Úterý 25. èervna 1935

7. Øeè posl. Sandnera (viz str. 33 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus, meine Damen und Herren! An der Regierungserklärung, vorgetragen durch den Herrn Ministerpräsidenten, haben wir Sudetendeutschen eines auszusetzen: Wir haben auszusetzen, daß selbst nach dem sensationellen Ausgang der Wahlen vom 19. Mai über das sudetendeutsche Problem genau mit denselben unverbindlichen und nichtssagenden Passagen hinweggesprochen wurde, wie ehedem. (Sehr richtig!) Wenn Koll. Jaksch von der deutschen Sozialdemokratie am Brünner Parteitag selbst feststellen mußte, daß das sudetendeutsche Problem sowohl politisch als auch sozial neu gestellt ist, so ist wohl von unserer Seite festzustellen, daß in der Regierungserklärung nichts davon zu merken ist, daß die deutsche Sozialdemokratie auf Grund dieser ihrer Erkenntnis auch dafür Sorge getragen hätte, das sudetendeutsche Problem wirklich entsprechend der Aufrollung all der Fragen, die uns betreffen, in der Regierungserklärung entsprechend zu behandeln. (Sehr richtig!) Wenn es so ist, so kann uns das nicht wundernehmen. Wir haben ein gewisses Verständnis dafür, daß sich die bisher so unglaublich leichtfertige Art, mit der man das sudetendeutsche Problem behandelte, jetzt rächen mußte, umsomehr, wenn sich sudetendeutsche Parteien finden, wie eben der Vertreter einer solchen hier gesprochen hat, die die ganze Bedeutung des sudetendeutschen Problems auf ein vollkommen den heutigen Tatsachen nicht entsprechendes Geleise ablenken und aus einer statspolitischen Angelegenheit, die für unseren Staat und nicht nur für das Sudetendeutschtum von höchster Bedeutung ist, eine Angelegenheit der internen Macht- und Koalitionskämpfe der in der Verantwortung stehenden Parteien macht. (Potlesk.)

Wir, die Sudetendeutsche Partei, werden trotz der Schwierigkeiten, trotz des Mißtrauens, trotz der Verdächtigungen und Verleumdungen, mit denen man uns gegenübertritt, nicht ruhen und rasten, von unserer Seite aus alles zu tun, um das sudetendeutsche Problem, so wie es wirklich ist, der gesamten Öffentlichkeit dieses Staates zur Kenntnis zu bringen. (Výkøiky.) Es kann und es darf für jeden, der politische Verantwortung trägt, keinen anderen Ausgangspunkt für die Beurteilung unserer Partei und der ihr innewohnenden politischen Kräfte geben, als die sudetendeutsche Not. Denn nur wer weiß, was aus diesem Volke der 3 1/2 Millionen während der letzten Jahre geworden ist, nur wer weiß, wie unsere Industrie heute nur noch aus Friedhöfen besteht, nur wer weiß, wie unser Gewerbe zu Boden liegt, nur wer eine Ahnung hat, wie es heute in den sudetendeutschen bäuerlichen Gebieten aus sieht, nur wer die Not unserer Hunderttausender von Arbeitslosen kennt, wird imstande sein, den eigentlichen Ursachen unseres Daseins und unseres politischen Wirksamwerdens gerecht werden zu können.

Es soll hier nicht darum gehen, den Gang der Entwicklung während der letzten Jahre aufzuzeigen, aber es soll versucht werden, durch einige Streiflichter in die heutige wirtschaftliche Lage des Sudetendeutschtums ein Bild davon zu geben, auf welchem Tiefstand des gesellschaftlichen Daseins das Sudetendeutschtum heute angelangt ist. Man denke an unsere Industrie. Vor Jahren noch blühend und Hunderttausenden von Menschen Arbeit gebend, liegt sie heute vollkommen brach. Ganze Bezirke, ganze Kreisgebiete gleichen Industriefriedhöfen, nur noch mit einem verschwindenden Bruchteil der ehemaligen Kapazität wird in den einzelnen Betrieben gearbeitet und wenn es auch so ist, daß dort, wo noch Fabriken bestehen, der furchtbarste Konkurrenzkampf herrscht und die Arbeiter zu schandbaren Hungerlöhnen arbeiten müssen, dann sei hier festgestellt, daß da nicht allein die zweifellos vorhandene Profitgier einer gewissen Unternehmerschaft, sondern auch die besondere Entwicklung der sudetendeutschen Industrie in diesem Staate eine entscheidende Rolle spielt. (Výkøiky.)

