaufschilling des Leinberger allgemeinen Krankenhauses und mehrere Capitalien bilden.
Nach Aufhebung des Jesuitenordens wurde dieses Gebäude, diese Erziehungsanstalt in eine Kaserne umgewandelt. Abgesehen davon, daß durch die Unterbringung einer Kaserne dieses Gebäude außerordentlich ruiniert wird, heißt es auch allgemein in Lemberg, daß kein Mietzins für die Benützung dieses Gebäudes entrichtet wird, da hierdurch der Convictsstiftungsfond augenscheinlich beeinträchtigt wird, so erzeugt dieser Vorgang ein großes Missvergnügen im Lande, und zwar um so mehr, als man sich schmeichelte, daß in dieser Zeit, wo liberalere Einrichtungen immer mehr und mehr sich Geltung verschaffen, diese Anstalt eine freisinnigere Grundlage bekomme, daher auch denjenigen, welche nicht adelig sind, und zwar ohne Unterschied auf den Ritus, zugänglich gemacht werden würde. Da nun nicht ausgesprochen ist, ob diese Anstalt seinen Stiftungsfond behalten werde, und die Verwendung des Convictgebäudes zu einer Kaserne gegründete Zweifel hier anregt: so bin ich in dieser Beziehung so frei, zur Beruhigung meiner Committenten an den Herrn Unterrichtsminister folgende Anfragen zu stellen:
1. Ob das Ministerium gesonnen ist, den Konvikts Stiftungsfond im Allgemeinen, und das Lemberger Conflict Gebäude insbesondere der Erziehung der galizischen Jugend zurückzugeben?
2. Ob und welche liberale, dem gegenwärtigen Zeitgeiste entsprechende Einrichtung dieser Erziehungsanstalt zu geben, insbesondere ob der Zutritt zu dieser Anstalt auch nicht adeligen Staatsbürgern wird geöffnet werden?
Minist. Doblhoff. Ich kann ohne weiteres die Erklärung abgeben, daß dieser Convictsfond ganz nach der ursprünglichen Widmung seine Verwendung erhalten werde. In Beziehung aber auf die Frage, ob dasselbe in der Art als ein Conflict und als eine Unterrichtsanstalt, wo die Zöglinge beisammen wohnen und erzogen werden, verwendet werden solle, darüber erlaube ich mir zu bemerken, daß nach einem Grundsatze, welcher auf unabweislicher Erfahrung beruht, und welchen das Ministerium des Unterrichtes sich von seinem ersten Entstehen angeeignet hat, daß nach diesem Grundsatze für Konvikte das Unterrichts Ministerium nicht nur keine Sympathien hegt (Beifall), sondern daß es vielmehr auf die Auflösung solcher Konvikte, und auf die anderweitige Verwendung der dazu erforderlichen Kapitale seine ganze Thätigkeit ausgeübt hat.
(Beifall. ) Es ist in diesem Sinne schon Mehrerer geschehen, es ist das Conflict in Innsbruck aufgelöst, es ist das Conflict in Wien aufgelöst worden, und es sind schon in dieser Art mehrere Vorbereitungen geschehen. Ich bitte daher, dieses als einen Grundsatz anzunehmen; für den einzelnen Fall, den der Herr Interpellant vorgestellt hat, kann ich in diesem Augenblicke nichts Bestimmtes angeben, wie sich die Verhältnisse darstellen, nach welchem das Unterrichtsministerium vorzugehen für seine Pflicht halten wird. Wienkowski. Mit dieser Erklärung des Herrn Ministers stelle ich mich vor der Hand zufrieden, nur bitte ich um möglichst schnelle Verfügung, damit das Konviktsgebäude baldigst vom Militär geräumt werde, weil diese Benützungsart das Gebäude zu Grunde richtet, ferner, daß für den Gebrauch dieses Gebäudes ein Entgeld vom Militäraerar an den Convictstiftungsfond gezahlt werde.
Min. Doblhoff. Ich werde das Geeignete hierüber verfügen.
Wienkowski. Ich erlaube mir nur die Frage zu stellen, ob es bald geschehen wird, daß dieses Gebäude geräumt wird, indem dafür noch immer der Mietzins gezahlt, und das Gebäude auch ruiniert wird.
