Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Einundzwanzigste Sitzung des constituirenden Reichstages am 14. August 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 12. August 1848.
II. Berichte Über Wahlacte
III. Fortsetzung der Berathung über den Kudlich'schen Antrag
IV. Erledigung der Petitionen.
V. Letzte Lesung der Geschäftsordnung
VI. Berathung über den Antrag des Abg. Selinger
Vorsitzender: Vicepräs. Strobach
Anwesende Minister Doblhoff, Kraus, Latour, Bach, Schwarzer, Hornbostel
Anfang um 1/4 auf 11 Uhr.
Vicepräs. Die Anzahl der Deputirten, die erforderlich ist, die Sitzung zu eröffnen, ist bereits anwesend. Ich erkläre hiermit die Sitzung für eröffnet und ersuche dem Herren Schriftf. zur Lesung des Protokolles zu schreiten. (Herr Schriftf. Allepitsch verliest das Protokoll.)
Die Anzahl der Mitglieder, die zur Schlußfassung erforderlich ist, ist auch anwesend. Wünscht Jemand ras Wort zu ergreifen, wegen Lesung des Protokolles? Falls die hohe Kammer sich für das vorgelesene Protokoll ausspricht, so möge sie dieses durch Aufstehen kund geben. (Das Protokoll ist angenommen.)
Aus Anlaß einer Interpellation des Abg. Brazdil im Betreff der Portofreiheit für die Herren Reichstagsdeputierten ist von Seite des Finanzministeriums ein Erlaß an die oberste Hofpostierwaltung ergangen. Ich ersuche den Herrn Schriftf Streit zur Lesung dieses Erlasses zu schreiten. (Wird vorgelesen.) Ich wünsche, daß dieses letigtich zur Kenntniß genommen weide. Es liegt hier noch ein Urlaubsgesuch des Abg. Johann Tarnowski vor Ich bitte den Herrn Schriftführer dieses Gesuch lesen zu wollen.
Schriftf. Ullepitsch. Vorerst mache ich die Mittheilung, daß 365 Abgeordnete in Wien sich angemeldet haben, davon sind zwölf auf Urlaub abroesend, einer aber ist davon durch Krankheit verhindert an den Verhandlungen Theil zu nehmen (Dieses Gesuch wird vorgelesen.)
Vicepräs. Wünscht Jemand das Wort zu ergreifen?
Abg. Trojan. Ich glaube, daß wenn dieser Urlaub ertheilt werden sollte, jedenfalls eine neue Wahl eines Ersatzmannes einzutreten habe, denn wenn wir einen Wahlbezirk auf wenigstens einen vollen Monat unvertreten lassen, so ist das immer ein Übel, so daß wenn sich dieß öfter wiederholt, die Kammer unvollständig bleibt Ich trage daher darauf an, daß für den Fall, wenn dieser Urlaub bewilligt wird, die Wahl eines Ersatzmannes vorgenommen werten möge, der so lange zu intervenieren hätte, bis der mit Urlaub abwesende Abgeordnete wieder eintrifft
Vicepräs. Wird dieser Antrag unterstutzt? (Wild nicht unterstützt) Ich werde daher die Entscheidungsfrage stauten.
Wenn die hohe Kammer für die Bewilligung dieses Urlaubes sich ausspricht, so möge sie dieß durch Aufstehen kund geben. (Wird bewilligt.)
Es ist die Verfügung getroffen worden, daß dieß der Reichstagsnasse zur Abschreibung der Gebühren zugeschickt werde.
Es liegt noch ein Enthebungsgesuch des Abg. Nicolaus Woracek vor, bitte also den Herrn Schriftf Streit dieses vorzulesen. (Wird vorgelesen.) Für den Fall als der Enthebung Statt gegeben werden sollte, mußte auch eine neue Wahl ausgeschrieben werten
Wünscht noch Jemand das Wort, bevor zur Abstimmung geschritten wird? (Es meldet sich Niemand.) Ich ersuche daher die hohe Kammer, wenn sie in das Enthebungsgesuch einwilligt, dieß durch Aufstreben kund zu geben. (Majorität ) Es wird sogleich vom Vorstande die Verfugung getroffen, daß das Ministerium des Innern angegangen werde, eine neue Wahl für den Bezirk Pifek auszuschreiten.
