Officielle stenographische Berichte
über die
Verhandlungen des österr. Reichstages.
Fünfundzwanzigste Sitzung des constituirenden Reichstages,
am 19. August 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vorn 18.August.
II. Berichte über Wahlakte.
III. Berichte über beanstandete Wahlen.
IV. Berathung über den Antrag des Abg. Kudlich.
V. Verhandlung über den Antrag des Abg. Straffer (ursprünglich des Abg. Selinger.)
Vorsitzender: Präsident Strobach.
Anwesende Minister: Doblhoff, Bach, Krauß, Latour, Schwarzer.
Anfang 5 1/4 Uhr Abends.
Präs. Die Anzahl der Herren Abgeordneten, die zur Eröffnung der Sitzung nach der Geschäftsordnung erforderlich ist, ist bereits anwesend. Ich ersuche daher den Herrn Schriftf. Cavalcabó, das Protokoll über die Sitzung vorn 18. vorzulesen.
Schriftf. Cavalcabó verliest es.
Präs. Wünscht Jemand das Wort zu ergreifen? (Niemand erhebt sich.) Da die zur Beschlußnahme erforderliche Anzahl der Abgeordneten vorhanden ist, so können wir auch schon über das Protokoll beschließen. Diejenigen Herren, welche sich für dessen Genehmigung aussprechen, wollen es durch Ausstehen kund geben. (Das Protokoll wird einstimmig an genommen.) Im Protokolle wurde der heutigen Feier erwähnt, wobei, wie bekannt, einige Unregelmäßigkeiten vorfielen, welche darauf hinzudeuten scheinen, als wenn dem Reichstage nicht jene Achtung gezollt würde, die er rechtmäßig zu verlangen befugt ist. Ich glaube, daß dieß Vorfälle waren, welche nicht in böser Absicht, wohl aber in der ungewöhnten Stellung zum Reichstage stattfanden. Wir wurden als Gäste eingeladen, daher hielt ich es nicht für erforderlich, daß für uns Ordnung gemacht, weil ich glaubte, daß die Einladenden selbst dieß besorgen würden. Inzwischen habe ich das, was heut vorgefallen, dem Herrn Minister des Innern mitgetheilt und darauf angetragen, daß in Zukunft das Vorfuhren der Hofwägen hinkangehalten werde, und ich habe die Versicherung erhalten, daß ähnliche Vorfälle nicht mehr vorkommen werden. Dieß glaubte ich der hohen Kammer vor Beginn der Sitzung mittheilen zu müssen. (Beifall.) Nun dürften wir zu den Geschäftsgegenständen selbst übergehen. Vor allem Ändern liegt hier ein Urlaubsgesuch des Abg. Adam Potocki auf 14 Tage vor. Der Beschluß steht der hohen Kammer zu, ich fordere daher den Herrn Schriftführer auf, dasselbe vorzulesen, Schrift. Streit. Bisher haben sich 367 Abgeordnete angemeldet, 13 sind auf Urlaub, einer ist krank. Das Urlaubsgesuch des Abg. Potocki lautet: (liest es vor.)
Präs. Falls die hohe Kammer diesem Urlaubsgesuche Statt geben will, so wolle es durch Aufstehen zu erkennen gegeben werden. (Der Urlaub wird bewilligt.) Nach der Geschäftsordnung ist das Verzeichniß der eingelangten Eingaben mitzutheilen; ich ersuche daher den Herrn Schriftf. Streit dieselben vorzulesen. Schriftf. Streit liest das Verzeichnis der Eingaben vor.
