Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Dreiundzwanzigste Sitzung des constituirenden Reichstages am 17. August 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 16.August 1848.
II. Berichte Über Wahlacte.
III. Fortsetzung des Berathung über dm K u d l i c h s c h e n Antrag.
IV. Letzte Lesung der Geschäftsordnung.
V. Berathung über den Antrag des Abg. Straffer (ursprünglich des Abg. Selinger).
Vorsitzender: Präsident Schmitt.
Anwesende Minister: Doblhoff, Krauß, Latour, Bach, Schwarzer, Hornbostel.
Anfang um 10 1/2 Uhr.
Präs. Nachdem die erforderliche Anzahl der Herren Abgeordneten sowohl zum Beginn der Sitzung als auch zur Beschlußnahme vorhanden ist, so erkläre ich die Sitzung für eröffnet, und ersuche den Herrn Schriftf. Hauschild das Protokoll der gestrigen Sitzung vorzulesen. Schriftf. Hauschild liest das Protokoll vom 16. August vor.
Präs. Ist etwas gegen die Fassung des Protokolles zu bemerken? (Nein!) Diejenigen Herren, welche mit der Fassung desselben einverstanden sind, wollen dieß durch Aufstehen zu erkennen geben. (Das Protokoll wird einstimmig angenommen.)
Präs. Ich ersuche den Herrn Schriftf. Streit, die eingelaufenen Eingaben vorzulesen. (Schriftf. Streit liest das Verzeichniß der am 16. August eingelaufenen Eingaben vor.)
Präs. Diese Eingaben werden nach Maßgabe der Geschäftsordnung an die Ausschüsse und besonders an den Petitionsausschuß gewiesen. Es sind heute zwei Urlaubsgesuche eingereicht worden, und zwar von den Herren Abg. Riegler und Halm; ich ersuche den Herrn Schriftf. Ullepitsch, dieselben vorzulesen. Schriftf. Ullepitsch. Bis heute sind 367 Abgeordnete angemeldet, zwölf sind auf Urlaub, einer ist krank. (Verliest die Urlaubsgesuche, und zwar das des Abg. Riegler auf vier Tage, und das des Abg. Halm auf vierzehn Tage, welche Urlaube von der Versammlung genehmigt werden.) Präs. Es ist dem Vorstande heute folgende Zuschrift des Ministeriums des Innern zugekommen: ,,An die hohe Reichsversammlung. Sc. Majestät werden Samstag den 19. d. M. um 9 Uhr Vormittag auf dem Glacis einer Parade der Nationalgarde und der Garnison beiwohnen und bei dieser Gelegenheit eine Feldmesse anhören, welche der nahen Aussicht eines ehrenvollen Friedensabschlusses in Italien gewidmet ist. Ich bin beauftragt, den hohen Reichstag zu dieser Feierlichkeit einzuladen, und ersuche daher, denselben hiervon in Kenntniß zu setzen. Wien am 17. August 1848. Doblhoff Ich stelle daher die Anfrage, ob der Einladung nachgekommen werden wolle? Für den Fall der Beistimmung bitte ich, dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Die ganze Versammlung erhebt sich.)
Präs. Nun entsteht die zweite Frage: ob die Versammlung in corpore bei dieser Feierlichkeit erscheinen will, wozu das frühere Zusammenkommen hier im Reichstagssaale am passendsten wäre, um sich dann versammelt an den Ort der Feierlichkeit zu begeben. Für den Fall, als die Versammlung sich er« klärt, in corpore zu erscheinen, beantrage ich, sich um drei Viertel auf 9 Uhr hier zu versammeln. Für den Fall der Zustimmung bitte ich dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Die Versammlung stimmt dem Antrage bei.) Der Gemeindeausschuß hat dem Vorstande das Programm eines heute stattfindenden feierlichen Fackelzuges von Penzing nach Schönbrunn übergeben; eben so der Männergesangverein. Ich bringe büß zur Kenntnisnahme der hohen Versammlung.
Abg. Borrosch. Ich erlaube mir, den verehrten Herrn Prässidenten zu bitten, für übermorgen auch die Stunde zu bestimme, wo die Verhandlungen wieder beginnen können.
