Offizielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Zweiunddreißigste Sitzung des constituierenden Reichstages am 29. August 1848.
Tagesordnung:
1. Ablesung des Sitzungsprotokolls vom 26. August.
2. Abstimmung über den Kudlich'schen Antrag.
Hofloge: Ihre f. f. Hoheiten die Erzherzoge Franz Joseph, Carl, Ferdinand, Prinzen des Erzherzogs Franz Carl.
Vorsitzender: Präsident Strobach. Ministerbank: Weissenberg, D o bl h o ff, Latour, Bach, Krauß, Schwarzer, Hornbostl.
Anfang: 10 Uhr 20 Minuten.
Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl Mitglieder ist bereits anwesend. Ich erkläre daher die Sitzung für eröffnet, und ersuche den Herrn Schriftführer, das Protokoll über die letzte Sitzung vorzulesen.
Schriftf. Wieser verliest das Protokoll vom 26. August.
Präs. Wünscht Jemand das Wort? (Niemand). Sollte sich die h. Versammlung für die Genehmigung des vorgelesenen Protokolls aussprechen, so wolle es durch Aufstehen kundgegeben werden. (Das Protokoll wird genehmigt. ) Die Proteste sind überreicht worden, und ich ersuche den Herrn Schriftführer sie vorzulesen.
Schriftf. Streit. Protest des Abg. Helfert:
In Verbindung mit dem Vorgange in der Sitzung vom 24. August, in welcher von mehreren Kammermitgliedern mit der Behauptung, ich hatte eine Beleidigung gegen sie ausgesprochen, auf eine höchst unparlamentarische Weise vom Präsidenten der Ordnungsruf gegen mich verlangt wurde.
In Verbindung mit dem Proteste, welcher bei der dielfälligen Weigerung des Präsidenten mehrere Herren Reichstagsmitglieder mit der Behauptung, ich hätte die Achtung gegen einen Theil der hohen Versammlung durch die in meiner Rede gebrauchten Ausdrücke verletzt, einlegten, hat mich überdies in der Rede des Antragestellers am 26. d. M. der Vorwurf getroffen, als ob ich in meiner letzten Rede dieser schuldigen Achtung zuwider gehandelt habe. Ich verwahre mich gegen diesen Vorwurf aufs Feierlichste, und berufe mich auf eine vorurteilsfreie Prüfung meiner Rede, aus welcher hervorgeht, daß ich durchaus keine Beleidigung oder Missachtung weder gegen die gesammte hohe Versammlung noch gegen einen Theil ihrer verehrten Mitglieder mir habe zu Schulden kommen lassen, daß ich namentlich von dem Bauernstande mit aller derjenigen Achtung gesprochen habe, welche ihm gebührt.
Wenn ich der hohen Versammlung bei dem Umstande, als in ihr die Berechtigten als solche nicht vertreten sind, in einem Gleichnisse unsere Unberechtigung vor Augen hielt, anders als nach Recht und Billigkeit zu sprechen; so war ich falls sich der Herr Antragsteller mit dieser Behauptung oder mit jenem Gleichnisse nicht einverstanden finden konnte, zu widerlegen, nicht aber der Missachtung einer Versammlung zu zeigen, in welcher ich eben so gut sitze als er.
Wien am 29. August 1848.
Jos. Alex. Helfert. Abgeordneter für Tschau.
Protest des Abg. Löhner.
In der einen praktischen Fall betreffenden Streitfrage am 26. August, ob es dein Ministerium zustehe, das dem Antragsteller oder Berichterstatter (wenn einer da ist) nach der Geschäftsordnung gebührende letzte Wort factisch dadurch zu nehmen, daß sie selbst es nach ihnen ergreifen, hätte ein Abgeordneter den Grund angeführt: In §. 63 heiße es, die Minister hätten jederzeit das Wort. Die Zeit, nachdem der Antragsteller oder Berichterstatter gesprochen, sei auch eine Zeit, folglich konnten die Minister auch da sprechen. Um nun diese Ansicht zu widerlegen, bediente ich mich einer in allen Schulen bekannten Deduktion der ad absurdum. Nämlich, ich führte an, daß wenn dieses Jederzeit so allgemein, ohne Rücksicht aus die Geschäftsordnung und die Stadien der Verhandlung verstanden werden wollten, daraus folgen mußte, daß die Minister auch mitten in einer Abstimmung, wenn sie ihnen unliebsam auszufallen scheine, mit Berufung das Wort: "jederzeit" ergreifen, und durch die Erklärung, die Sache sei Cabinetsfrage, die Kammer terrorisieren konnten.