Präs. Unter den Eingaben ist auch die des Abg. Goj. Der Inhalt dieser Eingabe selbst ist zweifelhaft; sie kann als eine Petition, aber auch als eine schriftliche Rede über den in Verhandlung stehenden Antrag des Abg. Kudlich angesehen werden. Sollte diese Eingabe als eine Petition behandelt werden, so müßte sie dem Petitionsausschüsse übergeben werden, und ich fürchte, daß wir die beabsichtigte Erledigung kaum am Montag bekommen dürften, da die heutige Sitzung und der morgige Sonntag, an welchem keine Zusammenkunft stattfindet, dazwischen liegen. Würde die Erledigung erst später mitgetheilt, so durfte ihr Inhalt kaum berücksichtiget werden, weil die Verhandlungen über den Kudlich'schen Antrag dann schon geschlossen sein werden. Ich würde mir daher erlauben, des zweifelhaften Inhalts wegen anzutragen, es möchte die Versammlung gestatten, daß diese Eingabe vorgelesen werde. Sollte es eine schriftliche Rede sein, die auf den Gegenstand des Kudlich'schen Antrage .Bezug hat, so wird sie sich in die im Zuge befindliche Verhandlung hinein schicken. Ich glaube, dieß dürfte kaum auf die Anordnungen der Geschäftsordnung einen Einstufe nehmen, da der Abgeordnete selbst gesteht, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig ist, weßhalb er sich auch nicht als Redner eingeschrieben hat. Übrigens ist die Eingabe sehr einfach, und der Zeitverlust wird nicht so groß sein. Ich erlaube mir daher vorzuschlagen, daß diese Eingabe beim Beginne der Verhandlung übet den Kndlich'schen Antrag zur Sprache zu bringen sei. Es liegt dann eine Eingabe der oberösterreichischen Stände vor. Ein eigentliches Begehren ist nicht angehängt, und sie kann als eine Petition nicht angesehen werden. Nach meiner subjektiven Ansicht ist sie ein Bericht, eine Adresse an die hohe Versammlung, in welcher auf die Wirksamkeit der oberösterreichischen Stände hingewiesen wird, die die bisher über gewisse Fragen, die von den Ständen besprochen wurden, geäußert haben. Ich glaube, daß sich diese Adresse auch zur Vorlesung in der Kammer eignet. Sollten die Herren Abgeordneten darauf eingehen, so bitte ich dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben, weil dafür ein Beschluß nöthig ist. (Wird angenommen, — Es wird die Eingabe vorgelesen.) Ich glaube, diese Eingabe dürfte (Ich zu keinem anderen Beschlüsse eignen, als zur Kenntnißnahme der hohen Versammlung. Es ist noch eine weitere Eingabe hier, nämlich vom Ministerium; sie betrifft den Abg. Fritsch, Die Wahl wurde für unbeanstandet erkannt, aber es find Drohungen vorgefallen, deren weitere Erhebungen eingeleitet worden sind. Das Resultat wird dießfalls mitgetheilt; ich glaube, daß sich die Zuschrift zur Vorlesung eignen durfte. (Wird vorgelesen.) Ich glaube, es wäre diese Eröffnung zur Kenntniß zu nehmen. Der Abg. Löhner hat eine Interpellation angemeldet, ich weiß nicht, ob er von seinem Rechte Gebrauch zu machen wünscht.
Abg. Löhner. Ich habe an den Minister des Innern eine Frage zu stellen, über eine Angabe, die sich gestern in dem Abendblatte der Wiener Zeitung gefunden hat, nämlich daß der Banns I e l l a c i c (ich halte ihn wenigstens noch für den Banns) eine Inspektionsreise vornahm, durch Croatien und auch durch Dalmatien. Nachdem meines Wissens die Behörden Dalmatiens unmittelbar mit dem hiesigen Ministerium zusammenhängen, und ein Civil und Militär Gouverneur von Wien aus dort gewesen ist, so stelle ich die Anfrage an das Ministerium, ob ihm von dieser amtlichen Reise des Banus von Croatien etwas bekannt sei, und ob es mit den Ansichten des Ministeriums übereinstimme, daß der Banus irgend eine ältliche Function in Dalmatien ausübe. Minister des Innern Doblhoff. Diese Mittheilung in der gestrigen Wiener Abendzeitung ist durchaus keine officielle, um so weniger, als mir dießfalls von dem Gubernium in Dalmatien keine Anzeige gemacht wurde. Auch anderseits ist von dieser Nachricht mir nichts bekannt.
Präs. Der Abg. Jonak hat eine Interpellation angemeldet.
Abg. Jonak. Ich habe die Ehre, dem Ministerium anzukündigen, daß ich in einer der nächsten Sitzungen in Betreff der von England, Frankreich und der deutschen Zentralgewalt beabsichtigten Intervention in Italien einige Fragen an dasselbe zu stellen beabsichtige.
Präs. Den zweiten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet die Berichterstattung über die Wahlen. Ich ersuche daher die Herren Berichterstatter der Abtheilungen, die Rednerbühne zu besteigen. (In keiner der nenn Abteilungen liegen Berichte über geprüfte Wahlen vor.) Als dritter Gegenstand wurde die Berichterstattung des Ausschusses zur Prüfung der beanstandeten Wahlen in die Tagesordnung aufgenommen. Hat der Herr Berichterstatter dieses Ausschusses einen Boertrag zu erstatten? (Berichterst. Wiezicky betritt die Tribüne und liest den Bericht des Ausschusses über die Wahl des Abg. Smreker für Steirerischlichtenwald. Der Ausschuß trägt einhellig darauf an, die Wahl als unbeanstandet zu erklären, und die dagegen überreichten drei Proteste zu verwerfen.)