Präs. Dieß durfte bei der morgigen Sitzung festgesetzt werden, wo es Gegenstand der Kammer sein wird, die Stunde für die nächste Sitzung zu bestimmen. Früher ersuche ich die Abgeordneten aus Dalmatien, heute nach der Sitzung zurückbleiben zu wollen, um in die Abtheilungen eingelost zu werden. Weiter ersuche ich die Mitglieder des Ausschusses zur Redaction der stenographischen Berichte, sich morgen um 9 Uhr Vormittag zu versammeln, weil wegen Maßnahme rücksichtlich des Contractes eine Rücksprache erforderlich ist. Endlich sind noch mehrere Herren Abgeordnete mit der Überreichung der Abrechnung der Diäten und Reisespesen im Rückstande. Ich ersuche jene Herren, welche diese Abrechnung noch nicht abgegeben haben, zum Behufe des A6schlusses der Rechnung dieselben so bald als möglich an den Beamten M a l l n e r zu überreichen. Es sind bereits vier Interpellationen angemeldet, jedoch sind drei an den Herrn Kriegsminister, eine an den Minister des Innern; da die Herren Minister aber noch nicht gegenwärtig sind, so ersuche ich die Herren bis zu ihrer Ankunft zu warten. An der Tagesordnung stehen nun die Berichte über die Prüfung der Wahlen. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, und zwar den der I. Abtheilung, die Tribune zu besteigen. (Der Berichterstatter der I. Abtheilung, Abg. Violand, berichtet über die Prüfung der Wahlacten des Abg. Conrad Wieznicky, für Nachod in Böhmen, über die Wahl des Ligor Sadil für Deutschbrod in Böhmen, welche beide von der Abtheilung als anstandslos befunden worden, daher die Abtheilung auf die Gültigkeitserklärung anträgt.)
Präs. Falls die hohe Versammlung sich für die Annahme dieser Wahlen erklärt, so bitte ich dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Werden angenommen.) (Der Berichterstatter berichtet weiter über die von der I. Abtheilung geprüften Wahlacte des Pfarrers Alexander Dobrzanski, Deputirten des Wahlbezirkes Sanok in Galizien. Es wurden bei dieser Wahl 76 Wahlmänner bestimmt, es erschienen am 21. Juni jedoch nur 66 zur Wahl, wovon aber nur 22 als ordentlich gewählt anerkannt wurden und sich an der Wahl betheiligten, diese gaben ihre Stimmen ab und es sielen auf den Pfarrer Alexander Dobrzanski 15 Stimmen, er wurde also mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt, und die
I. Abtheilung trägt auf die Gültigkeitserklärung dieser Wahl an.)
Präs. Falls sich die hohe Versammlung für die Gültigkeitserklärung dieser Wahlen aussprechen will, so bitte ich dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Wird angenommen.) (In der II. und III. Abtheilung liegen keine Acten vor. Der Berichterstatter der IV. Abtheilung, Abg. Hawliczek, berichtet über die Prüfung der Wahlacten des Abg. Johann Micewski für Drohobicz in Galizien. Hier wurden 51 Wahlmänner gewählt, von diesen erschienen am 14. Juni 1848 nur 27, bei der zweiten Wahl am 17. Juni waren nur 14 gegenwärtig. Endlich am 25. Juli kamen 42 Wahlmänner zur Wahl und bei dieser erhielt der Dr. Jur. Johann Micewski mit 29 Stimmen die absolute Majorität. Zwar liegt gegen diese Wahl ein Protest zweier Wahlmänner vor, welche behaupten, daß man statt des Namens Bezuszkewiecz den Namen Micewski auf die Wahlzettel geschrieben habe, dessen ungeachtet trägt aber die IV. Abtheilung nach genauer Erwägung aller Umstände auf unbeanstandete Annahme dieser Wahl des Jan Micewski einstimmig an.)
Präs. Falls sich die hohe Versammlung für die Gültigkeitserklärung dieser Wahl erklären will, so bitte ich es durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Wird angenommen.) (In der V., VI., VII. und VIII. Abtheilung liegen keine Acten vor. Der Berichterstatter der IX. Abtheilung, Abg. Dylewski, berichtet über den Wahlact des Abgeordneten für Brzesko, Maxim. Machalski. Bei der Wahl am 13. Juni erschienen 18 Wahlmänner, gewählt waren 28; 8 aus Radlow entfernten sich bei der Wahl, die 10 übrigen nebst 3 später erschienenen Wahlmännern wählten einstimmig den Maxim. Machalski; dieser wurde also mit absoluter Majorität gewählt, und die Abtheilung trägt einstimmig auf die Gültigkeitserklärung an.)
Präs. Falls sich die hohe Versammlung für die Gültigkeitserklärung ausspricht, so bitte ich dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Wird angenommen.)