Diese meine in dem stenographischen Originale selbst deutlich gegebene Äußerung erläuterte ich noch, sobald das Präsidium mich zur Rechtfertigung gegen den Ordnungsruf zugelassen. Ich wies nach, was jedem Logiker klär sein muß, daß ich von einem gar nicht wirklich vorliegenden Falle, von einer äußersten Möglichkeit, von einer theoretischen Folgerung, aus der Folgerung eines Abgeordneten gesprochen hatte. Es ist klar, daß diese Gedankenreihe für sich steht, mit dem wirklichen Verfahren des Ministeriums in keinem Zusammenhange ist, und somit die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Ordnungsrufes nur daraus zu beantworten kam, ob das Wort "terrorisieren" in dem oben angeführten Zusammenhange ein unparlamentarisches sei. Was ich nun im Verfolge meiner Hauptargumentation für das Recht Kudlich' s über das wirkliche Verfahren des Ministeriums und dessen Consequenzen anführte, gehört nicht zu dein Vorhergehenden; denn ich brauchte das Wort terrorisieren nicht, noch griff ich die moralische Persönlichkeit der Minister an.
Ich erläuterte einfach, daß diese Auslegungsweise dahin führe, das der Ordnung und der Natur nach dem Antragsteller zustehende Schlusswort factisch auf die Minister zu übertragen, und so die letzteren in den Stand zu setzen, ohne daß sie früher in einer 14tägigen Verhandlung ein Wort gesprochen, den Effect (deutsch: Wirkung) aller gehaltenen Reden und angeführten Gründe zu Gunsten ihrer Anficht zu lähmen.
Darin lag nun freilich ein Tadel gegen das jetzige Ministerium, insofern es in der Kudlich'schen Sache diesen gedeckten Weg gegangen; aber wo bleibt die Redefreiheit, wenn ein Tadel des Ministeriums als Persönlichkeit gilt, und was hat die Besprechung eines supponirten Falles mit der eines wirklichen zu thun?
Dem Präsidium beliebte es aber anders; denn obwohl es in seiner Antwort auf meine Rechtfertigung erklärt hatte, es habe den Ausdruck "terrorisieren" gerügt, weil seine Anwendung nicht hypothetisch, sondern Indikativ erscheine, erklärte es doch auf meine ausdrückliche Frage, ob der Ordnungsruf zurückgenommen worden sei, ausdrücklich: Es habe ihn nur motiviren wollen, und meine eigene Auseinandersetzung zeige, daß ich den Ausdruck auf den gegenwärtigen Fall und das gegenwärtige Ministerium angewendet habe.
Unter diesen Umständen bleibt mir somit nur übrig zu protestiren, d. i. mich gegen das Verfahren des Hrn. Präsidenten an Alle zu wenden, die für Logik, parlamentarischen Brauch und politische Redefreiheit sind, und es dein öffentlichen Urtheil, das unser Aller Souverain ist, anheim zu stellen, ob der Hr. Präsident in diesem Falle dem Versprechen nachgekommen sei, Gerechtigkeit, strenge Gerechtigkeit zu üben.
Dr. Löhner. Unterschriften: Dr. Nadler. Mathias Herndl. Dr. Zimmer Joseph Pürzer. Pokorny. I. M. Eichler. Dr. Polaczek. Hanns Kudlich. Mitterndorfer. I. Schlegl. Michael Klausner Kautschitsch. Dr. Smrecker. Paul. Czuperkowitz. August Stradal. Latzel. Ernst Violand. Heigel. Joseph Demmel Leopold Sonntag Geier. Georg Bauer. (unleserlich. ) Joseph Rigler. Johann Umläuft Carl Schneider. F. Wetzl. Peitler. Huscher. Kosakiewicz. Joseph ReichlFickl. C. I. Meindl. L. Neumann. Franz Teufel. R. Brestel. Mathias Suppanz. Franz Schuselka. Anton Czerne. Carl Herzig. (unleserlich. ) Carl Sturm. Michael Thar. Franz Woitich. Matthäus Dollshein. (unleserlich. ) Ferdinand Nauscher. Schneider. Johann Hain. Pretis. (unleserlich. ) Plaß. Michael Marcher. Riedl. Dr. Rittner. Steffan. Joseph Mickl. Fritsch. Kapuschcak. Wisbauer. Böse. Sieber. Krause Carl. Abg. G o l d m a r k. Ich bitte, mich auch als Protestierenden anzuführen. Füster. Mich ebenfalls.