Präs. Wünscht Jemand das Wort zu ergreifen? — Falls die hohe Kammer sich dafür ausspricht, daß die Wahl als unbeanstandet anzusehen ist, so bitte ich es durch Aufstehen kundgeben zu wollen. (Angenommen.) Einen weitern Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet die Verhandlung über den Antrag des Abg. Kudlich. Bevor wir dazu schreiten, daß die Redner die Rednerbühne betreten, erlaube ich mir die Anfrage, ob die hohe Kammer wünsche, daß die Eingabe des Abg. G o j, von der ich gleich anfangs Erwähnung that, abgelesen werde. Diejenigen Herren, die dieses wünschen, wollen dieß durch Aufstehen kundgeben.
Abg. Hawlicek. So viel ich aus dem Vortrage des Herrn Präsidenten verstanden habe, ist der Abg. Goj der deutschen Sprache nicht mächtig, er hat sich nun einen Vortrag über die Robot schreiben lassen, und wünscht ihn nun Verlesen zu lassen. Ich glaube, daß dieses durchaus nicht zulässig ist nach den parlamentarischen Regeln dieses Hanfes; denn dann kommen wir in die Lage, daß einige Deputirte ganze Traktate von anderen Leuten ausarbeiten, und hier vorlesen lassen. Es ist in unserer Geschäftsordnung genau vorgeschrieben, daß Niemand Reden vorlesen darf. Falls der Abg. Goj, der der ruthenischen Station angehört, einen Vortrag halten will und der deutschen Sprache nicht mächtig ist, so glaube ich, daß er diesen Vortrag in der ruthenischen Sprache halten soll, in der Sprache, die er selbst versteht. (Bewegung— Mehrere: nein!) Meine Herren! es ist nicht so sonderbar. Sobald wir 40 Mitglieder haben, die von unseren Verhandlungen kein Wort verstehen, und doch abstimmen müssen, so können auch die anderen Herren uns etwas in einer Sprache vortragen, die wir nicht verstehen. — (Bewegung — Heiterkeit.) Ich trage darauf an, daß Herr Goj seinen Vortrag Ruthenisch halte; es werden genug Leute ihn verstehen.
Abg. Hein. Ich glaube, es ist schon darüber abgestimmt.
Präs Es ist nicht darüber abgestimmt, auch die Herren Schriftführer werden dieses Factum bestätigen. — Wünscht noch ein Herr das Wort zu ergreifen?
Abg. Fedorowicz. Da der Abg. Goj selbst der deutschen Sprache unkundig ist, so muß ihm diesen Aufsatz doch Jemand gemacht haben. Da Jeder für seinen Vortrag persönlich verantwortlich ist, der Abg. Goj hingegen nicht verantwortlich sein kann, weil er den Vortra3 in der deutschen Sprache nicht versteht, so möchte ich beantragen, daß die hohe Kammer beschließe, daß derselbe, welcher diesen Vortrag aufgesetzt hat, genannt werde, damit wir im Stande sind zu beurtheilen, ob es ein Ehrenmann ist oder nicht. — (Ruf: Nein! Mißbilligung.)
Abg. Sierakowski. Ich trage darauf an, zur Tagesordnung überzugehen.
Abg. Fedorowicz. Ich bitte noch um ein Wort. Mir sind heute Briefe aus Galizien zugekommen, welche melden, und worüber ich künftig das Wort nehmen werde, daß einer von den Abgeordneten dort Gelb bei den Bauern erheben und sich verschiedene Klagen zusenden läßt.