Ich habe ferner noch einige Mittheilungen an die hohe Kammer zu machen:
Die Wahlen des Präsidenten und der beiden Vizepräsidenten sind im vorigen Monate, und zwar am 20. Juli vorgenommen worden, es durften also neue Wahlen diese Woche, und zwar am Donnerstage, neuerdings vorzunehmen sein; ich halte es daher in einer so wichtigen Angelegenheit für meine Pflicht die hohe Kammer einige Tage zuvor darauf aufmerksam zu machen, daß Donnerstag zur Wahl selbst geschritten werden könne.
Die Modalitäten in Betreff unseres Reichstagsmassawesens habe ich bereits mitgeteilt. Es durfte, da die zweite Hälfte des Monates verstrichen ist, zur Entschädigung dieser zweiten Hälfte geschritten werden, ich ersuche daher diejenigen Herren, welche die Hälfte Ihrer Entschädigung am 15, oder 16. zu erheben wünschen, ihre Quittungen dem Vorstandsbureaus zu übergeben, damit sie mit der Anweisungsklausel versehen werden, und zwar dem Beamten Wallner. Die Tage sind heute, morgen und übermorgen, damit die Unterschriften nach einander folgen. Die weiteren Bestimmungen enthalt das Protokoll vom 2. August 1848.
Die Herren Deputirten des Königreiches Dalmatien sind größtentheils hier eingetroffen und haben, weil sie die Repräsentanten eines eigenen Souvernements sind, Wahlen für den Verfassungsausschuß vorzunehmen, damals konnten diese Wahlen nicht vorgenommen werden; es durfte also im Sinne der Geschäftsordnung sein, wenn diese Wahlen nachträglich vorgenommen werden.
Ich ersuche die Herren Deputirten aus Dalmatien nach der Sitzung in dem Saale zu bleiben und drei Herren für den Constitutionsausschuß wählen zu wollen, und diese Wahlen morgen oder übermorgen bekannt zu geben. Diese Herren können sodann sogleich an den Sitzungen teilnehmen. Die Functionäre derselben sind bei dem Herrn Schriftf. Streit zu erfahren.
Abg. Lasser. Ich ersuche den Herrn Präsidenten, daß die Deputaten aus Dalmatien angewiesen Werden, auch in den Petitionsausschuss ein Mitglied ihres Gouvernements zu wählen.
Vicepräs. Der Antrag des Abg. Lasser bedarf keiner Abstimmung, weil er sich auf eine Bestimmung der Geschäftsordnung gründet. Ich ersuche die Herren Deputirten aus Dalmatien gleichfalls aus ihrer Mitte ein Mitglied zum Petitions- — Ausschusse wählen zu wollen. Es sind einige Interpellationen angemeldet, sie dürften vor der Hand aufgeschoben werden. — Der Petitions- — Ausschuß hatte nach dem hier zur Sprache gebrachten Grundsatze heute, als dem ersten Sitzungstage in der Woche, die Erledigung der Petitionen vorzutragen; vor der Hand aber liegen keine vor. — Ich ersuche den Herrn Schriftf. Streit zur Vorlesung des Verzeichnisses über die eingelaufenen Eingaben zu schreiten. (Schriftf. Streit liest dieselben vor.)
Bevor wir zum zweiten Gegenstände der heutigen Tagesordnung übergehen, ersuche ich auch noch im Namen des Schriftführers der II. Abtheilung, die Herren, die zu dieser Abtheilung zugewiesen sind, heute nach der Sitzung in das Abteilungszimmer Nr. 5 zu kommen, um daselbst die Berechnung der Diäten und Formulare zur Quittung entgegennehmen zu wollen; und die neuen Herren Deputirten, die noch keiner Abtheilung zugewiesen, wollen nach der Sitzung hier bleiben, um irgend einer Abtheilung zugewiesen zu werden; sie wollen sich daher an den Schriftf. Wiser deßhalb wenden.
Den zweiten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bilden die Berichte über Wahlacten. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter der I. Abtheilung zum Vortrage zu schreiten (keiner vorhanden), also II. Abtheilung.
Abg. Prybil (berichtet über die Prüfung der Wahl des Abg. Ich. Massei, in Tirol, und des Andrehigel für Tulln, und die II. Abtheilung trägt einstimmig auf die Giftigkeitserklärung dieser Wahlen ans.
Vicepräs. Wünscht Jemand das Wort zu ergreifen? — Wenn die hohe Kammer dem Antrage sich anschließt, so wolle sie sich erheben (Angenommen).
Abg. Kobuzowski (Berichterstatter der II. Abtheilung tragt auf die Gültigkeitserklärung der Wahl des Abg. Jos Festi für Trient an).