Min. Doblhoff. Darüber kann ich keine Aufklärung ertheilen, weil das ein specieller Fall ist, der mir noch nicht bekannt wurde.
Präs. Der Abg. Fleischer hat noch eine Interpellation angemeldet an den Minister der Finanzen.
Fleischer. Als vor etwa vier Wochen mehrere verehrte Abgeordnete meines Vaterlandes, Böhmen, wegen des exceptionellen Zustandes, in welchem sich ein Theil dieses Landes befinden sollte, sprachen, erwähnte auch der Abg. für Jägerdorf eines noch weit exzeptionelleren Zustandes, in welchem sich nicht nur ein Theil meines Vaterlandes, sondern auch gegen vier bis fünf Millionen Bewohner des österreichischen Gesamtstaates befinden; er erwähnte nämlich des Druckes, in welchem sich sämmtliche Bewohner der Grunzbezirke befinden. Der Herr Finanzminister hat von dem Standpuncte der Zoll und Staatsmonopolsordnung diese Maßregel gerechtfertigt, namentlich aber auch jenen Bezirk herausgehoben, aus welchem ich bin, nämlich im nördlichen Böhmen, welches zu diesen Maßregeln Veranlassung gegeben haben soll, und zwar wegen des bedeutenden Verdachtes des Schwärzens.
Es hat auch der Herr Finanzminister noch das Versprechen hinzugefügt, jene Erleichterungen, welche mit dem bestehenden Zollsysteme nur einigermaßen verträglich seien, sobald als möglich in Ausführung zu bringen. Seit dieser Zeit sind wieder vier Wochen verflossen, und unsere Grenzbewohner, welche wissen, daß es sich um die Ablösung und Befreiung des Unterethansverbandes handelt, welche seit Jahren fühlen, daß sie unter einem Drücke schmachten, können die Zeit nicht erwarten, wo ihnen eine Erleichterung werden wird. Ich habe, feit ich mich in diesem Hause befinde, die Geduld der hohen Kammer durch zeitraubendes Reden noch nicht in Anspruch genommen, ich hoffe also, daß mir die hohe Versammlung erlauben wird, einige Puncte herauszuheben, welche nöthig sind, um den Herrn Minister der Finanzen zu vermögen, uns eine Abhilfe zu verschaffen.
1. Bei uns gibt es keine eigentlichen Fabrikgebäude für die Weber; wo sollten auch taufende von Stühlen in den Fabrikgebäuden untergebracht werden?
Der Lohnweber wohnt in weitzerstreuten Ortschaften von hundert und mehreren Nummern. In meinem Bezirke, der Herrschaft Schluckgenau mit 7/8 Quadratmeilen gibt es bei 26. 000 solcher armer Geschöpfe; sie wohnen größtenteils in zerstreuten Dörfern, und müssen zwei bis 3 Stünden weit zu ihrem Brot oder Fabrikherrn die fertige Arbeit tragen, und auch dort wieder die Vorratesgegenstände zu ihrer Arbeit abholen, dieß geschieht gewöhnlich alle 14 Tage. Der arme Weber verliert schon einmal dadurch einen halben Tag; verliert es schon einen großen Theil durch das weite Gehen, so verliert er die übrige Hälfte des Tages dadurch, daß er bei dem Zollamte seines Bezirkes und in dem Bezirke seiner Fabrik sich stellen muß. Ich will nicht sagen, wie ein solcher Weber zuweilen durch die Ungefälligkeit oder Grobheit der Zollbeamten vor dem Hause stehen muß; er muß Hitze, Kälte, Hunger und Durst aushalten, bis er expediert wird; und das geschieht ebenso im Zurückgehen. Und er kommt zu Mittag oft erst dort an, wo er die Waare hinträgt. Er wird von seinem Fabrikherrn nicht gleich expediert, besonders in gegenwärtiger Zeit, wo es so sehr an Kleingeld mangelt, er muß wechseln gehen, verliert dabei die Zeit, und wenn er zurückkommt, so geschieht es nicht selten, daß er das Zollhaus geschliffen findet, und auch noch über Nacht dort bleiben muß. Er hat kein Geld dazu, muß hungern und durften, um die wenigen Kreuzer nach Hause zu bringen. Es ist nach meiner Meinung eine solche Stellung überflüssig, denn der Fabrikherr wird wohl bei jeder Versendung den Bezug der Waare in seiner Bollete ausweisen müssen.
