Offizielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Fünfundachtzigste (XXXIII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster am 7. Februar. 1849.
Tages Ordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 6. Februar 1849.
II. Zweite Lesung der Gründrechte. Vorsitzender: Präsident S m o l k a. Minister: Thinnfeld.
Anfang: 10 1/2 Uhr.
Präs Die zum Beginne der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist versammelt. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Secretär Streit wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen. (Geschieht.) Ist bezüglich der Fassung dieses Protokolles etwas zu erinnern? (Pause.) Nachdem gegen die Fassung des Protokolles nichts eingewendet wird, so erkläre ich es für richtig aufgenommen Es haben sich als erkrankt anmelden lassen die Abg. Bittner und Stanek Ich habe dem Abg. Miklositsch einen Urlaub auf 8 Tage bewilligt. Es sind neue Abgeordnete eingetroffen, und zwar: Anton Flora für den zweiten Oberinnthaler Wahlbezirk, statt des Abg. Stöcki; derselbe hat sich zwar mit seiner Legimitationsurkunde nicht ausgewiesen, allein es ist der Wahlact schon dem Vorstande eingesendet worden, und aus diesem ist die Wahl des Abgeordneten richtig gestellt; derselbe wurde der fünften Abtheilung zugelost.
Ferner der Abg. Andreas Berger für das Salzburger Flachland, statt des Abg. Fischer; er hat sich mit seiner Legimitations- Urkunde ausgewiesen, und wurde der 6. Abtheilung zugelost; ebenso ist auch der Wahlact bereits eingetroffen. Diese Herren können, insofern sie anwesend sind, heute schon an der Verhandlung Theil nehmen. Ich ersuche die Herren Schriftführer der sechsten und siebenten Abtheilung, die diese Abtheilungen betreffenden Wahlacte im Vorstands Bureau in Empfang nehmen zu wollen. Der Herr Abg. Gobbi hat sein Mandat niedergelegt, und hat ersucht, daß seine Eingabe hier verlesen werden dürfe.
Schriftf. Ullepitsch. (Liest folgende Eingabe).
Hohe Reichsversammlung!
Seine Majestät haben geruht, mich zum Obermedizinalrate in dem zur obersten Leitung sämtlicher Sanitätsangelegenheiten in Österreich eingesetzten Obermedicinalcollegium zu ernennen. Ich glaube dieser ehrenvollen Berufung zu einem Wirkungskreise, welcher mit den von mir ursprünglich gewählten Bildungszweigen in näherem Einklange steht, mich nicht entziehen zu sollen, und die Pflicht gebietet mir die unverzügliche Übernahme der bestehenden Geschäfte. Da im gegenwärtigen Augenblicke die wichtigsten Gegenstände jenes großen Gesetzes, welches sämtlichen Völkerstämmen unserer Monarchie ihre Zukunft verbürgen soll, zur Berathung kommen, so kann und darf ich schon deßhalb nicht die Verantwortlichkeit auf mich laden, den ersten Wahlbezirk der Stadt Triest, welchen ich bisher zu repräsentiren die Ehre hatte, mit geteilter Thätigkeit noch länger zu vertreten.
Ich sehe mich demnach in dem Falle, auf den Ehrenplatz, welchen ich bisher in der hohen Reichsversammlung eingenommen habe, zu verzichten, und meine Wähler auch nicht einen Augenblick in der Geltendmachung ihres Rechtes der Übertragung des mir erteilten Mandates an einen andern Mann ihres Vertrauens zu behindern, welcher, wie es mir bisher vergönnt war, der Förderung des Gesamtwohles der Monarchie und insbesondere meiner geliebten Vaterstadt seine ungeteilten Kräfte zuwidmen im Stande sein wird. Mein Sitz in der hohen Reichsversammlung ist somit erledigt, und es erübrigt nur noch die Bitte, im geeigneten Wege ehestens eine neuerliche Wahl für den ersten Wahlbezirk der Stadt Triest einleiten zu lassen.
Schließlich kann ich dem Bedürfnisse nicht widerstehen, für die freundliche und wohlwollende Art und Weise, womit mir sämmtliche Mitglieder des hohen Hauses, welcher politischen Partei sie auch angehören mögen, fortwährend entgegen gekommen sind, Allen meinen tiefgefühlten Dank auszudrücken
Kremsier, am 6. Februar 1849.
Dr. Gobbi.