(Der Berichterstatter des Ausschusses zur Prüfung der beanstandeten Wahlen berichtet über den Wahlalt des Abg. Valentin St e r z i n aus dem Bezirke Stein in Illyrien.) Berichterstatter. Der Ausschuß tragt mit Stimmenmehrheit darauf an: durch das Ministerium des Innern über die im Berichte des Bezirkscommissärs zuMünkendorfvom21. Juni 1848 wider den Abg. Sterzin vorgebrachten Anschuldigungen und über die bei jener Wahl angeblich stattgehabten Wahlumtriebe die förderlichen Erhebungen zu veranlassen.
Abg. Umlauft. Ich würde mir erlauben in Beziehung auf den Antrag des Ausschusses die Frage zu stellen, ob die Erhebungen mittelst der politischen oder Justizbehörde eingeleitet werden sollen. Die Einladung an das Ministerium des Innere dürfte darauf hinweisen, daß die Untersuchung durch die politische Behörde gepflogen werden soll; für uns aber wird es nothwendig sein, die Erhebungen durch die Justizbehörde einzuleiten. Ich würde daher darauf antragen, daß die Erhebungen durch das Ministerium der Justiz zu veranlassen seien.
Präs. Wird dieser Ergänzungsantrag unterstützt, so möge dieß die hohe Versammlung durch Aufstehen erklären. (Wird unterstützt.) Berichterstatter. Ich muß bemerken, daß sämmtliche Wahlacten zum Ministerium des Innern gehören dürften, gehören müssen; daß das Ministerium der Justiz sich nicht damit befassen kann, und daß, wenn das Ministerium des Innern die Erhebung durch eine Justizbehörde pflegen zu lassen glauben wird, so wird es sich an das Ministerium der Justiz wenden, und ich glaube, daß wir uns nicht an das Ministerium der Justiz, sondern an das Ministerium des Innern wenden müssen, Übrigens glaubte der Ausschuß dießfalls einen Antrag stellen zu sollen, weil keine Maxime festgesetzt, und es dem Ministerium überlassen werden soll, die eine oder die andere Behörde mit den Erhebungen zu beauftragen, je nachdem sie zur Justiz oder politischen Behörde gehören.
Präs. Nach dem vorliegenden Antrage des Herrn Berichterstatters und dem Zusatzanträge des Abg. Umlauft hätte nach meiner Ansicht zuerst die Frage zur Berathung zu kommen, ob überhaupt von der hohen Kammer eine Voreinleitung beschlossen werde, und im Falle, daß diese Frage bejaht wird, die weitere Frage, durch welche Behörde dieses zu geschehen habe. Falls daher dagegen nichts bestimmt wird, so werde ich die Abstimmung auf diese Art vornehmen. Ich bitte diejenigen Herren, welche damit einverstanden sind, daß der vorgetragene Wahlact noch einer Vorerhebung unterzogen werde, biß durch Aufstehen zu erklären. (Majorität.) Der bestimmte Antrag des Abg. Umlauft geht dahin, die Erhebung durch die Justizbehörde pflegen zu lassen. Falls eine hohe Versammlung damit einverstanden ist, die dieß fällige Erhebung durch die Justizbehörde vornehmen zu lassen, so wolle sie es durch Aufstehen kundgeben. (Minorität.) Somit ist die Erhebung dem Ministerium des Innern zu überlassen. Ist von dem Ausschüsse zur Prüfung der beanstandeten Wahlen noch ein anderer Herr Berichterstatter in der Lage, einen Vertrag zu halten? (Nein.) Nachdem die Herren Minister der Justiz und des Krieges nun anwesend sind, so bitte ich die zur Interpellation angemeldeten Herren Abgeordneten, die Interpellationen der Reihenfolge nach zu stellen. Zuerst hat der Herr Abg. Zimmer eine Interpellation an den Herrn Kriegsminister angemeldet.