2. Hat nun der arme Weber durch solche Zwangsmaßregeln Kälte und Hunger ausgestanden, und will auf einem sogenannten verbotenen, aber geraden Wege in seine Heimat, in sein Dorf zu seiner Familie eilen, und wird er auf diesem Wege von den Finanzwächtern ergriffen, so muß er 2 fl. Ordnungsstrafe zahlen. Der ganze elende Lohn von vollen 14 Tagen und Nächten ist verloren. Hunger, Elend, Diebstahl, selbst Hass gegen die Regierung sind die Folgen solcher Maßregeln, und ich gebe die Versicherung es fallen jährlich hundert solcher Opfer dieser strengen Maßregel.
3. Führt der arme, sklavische Lohnweber, der oft von stetem Darben, selbst von langen Nachtarbeiten ermüdet, vielen Krankheiten unterliegt, oder in seiner Familie eine Krankheit zu pflegen, eine Robot zu leisten hat, oder den sonst ein Ereignis hindert, um einen Tag später seine Waare ab, als man ihm ins Weberbuch, das er bei 2 fl. C. M. Strafe stets bei sich führen muß, geschrieben hat, so wird er abermals mit 2 st. C. M. bestraft, weil seine Waare als geschwärzt anerkannt wird.
4. Will er nicht im Orte übernachten, so muß er einen Nachttransportschein haben. Mit Ertheilungdieser Scheine ist man aber sehr sparsam; da muß man erst ein Moralitätszeugnis, anerkanntes Rechtsgefühl und weiß Gott was alles haben, und wer hat so was immer gleich bei der Hand?
So ist es geschehen, daß vor einigen Jahren ein Weib, welches sich einen Christftritzel backen ließ, mit demselben nicht mehr nach Hause konnte, weil die Zollstunde schon vorüber und es den Beamten nicht mehr gefällig war, einen Transportschein auszustellen.
5. Dadurch, daß wir uns nicht zu jeder Stunde aus unserem Orte wegbegeben können, sind wir verhindert, die böhmischen Märkte zu Rumburg, Georgswalde, Schönlinde, St. Georgenthal, Kreibitz Hainswach u. s. w. zu beziehen; denn jeder Schnittwaagenhändler kann erst um 8 Uhr wegfahren, weil er sich beim Zollamte stellen muß.
6. Er muß, wenn auch noch Käufer gegenwärtig, seine Bude schließen, um nur die Stellung beim Zollamte innerhalb der gesetzmäßigen Amtsstunde nicht zu versäumen; denn sonst muß er wieder Strafe zahlen. Wenn wir in böhmische Nachbarorte gehen wollen, so müssen wir sächsische Stellen passieren, um nicht weitläufige Umwege zu machen. Niemals ist uns erlaubt, irgend etwas Nötiges mit uns zu nehmen, was mit Streckenzugsbilleten möglich wäre. So habe ich voriges Jahr für ein in Böhmen um 32 Kreuzer gekauftes Kartand Backwerk durch Sachsen mitgenommen, in Warndorf 5 fl. C. M. Strafe zahlen müssen.
7. So oft es einem Finanzjäger gefällt, darf er jeden Wagen anhalten und die Leute aussteigen lassen, so oft als es ihm gefällig ist; es wird dabei das weibliche Geschlecht auf eine nicht ganz dezente Weise begriffen. Dieß ist lästig. In Sachsen erhält man beim Eintritte ins Land nach geschehener Untersuchung eine Legitimationskarte, und ist dann frei, weil man dem Beamten Vertrauen schenkt. Schlimm genug, daß bei uns der Beamte so schlecht bezahlt ist, daß man ihm Defraudation zumutet und kein Vertrauen schenkt. Man schenke aber auch unsern Staatsbürgern im Grunzbezirke Vertrauen.
8. Vor vierzehn Tagen brannten in meiner Heimat zwei große hölzerne Mühlen ab; in der kürzesten Zeit verbreitete das Feuer einen bedeutenden Schein. Sogleich eilten die sächsischen Nationalgarden mit Waffen herbei, um die ins Freie geretteten Gegenstände zu bewachen. Ich glaube, es war ein lobenswerter, ein herrlicher Eifer, den sie bei diesem Feuer zeigten. Aber bei ihrem Heimwege wurden sie angehalten und auf eine weiter entlegene sogenannte Zollwache gewiesen.