Vicepräs. Wünscht Jemand das Wort zu ergreifen? — Wenn die hohe Kammer dem Antrage sich anschließt, so wolle sie durch Aufstehen kund zu geben. (Angenommen.)
(Die III., IV. und V. Abtheilung haben keine Wahlprüfungen vorgenommen.)
Abg. Trojan (Berichterstatter der VI. Abtheilung trägt im Namen der Abtheilung auf die Gültigkeitserklärung der Wahlen des Abg. Jos. Král für Rakonitz und Georg Geißler für Senftenberg an).
Vicepräs. Wünscht Jemand das Wort zu ergreifen? — Wenn eine hohe Kammer damit einverstanden, so wolle sie es durch Aufstehen kund geben. (Angenommen.)
(VII. und VIII. Abtheilung haben keine Wahlen vorgenommen.)
Abg. Demel (Berichterstatter der IX. Abtheilung berichtet über die Wahl des Abg. Ritter Skrzynski für den Bezirk Strzyzow und trägt im Namen der Abtheilung auf Gültigkeitserklärung dieser Wahl an.)
Vicepräs. Wünscht Jemand das Wort? — Ich bitte durch Aufstehen anzuzeigen, wenn eine hohe Kammer den Antrag der Section zum Beschlüsse erheben will. (Angenommen.)
Ich ersuche den Herrn Berichterstatter des Ausschusses zur Prüfung der beanstandeten Wahlen zum Vortrage hier zu erscheinen.
Stimme: Es liegt nichts vor.
Vicepräs. Es sind hier mehrere Interpellationen angemeldet, ohne daß bei allen angegeben ist, welche Ministerien sie betreffen. Ich bitte vor Allem den Abg. Löhn er seine Interpellation vorzubringen.
Abg. Löhner. Ich habe eine Interpellation zu stellen, die zunächst sich wohl an den Herrn Finanzminister richten durfte, soweit mir der Zustimmenshang der Geschäfte bekannt ist. Diese bezieht sich auf das Verhältniß der Forderungen, die der Staatsschatz an den gewesenen Haus, Hof und Staatskanzler Fürsten Metternich zu stellen hat. (Bewegung.)
Ich glaube vorausschicken zu müssen, daß, wie bekannt ist, Fürst Metternich abgedankt wordenist. (Gelächter.)
Ich muß weiter voraussetzen, daß nach meiner Überzeugung derselbe für dm politischen Theil seiner Amtsführung nicht verantwortlich gemacht werden könne, eben deßhalb, weil er einem absoluten Gouvernement als Diener gegeben war; ich bin aber der Meinung, daß es in Bezug auf Gelbgebarung in seiner Geschäftsführung für die Verwendung der ihm jährlich vom Staate für das Ministerium des Äußern zugewiesenen Gelder für ihn keine Indemnität geben könne, außer es wäre eine solche durch einen allerhöchsten Erlaß in früheren Zeiten ausdrücklich und in vorhinein gegeben worden. Ich bin der Meinung, daß in Bezug auf die finanzielle Rechnungslegung er allerdings so verantwortlich sei, wie jeder Staatsbeamte am Schlüsse seiner Laufbahn, wenn er mit Geld zu thun gehabt hat. Es ist also in dieses Hinsicht meine Frage, ob das Finanzministerium sich darüber eine Ansicht gebildet hat und welche.
Es ist noch ein zweiter Umstand zur Sprache zu bringen, der mit der ersten Frage im Zusammenhange steht; er berührt nämlich, daß der Fürst Metternich eine Herrschaft hat, und zwar die Herrschaft Plan, die nach mir zugekommenen Nachrichten unverschuldet und unbelastet ist, und diese durch Kauf an den Fürsten Metternich aus dem Staatsbesitze überging. Bis jetzt ist von dem Fürsten nichts gezahlt worden. Es ist meine Frage an das Finanzministerium, ob es nicht dafür sorgen wolle, daß die Staatsansprüche in Bezug auf diese Herrschaft Plan gesichert und eventuell auf diese Herrschaft festgestellt werden, was auch in privatrechtlicher Hinsicht ganz in der Ordnung wäre. Dieß ist meine Frage an das Finanzministerium. Meine Interpellation an den Herrn Minister des Innern werde ich später stellen.
Finanzminister Krauß. Ich kann mich sehr kurz fassen. Im Principe theile ich vollkommen die Ansicht des Herrn Interpellanten; ich habe den Gegenstand auch im Auge behalten, und es sind darüber Verhandlungen anhängig; ich hoffe, man wird sich überzeugen, daß ich meine Pflicht nicht vernachlässiget habe. Was die Herrschaft Plan betrifft, so ist mir nicht bekannt, wie sich dieses Verhältniß gestaltet hat; indessen werde ich in die Sache eindringen.