Abg. Zimmer. Ich erlaube mir den Herrn Kriegsminister zu fragen, ob auch von dem Kriegsministerium des deutschen Reiches ein Contingent zum Holsteinischen Kriege begehrt, und ob dieser Forderung von unserer Seite Genüge geleistet wurde. —Kriegsminister Latour. Ich habe die Ehre darauf der hohen Versammlung zu erklären, daß allerdings anfangs vom Reichsministerium eine solche Forderung gestellt worden ist, aber seit der Ankunft Skais. Hoheit des Reichsverwesers in Frankfurt die Sache für den Augenblick nicht als nothwendig erkannt worden ist. Der Reichsverweser äußerte die Hoffnung, daß der Waffenstillstand mit Dänemark bald zu Stande kommen würde, und daher die früher angeordnete Zusammensetzung eines Kontingentes von 8000 Mann nicht mehr nöthig erscheinen wird. Bei dieser Gelegen heu habe ich auch die Ehre eine frühere Interpellation zu beantworten, nämlich über die Vorgänge bei Sermide. Ich habe durch einen Courier von dem FML. Welden die Erklärung erhalten, daß sich die Sachen ganz anders verhalten. FML. Welden war nach Massa am linken Poufer vorgerückt, und mußte daher auch den Ort Sermide am rechten Poufer besetzen lassen. Das kleine Detachement wurde bis auf den Platz gelassen und plötzlich wurde aus allen Fenstern auf dasselbe geschossen. Es wurde hier auseine Colonne von einigen hundert Mann dahin geschickt, diese aber durch Barrikaden und Feuern aus den Häusern genöthigt, sich zurückzuziehen. Zwei Tage darauf fand FML. Welden, der den Ort besetzen mußte, um über den Po zu gehen, es für nothwendig, mit größerer Macht diesen Ort angreifen zu lassen. Bei dieser Gelegenheit wurde mit Granaten geworfen, und der Ort ging in Flammen auf. Aber das Factum, welches in dem Briefe angegeben war, ist ganz entstellt. Nach dem Berichte des FML. Welden waren die Einwohner sämtlich entflohen, seinen Truppen gelang es aber 24 Menschen, welche die Insurgenten in der Kirche eingesperrt hatten, zu retten. (Beifall.) Das ist ganz verschieden von der Eingabe, über die ich interpellirt worden bin. — Zugleich habe ich die Ehre, einer ändern Interpellation zuvorzukommen, und zu sagen, daß FML. Welden mit seinem kleinen Corps von nur 4000 Mann über den Po gegangen war, um die Bewegung des GM. Fürsten Liechtenstein in Flanke und Rücken zu decken. Er begegnete einem Corps von 14.000 Crocciati, diese wurden aber durch seine kleine Macht wie der FML. Welden sich ausdrückt, wie Spreu zerstreut. Er verfolgte sie bis Bologna, aber er erhielt dort den Befehl vom FM. Radetzky und von mir, nicht in Bologna einzurücken und die Delegationen zu räumen. Aber er hatte bereits mit der Stadt Bologna das Übereinkommen getroffen, daß die Crocciati nicht in Bologna sich aufhalten sollten, damit die österreichische Armee, wenn sie durchziehen mußte, vollkommen sicher passten kann. Der FML. Welden reiste am 7. Abends ab, nachdem er eine militärische Position genommen hatte, und auch Batterien aufführen ließ, für den Fall, als die Stadt nicht in solche billige Forderungen eingehen sollte. — Den 8. Früh begaben sich mehrere Officier und Mannschaft im vollen Vertrauen auf die abgeschlossene Convention nach Bologna. Drei wurden meuchlings ermordet, so wie mehrere Soldaten; auf das stürzte ein bewaffneter Pöbelhaufe aus der Stadt, und Beschuß unsere Avantgarde, so daß 5 Mann getötet, und 2 Officier und 60 Mann verwundet wurden. Dieß bewog den FML. P e r g l a ß, welchen Welden zurückgelassen hatte, mit dem Befehl, am 8. seinen Rückmarsch an den Po anzutreten, gegen die Stadt und den zahlreichen Pöbelhaufen schießen zu lassen. Bologna wurde beschossen, FML. Perglaß trat aber darauf gleich seinen Rückzug an. Das ist das wahre Factum. Wenn im Kriege Soldaten meuchlings ermordet werden, wenn Truppen angegriffen werben, so müssen sie sich vertheidigen, und ein solcher Verrath muß bestraft werden. (Beifall.) Diese strengen Maßregeln sind auch nur für den äußersten Nothfall. FML. Welden ist einer unserer geschicktesten und verständigsten Generale und hatte Alles auf das Beste eingeleitet. Leider hatte ihn dieses verrätherische Benehmen von einigen Bolognesen, die vielleicht auch unier den Crocciati gewesen sein dürften, die sich überall durch Excesse ausgezeichnet haben, bei Sermide, so wie hier den FML. Perglaß bei Bologna, zu einer Strenge genöthigt, welche von unsern Generälen immer nur mit Bedauern ausgeübt wird. Übrigens ist FML. Welden bereits über den Po zurückgegangen und die Delegationen sind nicht mehr befetzt.