Místopøedseda Langr (zvoní): Prosím o klid.

Posl. Sandner (pokraèuje): Die Produktionsverhältnisse in den einzelnen Industrien sprechen hier eine erschütternde Sprache. So fielen z. B. in der deutschen Porzellanindustrie der Ausfuhrwert unserer deutschen Porzellanerzeugung von 303 Millionen im Jahre 1929 auf 90 Millionen im Jahre 1933. (Výkøiky posl. Beuera. - Hluk.)

Místopøedseda Langr (zvoní): Volám pana posl. Beuera k poøádku.

Posl. Sandner (pokraèuje): ... in der deutschen Glasindustrie von 1380 Millionen auf 530 Millionen, in der Textilindustrie von ehemals 7 Milliarden auf 1.5 Milliarden. Allein in der deutschen Gablonzer Glasindustrie ist der Umsatz gegenüber normalen Zeiten um 75% gesunken und die deutsche Perlmutterindustrie arbeitet heute bereits nur mehr mit 10% ihrer ursprünglichen Kapazität. In der Ziegelindustrie betrug die Kapazität im Jahre 1935 bereits nur mehr 30% des normalen Standes und dürfte um weitere 10% zurückgegangen sein. Die landwirtschaftliche Maschinenindustrie wies bereits im Jahre 1933 nur mehr 1/8 ihrer normalen Kapazität auf und in der Margarinefabrikation, die sich ursprünglich fast ausschließlich in deutschen Händen befand, fiel die Ausfuhr künstlichen Fettes allein in einem einzigen Jahre, nämlich von 1932 auf 1933, um mehr als 300 Zentner und als im Jahre 1934 die Margarineerzeugung auf 4800 Waggonladungen eingeschränkt wurde, geschah dies vor allem auf Kosten der deutschen Margarineerzeugung, während man zur gleichen Zeit die Errichtung neuer èechischer Produktionsstätten bewilligte. Der Zusan enbruch der deutschen Industrie ist dabei durchaus nicht ausschließlich eine Folge der immer wieder entschuldigend angeführten Weltwirtschaftskrise oder der gewiß vorhandenen Ausbeutungsmethoden einer Unternehmerschaft, die immer noch auf der Basis einer privatkapitalistischen Wirtschaftsgesinnung arbeitet. Wenn wir heute um die tatsächliche Lage nicht herumreden wollen und wenn es darum geht, durch objektive Feststellungen die Ursache unseres Elends aufzudecken, dann muß man hier besonders als Gründe unseres wirtschaftlichen und damit sozialen Niederganges auch anführen, daß die systematische Benachteiligung der deutschen Industrie bei der Beteilung mit Staatsaufträgen, unsere von den wirtschaftlichen Notwendigkeiten in den Randgebieten durchaus nicht allzusehr belastete Handelspolitik und unsere ausschließlich nach politischen Gesichtspunkten ausgerichtete Außenpolitik ein gerüttelt Maß von Schuld trage.

Von der Praxis in der Produktionszuteilung bei den Kontingentierungen, von den Schwierigkeiten, auf die unsere deutschen Arbeitsgeber stoßen, wenn sie um Devisenbewilligungen ansuchen, von der Steuerpraxis, die man draußen in den Grenzgebieten betreibt - denken Sie nur an die Kurorte, dort schickt man die Exekutoren in die Kurhäuser, damit sie in Gegenwart ausländischer Kurgäste Beschlagnahmen durchführen - von diesen Dingen, die weiß Gott gut bekannt sind, soll nicht die Rede sein, aber es soll festgestellt werden, daß noch grauenhafter als der Niederbruch unserer Wirtschaft, unserer Produktion, von der wir gelebt haben, die Folgen sind, die durch diesen Niederbruch hervorgerufen wurden. Von rund 2 1/2 Millionen erwachsenen Sudetendeutschen sind heute rund 600.000 arbeitslos, nicht nur arbeitslos und vielleicht im Genusse der Unterstützung stehend, sondern zum großen Teil arbeitslos im Sinne einer scheinbar endgültigen Ausscheidung aus dem Produktionsprozeß überhaupt (ukazuje mapu). Ihr Volksvertreter sehet nach dieser Karte in Ziffern graphisch die Arbeitslosigkeit in der Èechoslovakei dargestellt. Die ganzen Notstandsgebiete, so wie sie eingezeichnet sind, sie decken sich fast mit der Sprachgrenze innerhalb der Èechoslovakei. Das durch die ungeheuere Arbeitslosigkeit verursachte Elend schreit zum Himmel.