Abg. Löhner. Aber ich bitte nur: sogleich, weil sonst Belastungen auf die Herrschaft Plan vorkommen könnten.
Finanzminister Krauß. Da muß ich gestehen, ich werde auch entschuldigt sein, wenn ich von diesem Verhältnisse keine Kenntniß habe, weil ich in früherer Zeit keinen Einfluß auf diese Geschäfte gehabt; noch ist mir in den letzteren vier Monaten darüber kein Anlaß gegeben worden.
Vicepräs. Der Abg. Demel hat eine Interpellation angemeldet, aber nicht angegeben, an welches Ministerium.
Abg. Demel. Meine Interpellation geht an einen von den Herren Ministern, den ich jetzt nicht anwesend finde. (Ruf: laut!)
Vize Präs. Es ist nur formell. Der Herr Minister des Innern ist nicht anwesend, an den die Interpellation gerichtet war. Es ist nun überzugehen zum dritten Gegenstande der heutigen Tagesordnung.
Abg. Smolka. Ich bitte, ich habe auch eine Interpellation angemeldet.
Vicepräs. Ich habe bemerkt, daß sie an den Herrn Minister des Innern gerichtet ist, und weil er nicht anwesend ist, so wollte ich keine weitere Frage stellen.
Der dritte Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet die Fortsetzung der Berathung über den Antrag des Abg. Kudlich. Es dürften daher die Herren Redner nach Maßgabe der Geschäfts Ordnung in der Priorität hier auf der Rednerbühne zu erscheinen haben. Das letzte Mal wurde mit der Reihe jener Herren Redner begonnen, welche sich für den Antrag auszusprechen wünschten, es sind aber auch glaube ich, einige Herren vorgemerkt, die gegen den Antrag wenigstens theilweise sprechen wollen, und dahin gehört namentlich der Herr Abg. Trojan.
Abg. Trojan (von der Tribüne). Mein Vorgänger sprach im Eingange seiner Rede, weder für noch gegen den Antrag, er sprach über den Antrag. Ich gleiche es aus, und muß im voraus erklären, ich spreche für und gegen den Antrag, natürlich mit Modificationen.
Ich muß im voraus gestehen, daß ich schüchtern die Rednerbühne betrete. Eigentümliche Gefühle wallen in meiner Brust. Durch die Verhältnisse meiner Geburt und meiner Verwandtschaft gehöre ich vorzugsweise dem Stande der Verpachteten an. Meine Sympathien richten sich also zu den bedrängten Unterthanen. Man sah mich seit Jahren schon als einen Aristokratenfeind an. Jenes Bewußtsein und dieses Gefühl macht mich etwas bange, daß ich diejenige Unbefangenheit in dieser Angelegenheit behalte, die ich dem hohen Berufe und der Stellung dieser hohen Versammlung schuldig zu sein fühle. Wir sind Vertreter aller Volkesinteressen, wir müssen uns also hüten, etwas zu eigener Parteifache zu machen. Wir müssen streben über den Parteien zu stehen, und wie ein Vorredner zur Begründung seines Amendements richtig bemerkt hat, wir müssen es bewähren, unparteiische Richter zu sein, um die Unbefangenheit, jene Gerechtigkeit und Würde zu behalten und zu beurkunden, die uns das allgemeine Vertrauen und die Achtung wenigstens aller Vernünftigen und Gerechten sichert.
Man sagte, wir stehen auf dem Boden der Revolution. Ja wohl, aber nicht mehr auf dem Böden der Resolution der Gewalt, sondern auf dem Boden der geistigen, vernünftigen Revolution, wo die Wahrheit vor Allem entscheiden muß, die wir uns also nicht vorenthalten dürfen, wenn sie auch zum Theile herb wäre.
Es handelt sich vor Allem um die Gewinnung der persönlichen Freiheit für uns Alle, die wir einem constitutionellen Staate angehören. Darüber sind wir Alle einig, daß Alles, was der angebornen Menschenwürde angehört, so schnell und so vollständig als möglich gewonnen werden muß. Mein Vorredner hat aufmerksam gemacht auf Gesetzte, die ganz noch das Gepräge der Leibeigenschaft an sich tragen; es ist nämlich das Unterthans Straf Patent und Unterethanspatent vom Jahre 1781 für das Königreich Böhmen.