Präs. Was nun den letztern Protest anbelangt, so muß ich bemerken, daß er nur von jenen Herren zu fertigen gewesen wäre, welche ihn angemeldet haben; er ist aber von einer bei weitem größeren Anzahl unterfertigt, als sich gemeldet haben. Doch dieser Protest betrifft mich, und daher verzichte ich auf jede weitere Einwendung. Was die Sache selbst anbelangt, muß ich den Vorwurf der Ungerechtigkeit von mir zurückweisen. Ich folgte meiner Überzeugung, und bin noch heutigen Tages überzeugt, daß die Worte des Abg. Lohner einen Ordnungsruf zur Folge haben sollten. Ich würde beklagen, falls meine Überzeugung auf eine irrtümliche Auffassung der Rede des Abg. Löhner sich gründen sollte. So viel glaubte ich als Gegenbemerkung mir erlauben zu müssen. Die Proteste werden daher in das heutige Protokoll ausgenommen. Nun werde ich bitten, mir die Wahlen der Herren Redactoren der stenographischen Berichte anzuzeigen. In der 1., 2., 3., 4. und 6. Abtheilung wurde keine Wahl vorgenommen. Die 5. Abtheilung wählte den Abg. Kral; die 7. den Abg. Kretschmar, die 8. den Abg. C z n i k a; die 9. den Abg. J o n a k.
Präs. Ich bitte, die Wahlen in den Abtheilungen morgen um 9 Uhr Vormittags vorzunehmen, weil bereits mehr als 3 Mitglieder gewählt sind, und diese schon heute den Dienst antreten können. Ich bitte, das Verzeichniß der Eingaben vorzulesen.
Schriftf. Streit liest die eingelangten Eingaben vor.
Präs. Vom Ministerium ist eine Eingabe überreicht worden, sie betrifft die Maßregeln in Betreff der Verwechslung und Umlauf der Banknoten, und des Münz. Ausfuhrverbotes, sie wird dem gewählten Ausschüsse überwiesen werden.
Die Eingabe des Tiroler Landtages, welche mittelst einer Ministerialnote angergeleitet worden ist, sie betrifft die Capitulation, und dürfte dem Ausschüsse für das Rekrutierungsgesetz überwiesen werden.
Es liegt ein Urlaubsgesuch da, ich bitte die Ankündigung zu machen, wie viele Herren abwesend sind.
(Secr. Ullepitsch macht die Mittheilung, daß 371 Abg. anwesend, wovon 21 auf Urlaub sind, und liest das Urlaubsgesuch vor. )
Wünscht Jemand das Wort? Diejenigen Herren, welche sich für die Bewilligung dieses angesuchten Urlaubes aussprechen, wollen dieß durch Aufstehen kund geben. (Majorität. )
Da die meisten der Herren Minister anwesend sind, so kann zu den Interpellationen geschritten werden.
Der Herr Abg. Borkowsky hat eine Interpellation an den Herrn Kriegsminister angemeldet.
Abg. Borkowsky. Ich habe eine Anfrage an den Herrn Kriegsminister. Seit einigen Tagen sind mir mehrere Nachrichten sowohl in Briefen, als Zeitungen zugekommen, daß sich das Militär bei uns in manchen Städten auf eine solche Weise benimmt, welche nicht nur einer constitutionellen, sondern sogar einer jeden Regierung Hohn sprechen würde, auf eine solche Weise, welche die Ehre des Militärs schändet.
Ich wollte nicht zu Voreilig interpellieren, und erwartete genauere Auskunft; nun sind aber Augenzeugen angekommen, welche versichern, daß die Soldaten in Przemysl am 12., 13. und I4. d. M., unter Anführung der Offiziere Katzenmusiken ausgeführt, und Fenster eingeschlagen, und Spottlieder auf die Bürger und Nation gesungen haben, in, und von welcher sie leben. Sie haben sich freudig und öffentlich vernehmen lassen, "die Constitution sei durch die Siege des Helden Radetzky zum Teufel, " das sind ihre eigenen Worte. Sie haben die Wohnung eines ruhigen und durch Krankheit gelähmten Bürgers angefallen, eines gewissen Titus Szumlanski, dem sie nichts vorzuwerfen hatten, wenn nicht etwa, daß er 12 Jahre österreichischen Diensten als Offizier gestanden ist. Ich brauche nicht beweisen zu dürfen, daß das Verfahren schändlich ist.