9. Manche Lebensmittel und Bedürfnisse kann sich mancher arme Weber gar nicht kaufen. Die sächsischen Buden liegen mit den böhmischen oft parallel neben einander, links ein sächsisches, rechts böhmisches Dorf. Der arme Weber, der oft nur 7 kr. täglich verdient, braucht diese auf Brot. Er braucht aber auch Salz. Sein Nachbar böhmischer Seits verkauft das Pfund Salz mit 5 kr., sein sächsischer Nachbar mit 2 kr. Meine Herren! es gehört eine ungeheure Resolution dazu, um nicht im Sächsischen um die 2 kr. das Salz zu kaufen. Der arme Grenzbewohner hat diese Großmut nicht von dem Fürsten gelernt, der für einen Kanfcontract von einer Million, eben so wie der Bauer beim Kauf einer verschuldeten
Wirtschaft von 8000 fl. Werth auch nur 20 fl. bezahlt. Ich will aber die hohe Reichsversammlung nicht mit der Aufzählung der übrigen Planereien belästigen, denen wir immer ausgefetzt sind; ich will nur in Kürze sagen, daß der Herr Finanzminister, so wie das übrige Ministerium unsere hundertfältigen Klagen schon längst gekannt haben müssen, sowie auch, daß schon seit 10 Jahren bei uns der Wohlstand im Sinken und Noth eingerissen war. Es wurde oft eine Kommission zu uns gesandt, mit dem Auftrage, zu forschen, was die Ursache sei, und auf welche Weise der Verarmung vorgebeugt werden könnte; aber wie wurden diese Kommissionen gehalten, die Hofräte kamen meistens nur bis Rumburg oder Warndorf gefahren; hier hatten sie zwei oder drei Tage früher die Gegend avisiert, und aus den Fabriksorten die einflussreichsten und vermögendsten Fabrikanten zusammen berufen, speisten und fuhren wieder weg. (Gelächter. ) Der Armuth wurde nicht abgeholfen! die lästigen Maßregeln nicht abgeschafft und die Noth blieb beim alten ! Jetzt habe ich nichts mehr zu erwähnen, als die Bitte an den Hrn. Finanzminister zu stellen, damit ich wenigstens in meiner Heimat sagen kann, daß sie bald eine Erlösung finden werden, mir gefälligst zu sagen, ob und wie bald diese lästigen Schranken fallen werden, nämlich e r st e n s, die Abschaffung der Weberstellungen, weil sich der Fabrikant ohnehin bei der Waagenversendung ausweisen muß; zweitens, die Abschaffung der Nebenwegsverbote, welche uns in den gewöhnlicher Taggängen hindern, drittens, die Abschaffung des Nachttransportsverbotes, da man doch in einen constitutionellen Staate dem Bürger mehr Vertrauter schenken soll, und viertens, die Abschaffung der Ordnungsstrafen; denn es ist ein Blutgeld, welche.. dem armen Weber auf diese Art weggenommen wird (Beifall. )
Minister K r a u ß. Ich habe schon die Ehre gehabt, mich über die Einrichtung des Glänzbezirkes. im Allgemeinen auszusprechen. Der Grunzbezirk besteht in dem österreichischen Staate noch nicht so lange als im Auslande; gerade in Sachsen und Preußen besteht der Glänzbezirk in einer viel weiteren Ausdehnung als bei uns, es besteht die Einrichtung rücksichtlich der Nebenwege, rücksichtlich des Nachttransportes. Es besteht auch daselbst die Anordnung, daß in den Glänzbezirken kein Waagenverkehr stattfinden darf, ohne, wie man es dort nennt, Bezettlung. Daß es nothwendig war, solche Maßregeln zu ergreifen, habe ich schon über eine frühere Interpellation die Ehre gehabt zu bemerken, daß ich mir es angelegen sein lassen werde und auch jetzt schon angelegen sein lasse, soviel als möglich Milderungen eintreten zu lassen, kann ich nur wiederholen. Ich glaube aber, daß drei oder vier Wochen nicht hinreichend sind, um ein ganzes System zu ändern.