Ich schätze mich glücklich, dießfalls andeuten zu können, daß die drückendsten Puncte darin bereits im Monate März für Böhmen gelöscht worden stand, und zwar jene Puncte, die noch den Unterthan zum u bedingten Gehorsam gegen seine Obrigkeit verpflichtet, und dem Herrn das Recht eingeräumt hatten, eine, auch im Falle seiner Verletzung, seiner Beleidigung, also von dem Grundherrn als Richtet in eigener Sache für gut befundene Strafe sofort in Vollzug zu fetzen, ohne sich auch nur um einen Recürs zu kümmern, wenn er auch ergriffen werden wollte.
Indessen allerdings entspringen diese und ähnliche Beschränkungen aus dem Unterthansverhältnisse; sie sind nicht überall und auch bei uns nicht alle aufgehoben. Ich werde den Tag segnen, und Österreich und die Menschheit wird uns segnen, wenn wir so gut und so schleunig als möglich das Werk vollenden, das im März nur begönnen wurde. Darum wünsche ich, daß wir ausdrücklich alle älteren Gesetze und Verordnungen beheben, die mit dem Unterthansverhältnisse, behufs der Beschränkung der persönlichen Freiheit, etwas gemein haben oder daraus resultieren. Was aber den fachlichen Theil anbelangt, werfen sich drei Hauptfragen auf, die wir zu lösen haben: Welche Einschränkungen des Vermögens oder des Eigenthums sind sogleich zu beheben, und welche sind noch in Frage zu belassen? Dieß dürfte die erste Frage sein. Die zweite: welche davon sind ohne alles Entgelt, und welche gegen ein Entgelt zu beheben? Und endlich drittens, im letztern Falle, aus welchen Quellen und in welcher Art ist die Entschädigung zu leisten? Über alle diese Fragen haben sich die uns vorliegenden Anträge und deren Begründer als Antragsteller verbreitet. Ich werde auf einige der erheblichsten Gründe eingehen und sie beleuchten.
Ein verehrtes Mitglied hat geltend gemacht, daß die Ablösung in manchen Gegenden schon wegen der Seltenheit des Gelbes untunlich sei. Das dürfte wohl nicht richtig ausgesprochen sein; schwer mag es sein, aber nicht ganz unmöglich. Das Geld ist ja gerade ein Mittel zur Ausgleichung aller Werthe. Hat das Geld verhältnismäßig einen größeren Werth in einem Bezirke, so hat es nur zur Folge, daß alle ankern Gegenstände daselbst wohnfeiler sind, und es käme also nur darauf an, daß wir den Preis gehörig bestimmen, daß man das rechte Verhältniß trifft, den Preis jener Leistungen, welche zu entschäbigen sind, den Verhältnissen jeder Örtlichkeit genau anzupassen. Ein anderer Herr Redner sprach aus, daß jede Entschädigung die schwachen Kräfte des Bauers weit überschreite, und bezog sich auf das Patent vom Jahre 1846, welches die Ablösung der Robot freistellt, von dem der Herr Redner aber auch gleich zu bemerken nicht unterließ, daß es eben nicht sehr einladend war. Allerdings, weil es nur vom Einverständnisse beider Theile die Ablösung abhängig machte. Da war es natürlich in der Willkür des Einen, durch Bedingungen Schwierigkeiten herbeizuführen, welche dieses Recht ganz illusorisch machten, ja wenn der Eine unbedingt nicht wollte, so konnte der Andere ihn nicht zwingen. Es handelt sich nun darum, eine bessere Basis zu treffen, und zu bestimmen, was nothwendig ist, sogleich auf alle Fälle und unbedingt aufzuheben, und was nicht. Man sprach von Bedrückung der Saueren und Unterthanen überhaupt; wohlan! man erweise sie und fordere Ersatz. Allein das Unrecht auf einer Seite berechtiget Niemand, am allerwenigsten den Gesetzgeber, ein Gleiches zu thun. Unrecht bleibt unter allen Verhältnissen ein Unrecht. Ich verwahre mich und meine Committenten gegen die Zumuthung: ,,Gleiches mit Gleichem zu vergelten," wie Einer vor mir geradezu verlangte. Nicht minder weise ich den herausfordernden Vorwurf eines Abgeordneten zurück, als ob derjenige die Unterdrückung begünstige, der über dem Drang nach Freiheit und über das Schlagen seines vom Mitgefühle für seine armen Mitbrüder durchglühten