Präs. Es wird das Ministerium des Innern angegangen werden, eine neue Wahl für den ersten Wahlbezirk der Stadt Triest ausschreiben zu lassen. Die Herren Abgeordneten des Gouvernements Dalmatien haben an die Stelle des Abg. Radmille in den Entschädigung Ausschuß gewählt den Abg. Filippa, und in den Ausschuß für Schulwesen und Unterricht den Abg. Petrovich. Von den Abgeordneten des Gouvernements Böhmen ist der Abg. Strobach als Stellvertreter statt des auf Urlaub abwesenden Abg. Palacky in den Constitutionsausschuß gewählt worden. Mit Rücksicht auf den Umstand, daß der Abg. Gobbi sein Mandat niedergelegt hat, ersuche ich die Herren Abgeordneten des Gouvernements Küstenland, heute Nachmittag um 4 Uhr zusammenzutreten, und ein Mitglied für den Constitutions Ausschuß zu wählen, weil heute um 5 Uhr eine Sitzung desselben stattfindet. Die Wahl könnte stattfinden allenfalls im Sektionszimmer Nr. I. Die Mitglieder der Commission zur Prüfung des Rechtsfalles, betreffend den Herrn Abg. Kaim, ersuche ich, morgen Nachmittag um 5 Uhr im Vorstandsbureaus zu erscheinen. Der Herr Berichterstatter wird den der hohen Kammer vorzulegenden Bericht vortragen. Ich würde mir daher erlauben, diesen Gegenstand an die Tagesordnung für den nächsten Freitag zu setzen, und in dieser Beziehung hat der Ausschuß geglaubt, von der Bestimmung des §. 47 der Geschäftsordnung, nach welchem die Berichte des Ausschusses gedruckt werden sollen, mit Rüscht auf den §. 31 abgehen zu müssen, nachdem der Ausschuß sich dahin geeint hat, eine geheime Sitzung zu beantragen, und es demnach diesem Zwecke widerstreben würde, wenn dieser Bericht gedruckt werden sollte.
Wenn kein Widerspruch stattfinden sollte, so wird dieser Gegenstand Freitag auf die Tagesordnung und zur Vollberathung gebracht werden. Ich ersuche die Herren Abgeordneten und Mitglieder der ersten Abtheilung, welche heute nicht vollzählig erschienen sind, so daß die vorliegenden Wahlacte nicht geprüft werden konnten, morgen zulässig um 9 Uhr sich zu versammeln. Was namentlich meine Person als Mitglied der ersten Abtheilung anbelangt, und auch einige Herren, die dem Vorstandsbureaus angehören, so bringe ich bezüglich unseres Nichterscheinens die Entschuldigung vor, daß, nachdem wir heute eine Vorstandssitzung von 9 Uhr an hatten, es uns nicht möglich war, in der Abtheilung zu erscheinen; wir werden jedoch nicht ermangeln, morgen um 9 Uhr in der ersten Abtheilung zu erscheinen. Der Herr Schriftführer Ullepitsch wird, bevor wir zur Tagesordnung übergehen, noch einen Gegenstand zur Sprache zu bringen.
Schriftf. Ullepitsch. In Folge hohen Kammerbeschlusses vom 1. d. M. waren die zwei Petitionen des Salzburger und Breslauer Episkopats in Drück zu legen. Die erste dieser Petitionen ist nun in Folge dessen bereits gedruckt, und eine genügende Anzahl von Exemplaren unter die Herren Reichstagsabgeordneten vertheilt worden. Was aber die zweite Petition, nämlich die des Breslauer Episkopates betrifft, so ist dieselbe insbesondere durch ihre Beilagen so umfangreich, daß ihre Drucklegung bis heute, wo die Verhandlungen über die Kirchenangelegenheiten beginnen, nicht konnte bewerkstelliget werden. Zudem ist auch von Seite des Vorstandes des Petitionsausschusses dem Reichtagsvorstände die Anzeige gemacht worden, daß eine Eingabe des mährischen Episkopats unter der Reichstagszahl 3434 eingelangt und vom Petitions- Ausschusse unmittelbar an den Constitutionsausschuß zur geeigneten Berücksichtigung geleitet worden sei, deren Drucklegung bis zum heutigen Tage ebenfalls nicht thunlich war, von deren Vorhandensenn jedoch bei der Wichtigkeit und Bedeutung ihres Inhaltes die hohe Kammer in Kenntniß gesetzt wird. Endlich ist an den Reichstag auch eine Adresse des Episkopats der küstenländischkrainischen Kirchenprovinz im Königreiche Illyrien eingelangt, unterzeichnet vom Fürsterzbischofe von Görz, vom Fürstbischofe von Laibwach, und von den Bischöfen von Parenzopola, Veglia und TriestCapod'Istria, wie auch eine Adresse des böhmischen Episkopates. Diese Adressen sollen nun in Rücksicht der Wichtigkeit und hohen Bedeutung ihres Inhaltes, zur Berücksichtigung bei der Verhandlung über die Kirchenangelegenheiten den Herren Abgeordneten ebenfalls bekannt werden, daher ich in Consequenz des über Antrag des Herrn Abg. Plato gefaßten Beschlusses den Antrag stelle, die Drucklegung dieser Adressen ebenfalls zu veranlassen.