Präs. Das dürfte nicht zum Gegenstande gehören. (Ruf zur Tagesordnung.) Ich erlaube mir eine kleine Bemerkung in dieser Angelegenheit. Ich glaube, daß die Eröffnung, die ich gleich im Beginne der hohen Kammer gemacht, nicht in dem Sinne aufgenommen wurde, wie ich es beabsichtigte. Ich erklärte, daß hier eine Eingabe des Abg. Goj vorliegt, von welcher es ihrem Charakter nach zweifelhaft ist, ob sie eine Petition oder ein Vortrag ist, und in dieser Richtung glaubte ich die Frage zu stellen, falls die Ablesung erfolgt, ob Sie die Ein gäbe für eine Rede halten wollen, welche auf den Gegenstand des Kudlich'schen Antrages Bezug nimmt, oder ob nicht diese Eingabe an den Petitionsausschuss zu verweisen wäre: dies ist meine Intention. Was nun den Antrag auf die Tagesordnung anbelangt, so ist wohl die Bestimmung in der Geschäftsordnung, daß dieser Antrag jedenfalls allen übrigen Anträgen vorangeht, und vor allem Anderen abgestimmt werden muß; nun fürchte ich, werden wir keinen Schritt damit weiter kommen. Was sollen wir mit der Eingabe thun? Ich glaube, es ist nicht in der Befugnis des Präsidiums, irgend eine Verfügung über eine Eingabe zu treffen, die ihrem Wesen nach eine zweifelhafte ist. Ich frage den Herrn Antragsteller Sierakowski, ob er bei dieser Erklärung noch bei seinem Antrage auf die Tagesordnung beharren will oder nicht.
Abg. Sierakowski. Ich trage auf die Tagesordnung an, Abg. Mayer. Wenn die Eingabe ihrer Natur nach eine zweifelhafte ist, so müssen wir uns jedenfalls dafür entscheiden, daß sie eine Eingabe ist; denn sonst könnte sie nach unserer Geschäftsordnung gar keine Berücksichtigung finden. Reden und geschriebene Vorträge lesen zu lassen, ist nach unserer Geschäftsordnung nicht gestattet. Die Eingabe kann daher nur an den Petitionsausschuss gewiesen werden, der derselben die gerechte Würdigung angedeihen lassen, und den Inhalt derselben, falls es nöthig ist, vor die hohe Kammer bringen wird. Präs. Wünscht Herr Abg. Sierakowski das Wort?
Abg. Sierakowski. Nein.
Abg. Streit. Ich stimme mit dein Antrage des Abg. Mayer vollkommen überein, muß aber bitten, den Antrag auf Tagesordnung zurückzunehmen; denn sonst müßte diese Eingabe morgen wieder vom Vorstandsbureaus auf die Tagesordnung gesetzt werden, und würde einen steten Gegenstand der Tagesordnung bilden.
Präs. Was der Abg. Mayer gesagt hat, dürfte, glaube ich, in jeder Beziehung nicht Anwendung finden, denn wird die Eingabe dem Petitionsausschüsse zugewiesen, so wird darüber ebenfalls ein Vortrag stattfinden. Nach den Bestimmungen der hohen Kammer hat der Petitionsausschuss seinen Vortrag in jeder ersten Sitzung der Woche vorzutragen; nun dürfte eine Zusammentretung des Petitionsausschusses vor Montag nicht stattfinden. Ist die Eingabe eine schriftliche Rede, welch: auf den Gegenstand der Tagesordnung, nämlich den Kudlich'schen Antrag, Bezug nimmt, so dürfte der Vortrag hierüber erst nach geschlossener Verhandlung hier erstattet werden. Ich erlaube mir, da der Abg. Sierakowski seinen Antrag auf die Tagesordnung nicht zurücknimmt, ihn zur Abstimmung zu bringen. Diejenigen Herren, die dafür sind, mögen es —
Abg. Borrosch. Ich bitte ums Wort. Ich wollte mir nur zu bemerken erlauben, daß diese Eingabe, wenn sie ein zweifelhaftes Aktenstück der Art ist, daß sie weder das verkehrliche Präsidium als eine Petition anerkennen kann, noch andererseits als eine geschriebene Rede hier vorgetragen werden darf, als ein nach unserer Geschäftsordnung ganz ungeeignetes Actenstück zurückzuweisen wäre.
Abg. Lasser. Ich erlaube mir auf die frühere Äußerung des Herrn Präsidenten zu bemerken, daß ich als Vorstand des Petitionsausschusses denselben für Montag zusammen berufen werde.
Präs. Über die Erklärung durfte jeder Zweifel gehoben sein. Das Actenstück wird dem Petitionsausfchusse zugewiesen werden. Die Debatte hat hierdurch ihr Ende erreicht. Ich trage daher an, auf die Tagesordnung überzugehen. Nun sollten die Herren Redner in der Ordnung die Rednerbühne betreten, in welcher sie sich haben eintragen lassen. Dabei kommt ein kleiner Anstand vor. Der Abg. Lubomirski war krank und hat auch dieses zur Kenntniß gebracht. Er war damals nicht in der Lage zu bestimmen, ob er in der Debatte über den Antrag des Abg. Kudlich als Redner werde auftreten können oder nicht. Er ließ mich jetzt ersuchen, ich möchte fragen, ob er als Redner nachträglich eingeschrieben werden könnte oder nicht, obgleich der Schluß der Debatte ausgesprochen ist, und nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung eine weitere Einschreibung der Redner nicht stattzufinden hätte Ich ersuche über diese Bemerkung die Herren, welche allenfalls das Wort zu ergreifen wünschen, es zu thun.