Es ist eine Tatsache, daß wir Sudetendeutsche nicht nur mehr Arbeitslose zählen, als das große Frankreich, sondern daß wir Sudetendeutsche überhaupt perzentuell die höchste Arbeitslosenziffer unter allen Völkern Europas aufzuweisen haben. Der durch diese ungeheuere Arbeitslosigkeit verursachte Ausfall von vielen Milliarden unseres Volksvermögens, der sich heute bei fast allen Schichten unserer Bevölkerung katastrophal auswirkt, macht das Sudetendeutschtum selbst unfähig, aus eigenen Mitteln und auf dem Wege der Selbsthilfe dieser furchtbaren Verelendung entgegenzutreten. Die durch das Gesetz geschaffenen oder sanktionierten Fürsorgemaßnahmen versagen vollständig, denn durch die gewerkschaftliche Unterstützung nach dem Genter System wird heute nur ein geringer Bruchteil der wirklich Arbeitslosen erfaßt. Die übrigen stehen im zweifelhaften Genuß der Ernährungsaktion oder sind vollkommen aus jeder Unterstützung ausgeschlossen. Wie furchtbar in dieser Beziehung die Verhältnisse liegen, zeigen folgende -Zahlen: im Feber d. J. 1934 waren von insgesamt 844.000 Arbeitslosen in diesem Staate nur 294.000 nach dem Genter System untersstützt. In den sudetendeutschen Gebieten perzentuell noch weitaus weniger. So waren z. B. im Jahre 1935 in Böhm. Leipa nur mehr 28, in Haida nur mehr 30%, in Niemes sogar nur mehr 20% nach dem Genter System unterstützt. In Predlitz bei Aussig erhielten von insgesamt 744 Arbeitslosen nur sage und schreibe 35 Unterstützung nach dem Genter System, 401 bezogen die Lebensmittelkarte und mehr als 300 waren vollständig dem Verhungern ausgeliefert. Was diese erschütternden Zahlen bedeuten, kann nur der ermessen, der die sudetendeutschen Hungergebiete kennt. Der Begriff der Proletarisierung reicht für die Vorgänge, die sich heute in unseren deutschen Grenzgebieten abspielen, nicht mehr aus. Denn hier werden Menschen, die gewohnt waren, berechtigte Lebensansprüche zu stellen, geradezu auf ein tierhaftes Niveau herabgedrückt. Es muß geradezu als ein Wunder erscheinen, wenn diese Menschen, die sich als aus der Gesellschaft ausgeschlossen betrachten müssen, nicht lange schon zu Aktionen gegriffen haben, die revolutionären Charakter tragen. Wenn man zu den Zahlen der Arbeitslosigkeit noch hinzufügt, daß das Sudetendeutschtum die höchsten Selbstmordziffern unter allen Völkern Europas aufzuweisen hat, wenn man bedenkt, daß das Sudetendeutschtum die höchste Selbstmordziffer aufzuweisen hat, daß seit dem Jahre 1920 20.000 Sudetendeutsche durch Selbstmord geendet haben, wenn man bedenkt, daß die Statistik nachweist, daß in einem einzigen deutschen Bezirk unter 287 Todesfällen 44 Selbstmorde waren, meine. Damen und Herren, dann wird man wohl allmählich begreifen, daß hier wirklich ein Problem vorliegt, das über den Bereich der besonderen parteilichen Interessen der einzelnen Gruppen hinausreicht. Ich will nicht weiter auf diese Dinge eingehen, eines sei aber gesagt: (Hluk.) So entsetzlich und beispielslos die allgemeine Verelendung des Sudetendeutschtums ist, so wenig es unserer Staatsführung zur Ehre gereichen kann, daß sie dem wirtschaftlichen Zusammenbruch eines ganzen Volkes so gut wie nichts entgegensetzt, das Schicksal unserer sudetendeutschen Arbeitslosen und das politische Spiel, das man zu all ihrer Not noch mit ihnen treibt, verdient die Bezeichnung einer Kulturschande, die uns, wenn sie nicht beseitigt wird, eines Tages allesamt der Verachtung der gesamten Weltöffentlichkeit ausliefern muß.