P r ä s. Wenn kein Widerspruch stattfinden sollte, wird die Drucklegung veranlaßt werden.
Abg. Borrosch. Ich glaube dann consequent gleich einen andern Antrag anknüpfen zu müssen; ich finde hier das Memorandum des Episkopates der mährischen Kirchenprovinz und die Adresse des Episkopates der Provinz Salzburg vor; ähnliche Denkschriften werden uns als noch im Drucke befindlich angekündigt, und doch soll schon in diesem Momente die Diskussion über die Paragraphe, welche die Kirche betreffen, beginnen. Ich glaube, bei der hohen Wichtigkeit, welche die Kirche in zweifacher Beziehung, sowohl in weltlicher auf die staatsbürgerliche Freiheit, als hinsichtlich der geistigen und moralischen Einflussnahme auf das Volk hat; ferner bei dem Umstände, daß wir nicht einmal Zeit hatten, in diese Vorlagen näher einzugehen, um sie würdiger und gleich für die Debatte selber benützen zu können, dürfte es sehr zweckmäßig sein, die Berathang dieser Paragraphe einstweilen zu vertagen, bis der vom löblichen Vorstande laut Kammerbeschluß angeordnete Druck vollendet ist.
P r ä s. Ich glaube, es ist: in der Tagesordnung die Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte. Wir müssen demnach in der Reihenfolge fortfahren. Übrigens steht es dem Herrn Abgeordneten für die Kleinseite frei, einen vertagenden Antrag auf den Tisch des Hauses niederzulegen. Abg. Borrosch. Ich bitte die hohe Kammer zu befragen, ob sie an der arithmetischen Reihenfolge festhalten wolle.
Präs. Ich bitte den Antrag vorzulegen er bezieht sich jedenfalls auf die Paragraphe, welche jetzt zur Verhandlung kommen; als vertagenden werde ich ihn vor Allem zur Abstimmung bringen.
Es ist an der Reihe die Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, die Lesung des folgenden Paragraphes vorzunehmen.
Abg. Rieger. Ich glaube, wir müssen erst warten, bis über den Antrag abgestimmt ist. (Pause, während welcher Borrosch seinen Antrag formulirt).
Präs. Der Abg. Borrosch hat folgenden Antrag gestellt: "Borrosch beantragt, die Berathung der Grundrechte mit einstweiliger Vertagung der §§. 13 bis einschließlich 19, vom §. 20 an fortzusetzen. " Ich glaube pflichtgemäß gehandelt zu haben, indem ich darauf bestand, daß die Paragraphe 13 und 14 nach der Reihenfolge jetzt zur Verhandlung kommen, da nur mit Rücksicht auf §. 85 der Geschäftsordnung der Antrag des Abg. Borrosch als ein vertagender vor allen andern hätte zur Abstimmung kommen müssen. Indessen, damit nicht vielleicht, wenn die hohe Versammlung dennoch geneigt sein sollte, wirklich auf die Vertagung einzugeben, eine mehrtägige fruchtlose Debatte über die Paragraphe selbst abgeführt werde, so wollen sich die Herren über die beantragte Vertagung der Debatte über die Paragraphe 13, 14 u. s. w. aussprechen, und ich werde sodann den Antrag zur Abstimmung bringen. Der Abg. Lasser hat das Wort.
