alles wieder umgewälzt werden. Ich hege diese Besorgniß nicht, und glaube, daß gerade am allerersten durch ein Aberstürzen die Reaktion herbeigeführt werden kann. (Zischen.)
Abg. G o b b i. Ich trage daraus an, zur Tagesordnung überzugehen.
Präs. Bei dem vorgehenden Antrage zur Tagesordnung überzugehen, muß ich mir erlauben zu fragen, ob Sie zur Tagesordnung übergehen wollen, und bitte, dieß durch Aufstehen zu erklären. (Majorität.) Der zunächst kommende Herr Rebner ist der Abg. Dylewski, da aber dieser Herr Redner nicht vorbereitet ist, so bitte ich, den nach ihm kommenden Herrn Redner, Abg. Demel, die Tribune zu besteigen.
Abg. Dylewski. Ich bitte, mir mein Recht, zu sprechen, aufzuhalten.
Abg. Demel. Der Antrag des Abg. Kudlich samt allen nachfolgenden Amendements wurde mit einem solchen Enthusiasmus empfangen, welcher zeugt von dem zur Wahrheit werdenden Rechte, und zwar deßwegen, weil das Unterthansverhältniß ein solches ist, welches den Anrechten des Menschen hohnsprechend den Bauern zu einem Kameele des Adeligen, des Grundbesitzers oder seines Beamten macht, der die Trägkraft dieses Kameeles auszubeuten nie unterlassen, und beherrschte sie die auri sacra fames, mußte der Beutel des Landmannes wie der Bauch jenes Thieres geöffnet werden, um den vertilgenden Durst zu löschen. Willkommen war uns daher dieser Antrag, er wurde aufgenommen von der Versammlung, wie es sich für eine demokratische Versammlung auch geziemt. Ich begnüge mich, nur einige Bemerkungen über die Entschädigungsfrage zu machen. Die Entschädigungsfrage beschäftigt uns vor allen ändern, sie muß auch gelöst werden. Viele Herren vor mir haben sich bald für, bald gegen die Entschädigung ausgesprochen; einige wollen sie den Verpflichteten auflegen, andere fordern sie vom Staate. Ich glaube, es gebe nach Rechtsgründen vielleicht die wenigsten Fälle, wo der Verpflichtete verhalten werden könnte, die Entschädigung zu leisten, denn nie gab er seine Einwilligung dazu, diese Lasten zu tragen; und daher sagen wir mit Recht, es sei ein Unterthansverhältniß, keiner hat aber dafür gesprochen, es fei ein Rechtsverhältniß zu nennen. Die zur Begründung eines Rechtsverhältnisses nothwendige Einwilligung hat der Landmann nie gegeben, konnte sie auch nicht geben. Die ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung, hervorgezaubert durch die Gewalt, physische oder moralische, erkenne ich als eine ungenügend zu einem Rechte und Pflichten begründenden Vertrage. Ich habe gesagt, er gab keine Einwilligung, er konnte sie auch nicht geben; oder wer wollte behaupten, der Unterthan habe die nöthige Willenskraft, das nöthige Bewußtsein gehabt, um eine Einwilligung zu geben. Staat, Schule und Kirche haben sich mit einander verschworen, ihm weiß zu machen, daß er nur Pflichten aber keine Richte habe; somit war er unmündig, Verträge mit Unmündigen sollten nach meiner Ansicht nur dann verbindlich sein, wenn sie ihnen zum Vortheile gewichen. Ich frage nun, wer sollte die Einwilligung für ihn geben können, er konnte sie nicht geben. Wenn wir die Leistungen von Seite des Bauers betrachten, werten wir erschrecken und erbeben. Wie in einem Staate, welcher sagt, Verträge wegen Verletzung zur Hälfte sind ungültig, solche Verträge, wo der Landmann mit so unerschwinglichen Lasten überbürdet wurde, noch aufrecht erhalten werden können, begreife wer da will. (Beifall.) Was mußte der Bauer nicht alles leisten? Nicht genug daran die Staatslasten zu tragen, nicht genug daran auch für Kirche und Schule beizusteuern, nicht genug daran Grund und Boden mit schwerem Gelbe erkaufen zu müssen, war er sogar genöthigt, selbst wenn er das Glück hatte 50 Jahre zu leben, fünfmal Grund und Boden neu zu kaufen. Es liegt der Naturalzehent darauf, und erkauft er so nicht so alle zehn Jähre neuerdings Grund und Boden? (.Beifall.) Ja, es lastet eine Veränderungsgebühr auf ihm, fünf Procent (mehrfacher Zuruf: zehn Procent) oder zehn Procent und noch mehr, ich nehme nur fünf Procent