Herzens, nicht auch die Stimme des Rechtes überhört. Das Recht ist eben dann das rechte, wenn es von dem Stande der Parteien keine Notiz nimmt, wenn es sich consequent gleich bleibt, ob ihm der reiche Krösus oder ein Bettler gegen« übersteht. Man sprach von "Lehnensverträgen," und meinte die Unterthanen seien, wenn sie in früheren Zeiten Verträge abgeschlossen haben, nicht frei gewesen. Was würde daraus folgen? Daß alle Verträge, die früher mit einer mächtigeren Person abgeschlossen worden sind, ungültig seien, und es müßte nun der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werden; dadurch würden wir uns unsern Brüdern nicht sehr verbinden. Man sagt auch, das Volksgefühl mache in dieser Angelegenheit ganz andere Unterschiede als das Privatrecht. Ich leugne das, und muß zur Ehre meiner Committenten öffentlich erklären, daß mir bei meinem Abgange meine Committenten, so viel ich deren sprach, die feierliche Erklärung abgaben, daß sie auf mein Rechtsgefühl kompromittieren, daß sie nichts Unbilliges, geschweige Ungerechtes begehren, daß sie nur in die Lage kommen wollen, sich über ihre Lasten mit den Obrigkeiten billig abfinden zu können. Man sagt, es fei der Menschenwürde zuwider, daß sich Jemand als Sklave auf ewige Zeiten verkauft. Ja wohl, wenn er sich verkauft, keineswegs aber, wenn er sein Gut veräußert oder mit einer Last beschwert. Denn wenn man auch Letzteres behaupten wollte, wären alle Vertrage unmöglich. Dasselbe gilt auch von der Behauptung, daß kein Vater das Recht habe, seinen Söhnen und Enkeln die Hände zu binden; persönlich allerdings, aber was das Vermögen anbelangt — wie, wenn uns der Vater gar nichts hinterlassen hätte? Ich bin nicht so undankbar gegen meine Voraltern, um ihnen das zum Vorwürfe zu machen, was ich von ihnen überkam; ich denke von ihnen zu fromm, um anders als annehmen zu können, sie thaten ohne Zweifel Alles, was ihren Kräften und den damaligen Zeitverhältnissen angemessen war.
Der Versuch, Dasjenige, was wir hier anstreben, aus dem Grunde des natürlichen oder positiven Rechtes allein herzuleiten, wird bei dem materiellen Theile unserer Frage kaum gelingen. Gründe der Politik und der Billigkeit sind es, die mich leiten, aus voller Kraft meiner Seele die Hand zu bieten, zur Lösung der eben so drückenden als schwierigen Verhältnisse. Dir demokratischkonstitutionelle Staat erheischt soviel als möglich nicht bloß persönlich freie, sondern auch durch ihre bürgerlichen Verhältnisse unabhängige und zugleich sittlich gute, für den Gemeinsinn empfängliche, oder vielmehr vom Gemein* sinn wirklich durchdrungene Staatsbürger.
Die Robot und ähnliche Beschränkungen machen nicht bloß den Staatsbürger in vielfachen Beziehungen abhängig, sie sind eine wahre Schule der Sittenverderbnis des Volkes. Ähnliche Beschränkungen üben auch einen zu großen Druck auf die Bodenkultur, deren Erhöhung die Volkswirtschaft zur Hebung des Nationalwohlstandes unumgänglich bedingt. Darum müssen wir solche Hindernisse aus dem Wege räumen. Ubrigend folgen wir dabei zugleich der eisernen Nothwendigkeit, die uns der Zeitgeist und der allgemeine Wille vorzeichnet; die allgemeine Ruhe und Sicherheit erheischt dasselbe. Es kömmt nun nur darauf an, wohl zu unterscheiden, welche Aufhebung wir sogleich auszusprechen haben, und welche einer commissionellen Vorberathung zu unterziehen wäre. Allerdings ist es wahr, daß die erste Erklärung, die wir zur allgemeinen Beruhigung unserer Committenten und des ganzen Staates abzugeben uns vorgenommen haben, daß diese Erklärung sage ich, wo möglich von praktischer Wirkung sein solle. Darum habe ich versucht, dasjenige hervorzuheben, was vor Allem Noth thut und worüber eine sogleich Verständigung leicht möglich ist, wo nicht so viele Schwierigfeien zu finden, wie bei manchen ändern. Darin sind wir wohl Alle einig, daß zuerst die Robot aufzuheben sei.