Ich frage den Herrn Kriegsminister, ob er gesonnen ist, die strengsten Maßregeln vorzunehmen, um einem solchen Unfug in Zukunft vorzubeugen, und die Schuldigen exemplarisch zu bestrafen, es ist sonst nicht zu zweifeln, daß die Straflosigkeit solche schändliche Exzesse vermehret. Vor 3 Monaten hat ebenfalls in Przemysl ein Offizier einen ruthenischen Geistlichen mitten in der Stadt und am hellen Tage einen Säbelhieb in das Gesicht versetzt, ohne daß jemand ein Wort davon weiß ob er bestraft wurde. Ich frage den Herrn Minister, ob er das Resultat der Untersuchung, und das Urtheil bei solchen Vergehen gesonnen ist der Öffentlichkeit zu übergeben, da, wie ich glaube, auch das Militär die Öffentlichkeit nicht scheuen soll.
Latour. Von den Thatsachen, welche der Herr Abg. angeführt hat, nämlich von denen letztern ist mir nichts bekannt, und ich darf mir schmeicheln, daß sie bei einer strengen und wahrhaften Untersuchung sich nicht so darstellen werden, wie sie angegeben worden find. (Mißbilligung. ) Es wird meine Pflicht sein, von dem kommandierenden General augenblicklich einen genauen Bericht darüber zu verlangen, und ich werde nicht ermangeln, das Resultat der hohen Kammer bekannt zu geben. Was das erste Factum betrifft, so ist die Untersuchung angeordnet, und ich erwarte täglich einen Bericht und das Resultat davon.
Übrigens glaube ich, meine Herren! bei dieser Gelegenheit versichern zu können, daß ich meine Pflicht recht gut kenne, in der Armee die strengste Disciplin ausrecht zu erhalten, und daß Handlungen gegen die Disziplin nie gebilligt, nie unterstützt, nie verteidiget, sondern jedes Mal nach dem Gesetze beurteilt und gerichtet werden.
Präs. Der Abg. Zimmer hat eine weitere Interpellation.
Zimmer. Eines der schmählichsten Überbleibsel des alten Polizeiregimentes sind die geheimen Condnitelisten, welche, wie ich höre, sowohl bei Militär als Zivilämtern unserer democratischen Zeit zum Hohne fortgeführt werden. Ich glaube, in einem demokratischen Staate, wo alle Staatsinstitutionen vom Geiste der Öffentlichkeit und Wahrheit durchweht sein sollen, sollen diese offiziellen Angebereien, die selbst in das Privatleben der Beamten eindringen, nicht geduldet werden, und ich erlaube mir den Herrn Minister zu fragen, ob er gesonnen ist, diese Angebereien bald möglichst abzuschaffen.
Doblhoff. Ich kann darauf nur erwidern, daß mir persönlich noch keine Conduiteliste vor Augen gekommen ist, und daß ich auch keine verlangt habe, endlich, daß ich von der Überzeugung durchdrungen bin, daß solche Conduite Listen auch nicht mehr zu verlangen sind, daher die Verordnung, welche dießfalls noch besteht, auf jeden Fall zurückgenommen werden wird. (Beifall. )
Zimmer. Ich erlaube mir noch Just. Min. Bach. In Bezug auf die Conduitelisten bei der Justiz bemerke ich, daß sie bereits abgestellt sind, und es ist die Verfügung getroffen, daß alle Dienstbesetzungen im vollen Rathe mit Ausschluss des daher Betheiligten vorgetragen werden; daß es aber von den Conduitelisten sein Abkommen erhalten bat; es war dieß einer meiner ersten Acte heim Cintritt ins Ministerium. (Beifall. )
Z i m m e r. In einem hiesigen Blatte las ich die Kundmachung des Prager Magistrates zur neuen Wahl des Gemeinderates von Prag. (Liest) Das aktive Wahlrecht d. i. das Recht zu wählen, haben alle Pragerbürger und Hausinhaber mit Ausnahme der Israeliten. Wählbar sind alle Prager Bürger und Hausbesitzer mit Ausschluss:
a) der Minderfahrigen und Cupranden, b) der Cridatare, c) derjenigen, die wegen eines Verbrechens in Unterjochung gezogen, aber nicht für schuldlos erklärt worden, d) der Israeliten.