an; ergibt sich in einer Familie ein schnell wechselnder Todesfall, müßte er nicht vielleicht nach zehnmaligem Wechsel diesen Grund und Boden neuerdings kaufen, und wenn wir sagen nur fünf Procent, so müßte er bei einem zwanzigmaligen Wechsel wieder gekauft werden. Hiermit ist aber auch eine Ungleichheit in den Lasten unter den Unterthanen begründet. Und bei dieser Sachlage hat ein Abgeordneter sich noch getraut zu sagen: der Verpachtete trage auch die Entschädigung? Also zu Allem beizutragen, Schule und Kirche zu erhalten, zum Besten des Staates beizutragen, Einquartierungen unterworfen zu sein, Vorspann zu leisten, seinen Grund und Boden zwanzigmal kaufen zu müssen und noch zu fordern, für die aus dem Unterthansverhältnisse entsprechenden Pflichten eine Entschädigung zu leisten, und dann die weitere Anmaßung an ihn zu stellen, wenn sein Grund und Boden durch seinen Schweiß und Mühe entlastet worden ist, daß er auch hier eine höhere Steuer trage, weil sein Einkommen größer geworden ist, (und gewiß würde der Staat solche größere Lasten ihm aufbürden, und zwar noch nach einem Princip der Gerechtigkeit: größer ist dein Einkommen, größer muß auch deine Steuer sein. mehr müsse er zum Wohle des Staates beitragen) meine Herren! Das wäre eine abermalige für die Zukunft drohende Ungerechtigkeit. Man beruft sich darauf: er hat Grund und Boden übernommen mit den Lasten, er wüßte was er nahm; man beruft sich darauf, der Adel kaufte den Grund und Boden mit den Berechtigungen; beides ist wahr, ich gebe es zu; aber nenne ich ein Gesetz, wenn wir schon absehen wollen von Allem, was die Vergangenheit unrechtes gethan hat, nenne ich Joseph des gefeierten Monarchen Gesetz ein gerechtes? Es war auch ein Will für Gesetz, zu sagen, ich nehme dir die Hälfe des Druckes ab, um es aber nicht mit dem Adel zu verderben, lasse ich dir die andere Hälfte. Jetzt soll er nun befreit werden von der zweiten Hälfte, und man verlangt eine Entschädigung von ihm? Der Staat nach diesen Voraussetzungen ist es, welcher der Sündenbock ist, er mag sehen, wie er seine Sünden bereut, wie er Absolution bekommt, Wahrscheinlich ohne Entgelt nicht. (Beifall.) Da wendet man mir abermals ein: wie kommt der Bürger, der Gewerbsmann dazu, daß er auch beitragen soll? ich glaube ganz einfach: alle Bürger des Staates sind verpflichtet, selbst für das schlechte Wirken der Organe, ich meine das Staatsorgan, zu haften; oder ist Einer unter uns, der sagt, daß, wenn zu nicht wichtigen Zwecken des Staates heute 100 Millionen Schulden gemacht werden, und wenn er auch überzeugt wäre, daß die durch Contrahirung der Schulden anzustrebenden Zwecks zur Erreichung des Wohles des Staates nicht nothwendig waren, sind wir nicht verpflichtet, die 100 Millionen lahmt und fonderst zu zahlen? So dekretierte der Staat dadurch, daß er der Überlastung des Unterthans mit gleichgültigem Benehmen zusah, ein willkürliches Gesetz, daher mögen auch alle Bürger dazu beitragen, um die Entschädigung von Seite des Staates, ich meine eine billige, dem Grundherrn leisten zu können. Sie sind dazu auch deswegen verpflichtet, weil der Staat durch seine Gesetze auch wirklich nichts weiter gethan hat, als den Unterthan zu drücken. Ich nehme ein für die Unterthanen scheinbar wohltätiges Gesetz heraus, das der Recrutirung. Der Staat hat gesagt: Du Bauer, dein erstgeborner Sohn ist von Militärpflicht befreit, wenn du ihm den Grund cedirt. Der Vater besorgt, cedirt, wenn sein Sohn 18 Jahre alt wird, ihm sein Grundstück; das war der faule Fleck, welcher unsern Bauernstand in die ungeheure Schuldenlast versetzte. Der Vater tritt aus väterlicher Liebe dem Sohne G. und Boden ab, behält sich ein Aushebung vor, dieses wiederholt sich nach 11 Jahren abermals, und so kam es, daß der Enkel bereits den Großvater, den Vater, die Großmütter, die Mütter, dann aber auch seine Geschwister erhalten mußte, er mußte nebst dem die ungeheueren Lasten des Staates zahlen; zur Bestreitung aller diesen Auslagen reichte der