Präs. Eine zweite Interpellation an den Herrn Kriegsminister hat der Herr Abg. Sierakowski angemeldet.
Abg. Sierakowski. In der Thronrede Seiner Majestät heißt es: "Der Krieg in Italien ist nicht gegen die Freiheitsbestrebungen der italienischen Völker gerichtet, sondern um die Ehre der Waffen der österreichischen Armee den italienischen Mächten gegenüber zu behaupten." In der Abendbeilage zur Wienerzeitung vom 16. d. M. lese ich folgenden Bericht des FML. Liechtenstein, daß derselbe über Rewere und Mirandola sich Modena nähert, und sagt: "Tausende von Landleuten zogen uns unter Segenswünschen für den Herzog, ihren Landesfürsten, entgegen." Ich stelle demnach an den Herrn Kriegsminister die Frage, ob der Zug des Generals Liechtenstein nach Modena in der Absicht geschieht, um dem Lande einen Herrscher aufzudringen, welches geradezu dem von Sr. Majestät in der Thronrede ausgesprochenen Wunsche zuwiderläuft. Noch richte ich ferner die Frage an den Herrn Kriegsminister, was er verfügt hat, oder zu verfügen Willens sei, um den von Sr. Majestät in der Thronrede ausgesprochenen Worten Geltung zu verschaffen? Kriegsminister Latour. Ich bin durch einen Bericht des Feldmarschalls, den ich heute erhalten habe, in der Lage, auf diese Interpellation zu antworten. Der Marsch des GM. Fürst Franz Siechtenstein über Modena war militärisch nothwendig, und die Colonne mußte der Hauptarmee, die auf dem linken Ufer vorgerückt war, auf gleicher Höhe folgen. Sein Einrücken in Modena hat auf diese Art stattgefunden. Der Herzog war mehrere Tage früher zuerst im Hauptquartier angekommen, und hat sich nach Mantua verfügt, wo er fünf bis sechs Tage verweilte. Als er die Nachricht erhielt, daß das Landvolk im Herzogthum Modena unsere Truppen überall mit Jubel empfangen hatte, und den lauten Wunsch geäußert, daß ihr Landesherr zurückkehren sollte, hat er sich aus freiem Antrieb nach Modena begeben. Das ist die Thatsache, meine Herren. Über seinen Einzug in Modena habe ich noch keinen weiteren Bericht erhalten.
Präs. Der Abg. Löhner hat ebenfalls eine Interpellation angemeldet.
Abg. Löhner. Ich habe noch zwei Interpellationen anzubringen. Die erste ist an den Herrn Kriegsminister, betreffend den ehemaligen Militärcommandanten von Venedig, Graf Zichy. Die Ereignisse sind bekannt, und ich brauche nicht darauf zurückzukommen, warum er vor ein Kriegsgericht gestellt worden ist. Seit dieser Zeit haben wir schon durch geraume Zeit keine nähere Nachricht, weder wie weit der Proceß gediehen, noch ob ein Urtheil gefällt oder vollzogen worden ist. In jeder Hinsicht würde ich mir daher, da auch die Presse vielfältig diesen Gestand besprochen hat, die Anfrage erlauben, ob in Rücksicht auf die Länge der Zeit, feit welcher wir keine Nachrichten haben, etwas erfolgt ist Kriegsminister Latour. Ich bin im Stande diese Frage auf eine genügende Art zu beantworten. Der kriegsrechtliche Proceß des Grafen Zichy ist aus der Ursache noch nicht beendet, weil die Erhebung nicht stattfinden konnte, bis nicht der FML. Martini vernommen worden, der dazumal in Venedig gefangen war und erst seit acht Tagen angekommen ist. Er wurde in drei Sitzungen vernommen, seine Aussagen werden jetzt nach Olmütz geschickt, und das ist nothwendig, um ein Endurtheil zu fällen.