Es ist ersichtlich, daß diese Kundmachung nach zwei Seiten Schläge austeilt. Sie ist nicht nur allein im höchsten Grade illiberal, weil sie alle Staatsbürger, die nicht zugleich Stadtbürger und Hausbesitzer in Präg sind, von der Wahl ausschließt, und sie ist auch im höchsten Grade intolerant, weil sie die Juden mit den Verbrechen aus gleiche Stufe stellt. Derselbe mittelalterliche Geist, der diese Kundmachung durchweht, hat auch die Israeliten in Prag aus der Nationalgarde hinausgedrängt. Ich frage den Herrn Minister, ob er von diesen Übelständen Kenntniß genommen hat, und ob er sie auch hintan zu halten gedenkt?
Minister Doblhoff. Ich habe von dieser Ausschreibung der Wahl eines neuen Stadtverordnetenkollegiums allerdings Kenntniß erhalten. In dem Momente aber, als dießfalls eine Verfügung getroffen werden sollte, ist mir ein zweites und nachträgliches Decret oder vielmehr eine nachträgliche Kundmachung des Stadtverordnetenkollegiums zugekommen, in welcher diese Bestimmungen abgeändert sind, und zwar ganz in der Art, wie früher die Wahl zum Stadt Verordneten Kollegium stattgefunden hat; wo neuerdings die Hausbesitzer ohne Unterschied der Religion zur Wahl eingeladen worden sind, und wo die Bewohner der Judenstadt 12 Repräsentanten der Wahl abzuschicken haben. Der Gegenstand dürfte sich also von selbst beheben. Bemerken muß ich noch, daß diese Anordnung, die so eben vom Herrn Interpellanten beanstandet worden ist, ohne allen Einfluß von Seite der Regierungsbehörde erlassen worden ist, lediglich vom Stadtverordnetenkollegium, wie ersichtlich sein dürfte, nachdem gar keine Beziehung auf eine Gubernialverordnung, oder einen Ministerial Erlaß darin vorkommt.
Abg. Zimmer. Dadurch bleiben jedoch die Israeliten sehr verkürzt, denn sie besitzen nicht bloß 12 Häuser in Prag, sondern 278, wenn sie also nur 12 Repräsentanten zur Wahl schicken, so ist dieß doch noch eine ungeheuere Verkürzung derselben.
Min. Doblhoff. Ich kann nur, wie gesagt, wiederholen, daß die Regierung auf diese Wahl keinen Einfluß genommen, und keine Gelegenheit hatte, dießfalls Verfügungen oder Anordnungen zu treffen. Es ist heute schon die Wahl, und vorgestern erst von dieser neuen Wahl die Nachricht gekommen.
Abg. Zimmer. Ich bitte, will der Herr Minister nicht Verfügungen treffen wegen Zulassung der Israeliten zur Nationalgarde; oder sollen dieselben ausgeschlossen sein.
Min. Doblhoff. Mir ist gar nichts bekannt, und es ist das Princip nirgends ausgesprochen wegen Ausschließung der Israeliten; bei der Ausführung der Reorganisirung der Nationalgarde ist mir gleichfalls kein Factum bekannt, welches die Ausschließung der Juden von der Garde feststellt.
Präs. Weiteres liegt hier eine Interpellationsanmeldung vom Abg. Schuselka vor.
Abg. Schuselka. Ich habe eine sehr dringende Anfrage an den Ministerpräsidenten, respective den Minister des Äußern, in einer Angelegenheit, welche im höchsten Grade die deutsche Einheit und die Ehre Österreichs in Deutschland betrifft. Der Gegenstand ist die Stellung Österreichs zu Dänemark in der schales wigholstein'schen Angelegenheit. Das Verhältniß Österreichs zu Dänemark in dieser Streitsache war von Anfang an ein unklares oder eigentlich es war klar im alten diplomatischen Sinn. Es war noch immer in ein Geheimniß gehüllt, welches den Gegnern Deutschlands Veranlassung gab, die schlimmsten Befürchtungen auszusprechen, und den Freunden Deutschlands nicht Gelegenheit gab, diese Vorwürfe zu widerlegen. Es war von dänischen Blättern und zwar officiellen Blättern Dänemarks mit Triumph hervorgehoben worden, daß Österreich, die größte Macht Deutschlands, eine neutrale Macht in dieser Sache sei. Die dänischen Blätter gaben sich alle Mühe, den Kampf Dänemarks mit Deutschland lediglich als einen Kampf Dänemarks mit Preußen darzustellen. Das war unter der alten Bundesverfassung. Die alte Bundesverfassung, die wir alle in ihren unseligen Wirkungen kennen, sind sich nicht geneigt, in dieser Sache Ausklärung zu geben. Später wurde ruchbar, daß Österreich und einige norddeutsche Staaten, Hannover, die Hansestädte und Mecklenburg