Abg. Lasse r. Ich möchte den Antrag etwas modifiziren. Ach bin der Meinung, daß es zweckmäßiger wäre, die Paragraphe 13, 14 und 15 in eine Debatte zusammenzufassen, und diese Debatte noch heute zu beginnen. Das Materiale, welches in diesen Paragraphen enthalten ist, ist so umfassend und so wichtig, daß ich überzeugt bin, wir werden darüber eine sehr weitläufige und tief eingreifende Debatte eröffnen. Ich setze auch voraus, daß man dieser so höchst wichtigen Erörterung nicht vorschnell durch den Schluß der Debatte ein Ende machen werde. Dann wird es sich ergeben, daß wir heute und morgen noch nicht zum Schlusse der Debatte gelangen, folglich auch nicht zur Abstimmung übergehen werden; es würde dann die Fortsetzung der Debatte über diese drei Paragraphe zusammen auf die nächste Woche verschoben werden, bis wohin wir, wie ich hoffe, auch alle Adressen und Memoranden, die von den übrigen Episkopaten einlangten, in Drück gelegt in Händen haben werden. Wollten wir aber jetzt die Paragraphe 13 bis 19 auslassen, müßten wir zu einem ebenfalls sehr wichtigen Paragraphe, nämlich den über die Pressfreiheit übergehen, wo, obschon wir gewiß über den Grundsatz einverstanden sein werden, doch bezüglich der einzelnen Bestimmungen allerdings auch Meinungsverschiedensten sich ergeben dürften. Daher wiederhole ich meinen Antrag, mit der Debatte über die Paragraphe 13, 14 und 15 zusammen heute zu beginnen, die weitere Besprechung aber und die Abstimmung auf die nächste Woche zu verschieben.
Präs. Es haben in Bezug auf den vom Abg. Borrosch angeregten Gegenstand auch die Abg. Rulitz, Umlauft und Gleispach Anträge gestellt, ich werde sie lesen. Der Abg. Rulitz beantragt: "Es möge die Debatte über die Paragraphe 13 inklusive 19 eröffnet und fortgeführt, jedoch die Abstimmung bis zum Schluß der Debatte über den §. 19 verschoben werden. " Der Antrag des Abg. Umlauft lautet: "Ich stelle den Antrag, die Berathung über die Grundrechte zugleich mit der heutigen Sitzung zu vertagen, morgen anderweitige Gegenstände auf die Tagesordnung zu setzen, und Freitag die Debatte über die Grundrechte fortzusetzen. " Der Antrag des Abg. Gleispach lautet: "Heute mit der Debatte über die Paragraphe 13, 14 und 15 zu beginnen; morgen keine Sitzung übermorgen eine Sitzung für gemischte Gegenstände, und Samstag eine für die Fortsetzung der Debatte über die obigen Paragraphe zu halten. " Der Abg. Strobach hat das Wort.
Abg. Strobach. Ich erlaube mir mit einer kleinen Modifikation den Antrag des Abg. Umlauft zu unterstützen. Ich glaube, daß die Drucklegung des Memorandums, so wie der übrigen Petitionen des Klerus einen Zweck haben müsse, nämlich den, daß Instructionen über diesen Gegenstand wo möglichst in der Kammer verbreitet werben, und daß es dein Ziephecke der Berathung förderlich sein wird, wenn bei Eröffnung der Debatte auf diese den Gliedern des Hauses mitgeteilten Petitionen Rücksicht genommen wurde, und nicht erst bei der Abstimmung. Daher trage ich darauf an, daß jedenfalls die Debatte vertagt werde rücksichtlich der Paragraphe, welche an der Tagesordnung wären. Nur glaube ich, daß am Freitag eine Sitzung über gemischte Gegenstände abgehalten. und Samstag mit der Berathung über die Paragraphe 13, 14 und 15 begonnen werden soll.
Präs. Sie stimmen also mit dem Antrage des Abg. Gleispach überein? Sie wünschen nämlich, wenn ich recht verstanden habe, oder vielmehr, ich bitte mir den Antrag schriftlich vorzulegen, wodurch jeder Zweifel behoben sein wird.
Der Herr Abgeordnete Hein hat das Wort.
Abg. Hein. Ich wollte nur den Antrag des Herrn Abg. Lasser unterstützen. Die §§. 13, 14 und 15 stehen in einem wesentlichen Zusammenhange, sie behandeln das Verhältniß der Kirche zum Staate. Ich verkenne nicht die große Wichtigkeit dieser Paragraphe, aber ich kann nicht zugeben, daß wir durch Petitionen, die von Außen einlaufen, bei jedem Paragraph verhindert werden in der Berathung und Schlußfassung. Es könnte uns dasselbe passieren bei dem §. 19 und 20, und dadurch, daß im letzten Momente Petitionen einlaufen, würden wir, so oft wir zur Berathung solcher Paragraphe schreiten, beirrt werden, so daß wir am Ende mit der Berathung der Grundrechte gar nicht fertig würden. Es kann nach meiner Ansicht eine unbedingte Rücksicht auf die einlaufenden Petitionen nicht in der Art stattfinden, wie es der Herr Abg. Borrosch beantragt.