Man fand die Notwendigkeit einer solchen Maßregel darin, daß man den factischen Zustand functioniren zu sollen erachtete. Ich füge hinzu, auch darum fei es nöthig, um eine tatsächliche Gleichheit herzustellen und die Gewissenhaftesten nicht länger leiben zu lassen; denn noch nicht überall haben solche Leistungen factisch aufgehört.
Bei der Robot ist auch die Schwierigkeit geringer, weil sie sich nicht auf Privatrechtstitel — bei uns wenigstens nicht — auf Verträge, sondern nur Gesetze stutzt, und unzeitigen Gesetzen können wir am leichtesten und unbedenklichsten mit besseren zweckmäßigeren Gesetzen entgegentreten.
Man hat bei dieser Gelegenheit über den Ursprung der Robot gesprochen und bald Privatrechtstitel, bald allgemeine öffentliche Rücksichten zur Basis des Ursprüngen angenommen. Ich glaube, der Unterschieb, der Grund der Abweichung liegt in der provinziellen Verschiedenheit.
Bei uns in Böhmen datirt sich die Robot hauptsächlich erst aus den Zeiten nach dem dreißigjährigen Kriege her. Nicht viel alter ist die Unterthänigkeit überhaupt. Es ist geschichtlich und durch öffentliche Urkunden das Verhältniß sichergestellt, daß vor dem dreißigjährigen Kriege in Böhmen nur wenig Arbeitstage in einem Dorfe, und um sosehr bei einzelnen Gründbesitzern, als Obliegenheiten für den Grundherrn bestanden. Der dreißigjährige Krieg hat bei uns das Land so sehr entvölkert, daß ganze Dörfer oder doch ein bedeutender Theil öde blieb.
Die Grundobrigkeiten haben diese occupirt, sie in Folge von Cohnzessionen des Landesfürsten in Besitz genommen, haben sie zu Rustikal oder Dominicaalgründen gemacht und in der Folge zum Theile wieder abgetreten an Leute, von denen sie sich Arbeiten ausbedungen.
Dar Umfang dieser Arbeiten läßt sich nicht nachweisen, er hat sich nur in einer Übung herausgestellt, und, meine Herren, wenn wir strenge auf den Ursprung hinausgehen, bei allen Rechtsverhältnissen, in welche Schwierigkeiten würden wir da gelangen? Wenn wir von da ausgehen und den Grundsatz gleichmassig durchführen wollten, könnten wir uns veranlaßt finden, bei Jedem der etwas reicher ist, zu fragen, wie er zu diesem Reichthume gekommen. Ich scheue mich in der That, mit jener Schärfe der Unterscheidung, wie sie jetzt bei Verträgen und deren Auslegung angemessen ist, einzugehen in jene Zeiten wo der Handschlag und das Wort mehr galt, als jetzt ein schriftlicher durch öffentliche Bücher sicher gestellter Vertrag, wenn er nicht mit allen Vorsichten verklausuliert ist. Der Thatbestand aber ist, wie er damals war, sanktioniert durch öffentliche Gesetze. Wir müssen annehmen, daß der Gesetzgeber vor hundert Jahren kaum ein härteres Verhältniß billigte, oder erst herbeiführte, als welches tatsächlich bestand. Seit hundert Jahren gehen die Gesetze hinauf, seit hundert Jahren ist das Verhältniß geregelt, und so viel wir wissen, immer eher zur Milderung des Unterthans gegen allfällige Übergriffe. Wenn wir die gesetzlichen gehörig rectificirten Verhältnisse zur Basis nehmen, dürften wir nicht fehlen, und da werden wir auf den Unterschied gelangen, daß einige Giebligkeiten, zum Thale selbst auch manche Robot, wie sie jetzt besteht, ohne Entgelt, andere aber allerdings gegen Entgelt aufzuheben sei. Ohne Entgelt, in sofern sie die Urbaren und das Gesetz Überschreiten, denn es sind allerdings einige Missbräuche eingerissen, und Niemand von uns wird ihnen das Wort fuhren. Ferner wären meiner Ansicht nach Eigentumsbeschränkungen unentgeltlich zu beheben, wenn sie mehr ein Ausfluss der persönlichen Beschränkung und der Leibeigenschaft sind, als daß sie die Überlassung des Grundes oder eines wesentlichen Vorheiles sonst zum Rechtstitel hatten, wie ich in meinem Antrage mehrere Verhältnisse anzudeuten mit erlaubte. Jedenfalls müssen wir aber Privatrechtstitel unterscheiden. Es sind Verträge, deren Rechtmäßigkeit völlig außer Zweifel gesetzt ist; da gehören alle Rechte, die daraus fließen, dem Privateigenthum an, das selbst von den absolutistischen Regierungen heilig gehalten wirb, wenn sie nicht bloße Willkürherrschaften sind; und mit diesen wollen wir freisinnige Volksvertreter wohl durchaus nichts gemein haben. Entäußerungen aus öffentlichen Rücksichten, wie ich vorhin angedeutet habe, Entäußerungen sollen nur dann und in sofern stattfinden, als sie nöthig sind, und selbst dann, wenn ihre Notwendigkeit sicher gestellt ist, hat den Schaden nicht Einer allein, den eben die Entziehung des Eigenthums trifft, sondern jeder Staatsbürger nach Verhältniß des Vorheiles zu tragen, den er davon gewinnt.