Abg. L ö h n e r. Ich habe nur noch eine zweite Frage, und zwar an den Herrn Justizminister, sie betrifft den Civilchef von Venedig, Grafen von Palffy. Es ist mir wohl bekannt, daß wir für Vergehungen von Beamten kein Strafverfahren organisirt haben, es dürften auch in dem alten Systeme keine Fälle bekannt geworden sein, wo Beamte anders bestraft worden sind als durch Pensionirung mit vollem Gehalt und einer Personalzulage. (Heiterkeit.) Doch ist es bekannt, daß ein politisches Decret existirt, von welchem nur der Anfang bis jetzt in den Gesetzsammlungen abgedruckt ist, und welches jeden politischen Beamten, wenn er in irgend einem Status einverleibt werden soll, mitgetheilt wird. Ich habe dieses Decret in Abschrift öfter gesehen, in welchem sehr strenge Bestimmungen getroffen sind für die Fälle, wo ein Beamter seinen Pflichten nicht gehörig nachgekommen, nicht bloß wegen Mißbrauch der Amtsgewalt, sondern auch für andere Fälle von Pflichtvernachlässigung in irgend einer Art, denen ähnlich, für welche dem Militär gegenüber das Kriegsgericht einzuschreiten hat. Ich erlaube mir nun die Anfrage, ob in Bezug auf den Grafen Palffy, und auf sein jedenfalls höchst auffallendes Benehmen in Venedig, irgend ein Verfahren eingeleitet ist, nach welcher Norm gehandelt wird, und ob dasselbe ein Resultat gehabt hat? Justizminister Bach. Es ist bekannt, daß der Fall des Grafen Palffy noch unter das vorige Ministerium fällt, das jetzige hat die Nothwendigkeit erkannt, auch die Amtshandlungen des Grafen Palffy einer strengen Untersuchung zu unterwerfen. Wir sind von der Ansicht ausgegangen, daß nachdem der Militärgouverneur einer strengen Untersuchung unterworfen sei, auch der Civilgouverneur ebenfalls einer strengen Untersuchung zu unterwerfen sei, und das Ministerium hat in dieser Angelegenheit beschlossen, eine Kommission niederzusetzen, die darüber urtheilen soll, nach deren Resultat sich das Ergebniß herausstellen kann, in wie ferne sie zu einer gerichtlichen Untersuchung geeignet sind. (Beifall.)
Präs. Der Herr Abg. Dr. Brauner hat eine Interpellation an den Herrn Minister des Innern zu richten.
Abg. Brauner. Das Ministerium des Innern hat in der gestrigen Sitzung Auskunft über die Wirksamkeit der Provinziallandtage gegeben. So weit ich dieselbe vernehmen konnte, kam auch darin die Bemerkung vor, daß die Provinziallandtage eigentlich nichts Anders zu thun hätten, als Vorarbeiten für den constituirenden Reichstag zu liefern. Ich muß nun die Frage stellen: gilt dieses bloß von jenen Provinziallandtagen, welche auf Grundlage der alten Landesordnungen seit dem 15. März sind abgehalten worden, und welche nur aus den alten privilegirten und uniformirten Landständen mit einer geringen Beigabe des demokratischen Elementes vom Bürger und Bauernstande bestanden? Ist dieß der Fall, so bitte ich bloß um diese Erklärung. Ist aber jeder Provinziallandtag darunter gemeint, daher auch jener böhmische, welcher auf der Grundlage derselben Concessionen, denen wir die Constitution überhaupt zu verdanken haben, beruht, welcher mittelst eines vom Ministerium contrasignirten Cabinetsschreibens vom 8. April als ein constituirender Landtag für das Königreich Böhmen erklärt, mit einem eigenen Wahlmodus versehen, und mittelst Cabinetsschreibens auf dm 20. Juni einberufen worden ist, dann bitte ich um die Vorlage derjenigen Acten, welche die vorbesagten Cabinetserledigungen entweder beschränken oder dieselben Minister des Innern Doblhoff. Ich bin nur über diejenigen Landtage befragt worden, welche seit dem 15. März tagen, ich habe mich deßhalb auch nur berufen gefühlt, über diese Landtage meine Meinung zu äußern; rucksichtlich des böhmischen Landtages war ich nicht in der Lage meine Meinung darüber auszusprechen, weil derselbe noch nicht zusammengetreten ist. Ich will und wollte daher auch nicht vorgreisen. Es handelt sich bei Böhmen um eine andere Stellung, indem der Landtag in Böhmen, wenn er zusammengekommen wäre, aus einer ganz andern Grundlage beruft hätte, nämlich auf der der Allerhöchsten Entschließung vom 8. April, wogegen die übrigen Landtage auf der früheren Grundlage zusammengetreten sind.