Ich werde mich nicht dagegen setzen, daß vielleicht jetzt mit Rücksicht auf die eingelaufenen wichtigen Petitionen die Sitzung auf ein paar Tage suspendiert werde, jedoch muß ich mich ein für allemal dagegen verwahren, daß durch einen solchen Vorgang ein Präjudiz für die Berathung künftiger Paragraphe gestellt werde. Ich unterstütze somit den Antrag des Abg. Lasser. Dadurch bekommen wir Zeit, die Berathung mit Rücksicht auf die Petitionen fortzusetzen, vorausgeschickt, daß nicht voreilig der Schluß der Debatte verlangt wird. Mit der Berathung dieser drei Paragraphe werden wir die künftige Woche zubringen, wir können dann auch die noch fehlende Petition des Breslauer Episkopats einer reiflichen Erwägung während der Debatte unterziehen.
Präs. Der Herr Abg. Neumann Leopold hat den Antrag vorgelegt, welcher dahin geht, jetzt die §§. 13, 16 und 17 nacheinander, und dann erst die §§. 14 und 15 zu diskutiren. Der Abg. Neumann Leop. hat das Wort.
Abg. Leop. Neumann. Unter der Voraussetzung, daß das hohe Haus beschließen sollte, noch heute in die Discussion, wenn auch nicht in die Abstimmung dieser höchst wichtigen Paragraphe einzugehen, erlaube ich mir den Antrag zu stellen, den der Herr Präsident soeben vorgelesen hat, und zur Motivirung desselben Folgendes anzuführen: Ich glaube, daß gerade bei einer Discussion von so unermesslicher Tragweite und so großer Wichtigkeit, wie die vorliegenden, es vor allem noththut, sich zu orientieren, um die Verwirrung der Begriffe und sonstige Wiederholungen zu vermeiden; deßhalb bin ich der Ansicht, daß die Discussion in eine durch die Natur der Sache gebotene Ordnung gebracht werde.
Wenn Sie nun, meine Herren, die §§ von 13 bis 17 inklusive betrachten, werden sie sehen, daß die §§. 13, 16, 17 in einem unverkennbaren Zusammenhange stehen, und in einem eben solchen Zusammenhange stehen die §§. 14 und 15. Die ersten drei Paragraphe handeln nämlich von den Rechten des Einzelnen, insofern er einer religiösen Genossenschaft als Mitglied angehört. Die §§. 14 und 15 hingegen handeln von religiösen Gesellschaften als solche, als Körperschaften, und zwar der §. 14 von der höchsten Stellung der in einem und demselben Staat, also der in Österreich bestehenden religiösen Gesellschaften; der §. 15 von der Stellung der Kirche gegenüber dem Staate; ich glaube demnach unter der Voraussetzung, daß beliebt würde, schon heute in die Discussion einzugehen, es werde diese Reihenfolge der Paragraphe zur Erleichterung und Orientierung bei dieser Discussion wesentlich beitragen; daher bin ich so frei, sie der Aufmerksamkeit des Hauses zu empfehlen.
P r ä s. Der Abg. Umlauft hat das Wort.
Abg. Umlauft. Ich glaube, meine Herren, darüber ist wohl kein Zweifel, daß wir nicht ohne Absicht die Drucklegung der Eingaben der Geistlichen beschlossen haben. Es war gewiß die Absicht des hohen Hauses, durch die Kenntniß jener Eingaben allen Abgeordneten, die über diesen Gegenstand zu sprechen wünschen, möglich zu machen, auf ihre Bestätigung oder Widerlegung einzugehen. Da nun ein Paragraph der Geschäftsordnung es einem Redner geradezu unmöglich macht, öfter als einmal in derselben Sache zu sprechen, so wird es Jedem, der heute vor Kenntnisnahme dieser Vorlagen über den Gegenstand sprechen wollte, unmöglich gemacht, darein eingehen zu können. Ich finde also meinen Antrag in der Art dem hohen Hause zu empfehlen, die Paragraphe, welche gegenwärtig an der Tagesordnung sind, und welche eben den Gegenstand betressen, nicht zu übergehen, weil eben mit ihnen eine Masse anderer Paragraphe im innigsten Zusammenhange steht, sondern ihre Berathung so lange zu vertagen, bis es uns möglich gemacht sein wird, den Inhalt dieser Eingaben zur Kenntniß zu nehmen. Das wird sehr leicht geschehen können, wenn wir ein paar Tage darüber hingehen lassen, während welcher wir unsere Zeit auf andere ebenfalls zur Berathung kommende Gegenstände verwenden. Ich habe also den Antrag gestellt, heute und morgen die Berathung über diesen Gegenstand auszusetzen, morgen anderweitige Gegenstände auf die Tagesordnung zu bringen, und Freitag dann in regelmäßiger Ordnung in der Berathung fortzufahren. Sollte es aber von dem hohen Haufe beliebt werden, einen Tag mehr zur Kenntnisnahme benützen zu wollen, so würde ich mich dem Antrage des Abg. Strobach anschließen, daß erst Samstag mit der Berathung fortgefahren werde.