Gehen wir von andern Grundsätzen aus, so thun wir nichts Anderes, als confisciren; alle humanen Gesetzgeber haben aber die Güterconfiscation verpönt und aufgegeben, nicht der Berechtigte gibt hier auf, wir würden ihm es nehmen; und wenn wir bedenken, daß es Güter gibt, die ganz emphitfutisirt wurden, und wenn wir ihm die Zinsen und emphiteutischen Rechte ganz wegnehmen, haben wir ihm eigentlich das ganze Gut weggenommen, haben es consiscirt und haben damit Personen beteilt, denen darauf ursprünglich kein Siecht zustand, außer wie es dieselben bisher besaßen.
Ich glaube, wir müssen vor Allem darauf denken, daß wir diejenigen Rechte, deren dermaligen Bestand wir als rechtmäßig anzuerkennen nicht umhin können, und deren Behebung wir für dringen nöthig erkennen, daß wir deren Behebung wie möglich billig, ja leicht machen; und da glaub« ich, daß wir allerdings den Grundsatz schon jetzt aussprechen können, daß bei einigen die Aufhebung unbedingt eintrete, bei ändern ausdrücklich die Ablösung vorbehalten, aber eine billige Ablösungsart in Aussicht gestellt werde. Sie sei billig durch den Betrag und zugleich billig durch die Leichtigkeit ihrer Realisirung. Wem es nicht möglich ist, den geringen Ablösungsbetrag sogleich zu leisten, um sich für alle Zukunft vollkommen unabhängig zu machen von der dermaligen Obrigkeit, dem wird es auf eine Weise vermittelt werden können, daß er es nach und nach auf eine solche Weise zu thun in den Stand gesetzt wird, daß er durchaus nicht von der Willkür der dermaligen Grundherren mehr abhangt. Ich muß aber bei dieser Gelegenheit bemerken, daß das was in die Kaffen der Grundherren einstießen sollte, daß es sehr gering ausfällt; schon darum, weil wir jetzt daran sind, alle Besitzungen, alle Gründe gleich zu fetzen; der Unterschied des Dominicales wie der Grundobrigkeiten wird vollkommen aufhören. Es sind nun Giebligkeiten und Lasten, die nur den Grundobrigkeiten aufgebürdet sind, es sind nämlich die Beiträge zu Baulichkeiten der Schulen, Kirchen und Pfarrgebäude; Baulichkeiten bei Straßen und derartigen Kommunikationswegen; es sind Belastungen und Verpflichtungen, zur Polizeiaufsicht u. f. f. Diese werden auch den Gründobrigkeiten abgenommen und dem Staate zur allgemeinen Umlegung zukommen müssen; auf dieß muß auch bei der Ablösung Rücksicht genommen werden, und derjenige Theil, der adäquat darauf in Anschlag gebracht werden muß, dürfte dann wohl in die Staatskassen einstießen, um daraus die entsprechenden Steuerfronde dotieren zu können.
Endlich sind allerdings auch die Hypothekargläubiger der Grundherren nicht zu übersetzen, was auch nach strengem Rechte auf diese entfällt. Das Gesetz, das wir hierüber erlassen, muß natürlich bestimmt, klar und wie möglich vollständig, also umfassend sein. Darum finde ich namentlich in dem neuerlichen und letztern Antrage des Abg. Kudlich, den dieser gemeinschaftlich mit mehreren ändern vorlegte, daß wir den gar zu allgemeinen Beisatz: "oder ihnen ähnliche", dann das Bergrecht auslassen müssen, wenigstens in der Fassung, wie letzteres in diesem und in anderen Amendements vorkommt; denn wenn wir alle Belastungen und Beschränkungen des Eigenthums ans dem Bergrechte aufnehmen, dann haben wir nichts weniger als eine gänzliche Vernichtung alles Bergbaues beschlossen.;