In die gleiche Reihe objektiv feststehender Tatsachen gehört auch die verhängnisvolle Auswirkung des noch immer ungelösten und nicht eingedämmten Nationalitätenproblems, besonders dort, wo es den Kampf um den Arbeitsplatz gilt. Denn nicht nur, daß man im Dienste einer mit allen Mitteln betriebenen Entnationalisierung den sudetendeutschen Arbeiter um Brot und Verdienst bringt, den deutschen Arbeitgeber aber zur Einstellung èechischer Kräfte zwingt, verweigert man dem Sudetendeutschtum auch die Arbeit im Staatsdienst, baut deutsche Beamte ab und macht so den Staat, dem wir doch vertrauen sollen, den wir lieben sollen, zum offenen Mitschuldigen unseres Elends. Statt nach Recht und Gerechtigkeit dem Grundsatz Rechnung zu tragen, daß dem Sudetendeutschtum soviel Arbeitsplätze im Staatsdienste zustehen, wie dies dem Bevölkerungsschlüssel entspricht, entläßt man unter Hintansetzung aller sozialen und menschlichen Gesichtspunkte den deutschen Beamten, besetzt freiwerdende Stellen fast ausschließlich mit Èechen und hat es auf diese Weise gegenärtig soweit gebracht, daß uns heute nicht weniger als 44.000 Arbeitsplätze, auf die wir auf Grund des Bevölkerungsschlüssels Anspruch hätten, vorenthalten werden. 44.000, das ist genau soviel an Arbeitsplätzen, als man mit der Durchführung der Vierzigstundenwoche frei machn will. (Hluk trvá. - Místopøedseda Langr zvoní. - Posl. Beuer: Sagen Sie uns doch, wie Sie uns zu diesem Arbeitsplatz helfen wollen!) Wenn Sie fordern, der Herr Sandner möge sagen, wie er das meint, ich weiß, Sie sammeln Rezepte, weil Sie selbst keines haben. (Potlesk.) Während man, um nur ein Beispiel anzuführen, seit dem Jahre 1930 nicht weniger als 38.780 öffentliche Dienststellen mit èechischen Bewerbern besetzte, wurden in derselben Zeit lediglich 557 deutsche Bewerber im öffentlichen, im Staatsdienst eingestellt, während uns auf Grund des Bevölkerungsschlüssels ein Zuwachs von 11.800 entsprochen hätte. Ich glaube, ein Beispiel nationaler Entrechtung, wie es eindeutiger nicht bestehen kann. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Košek.)