Abg. Brauner. Ich kann mich mit dieser Antwort nicht begnügen; es handelt sich hier um ein wichtiges Princip. Gerade jetzt, wo die Frage demnächst an die Tagesordnung kommen soll, in welchem Verhältnisse die österreichischen Länder insgesamt und zu einander stehen sollen, ist es von großer Wichtigkeit, wie bei seinen Reorganisierungsmaßregeln das gegenwärtige Ministerium diese Frage auffasse. Können sie auch nicht maßgebend sein, so dürften sie doch von Einfluß auf die Verhandlung über diese Verfassungsfrage werden. Ich muß auch bemerken, daß mich keineswegs eine provinzielle Separationsrücksicht dazu bestimmt hat. Ich bekenne mich zu dem Grundsatze, und werde stets daran festhalten, daß ein constitutionelles starkes Österreich nichts Anderes als ein inniger brüderlicher Verband freier gleichberechtigter Völker sein könne, unter welchen keine Privilegien, keine Ausnahmen stattfinden dürfen. Ich müßte daher den Herrn Minister um eine bestimmte Erklärung bitten, allenfalls in einer ändern Sitzung, oder um Vorlage derjenigen Acten, die hierauf Bezug haben Minister Doblhoff. Mir sind durchaus keine Actenstücke bekannt, welche die Berechtigung vom 8. April delegiren, daher ich sie auch nicht vorlegen kann.
Abg. Brauner. Mit dieser Auskunft bin ich nun zufrieden. Präs Nachdem keine weiteren Interpellationen angemeldet find, so steht nun die Berathung über den Kudlich'schen Antrag an der Tagesordnung, und ich ersuche den Abg. Kapuszczak auf die Tribune zu treten.
Abg. Kapuszczak. Hohe Reichsversammlung! Ich will mich über die Entschädigung in Galizien und Schlesien aussprechen. Die ewige Gerechtigkeit fordert, daß Jeder, der etwas gegen seinen Willen weggibt, eine Entschädigung dafür erhalte, sie fordert eben so sehr, daß Jeder, der etwas unrechtmäßig genießt, für den unrechtmäßigen Genuß eine Entschädigung leiste. In welchem von diesen Fallen sich unsere Grundherren in Galizien befinden, soll aus Folgendem ersichtlich werden. Die Gründherren haben vorschriftsmäßig von uns Bauern Robot zu fordern, das ist unbestritten. Haben sie sich aber damit begnügt? Nein und noch mal nein! Wenn wir statt 100 Tagen 300 Tage roboten müßten, wenn wir drei bis vier Tage, ja oft mal die ganze Woche roboten mußten, und uns der Grundherr dieß nur für einen Tag gerechnet hat — ich bitte Sie, meine Herren, hat hier der Bauer oder der Grundherr zu entschädigen? "Ja aber, heißt es, der Grundherr ha den Bauer liebevoll behandelt." — Das ist wahr; wer hielte es aber für eine liebevolle Behandlung, wenn der Bauer die ganze Woche gearbeitet hat, und dann an Sonn und Feiertagen von dem Grundherrn bewirthet wird, nämlich er läßt dem Bauer Eisen anlegen, und ihn in einen Viehstall werfen, damit er in der anderen Woche fleißiger bei der Robot erscheine; und für dieß sollen die Gründherren Entschädigung erhalten? Endlich heißt es: "Der Edelmann ist human!" Das ist auch wahr, denn er munterst den ermüdeten Roboter mit Peitschenhieben auf. Beklagt sich Einer, er hätte zu schwaches Zugvieh und könne nicht erscheinen, welche Worte mußte er hören? "Spann dich und dein Weib ein!" oder "Polizei! stoße er ihm hinaus; ich bin Grundherr, ich habe Geld, ich werde bezahlen, und kann schon so etwas verantworten!" Dann heißt es: "Die Dominien haben die Bauern in ihren Rechten und in ihrem Eigenthum geschützt." — Das ist auch wahr! Aber die Dominien haben dem Einen bald ein Stück Feld, dem Andern ein Stück Hautweide weggenommen. Für diese Vorrechte sollen sie etwa entschädigt werden? Nein! Schließlich heißt es: "Die Grundherren haben uns Bauern die Robot geschenkt." Aber wird nachträglich für ein Geschenk eine Entschädigung angenommen? Ich sehe aber auch das Geschenk nicht, wann wurde es gegeben? etwa im Jahre 1836? oder dieses Jahr im Jänner? oder am 8. oder 9. März? Nein! erst am 17. April war es, nachdem die Söhne des deutschen Volkes