Zugleich muß ich anführen, daß in den bestehenden Vorschritten selbst Mittel gelegen sind, um vielen dieser Härten, die der Herr Interpellant aufgeführt hat, zu begegnen und sie zu vermeiden. Es bestehen wirklich Einrichtungen, bei welchen der Weber nicht gezwungen ist, sich in jeder Bewegung von seinem Wohnorte bei einem Amte zu stellen, es gibt solche Maßregeln, es müßte nur sein, daß sie in der letzten Zeit abgestellt worden wären, was mir aber nicht wahrscheinlich ist. Ich habe bei der eisten Interpellation die Bitte gestellt, und wiederhole sie jetzt, daß die Herren aus den Grunzbezirken mir gütigst andeuten wollen, welche Verfügungen ihnen besonders lästig sind.
Hätte ich solche Andeutungen erhalten, so hätte ich darnach auch mit aller Offenheit erwidert, entweder es ist möglich nach den jetzigen Einrichtungen oder es ist nicht möglich, so weit es aber möglich gewesen wäre, hätte ich alles zur Erleichterung gethan. Ich muß Ihnen aber hier erklären, daß die Abstellung der Nebenwege nicht möglich ist, denn wir mögen was immer für ein Zollsystem haben, so können wir nicht zugeben, daß aus dem Auslande Jedermann mit Waaren an allen Puncten über die Grenze komme und Waaren hereinbringe. In Absicht auf den Nachttransport sind Erleichterungen wirklich zugestanden, und diese Erleichterungen zu erweitern, bin ich vollkommen bereit, den Grundsatz aber aufzustellen, halte ich auch für sehr bedenklich. Wir müßten eher unser Zollsystem und das System der andern indirecten Abgaben, besonders von Salz und Tabak wesentlich geändert haben. Der verehrte Herr Interpellant hat einiges angeführt, was nicht so sehr das Princip und Gesetz betrifft, sondern die Art der Handhabung.
In dieser Beziehung muß ich gestehen, daß es sehr schwer ist, über solche Dinge eine Antwort zu ertheilen und eine Verantwortung für die Ausschreitungen einiger Individuen zu übernehmen, die, wie ich es anerkenne, nicht so ausreichend gezahlt sind, als man es vielleicht wünschen kann. Was aber das Anhalten der Personen betrifft, so kann ich den Herrn Interpellanten versichern, daß die gemessensten Befehle erlassen sind, damit solche Anhaltungen nur bei obwaltendem Verdachte zu geschehen haben, und insbesondere die Durchsuchungen der Personen am Leibe sind auf das engste eingeschränkt, und wenn solche Untersuchungen geschehen, dürfen sie nur bei einem Amte vorgenommen werden; wenn es sich um Personen des Frauengeschlechtes handelt, so darf die Untersuchung nicht von den Aufsehern, sondern muß von Personen desselben Geschlechtes vollzogen werden. Die Vorschriften sind nicht von der Art, daß alle die Einwendungen, die nun vorgebracht wurden, gegen die Vorschriften selbst eintreten. Was die Handhabung betrifft, so bitte ich nur, mich von einzelnen solchen Vorfällen in die Kenntniß zu setzen, und ich kann versichern, daß ich mit aller Strenge auf die Bestrafung derjenigen dringe werde, die ich etwas vorschriftswidriges zu Schulden kommen lassen. Ferner muß ich bemerken, daß, was die Stellung der Weber betrifft, ich diesen Gegenstand nochmals ins Auge fassen werde, um Erleichterungen so weit es möglich ist, ohne den Schutz der Industrie bloß zu stellen, eintreten zu lassen. Ich bitte die Stellung der Finanzverwaltung zu erwägen. Sie hat es nicht bloß mit denjenigen, die in der Nähe der Grenze wohnen, zu thun, sondern wir haben die große Industrie zu schützen und das ist eine so große und schwierige Aufgabe, daß vieles für diesen Zweck Erforderliche denjenigen die an der Grenze wohnen lästig sein kann. Der große Zweck fordert die Handhabung der Gesetze, dann liegt es aber nicht n der Ermächtigung des Finanzministeriums, davon abzugehen. Es gibt hier, wie in allen Dingen, ein gewisses Maß, sowohl ein Maß der Strenge, als auch in Maß der Milde, über und unter welches wir nicht gehen dürfen. Wir haben wirklich vor