Nach dem gleichen Grundsatz einer bewußten und vollkommenen Ignorierung sudetendeutscher Lebensinteressen hat man auch zu anderen entscheidenden Fragen des Sudetendeutschtums Stellung genommen. Ob man hiebei an die weder auf volkswirt schaftliche noch soziale Voraussetzungen Rücksicht nehmende Steuerpraxis, an unsere Handelspolitik oder Außenpolitik denkt, ist dabei egal. Ich erinnere hier vor allem einmal, um ein konkretes Beispiel zu bringen, an die Art und Weise, mit der man heute die Bäderfrage, das Lebensinteresse von Westböhmen, behandelt. (Výkøiky posl. Heegera, Beuera a Kirpalové.) Unsere Kurorte werden heute buchstäblich zugrunde gerichtet durch eine engherzige Handelspolitik und durch die ebenso engherzige Art der Bewi rtschaftung unserer Devisen. In Karlsbad, Marienbad, Franzensbad und Teplitz sind in den Kurhäusern und Hotels oft dreimal soviel Angestellte als Kurgäste. (Posl. Heeger: Weil sie der Hitler nicht herein läßt.) Unendliche Summen des Volksvermögens gehen verloren. Es tut mir leid, daß ich einen Abgeordneten scheinbar aufklären muß, wie die Lage im Bäderproblem ist. Wenn Sie nicht wissen, daß es sich hier um den Bäderfond handelt, dann ist Ihnen nicht zu helfen. (Posl. Heeger: Aber wir wissen, daß Deutschland Schwierigkeiten macht.) Wieweit aber die allgemeine Verelendung und Verarmung des Sudetendeutschtums fortgeschritten ist, ist am eindeutigsten aus einer kurzen Bilanz unseres sudetendeutschen Sparvermögens zu ersehen. Die ungeheuere Schrumpfung des sudetendeutschen Anteiles am Sparvermögen, die seit Jahren immer gewaltiger anwachsenden Abhebungen und der steigende Prozentsatz im Abstieg des Sparvermögens unserer Sparkassen zeigt eindeutig, daß das Sudetendeutschtum heute bereits an der Substanz seines Volksvermögens zehrt. Während z. B. im Jahre 1934 - bei einem Anteil des sudetendeutschen gesamten Sparvermögens am Gesamtsparvermögen der Èechoslovakei mit 31% - bei den èechischen Sparkassen ein Rückgang von 88 Millionen eintrat, betrug der Rückgang bei den deutschen Sparkassen über 200 Millionen. Wie sehr sich gerade in dieser Tragödie der ganze entsetzliche Verfall der sudetendeutschen Volksgüter spiegelt, geht aus der Tatsache hervor, daß man vor kurzem errechnet hat, daß in den èechischen Bezirken im Durchschnitt auf den Kopf der Bevölkerung immer noch ein Sparvermögen von 6.140 Kè kommt, in deutschen Bezirken aber nur mehr ein solches von 3.300 Kè. Dabei war das Sudetendeutschtum einmal das im Wohlstand lebende Volk dieses Staates. Es gibt keinen Lebensbereich, der nicht mit in den Strudel der allgememen Verarmung und Verelendung gerissen worden wäre. (Hluk trvá.) Was von den Auswirkungen der Krise verschont blieb, das wurde wie ein großer Teil der deutschen Kultur, unser Schulwesen, unser Verbändewesen, ein Opfer der unberechtigten Entnationalisierung. Position auf Position haben wir verloren. Immer furchtbarer und unerträglicher lastet seitdem der Druck der Not, des Elends und der sozialen und politischen Entrechtung auf uns. Ich frage Sie: kann es da angesichts einer solchen Entwicklung Wunder nehmen, wenn eine solche wi rtschaftliche, politische und soziale Entwicklung, deren verhängnisvolle Wirkung sich von Tag zu Tag stärker auch im Leben des Einzelnen fühlbar machen mußte, wenn eine solche Entwicklung schließlich zu einem entscheidenden politischen Gesinnungswandel innerhalb des Sudetendeutschtums führen mußte? (Hluk. - Místopøedseda Košek zvoní.) Meine Herren, ein Volk, das 14 Jahre lang zusehen muß, wie es Position auf Position verliert, wie die engstirnige und perspektivenlose Interessenpolitik seiner Parteien die ohnedies nur im geringen Ausmaß vorhandenen politischen Kräfte planlos verwirtschaftet, ein Volk, das zusehen muß, wie jeder Rechtsanspruch ausgelegt wird als eine Drohung und jede Feststellung objektiver Tatsache ausgelegt wird als Lüge und Heuchelei, ein solches Volk wirft eben eines Tages jene Politik, die ihm nichts anderes brachte als wi rtschaftliche und soziale Verelendung, nichts anderes als unendliche nationale Demütigung, entschlossen beiseite und geht neue, wenn vielleicht auch noch unerprobte Wege. (Potlesk.)