mit Dänemark ein Seperatbündniß geschlossen hätten. Hannover und Mecklenburg rechtfertigten sich gegen diese Vorwürfe, indem sie anführten, daß ihre Schisse von Dänemark ebenfalls genommen und in Kopenhagen condemnirt worden waren. Dadurch bewiesen sie, daß sie nicht in freundschaftlichen Verhältnissen mit Dänemark stehen. Von Seite Österreichs war wegen eines solchen Sonderbündnisses durchaus keine Rechtfertigung vorgenommen. Inzwischen ging die alte Bundesverfassung zu Grunde und eine neue Centralgewalt wurde geschaffen Ein österreichischer Prinz wurde an die Spitze der neuen Centralgewalt Deutschlands erhoben, und diese Centralgewalt hat in der öffentlichen Nationalversammlung zu Frankfurt durch den Reichsminister, Herrn von Schmeling, der damals auch die äußern Angelegenheiten besorgte, und sogar noch österreichischer Beamter war und vielleicht noch jetzt ist, erklärt, daß die Centralgewalt den Krieg mit Dänemark als eine gemeinschaftliche deutsche Sache ansehe, und sie zu einem rühmlichen, ehrenvollen Ende fuhren werde Diese tröstliche Versicherung schien bestätigt zu werden, als die Nachricht kam, auch Österreichs Truppen würden an dein Kriege mit Dänemark teilnehmen Dieser Plan wurde leider nicht aus geführt, und wir haben in diesem Hause gehört, daß man deßhalb davon abging, weil man die Noth Wendigkeit nicht einsah Allerdings war die Noth Wendigkeit an und für sich nicht da, denn die Truppen Norddeutschlands sind zureichend Nothwendig aber wäre es gewesen, um die Theilnahme Öfter retchs an diesem Kriege zu begründen und offen zu erklären, daß Österreich in dieser Sache mit Deutsch land gemeinschaftlich handle. Inzwischen es geschah nicht, und nun erschien am 22 August ein offizieller Abdruck, der zwischen Preußen und Dänemark respective zwischen beiden Kommandanten, Hedemann und Wrangel geführten Correspondenz. Diese Correspondenz nennt Österreich eine mit Dänemark befreundete Macht, und bezeichnet bloß die deutsche Centralgewalt als die Feindin Dänemarks. Zu gleicher Zeit erschien eine dänische Circulare Note, worin ebenfalls dieser Ausdruck wiederholt ist, daß Österreich mit Dänemark befreundet, und nur die Centralgewalt Dänemark feindlich gegenüber stehe, zu gleicher Zeit wird bekannt gemacht, daß bis zum jetzigen Augenblicke ein Österreichischer Gesandter in Kopenhagen residiere, und im freundschaftlichen Ein vernehmen mit dem dänischen Ministerium stehe, welches bekanntlich den wütendsten Hass gegen Deutsch land predigt Wenn diese Verhältnisse wirklich so sind, und da ich mich auf officielle Aktenstucke berufe, so ist es mir kaum möglich, daran zu zweifeln, so bin ich wirklich verlegen, einen gelinden Ausdruck zu sein den So viel muß ich aber sagen, daß ein solches Verhältniß selbst unter dem alten System ein Bundesbruch gewesen wäre, und ich glaube eine erwunschte Veranlassung gesunden zu haben, dem Herrn Minister des Äußern eine Gelegenheit zu einer Öffentlichen unumwundenen Erklärung in dieser Sache zu geben, welche die Ehre Deutschlands als auch Österreichs in ein klares Licht zu setzen vermöge Minister Weissenberg Die gedruckten Verhandlungen in der Schleswig holsteinischen Angelegenheit liefern den deutlichsten Beweis, daß Österreich sich in derselben nicht von den andern deutschen Staaten getrennt hat Von einem Sonderbündnisse bezüglich dieser Angelegenheit ist mir nichts bekannt. Übrigens sieht man täglich dem Abschluß eines förmlichen Waffenstillstandes entgegen, der einstweilen faktisch besteht und eine freundliche Unterhandlung zur endlichen Ausgleichung des betreffenden Conftictes steht bereits in Aussicht Was den Aufenthalt eines Österreichischen Gesandten in Kopenhagen betrifft, so hat derselbe den Auftrag, sich in dieser Frage als ganz neutral zu verhalten, und sich bloß als Vertreter der nicht deutschen österreichischen Staaten zu betrachten Präs Der Abg Schuselka hat eine weitere Interpellation angemeldet, und zwar an den Herrn Minister des Handels und der Finanzen Schuselka Ich werde mich bestreben, möglichst kurz zu sein (Beifall) Wir wissen, zu welchen traurigen