für unsere Rechte ihr Leben als Opfer angeboten hatten! Denen sollten wir unfern Dank aussprechen und dem gütigen Kaiser, der die gerechte Bitte seines Volkes gewährte. (Beifall.) Ich bitte die hohe Versammlung: worauf sollten wir entschädigen? Das Geschenk war zu spät, da sind unser hundert Beweise, wo wir nicht als Menschen, wo wir nicht als Unterthanen, wo wir nicht als Bauern in Galizien und Schlesien angesehen waren, wo wir nur als Maschinen zur Robot angesehen, als Sclaven, als die niedrigste Menschenclasse, wo wir 300 Schritte vor dem Palaste des Gutsherrn mit abgezogener Mütze erscheinen mußten, und wollte der arme Bauer etwas beim Gutsherrn, da mußte er dem Juden etwas spendiren, denn der Jude hatte das Recht, mit dem Gutsherrn zu sprechen, der arme Bauer aber nicht. (Beifall.) Wollte der arme Bauer die Stiege des Hauses hinaufsteigen, so sagte man, er solle nur im Hofe bleiben, denn er wird den Palast beschmutzen, denn der Bauer stinkt, der Herr kann es nicht leiden in seinem Zimmer. Für jede Mißhandlung sollten wir jetzt Entschädigung reisten? Ich meine nein. Die Peitschen und Knuten, die sich um unsere Köpfe, um unsere ermüdeten Körper umgewickelt haben, damit sollen sie sich begnügen, und das soll die Entschädigung sein. (Anhaltender Beifall.)
Abg. Umlauft. Indem ich diese Rednerbühne besteige, muß ich das Bekenntniß vorausschicken, daß ich redlich und ungleich mehreren meiner Vorsprecher, sowie ich mich unbedingt für den Antrag habe vormerken lassen, auch unbedingt für den Antrag sprechen werde, entschieden für den Antrag in allen seinen Theilen. Hieraus stießt, daß ich mich vor der Hand berechtiget glaube, die Details der Entschädigungsfrage bei Seite liegen zu lassen, denn in dem neuen Antrage des Abg. Kublich liegt ja eben auch die Bestimmung über die Zusammensetzung einer Kommission, welche über die Entschädigungsfrage berathen soll, und für deren Zusammensetzung sich, wie wir hier gesehen haben, so ziemlich die Majorität der Kammer bereits ausgesprochen hat. Ich werde also meine Grunde für oder gegen die Entschädigung durchaus nicht berühren. Ich werde sie erst dann vorbringen, bis jene Commission uns einen gegründeten und gründlichen Gesetzentwurf wird vorgelegt haben. Ich spreche jetzt nur über und für das Princip. Das Princip ist die Seele des Antrages. Meine Herren, wir wollen ein lebendiges Werk schaffen; fassen wir die Seele als das wichtigste auf. Auch darüber sind von dieser Stelle schon so viele hohe, treffliche und treffende Worte gefallen, daß ich mir kaum die Anmaßung erlauben darf, noch etwas Besseres zu sagen. Ich will nun die Lichtblitze der Begeisterung, wie sie bei einzelnen kühn und unerwartet aufgetauchten Momenten der Verhandlung diesen Saal durchstoßen haben, in einen Focus zusammenfassen, und dadurch den Muth und die Entschlossenheit der hohen Kammer kräftigen und, wenn es möglich ist, zur entscheidenden augenblicklichen That anspornen. Ich möchte so gerne von der schönen Voraussetzung ausgehen, daß wir Alle hier uns in dem Einen Ziele vereinigt finden, die Freiheit, wie sie eben jetzt wieder als Ideal Den Völkern vorleuchtet, zum Siegel der Größe und Herrlichkeit unseres Vaterlandes auszuprägen; daß wir Alle uns die Pflicht ins Herz geschrieben haben, dem demokratischen Principe innerhalb der Formen constitutioneller Monarchie die unbedingteste, vollständigste Geltung zu sichern. Sind wir etwa hierher gekommen der Bureaukratie, der Aristokratie, der Plutokratie ein neues Haus zu bauen? o meine Herren! seien Sie überzeugt, daß tausend andere Hände geschäftig sein werden, dieses verruchte Werk zu versuchen.) Wir sind gekommen, der Volksherrschaft einen dauernden Tempel zu gründen. Jede Abweichung von diesem Grundsatze, das ist meine innerste Überzeugung, würde sich an uns, an der Zukunft Österreichs auf das unerbittlichste rächen. (Beifall.)