Abg. Brestel. Ich glaube ganz einfach bemerken zu müssen, daß das Begehren nicht zulässig ist. Der Schluß der Debatte ist einmal beschlossen worden; vermöge der Geschäftsordnung kann kein weiterer Redner mehr zugelassen werden; es liegt kein Grund vor, einen weiteren Redner zuzulassen Wollten wir in dieser Beziehung von der Geschäftsordnung abgehen, so würden wir weit besser thun, den bereits eingeschriebenen Rednern das Wort zu nehmen, als einem nicht eingeschriebenen weiter das Wort zu geben. (Beifall.) Präs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht.) Wünscht noch Jemand das Wort darüber? (Niemand.) Ich bringe daher den Antrag der Abg. Brestel zur Abstimmung. Diejenigen Herren, welche es für unzulässig halten, daß eine nachträgliche Einschreibung des Abg. Lubomirski als Redner in der Debatte über den Antrag des Abg. Kudlich statt finde, wollen es durch Ausstehen kund geben. (Viele Wir haben die Frage nicht verstanden.) "Daß er nicht als Redner eingeschrieben werde." (Majorität.) Die Reihe trifft den Abg. Szabel.
Abg. Szabel. Die Aufhebung der auf den Individuen durch die bestehenden Schutz und Obrigkeitsvorrechte, dann der auf Grund und Boden durch das bestehende Unterthänigkeitsverhältniß haftenden Lasten ist aus politischen sowohl, als aus saatökonomischen Stucksichten geboten. Bei der Reform, welche wir dem österreichischen Staate durch eine freie Verfassung zu geben berufen sind, ist diese Aufgabe unvermeidlich. Dieß voraussetzend, muß ich diese Lebensfrage in zwei meiner Ansicht nach von einander wesentlich verschiedene Abschnitte theilen, nämlich in die Frage der Befreiung des Individuums, und die Frage der Befreiung des Grundes und Bodens. Was die erste Frage betrifft, so halte ich sie durch die Errungenschaft des demokratischen Principes bereits als erlediget. Denn ich kann die Unterordnung eines Theiles der Staatsbürger, einen Ausnahmezustand, ein Schutz, ein Unterthänigkeitsverhältniß oder eine Patrimonialgerichtspflege weder mit der Menschenwürde noch mit dem Principe der Gleichheit mir als verträglich denken, und bin daher der Ansicht, daß dieser Verband nicht abgelöst, sondern sogleich abgeschafft werden soll; denn das Volk beschützt durch seine geschaffenen Organe sich selbst. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit fällt durch die Rücknahme des Mandats an den Staat zurück, somit müssen mit den Ursachen die Wirkungen aufhören, und naturgemäß diese Bezüge, sie mögen in Taxen, Schutzgelb u. s. w. bestehen, in den zeitgemäß reformierten Abgaben an den Staat übernommen werden. Aus einem ganz ändern Gesichtspuncte fasse ich jedoch die Grundentlastungsfrage auf. Hier treten Berechtigte und Verpflichtete in ganz anderer Gestalt vor uns auf, und wenn die Freiheit des Individuums durch die dem Staate gebührende Ausübung des Schutzes und der Gerichtspflege unbedingt ausgesprochen werden kann, so tritt bei der Grundbefreiung ein factischer Zustand von Verbindlichkeiten, basirt auf dem Besitze, jedem Machtspruche hemmend entgegen, und bedingt eine mit Berücksichtigung aller Verhältnisse auszusprechende. Ablösung.