Präs. Der Abg. Rieger hat das Wort.
Abg. Rieger. Meine Herren, wir fühlen alle, daß wir im Begriffe stehen, einen Gegenstand von ungeheurem Gewichte in Verhandlung zu nehmen. Wir fühlen alle, daß wir den Forderungen der Freiheit und Humanität vor allem Rechnung tragen müssen, und daß wir, wenn wir dieses thun, uns leider gezwungen sehen müssen, Interessen von Ständen zu verletzen. Wenn wir es aber thun, so wollen wir es thun mit Bedacht, nach reifer Erwägung der Sache, und in dieser Beziehung muß ich mich dafür aussprechen, daß die Debatte über diese Paragraphe vertagt werde, bis wir Alle im Stande sind, uns über die Paragraphe gehörig zu orientieren. Ich muß erwähnen, daß ja nicht die Debatte in der Kammer allein es ist, welche den Deputirten influencirt, welche ihn gewissermaßen reif macht zur Abstimmung, es sind die Beratungen unter den politischen Meinungsgenossen, welche in dieser Beziehung vor Allem noch weit wichtiger sind; und hier ist es, glaube ich, bei dem Drange der Verhältnisse, bei dem Umstände, daß die bisherigen Paragraphe alle unsere Zeit in Anspruch genommen, gewiß noch nicht geschehen. Ich bin daher in dieser Beziehung für den Antrag des Herrn Abg. Strobach, daß die Debatte über diese Paragraphe mindestens bis Samstag vertagt werde; ich bin aber zugleich der Ansicht des Herrn Abg. Lasser, daß die Debatte über die §§. 13, 14 und 15 unter Einem eröffnet werde. Ich kann nicht beistimmen der Ansicht des Abg. Neumann, der eine andere Ordnung für die Debatte vorschlägt; ich glaube, die §§. 13, 14 und 15 sind in einem mehr innigen Zusammenhange, als wie er meint. Im §. 13 ist das Princip der Glaubensfreiheit und Kirchenfreiheit im Allgemeinen ausgesprochen. Dieser Paragraph bezieht sich gewissermaßen auf die Kirche selbst und ihr Wesen, und ebenso die §§. 14 und 15. Ein Anderes ist es aber mit den §§. 16 und 17. Der §. 16 bestimmt die Gleichstellung aller Staatsbürger, ohne Rücksicht, welcher Religion sie angehören, also er behandelt mehr das Verhältniß der Religionsgenossen zum Staate, behandelt mehr das bürgerliche Recht jedes Staatsbürgers, ohne Rücksicht darauf, welcher Religion er angehört. Ich glaube, daß diese zwei Paragraphe jeder einzeln für sich in Verhandlung zu nehmen wären, daß aber diese Paragraphe in der Ordnung, wie sie vom Constitutionsausschusse vorgelegt worden sind, zur Debatte und zur Abstimmung zu bringen wären.
Präs. Der Abg. Schuselka hat das Wort.