Konflikten uns die Arbeiter Fragen geführt haben Wir sind überzeugt, daß durch die bisher angewendeten Mittel die Losung dieser Frage nicht glücklich ausgefallen ist und ausfallen konnte Es gibt aber nebst den einigen taufend von Arbeitern, die aus öffentlichen Cassen unterstützt worden sind, auch noch viele tausend Arbeiter, d h Gewerbsleute, die in wirklich unbeschreibliche Noth gerathen sind, für die bis jetzt von Staatswegen nichts geschehen ist. Es sind viele tausend dem Untergange nähe gebrachte Gewerbsleute, die nicht mit Gewalt ausgetreten sind, um sich etwas zu erstreben, sondern sie treten bewaffnet zusammen, um im Dienste des Rechtes und der Sicherheit zu wirken, und ich darf gewiß auf die Zustimmung der Kammer rechnen, wenn ich behaupte, daß unter der Nationalgarde, welche den beschwerlichen Dienst der Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung versieht, viele sind, die froh wären, wenn sie dafür täglich 15 Kreuzer zu verzehren hätten. Ich glaube nicht irrig zu sein, wenn ich behaupte, daß dieser Umstand viel beigetragen hat, um die Erbitterung hervorzurufen, die wir beklagen Es hat sich wie ich höre in Wien ein Privatverein gebildet, um dem Nigerdruckteen Gewerbsstande aufzuhelfen, nun glaube ich doch, daß eine solche Maßregel mehr Nachdruck und Gewicht gewinnen, und zugleich zur Befestigung des Vertrauens beitragen würde, wenn nicht von Einzelnen, sondern vom Ministerium im Einverständnisse mit dem Reichstage ein solcher Verein gegründet wurde Ich weiß, daß sehr viele Fabrikanten und Gewerbsleute große Vorrathe haben und geneigt wären diese um den halben Preis wegzugeben, um nicht in die Noth zu gerathen, ihre Arbeit einstellen zu mussen, denn sie wurden gezwungen sein, ihre Arbeit, die sie bisher mit Nachtheil fortgeführt haben, gänzlich einzustellen, und dadurch wurde das Proletariat in dreifacher Anzahl vorhanden sein, welches uns die größte und graulichste Verwirrung bringen wurde Ich stelle daher an den Minister des Handels und der Finanzen die Frage, ob die Minister diese Angelegenheit nicht als die ihrige betrachten wollen, und ob nicht Mittel und Wege vorhanden sind, um im Einverständnisse mit dem Reichstage zu beschließen, worüber sie dann ihre Vorlage machen könnten, vielleicht durch Aufkäufe solcher Vorräthe zu billigen Preisen, und durch Ausfuhr derselben, durch Vermittlung des österreichischen Lloyd, dem Gewerbsstande aufzuhelfen.
Hornbostel. Dem Ministerium ist die traurige Läge bekannt. Es wurden zu diesem Ende schon seit längerer Zeit Verhandlungen gepflogen mit verschiedenen gewerbstreibenden Leuten, sowohl mit kleineren, als mit Fabrikanten; es wurde auch ein Comités zusammgesetzes, unter directer Leitung des Ministeriums mit der Aufgabe, die Gewerbstreibenden nach ihrem Bedarfe zu unterstützen, theils durch Zuwendung des rohen Materials, theils durch Abnahme von Erzeugnissen, theils auch in außerordentlichen Fällen durch Geldunterstützung. Das Comités ist in Wirksamkeit seit gestern, nach welchem die Anordnungen getroffen werden, um die Art und Weise und die Würdigkeit der Unterstützung zu erheben, und es ist den einzelnen Corporationen der Auftrag geworden, aus ihrer Mitte vertrauenswürdige Männer zu wählen, die Verhältnisse der Einzelnen genau zu prüfen und einzuleiten, in welcher Art und Weise den Einzelnen eine Unterstützung zuzuwenden wäre. Die sich anhäufenden Gewerbserzeugnisse sollen einstweilen aufbewahrt werden unter Aufsicht des Ministeriums, um dieselben zu einer für den Handel sich vielleicht günstiger gestaltenden Zeit, entweder im Lande selbst, wenn sich der Bedarf herausstellt, oder vielleicht auch im Auslande abzusetzen, so weit die Einleitung des Ministeriums. Der Privatverein, der berührt wurde, da muß ich nur bedauern, daß er entstanden ist; er hat den Gewerbsleuten ein Versprechen gemacht, das schwer in Erfüllung gehen dürfte, weil die Basis, auf der er beruht, unsicher ist. Übrigens wird auch hier das Ministerium nach Kräften zu wirken bemüht sein, um die Quelle nicht zu zersplittern, und sie geeignet und zweckdienlich verwenden zu lassen.