Ertrag seiner Grundstücke nicht hin, man nahm daher zum Schuldenmachen die Zuflucht. Et kann daher selbst, wenn wir ihn zwingen wollten, eine Entschädigung zu leisten, dieses nicht thun, und ich glaube, wo nichts ist, nimmt der Kaiser nichts. Die Folge davon war, daß die Obrigkeit von dem ihr zustehenden Rechte, weil der Unterthan seinen Pflichten nicht mehr nachkommen konnte, Gebrauch machte, ihn abzustutzen. Wie lange dauerte es, wenn auch wirklich Jemand da war, der ein Geld hatte, daß sein Gut unverschuldet blieb? etwa bis in die dritte Generation. Wir hatten uns daher an dem Bauernstände einen armseligen Stand erzogen. Ich komme daher zurück auf die Behauptung, daß der Staat die Entschädigung auf sich nehmen solle, weil der Staat durch seine Willkurgesetze an dem Elende der Unterthanen Schuld trägt. Er möge die Entschädigung leisten, um so mehr als gegen alle die herrschaftlichen Bedrückungen zu Gunsten der Unterthanen wenig von Seite des Staates geschehen ist. Allerdings gab die Kaiserin Maria Theresia ein Gesetz zum Schutz der Unterthanen, ein Beweis, ob nicht etwa die Unterthanen vom Adel gedrückt wurden. Sie gab ein Gesetz und rief das Institut der Kreisämter ins Leben. Kreisämtern mußten also entstehen, um den Unterthan zu schützen, und da sollte dieser gedrückte Unterthan noch an seinen Herrn mit Liebe, mit Anhänglichkeit sich anschließen? Und wenn wir die Masse der hier vorliegenden Beschwerden in Gestalt von Petitionen durchblättern, werden wir etwa finden, daß ihm von den Kreisämtern dieser Schutz gegeben wurde, daß diese Unbilden aufgehört haben? Der Staat möge daher versöhnend wirken und es auf sich nehmen, für den Jahre langen Druck die Entschädigung leisten. Ein nur erst vor zwei oder drei Tagen vorgekommener Fall der Umgehung dir Gesetze zeigt genau an, wie pfiffig man doch den Unterthan drückt, wenn es auch nicht gleich erscheint. Die Herrschaft (ich will sie nicht nennen) verpflichtete sich gegen eine Abgabe dem Bauer aus ihrem Walde alles Brennmaterial, alles Baumaterial und auch einiges Gestrüppe zum flechten zu schenken, natürlich behielt sie sich vor, daß nur weiches Holz dazu verwendet werden soll; was für ein Erfinden? Hundert Jahre sind verstrichen und der Bauer zahlt noch seine Abgaben, aber aus dem Walde bekommt er nichts, es wächst kein weiches Holz darin (..Beifall, Heiterkeit), und wenn auch der Unterthan zum Kreisamte geht, um Abhilfe zu suchen, so ist es zwecklos, es kann ihm nichts helfen, denn es war schon weise vorgesorgt, auf daß er keinen Schutz finde. Es behielt sich nämlich die Herrschaft vor bei Abschließung des Vertrages, auch zu ihrem Bedarf einiges hartes Holz wachsen zu lassen, hundert Jahre verstreichen, und stehe da, der Boden producirt lauter hartes Holz. —Nebst den Bedrückungen des Bauers wate auch der national ökonomische Vortheil, der für die Entlastung des Bauers durch den Staat spricht, zu berücksichtigen. Ich schließe mich daher dem Antrage des Abg. Violand vollkommen an, daß, wenn sich schon die Versammlung für eint Entschädigung ausspricht, für eine billige, so möge sie der Staat zahlen, man möge die Bürde des Bauers nicht größer machen. (Großer Beifall.)
Präs. Ich erkläre die Sitzung für geschlossen und erlaube mir nur zu bemerken, daß morgen die Wahl des Präsidenten vorgenommen werden könne.
Abg. Borrosch. Ich erlaube mir einen Antrag zu machen. Sollten wir die Wahl des Präsidenten, weil dazu Zeit erforderlich ist, nicht auf Nachmittag verschieben, damit der Fortgang der Debatte durch die Wahlgeschäfte nicht gestört werde? Ich glaube, wir sollen wieder zusammenkommen, etwa heute um 6 Uhr und morgen Nachmittag die Wahl sodann vorzunehmen.
Präs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Ja.) Wenn die hohe Versammlung damit einverstanden ist, daß die Wahl morgen Nachmittag um 6 Uhr stattfinde, so wolle sie aufstehen.
Abg. Borrosch, Es kann ohnehin erst für morgen Donnerstag angekündigt werden. (Schlug der Sitzung um 3/4 auf 3 Uhr.)