Meine Herren! Ein banges Gefühl ergriff mich, als mehrere Redner vor mir an dem Eigenthums so leichten Sinnes rüttelten, und dieses Gefühl verwandelte sich in Wehmut, als ich die constituirende, und in dieser Frage als gesetzgebend auftretende, Reichsversammlung Österreichs so manchen Witzeleien — denn Lehren kann ich sie nicht nennen — Beifall zollen hörte. Wir haben gehört, daß jeder historische Standpunct ohne Rücksicht verwerflich erklärt wurde, wir hörten die alte Geschichte der Deutschen und Slaven vortragen und daraus gegen das Eigenthum Folgerungen ziehen; ich kann diesem Redner nicht beipflichten. Der historische Standpunct ist allerdings nicht maßgebend, und namentlich aus politischem und staatsrechtlichem Gesichtspuncte: da kann uns die Vergangenheit keinen Hemmschuh anlegen, denn das Volk ist und war von jeher berufen, seine Staatsform sich nach Bedürfnis zu geben; allein der Besitz, welcher durch den historischen Rechtszustand zu einem durch Jahrhunderte anerkanntem Eigenthums ward, kann diesem Veränderungsgesetze nicht unter« worfeln sein. Möge daher seiner Zeit der Grund und Boden in den Besitz der Grundherren und Gemeinden durch Occupation, Schenkung, Kauf oder Erwerbung übergegangen sein, so bleibt der Sachverhalt des Besitze.!, die Gegenwart davon unabhängig aufrecht, und wenn der Boden gegen gewisse Leistungen nur in einen bedingten Besitz der Belasteten überging, so hat derjenige, der so einen Besitz ankaufte, oder Witwen und Waisengelber darauf sicherte, keineswegs, wie ein Redner vor mir sagte, auf den belasteten Nacken des Bauers leichtsinnig spekuliert. wohl aber sein Vertrauen auf einem anerkannten Werthe mit begründet. Meine Herren! Es ist allerdings unsere Aufgabe, die Zukunft derart zu ordnen, daß keine Vorrechte hineingeboren werden — und wir werden diese Aufgabe lösen, und alle Vorrechte abschaffen; allein ist Eigenthum auch ein Vorrecht? Gewiss nicht, wenigstens nicht nach den Begriffen einer geordneten Gesellschaftees kann also bei dem auf faktischem Grundbesitze fußenden Rechte von keinem Vorrechte, daher auch nur von einer Ablösung und nicht Abschaffung die Rede sein. Übrigens ist die Ablösung kein Lastentausch, wie ein Redner vor mir behauptete, denn die Gehässigkeit der Arbeitsleistung, der Druck, der die freie Benützung der Arbeitskraft, des Bodens, daher die ökonomische Entwickelung hemmte, fallen durch die Ablösung hinweg, was gegenüber einer Geldentschädigung keineswegs Lastentausch genannt werden kann, weder aus moralischem noch aus ökonomischem Gesichtspuncte. — Man hat unserners gesagt, es sei ein Gewaltstreich, wenn wir den nach unseren bisherigen Rechtsbegriffen gesicherten Besitz antasten, und daß der jetzige Zustand eigentlich ein kommunistischer fei, indem Viele im Schweiße ihres Angesichtes für Einen arbeiten müssen. Wenn Sie als Gesetzgeber bei der Beurtheilung des Eigenthums auf das Feld des Gefühles übergehen, dann bitte ich Sie, mir die Grenze zu zeigen, wo Sie stehen bleiben, oder über welche Sie nicht unwillkürlich gedrängt werben. Wenn Sie das Eigenthum nicht als etwas Isoliertes, gegenüber jeder Macht Unantastbares hinstellen und nur für Zwecke des Gesamtstaates im geordneten Verhältnisse beitragend erklären, wenn Sie Abolitionscontracte, emphyteutische Verträge vernichten, wozu Sie konsequenter Weise auch gedrängt werben, wenn Sie das Princip der Entschädigung fallen lassen, und dadurch die Heiligkeit der Verträge vernichten: dann haben Sie eine Brandfackel in die Gesellschaft geworfen, und einen sozialen Umstürz begonnen, worüber die Gegenwart und Nachwelt den Stab brechen wird. Ich stelle daher den Antrag: die Freiheit des Individuums unbedingt auszusprechen, den Grund und Boden durch sogleich Aufhebung der Naturalleistungen zu entlasten, und die Ausmittlung der Entschädigung mit Anwendung des Ablösungsgesetzes an die Commission zu Vorlage geeigneter Gesetzentwurfe zu verweisen.
P r ä s. Es wäre nun die Reihe an dem Herrn
Abg. Borrosch.
Abg. Borrosch. Ich muß um Entschuldigung bitten und mir mein Recht für ein andermal vorbehalten; ich bin noch nicht ganz genesen, ich habe hier die unsauberen Gaserhalationen aus der ersten Hand empfangen.