Der 19. Mai und der große Wahlsieg unserer Bewegung sind daher nichts anderes als der elementare Ausdruck dafür, daß die 3 1/2 Millionen Sudetendeutschen, aufgerüttelt aus Not und Verzweiflung (Výkøiky.), aufgerüttelt durch Hunger und Elend sich zu einer Notgemeinschaft zusammengeschlossen hapen und es ist erschütternd, wenn man feststellen muß, daß sich heute Volksvertreter finden, die nicht Ehrfurcht empfinden vor einem solchen elementaren Vorgang. (Potlesk.) Wenn es uns mit einem Schlage gelang, 70 % der deutschen Wählerschaft in unserem Lager zu versammeln, wenn es geschehen konnte, daß das Sudetendeutschtum sein Urteil über diejenigen, die es für mitschuldig halten muß, im Laufe der Entwicklung so entschieden und so hart fällte, dann kann das für jeden Einsichtigen nur ein Zeichen dafür sein, daß die sudetendeutsche Not und das sudetendeutsche Elend bereits an der Grenze des Erträglichen angekommen sind.

Ich frage: Was müssen diese 3 1/2 Millionen gelitten und ertragen haben, welche Fülle von Enttäuschungen und betrogenen Hoffnungen muß über dieses Volk hinweggegangen sein, um es fähig zu machen, sich so, ich möchte sagen über Nacht, über alle die alten und an Traditionen gewiß nicht armen Parteien hinwegzusetzen und unsere Notgemeinschaft zu schaffen? Was muß vor allem der sudetendeutsche Arbeiter, der traditionsmäßig durch Jahrzehnte im marxistischen Lager stand, was muß er gelitten haben an Enttäuschungen und bertrogenen Hoffnungen, wenn eine Niederlage des Marxismus in solch em Ausmaß wie am 19. Mai möglich werden konnte. (Potlesk. - Rùzné výkøiky.) Nur wer von solchen Gedanken ausgeht und den ganzen gewaltigen Ernst dieses wahrhaft erschütternden Vorganges begreift, wird dem wahren Charakter unserer Bewegung und den wahren Ursachen ihres Aufstieges und Durchbruches nahekommen. Er wird auch begreifen, daß es gerade darum sinnlos und unwürdig ist, wenn auch heute noch, nach der Feststellung, daß 70% der Deutschen hinter uns stehen, das sudetendeutsche Problem bagatellisiert wird und ein Entwicklungsgeschichtlicher Vorgang umgelogen wird in eine kleine und an sich vielleicht bedeutungslose politische Episode. Wir haben uns während der 1 1/2 Jahre, die wir nun politisch tätig sind, alle erdenkliche Mühe gegeben, um diese Zusammenhänge aufzudecken und auf sie hinzuweisen. Wir wissen, daß wir dabei auf den Widerstand jener stossen mußten, denen diese Entwicklung von vornherein nicht in das Konzept passen konnte. Die einen haben sich vom ersten Tage an gegen uns gestellt und die anderen, wie der Bund der Landwirte, versuchten zunächst, aus der sudetendeutschen Partei einen Steigbügel für den Herrn Minister Spina zu bauen, und als dies nicht ging, ist man hinüber geschwenkt in die Front derer, die uns der Staatsfeindlichkeit oder einer faszistischen Gesinnung bezichtigten. (Výkøiky.) Wir haben wiederholt in unzähligen Erklärungen und Kundgebungen daran erinnert, daß die herrschende Not und die durch sie möglich gewordene Zusammenfassung unseres Sudetendeutschtums die vielleicht nie wiederkehrende Gelegenheit bietet, das ganze Problem der nationalen Befriedung dieses Staates auf eine gesunde und haltbare Grundlage zu stellen. Wir haben immerfort wiederholt und darauf hingewiesen, daß wir es unter anderem als eine unserer ersten Aufgaben betrachten, ein Verhältnis von Volk zu Volk anstelle der heute noch vorhandenen Verhältnisse verschiedener sudetendeutscher Parteien zum Staate zu schaffen. Man hat aber alles, was wir unternahmen, bagatellisiert, hat uns Hintergedanken unterschoben, hat alles unternommen, um uns zu diskreditieren und das dem Volke eingepaukte Mißtrauen zu begrüssen.