Krauß. Das Finanzministerium hat bei dieser Verhandlung mitgewirkt, indem zur Ausführung Geldmittel erforderlich sind. Zu diesem Behufe hat das Finanzministerium sich an die Nationalbank gewendet, und diese hat auf Vermittlung des Finanzministeriums und gegen Verbürgung der Finanzen einen Betrag von 500. 000 fl. zur Verfügung gestellt. Es liegt nicht in meinem Berufe, zu beitretheilen, in wie fern diese Summe hinreichen wird: indessen, was geschehen konnte, ist geschehen. Ich muß noch bemerken, daß viel früher schon von Seite der Nationalbank ein Betrag von 4 Millionen Gulden dazu bestimmt worden ist, um Darlehen auf Waaren und Erzeugnisse der Fabriken zu ertheilen, und daß diese Maßregel sehr wohltätig gewirkt hat. (Bravo!) Präs. Abg. Heimerl hat an das Ministerium des Äußern eine Interpellation angemeldet.
Haimerl. Bei der, wie ich glaube, demnächst zur Verhandlung kommenden Frage über die Ablösung des öffentlichen Lehenverbandes wird rücksichtlich der Provinz, der ich angehöre, auch ein internationales Verhältniß zur Sprache kommen müssen, worüber ich mir vom Minister des Äußern einige Aufklärung erbitten muß. Ich muß aber zu diesem Ende ein paar Worte vorausschicken. Im Jahre 1635 wurde bekanntlich die Lausitz für 72 Tonnen Gold liquidierter Kriegskosten lehensweise an Sachsen abgetreten. Im Rezesse ist, wie es dem Wesen eines rechten Lehens entspricht, der Rückfall, oder das Caducitätsrecht vorbehalten. In Folge des Friedensschlusses vom 18. März 1815 mußte Sachsen die Nieder Lausitz und einen Theil der Oberlausitz an Preußen abtreten, und es wurde in der Wiener Kongreßacte bestimmt, daß nach Erlöschung der Brandenburger Linie dieser Theil an Böhmen zurückfallen soll. Rücksichtlich des Antheils, der bei Sachsen blieb, ist hievon nichts bemerkt worden. In früherer Zeit ist dieser Lehrensnexus mit Böhmen immer anerkannt worden, für der neuesten Zeit aber konnte ich keine Gewißheit erlangen, ob dieses Caducitäts Recht aufgehoben wurde, wozu nach meinem Erachten die Bewilligung der bisherigen böhmischen Stände nöthig gewesen wäre, die ich nicht finden konnte, oder ob es noch fort an bestehe. Ich konnte aber auch nicht eruieren, ob von Sachsen dieser Nexus in neuerer Zeit noch anerkannt worden fei. Ich erlaube mir daher an den Herrn Minister des Äußern die Fragen zu stellen:
1. Besteht zwischen Böhmen und Sachsen rücksichtlich der Lausitz der Nexus feudales noch, und wird er von Sachsen anerkannt?
2. Ist das Ministerium in der Lage die betreffenden Papiere auf den Tisch des Hauses nieder zu legen.
Minister Weissenberg. Darüber muß ich mir erst die Acten verschaffen.
Präs. Den zweiten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet die Abstimmung über den Antrag des Abg. Kudlich; ich erlaube mir dießfalls einige Bemerkungen voranzuschicken. Ich habe das letzte Mal in der Sitzung die Luftirrung jener Anträge vorgenommen, welche die Grundlage der Abstimmung bilden sollen. Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung war ich dazu verbünden, alle Anträge wo möglich in ihrer Fassung in dem Elaborate, welches der hohen Kammer vorliegt, zu erwähnen und anzuführen. Es ist zwar in der Geschäftsordnung eine weitere Bestimmung enthalten, daß die Verbesserungsanträge stets in der Reihe und Ordnung zur Abstimmung zu bringen sind, in welcher sie sich mehr oder weniger vom Urantrage entfernen, diese Bestimmung ist für gewöhnliche Fälle ausreichend; dagegen ist der Antrag des Abg. Kud