P r ä s. Der Abg. Hauschild verzichtet auf das Wort. (Beifall.) Die Reihe trifft nun den Abg. Löhner.
Abg. Löhne r. Ich hätte vielleicht das löbliche Beispiel mehrerer Herren befolgt, und auf das Wort verzichtet, wenn ich es nicht eben für meine Pflicht hielte, in dieser Sache fest zu stehen für meine Überzeugung, die ich einmal ausgesprochen habe, um so mehr als ich glaube, daß noch jetzt manchem ausgesprochenen Bedenken dadurch eine Beruhigung gewährt werden könne, da in dem Antrage, zu dem ich mich mit mehreren Abgeordneten vereiniget habe, und welcher der Gegenstand der letzten Berathung war, ein Wort bloß ausgelassen zu werden braucht, um viele Stimmen zu vereinigen, die bisher aus anerkennungswerten Gründen die Genehmigung versagen. Der Redner verliest die bezügliche Stelle des Kudlich'schen Antrages, nach welchem erst später ausgemittelt werden soll, ob und für welche Lasten eine Entschädigung erfolgen solle, und fahrt dann fort:) Es handelt sich hier bloß darum, das Wörtchen o b auszulassen und statt dessen zu setzen: "für welche Lasten und nach welchem Maßstabe " denn damit ist allen Parteien gedient. Wir sind Alle darin einig, daß für gewisse Lasten eine Entschädigung geleistet werden solle, und darum ist es überflüssig, weil es einen Zweifel ausdrückt, ob überhaupt für irgend eine Last eine Entschädigung erfolgen solle; und auf der ändern Seite bewahren wir der Commission freies Feld, zwischen Lasten zu unterscheiden, für welche gute Gründe sprechen, und solche, welche durch ihre Natur keine Rücksicht verdienen. Ich will nicht so sehr zur Empfehlung des Antrages sprechen, der vorliegt; es ist biß in einer Weise geschehen, die, abgesehen von der kostbaren Zeit, der hohen Kammer nicht erlaubt, noch einmal darauf zurück zu kehren. Ich möchte mich mehr mit dem Formellen beschäftigen und erklären, warum ich mich geradezu dafür ausspreche, daß die hohe Kammer alle anderen gestellten Anträge fallen lassen, und sich bloß auf den Kudlich'schen Antrag vereinigen möchte, indem ich mich mehr mit dem Verhältnisse der Anträge, die gestellt worden sind (ein ziemliches Häuflein) als mit dem ursprünglichen Antrage beschäftige, und meine Überzeugung dahin ausspreche, daß gegenüber dem Rublich'schen Antrage der kürzeste und beste Weg sei, sich lediglich auf denselben zu beschränken, mit einer einzigen Modification, die ich später namhaft machen werde. Ich habe in dieser Hinsicht die Amendements durchgesehen, und ich glaube, daß sie sich folgender Maßen darstellen lassen. Solche, welche behoben sind durch die nochmalige und dritte Umfassung des Kudlichschen Antrages, daher der erste und zweite Antrag des Abg. Kudlich, der erste des Abg. Trojan, der erste des Abg. Heimerl, des Gabrys und Consorten, der Abg. Dominkusch, Trummer, Placek, Umlauft, Bacano, der meinige, der des Abg. Hein; die letztgenannten deswegen, weil sie sich in einem neuen vereinigen. Ich hätte nun wegen der anderen Amendements zu sprechen, und da beginne ich bei jenen, die sich am weitesten entfernen von der Linie, die der Abg. Kudlich verfolgte, von der Linie, für die sich die Sympathie, die energischsten Gründe der Kammer ausgesprochen haben, und zwar derjenigen Amendements, welche nach meinem Dafürhalten dahin gehen, daß das Wesen des Kudlich'schen Antrages, die segenreiche Wirkung, die wir davon erwarten, verloren gehen würde. Das sind die Anträge der Abg. Ganzwohl, Tomicek, Haffelwandter, Vraschak, Haimerl, Klaudi, Trojan, Ingram (Ich habe meinen Antrag zurückgenommen), Helfert, Feifalik 2c.In Bezug auf diese erlaube ich mir zu bemerken, daß sie theils selbst das Princip, welches vom Abg. Kudlich aufgestellt würde, in Frage stellten! indem sie beabsichtigten, die Frage überhaupt, ob das Unterthansverhältniß aufzulösen sei, einer Commission zuzuweisen. (Ruf: Nein!) Es ist der Antrag des Abg. Ganzwohl.