Abg. Schuselka. Ich billige vollkommen die Gründe für die hohe Wichtigkeit des Gegenstandes, die vorgebracht worden sind. Dem ungeachtet kann ich nur mein Bedauern aussprechen, daß uns jetzt bei dem Beginne einer Debatte Bedenken aufsteigen, welche uns doch nicht überraschen durfte, die doch für uns kein unerwartetes Ereignis ist, worauf wir doch gefaßt sein mußten, weil wir die Ordnung der Paragraphe, wie sie folgen, vorauszulesen im Stande waren. Wir mußten wissen, daß wir an dem und dem Tage an die Kirchenfrage kommen würden, und es ist meines Wissens so lange kein Bedenken erhoben worden, als bis jetzt diese Petitionen eingelangt sind. Ich bin sehr dafür, daß wir diese Petitionen würdigen, allein ich glaube, um sie zu würdigen, braucht es keines großen Studiums. Ich glaube nicht, daß Jemand im Hause ist, welcher nicht weiß, was diese Petitionen enthalten. Ich wenigstens habe gar keinen Zweifel; denn es ist das eine Sache, die seit Jahrhunderten besprochen wird. Wir wissen die Forderungen der Kirche nicht erst feit heute, sondern schon seit Jahrhunderten, und in neuester Zeit ist dieß in anderen Parlamenten mit der größten Ausführlichkeit besprochen worden, und ein Jeder hat Gelegenheit gehabt, sich darüber zu unterrichten, wenn er noch nicht unterrichtet war. Ich kann daher unmöglich dafür halten, daß es der Würde dieser Versammlung angemessen sei, wenn Sie plötzlich, da Sie sich heute versammelt haben, diese Paragraphe zu berathen, sich auf unbestimmte Zeit oder auf bestimmte Zeit aus dem einzigen Motive vertagen, um die Drucklegung einer Petition abzuwarten. Ich will keineswegs behaupten, daß diese Petitionen ganz und gar wie jede andere Petition zu behandeln seien, ich gebe zu, daß sie wichtiger sind, mehr Berücksichtigung verdienen; aber eine gar größere Berücksichtigung, als womit wir andere Petitionen behandelt haben, verdienen diese Petitionen auch nicht. Es sind hochwichtige Petitionen eingereicht worden, welche tief in das Interesse des gemeinen Volkes einschneiden, und sie sind durchaus nicht anders erwähnt worden, als daß sie in das Verzeichniß der Petitionen abgedruckt worden sind; und dieser Petitionen wegen, die ich wiederhole es gewiß nicht einen einzigen neuen Gedanken enthalten, soll die hohe Versammlung ihre Verhandlungen vertagen? das halte ich nicht der Würde der Kammer angemessen. (Beifall)
Abg. Vacano. Ich beantrage den Schluß der Debatte.
Präs. Es hat noch vor dem Antrage auf Schluß der Debatte der Abg. Ullepitsch einen Unterantrag gestellt, zu dem Antrage des Abg. Strobach. Er lautet: "Die Debatte über die §§. 13, 14 und 15 ist statt Samstag, künftigen Montag zu eröffnen. " Als Redner sind noch eingezeichnet: Ullepitsch, Klaudi, Hauschild, Kautschitsch, Helcel, Borrosch, Dylewski. Es wurde auf den Schluß der Debatte angetragen. Wird dieser Antrag unterstützt? (Wird zureichend unterstützt.) Diejenigen Herren, welche für den Schluß der Debatte sind, wollen aufstehen. (Majorität.) Die Debatte ist geschlossen.
Ich werde nun die Herren ersuchen, sich zu erklären, ob sie für oder gegen den Antrag sprechen. Es liegt eigentlich kein Hauptantrag vor, und ich glaube den Hauptantrag vertritt hier die Festhaltung der Tagesordnung, das ist die Fortsetzung der Berathung über die jetzt folgenden §§. 13, 14 und 15 der Grundrechte. Wollen sich die Herren demnach erklären, ob Sie für oder gegen die Festhaltung der Tagesordnung sprechen wollen.
Dagegen haben sich erklärt die Abg. Ullepitsch, Klaudi, Hauschild, Helcel, Kautschitsch, Borrosch, Dylewski. Es sind also alle Herren gegen den Antrag eingeschrieben; wollen Sie sich verständigen und einen Generalredner wählen.
Abg. Dylewski. Ich werde dafür sprechen. (Heiterkeit.)
Präs. Haben sich die Herren bezüglich des Generalredners geeinigt? (Zum Generalredner dagegen wird Abg. Klaudi gewählt.) Es sprechen also noch die Herren Klaudi und Dylewski. Bevor ich dem Herrn Generalredner das Wort gebe, werde ich die Anträge verlesen und unterstutzen lassen, damit der Herr Generalredner wisse, auf welche Anträge er Bedacht zu nehmen habe. Der Antrag des Abg. Borrosch lautet:,, Die Berathung der Grundrechte mit einstweiliger Vertagung der §§. 13 bis inclus. 19, vom §. 20 fortzusetzen. Wird dieser Antrag unterstützt? (Nicht unterstützt.) Es kommt nun der Antrag des Abg. Strobach, zu welchem ein Unterantrag vom Abg. Ullepitsch gestellt wurde, er lautet: "Die heutige und die morgige Sitzung wären zu vertagen, die Sitzung am Freitag gemischte Gegenständen zu widmen, und am Samstage die Debatte über die §§. 13, 14 und 15 zu eröffnen. Das Vorstandsbureau hätte Sorge zu tragen, daß die Petitionen der Episkopate dem Drucke übergeben und unter die Kammermitglieder vertheilt werden. " Wird dieser Antrag unterstützt? (Unterstützt.)