Die grenzenlose Leichtfertigkeit, mit der man bisher in diesem Staate das sudetendeutsche Problem behandelte, auch der absolute Mangel einer wirklich ernsthaften Erkenntnis der sudetendeutschen Lage im èechischen Volke und nicht zuletzt der Glaube, man könne das in Parteien zerrissene und innerlich selbst uneinige Sudetendeutschtum ruhig seinem Schicksal überlassen, das, meine Herren, läßt es verständlich erscheinen, wenn man sich nunmehr nicht so ohneweiters bereit finden will, dem sudet endeutschen Problem eine ernstlichere Würdigung widerfahren zu lassen, als dies eben bisher geschehen ist. (Výkøiky.) In übermenschlicher Selbstbeherrschung und in einer beispiellosen Disziplin, die nur möglich war, weil das Sudetendeutschtum wirklich mit allen Fasern seines Herzens an dieser letzten Hoffnung einer für beide Teile befriedigenden Lösung des Nationalitätenproblems hing, haben wir all das Mißtrauen und all die Demüt igungen, mit denen man uns verfolgte, ertragen. Und ich sage Ihnen, nur der, der im Sudetendeutschtum selbst steht und arbeitet, kann eine Ahnung davon haben, was es heißt und was es hieß, angesichts der Persekutionen und Verfolgungen in hunderten Versammlungen von unserer Verständigungsbereitschaft, von der Bejahung des Staates und von der Anerkennung der Integrität des Staates zu sprechen. Gewiß, es mag verständlich erscheinen, wenn das von jeder Kenntnis der sudetendeutschen Verhältnisse vollkommen unbeschwerte èechische Volk den politischen Umbruch und den Aufstieg unserer Bewegung im Sudetendeutschtum mit einem gewissen Mißtrauen und vielleicht sogar mit einer gewissen Bestür zung. verfolgt. Wir begreifen vollkommen, daß sich heute, wie ich schon einmal sagte, die jahrelange Bagatellisierung des sudetendeutschen Problems rächen muß. Wir stehen aber auf dem Standpunkt, daß es gerade deshalb in diesem entscheidenden Zeitpunkt die Aufgabe einer Regierung sein muß, nicht dem Druck der Straße zu weichen, nicht Politik zu machen nach der Meinung derer, die heute die Dinge falsch sehen, sondern endlich einmal durch eine sachliche und objektive Feststellung der wirklichen Ursachen unseres Daseins und der wirklichen Zielsetzung unserer Politik dafür zu sorgen, daß durch eine Beseitigung des vorhandenen Mißtrauens mögliche Konfliktstoffe für alle Zukunft beseitigt werden. (Rùzné výkøiky.)

Mit aller Eindringlichkeit muß daher das Sudetendeutschtum und die Sudetendeutsche Partei die Forderung erheben, daß endlich einmal auch auf èechischer Seite der Erkenntnis Rechnung getragen wird, daß es für die innere Stabilität eines Staates, dessen Bevölkerung sich so zusammensetzt wie die des unseren, nicht zuträglich sein kann, wenn, wie ich schon sagte, nicht die nüchternen und sachlichen Einsichten des weitblickenden Staatsmanns, sonders didie tagespolitischen und situationsbedingt festgelegten Interessen der in Verantwortung stehenden Partei die Entwicklung bestimmen. Wir müssen auch im Interesse des Staates fordern, daß die politischen Verantwortungsträger in dieser Stunde der Entscheidung unter Umständen auch den Mut besitzen müssen, unpopuläre Politik zu machen. Wir begreifen es vollkommen, daß es vielleicht manchem der èechischen Parteipolitiker unangenehm ist, heute unter dem Drucke einer selbstmitgeschaffenen Psychose gegen das Sudetendeutschtum zu stehen. Die Geister, die man rief, wird man nun nicht los und glaubt, weiterhin trotz der veränderten Situation dem èechischen Chauvinismus Konzessionen machen zu müssen. Was hat man während der vergangenen Jahre der Sudetendeutschen Partei nicht alles angedichtet und vorgeworfen! Noch nie in der Geschichte dieses Staates hat man über eine politische Bewegung ein solches Unmaß der sinnlosesten Verdächtigungen und Verleumdungen ausgeschüttet, wie über uns. Man hat uns faszistisch, undemokratisch genannt, man hat uns eine irredentistische Gesinnung vorgeworfen, man ist kurz und gut vor keinem Mittel zurückgescheut, den Aufstieg unserer Bewegung zu hemmen. (Hluk. - Rùzné výkøiky.)


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