Abg. Ganzwohl. Ich habe ihn zurückgenommen.
Abg. Löhner. Bitte um Vergebung — der des Abg. Tomicek, Hasselwandteer (liest die Stelle des Antrages). Run das heißt doch die Sache in Frage stellen; es kann nicht heißen: das Princip anerkennen, wenn es erst berathen werden soll, ob es anzunehmen sei oder nicht. Ich habe ferner das Amendement des Abg. Haimerl hier genannt, indem der Antrag dahin gestellt wird, daß in den österreichischen Stagtenic. Dadurch ist die Sache bedingt von den notwendigen Einrichtungen. Ich habe den Antrag des Abg. Klaudi hier, in welchem es heißt: (liest). Damit ist natürlich nicht gesagt, welcher Theil aufzuheben und welcher umzuändern sei. Es wäre möglich, daß nach gepflogener Berathung ein Minimum aufgehoben und das Übrige bloß umzuändern wäre, wodurch nach meinem Dafürhalten die praktische Seite des Kudlich'schen Antrages gar nicht zur Geltung gelangen würde. Ebenso ist hier der Antrag des Abg. Trojan, welchem eine Claudel angefugt ist, die nach meinem Dafürhalten eine bedeutende Beschränkung der Gleichstellung der Bürger in sich enthalten würde (liest), ebenso in Bezug auf die Laudemialgebühren nicht ausdrücklich bedungen erscheinen. Nun, wenn wir so viel davon bedingen werden, so glaube ich, daß das wohl eine recht zweckmäßige Maßregel gewesen wäre in früheren Zeiten, daß wir uns aber jetzt nicht mehr auf eine sälangsame Weise der Überführung einlassen könnten. Ebenso ist es mit dem Antrage des Abg. Praschak. Der Abg. Praschak hat den Antrag gestellt: "Es sei zur Berichterstattung über die Aufhebung aller aus dem Unterthansverhältnisse entspringenden Rechte und Pflichten, so wie über die möglichst vollständige Entlastung des Grundes und Bodens im Wege einer billigen Entschädigung, eine Commission mit gleicher Betheiligung aller Provinzen zu wählen. An die Commission seien auch die dielfälligen Beschlüsse und Verlangen der einzelnen Provinziallandtage abzugeben." — Nun wenn es zur Berichterstattung erst aufgetragen ist, dann wird es erst vom Berichte abhängen, ob diese Lasten aufzuheben seien oder nicht, und es bleibt also in Frage gestellt, ob wir diese Lasten, welche wir mit einem Worte als Lasten des Mittelalters, als Lasten der bürgerlichen Ungleichheit bezeichnet haben, mit Eins aufheben wollen, aus dem Gefühle der Notwendigkeit, der Gleichheit der Bürger. Es ist so ebenfalls der Antrag des Abg. Helfert. Der Antrag des Abg. Helfert enthält eine bedeutende Beschränkung, indem er allerdings streng nach wissenschaftlicher Schule bezeichnet, es feien diejenigen Verhältnisse aufzuheben, "welche aus dem Untertänigkeitsverhältnisse als solchem entspringen." Mir scheint das etwas zu eng zu sein. Es dürfte an und für sich bedeutenden Contraversen unterliegen, was in einzelnen Provinzen, was von einzelnen Richtern und selbst von Geschworenengerichten als aus dem Unterthansverhältnisse als solchem hervorgehend bezeichnet wird, und es wäre manchmal wohl zu fürchten, daß das, was nach dem Rechtsgefühle des Volkes aus dem Unterthansverhältnisse als solchem, wenigstens durch die innerste Ähnlichkeit, entspringt, nicht als solches gezählt werden dürfte. Es scheint mir eben so die Bestimmung in dem Antrage des Abg. Feifalik dahin zu gehen, daß die Unteräthanslasten bloß auf Verlangen des Verpflichteten als ablösbar erklärt werden. Dadurch scheint mir ebenfalls die Sache statt von der politischen Nothwendigkeit von der ökonomischen Konvenienz derjenigen abhängig gemacht zu werden, welche die nöthigen Geldmittel haben, und denen die Rechnung beweist, daß sie durch eine Ablösung besser sich stellen, als durch eine Naturalleistung der bisherigen Lasten. Diesen würde es freigestellt, sich frei zu machen. Ich glaube aber, daß wir nicht die Aufgabe haben, es bloß den Einzelnen, denen es ihre Verhältnisse erlauben, frei zu stellen, frei zu