Der Unterantrag des Herrn Abg. Ullepitsch lautet: "Die Debatte über den §. 13, 14 und 15 fei statt Samstag, Montag zu eröffnen. " Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht). Er ist ebenfalls unterstützt. Nun folgt der Antrag des Herrn Abg. Umlauft, welcher lautet:
Abg. Umlauft. Ich ziehe ihn zurück, mit Rücksicht auf den vorliegenden Antrag des Abg. Strobach.
Präs. Der Antrag des Herrn Abg. Lasser lautet: "Über die §. 13, 14 und 15 ist eine Collectivdebatte zu eröffnen und damit heute zu beginnen; die Fortsetzung und der Schluß dieser Debatte und die Abstimmung darüber aber bis zur nächsten Woche zu verschieben. ". (Wird unterstützt.)
Der Antrag des Abg. Rulitz lautet: "Es möge die Debatte über die §. 13 bis inclus. 19 eröffnet und fortgeführt, jedoch die Abstimmung bis zum Schlusse der Debatte über den §. 19 verschoben werdend (Unterstützt.)
Der Antrag des Abg. Gleispach geht dahin, heute mit der Debatte über die §§. 13. 14 und 15 zu beginnen, morgen keine Sitzung, übermorgen eine Sitzung für gemischte Gegenstände und Samstag eine Sitzung zur Fortsetzung der Debatte über die drei Paragraphe abzuhalten. (Wird unterstützt.)
Endlich der Antrag des Abg. Leop. Neumann, der sich eigentlich bezüglich der Frage der Vertagung nicht au s spricht.
Abg. Neumann Leop. Mein Antrag ist in eventum gestellt.
Präs. Als Redner dagegen hat der Abg. Klaudi das Wort.
Abg. Klaudi. Ich habe vor allem im Namen des Herrn Abg. Ullepitsch, der zugleich im Vorstandsbureau ist, die Eröffnung zu machen, daß die Drucklegung der Petitionen vor Montag nicht beendet sein kann, daher aus dieser Rücksicht der Herr Abgeordnete sich bewogen fand, das Amendement zu stellen, daß erst Montag die nächste Sitzung gehalten werde, da nur bis dahin die zweite, uns noch nicht überkommene Petition gedruckt sein kann. Was nun den Hauptantrag betriffst, so habe ich zu bemerken, daß ich mich wirklich sehr würden muß, daß gerade der Herr Abgeordnete, der gestern von der Tribüne herab erklärt hat, unsere Verhandlungen seien vielleicht weniger darum da, um die Kammermitglieder zu belehren oder zu überzeugen als vielmehr, um das Volk, welches hinter uns steht, die Revolution, die begonnen ist, fortmachen zu lassen und das Volk auf jenen Grad hinaufzubringen, auf welchem es stehen muß, um die Richtigkeit irgend eines Beschlusses einzusehen. Wenn aber das Vereinsrecht, welches gestern Gegenstand der Debatte war, schon von solcher ungeheurer Tragweite erkannt wurde, daß das Volk mit den Grundsätzen, und auch mit den theoretischen Ansichten bekannt gemacht werden mußte, um sich für die Richtigkeit eines hier gefaßten Beschlusses aufzusprechen; so glaube ich, daß dieß besonders bei den Paragraphen, die uns als Gegenstand der nächsten Berathung vorliegen, der Fall sein wird. Wenn jener Herr Redner sagt, wir feien nicht überrascht worden durch die heutige Sitzung, so gestehe ich dieses gerne zu. Wir sind sogar nicht überrascht worden durch die Petitionen; allein die Petitionen sind der Ausdruck der Fachmänner, und gerade diese Paragraphe, die uns hier vorliegen, erheischen es, daß wir mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln, mit aller möglichen Genauigkeit und aller möglichen, ich möchte sagen, Kleinlichkeit vorgehen. Die Idee der Freiheit der Religion ist allerdings eine sehr alte, sie ist wenigstens, wo nicht älter, so doch 700 Jahre alt. aber auch kein Staat, wie das Gesammtkaiserthum Österreich, hat gerade bei dieser Idee solche Rücksichten zu beobachten als wir. Als die Idee von religiöser Freiheit in Österreich zuerst zur Geltung kam unter Kaiser Joseph II., da sah man schon, welch unendliche Tragweite diese